17.11.1989 - 2009 | Göttingen | 20. Todestag der Antifaschistin Conny
Mit zahlreichen Veranstaltungen, einem Kulturprogramm und einer kämpferischen Demo thematisierten FreundInnen und GenossInnen der Antifaschistin Conny die Umstände ihres Todes vor 20 Jahren. Dazu findet ihr hier Hintergrundinformationen die Mobilisierungsseite vom November 2009.Hintergründe | Termine | Veranstaltungen am 17.11.2009 | Restaurierung Conny-Gemälde in HH | Konzert | Aufruf | UnterstützerInnen | Material | Presse | Call in English | Demonstration am 14.11.2009 |
Vor 20 Jahren wurde die Antifaschistin Conny in Göttingen nach einer Auseinandersetzung mit Neonazis von der Polizei in den fließenden Straßenverkehr gejagt. Dabei wurde sie von einem Auto erfasst, durch die Luft geschleudert und war sofort tot. Das war ein politischer Mord! Hintergrund dieser Eskalation waren regelmäßig stattfindene Übergriffe von Neofaschisten gegen Linke, alternative Jugendliche und MigrantInnen in der Göttinger Innenstadt. Hiergegen organisierten autonome Antifas antifaschistische Selbsthilfe. Wurden Neofaschisten aus Göttingen und dem Umland in der Stadt gesichtet, wurden diese unmittelbar von antifaschistischen Kräften militant vertrieben. Zu solch einer Auseinandersetzung kam es auch am 17. November 1989, an der die Antifaschistin Conny involviert war. Wie häufig zuvor auch geleitete die Polizei die Faschisten sicher aus der Innenstadt und eröffnete im Anschluss eine Verfolgungsjagd gegen die AntifaschistInnen. Eine besondere Rolle nahm dabei das Zivile Streifenkommando (ZSK) ein; eine politische Polizeieinheit in zivil, die sich seit Jahren einen Kleinkrieg mit der autonomen Szene der Universitätsstadt lieferte. Dass sie Conny dabei auf der Weender Landstraße in Höhe des Indunazentrums in den fahrenden Verkehr trieben war kein Zufall, sondern sie folgten damit aktiv ihrer Gesinnung. Dies zeigt der entsprechende Spruch im Polizeifunk am 17.11.1989 um ca. 21.10 Uhr: "Ich würde sagen, wenn wir genug Leute sind, sollten wir sie ruhig mal plattmachen".
In seinem Buch Operation 1653 beschreibt Bernd Langer das Geschehen um den 17.11.1989. Das Kapitel "Der Tod von Conny W." könnt ihr hier als pdf-Datei downloaden.
Die nächsten Wochen und Monate waren in Göttingen aber auch darüber hinaus von Mahnwachen, Soliaktionen und Demonstrationen geprägt. Beispielsweise fand am 25.11.1989 eine bundesweite Demonstration in Göttingen mit 18.000 Menschen statt. Nachdem die Demo schweigend an der Todesstelle vorbeigezogen war, begab sie sich zurück in die Göttinger FußgängerInnenzone. Aus Trauer um die getötete Genossin ebenso wie aus Wut gegen Polizeistaat und faschistischen Terror wurde daraufhin die gesamte Innenstadt entglast. Vor dem JuzI in der Bürgerstraße kam es im Anschluss an die Demo zu heftigen Kämpfen mit der Polizei, bei der diese mit Steinen, Zwillen und Mollotow-Cocktails zurück geschlagen wurde. In den ersten fünf Jahren fanden jährlich Mahnwachen oder Demos zum Todestag der Antifaschistin statt. Danach folgten größere Aktionen 1997 und 1999, also 10 Jahre nach dem Mord an Conny.
Zum 20. Todestag von Conny bereiteten verschiedene Initiativen und Einzelpersonen Veranstaltungen, eine Ausstellung, ein Solikonzert und weitere Aktivitäten vor. Am Samstag, den 14.11.2009 fand unter dem Motto "Kein Vergeben, kein Vergessen!" eine kämpferische Demo in Göttingen statt. Die A.L.I. unterstützte diese Aktivitäten und bringt sich mit eigenen Aktionen ein. Auch die Jugend Antifa Göttingen (JAG) beteiligte sich. Die Internetseite des Vorbereitungskreises findet ihr hier.
Antifaschistische Geschichte sichtbar machen!
Der politische Mord an Conny in Göttingen fand auch bundesweit seinen Wiederhall. In zahlreichen Städten fanden 1989 Soliaktionen statt. In Hambug wurde beispielsweise an dem autonomen Zentrum "Rote Flora" ein Wandgemälde angebracht, das zur Demonstration am 25.11.1989 aufgerufen hat. Es war bis heute zu sehen, allerdings befand es sich in einem schlechten Zustand. Am 30. und 31. Oktober 2009 haben HandwerkerInnen und KünstlerInnen aus Göttingen, Hamburg und Bremen das 20 Jahre alte Wandgemälde wieder hergestellt. Details dieser Restaurierungsaktion sind Teil der Ausstellung "Antifaschistische Geschichte sichtrbar machen" am 17. November 2009 in der Alten Mensa in Göttingen. Mehr Infos dazu findet ihr hier.Zur Demo am 14.11.2009 wurde in verschiedenen Städten mobilisiert. In Hamburg, Bremen, Hannover und Berlin fanden Informations- und Mobilisierungsveranstaltungen mit Zeitbeteiligten und Aktivisten aus Göttingen statt. Eine rückblickende Übersicht dazu findet ihr hier.
Wir danken allen Genossinnen und Genossen, die uns durch Verbreitung von Plakten oder Aufrufen, der Organiserung von Veranstaltungen oder koordinierter Anreise und durch eine Beteiligung an der Demo unterstützt haben!
Hier findet ihr Bilder und Infos vom Solikonzert im Jugendzentrum Innenstadt JuzI am 13. November 2009.
Hier findet ihr einen kurzen Bericht, erste Fotos und unsere Presseerklärung zur Demo am 14. November 2009.
Am 20. Todestag von Conny, dem 17.11.2009, wird es sowohl die Ausstellung "Wandgemälde, Plakate, Streetart. Antifaschistische Geschichte sichtbar machen!" als auch eine Veranstaltung mit Zeitbeteiligten in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz in Göttingen geben. Anschließend werden wir gemeinsam zur Todesstelle gehen, an der bis heute ein Gedenkstein und eine Skulptur an den politischen Mord erinnern. Nach dem provokativen und respektlosen Polizeieinsatz während der Demo am 14.11.2009 rufen wir zur Beteiligung an der Mahnwache auf. Mehr Informationen dazu findet ihr hier.
Zur öffentlichen Diskussion vor der Demo am 14.11.2009
In der Woche vor der Demonstration am 14.11.2009 fand in Göttingen eine öffentliche Diskussion zum Stellenwert antifaschistischen Widerstandes in der jüngeren Stadtgeschichte und zu den eskalierenden Polizeikonzepten von Polizeipräsident Hans Wargel statt. Die Diskussion dazu in den Medien könnt ihr hier nachvollziehen.Dass es im Vorfeld der Demo überhaupt gelang Polizeichef Thomas Rath zu öffentlichen Aussagen zu drängen, die Demonstration widerstrebend auch unangemeldet durchführen zu lassen, ist für Göttingen eine besondere Situation. In den ganzen letzten Jahren war es nicht möglich Demonstrationen unangemeldet durchzuführen - weder durch politischen Druck im Vorfeld, noch durch ein offensives Auftreten auf der Straße.
Die Grüne Jugend hat in einer Presseinformation die Polizei zur Deeskalation aufgefordert. Der leitende Polizeidirektor Thomas Rath sagte auf Anfrage gegenüber dem Stadtradio, "der Anlass der Demonstration mache alle Seiten betroffen". Er hoffe auf einen friedlichen Demonstrationsverlauf, in "dessen Mittelpunkt die Trauer stehe".
Am Freitag, den 6.11.2009 war der Todestag der Antifaschistin und die bevorstehende Demonstration Thema eines Antrages der Göttinger Linken im Rat der Stadt Göttingen. Im dazu gefassten Beschluss des Rates heißt es: "Gleichzeitig fordert die Stadt von der Polizei und dem Präsidenten der Polizeidirektion, für zukünftige Demonstrationseinsätze nach dem Vorbild vergangener Jahre ein zeitgemäßes Deeskalationskonzept zu entwickeln und zu praktizieren. Wegen der Veranstaltungen zum 20. Todestag von Conny Wessmann bittet die Stadt, so der Beschluss, die Einsatzkräfte der
Polizei wie die Teilnehmer/innen der Demonstration, zu einem friedlichen Verlauf beizutragen." Genauere Infos dazu findet Ihr hier.
Termine
2.10.2009, Freitag | Hamburg | Veranstaltung mit Zeitbeiligten und zur Mobilisierung | Antifacafé HH | 20 h | Rote Flora | Schulterblatt |
30./31.10. 2009, Freitag/Samstag | Hamburg | Wiederherstellung des Wandgemädes zum politischen Mord an Conny | Rote Flora | Schulterblatt |
06.11.2009, Freitag | Hamburg | Veranstaltung mit Zeitbeiligten und zur Mobilisierung | SoL | 19 h | Brigittenstr. 5 (B5) |
06.11.2009, Freitag | Berlin | Mobilisierungsveranstaltung zur Demonstration in Göttingen mit Bernd Langer | [arab] | Meuterei | Reichenberger Str. 58 | 19 h
11.11.2009, Mittwoch | Hannover | Veranstaltung mit Zeitbeiligten und zur Mobilisierung | AAH | Infoladen Korn | Kornstr. 20/30 |
13.11.2009, Freitag | Göttingen | 21:30 Uhr | Filmvorführung "uno di noi" mit Politcafé Azzoncao Bochum | JuzI | Bürgerstr. 41 |
13.11.2009, Freitag | Göttingen | Solikonzert mit Brigada Flores Magón u.a. | Fire&Flames and A.L.I. | JuzI | Bürgerstr. 41 |
14.11.2009, Samstag | Göttingen | Demo "Kein Vergeben, kein Vergessen!" | Markt/Gänseliesel | 15 h |
17.11.2009, Dienstag | Göttingen | Ausstellung "Wandgemälde, Plakate, Streetart. Antifaschistische Geschichte sichtbar machen!" | 18 h | Alte Mensa, Wilhelmplatz |
17.11.2009, Dienstag | Göttingen | Veranstaltung mit Zeitbeteiligten am 20. Todestag | 19 h | Alte Mensa, Wilhelmsplatz |
17.11.2009, Dienstag | Göttingen | Gemeinsamer Gang zur Todesstelle | nach der Veranstaltung, ab ca. 21.30 h |
Im folgenden könnt Ihr unseren Aufruf zu den Aktionen rund um den 20. Todestag lesen und hier als PDF-Datei herunterladen:
Kein Vergeben, kein Vergessen!
Weder HeldInnen noch MärtyrerInnen
Conny in Göttingen, Silvio in Berlin, Carlo in Genua, Dax in Mailand, Thomas in Dortmund, Carlos in Madrid, Rick L. in Magdeburg, Jan in Tschechien, Feodor in St. Petersburg, Alexis in Athen... Namen, die mit zahlreichen Erinnerungen und Gefühlen verbunden sind. Eine willkürliche Auswahl aus einer langen Liste. Doch eines haben sie alle gemeinsam: keine der genannten Personen in dieser Reihe ist Held oder Märtyrer. Stattdessen sind es militante, revolutionäre Aktivisten, die für ihr Engagement für eine befreite Gesellschaft sterben mussten - entweder durch die Hand der Faschisten oder die der staatlichen Armee für innere Auseinandersetzungen, der Polizei. Ihre Aktionen stachen nicht unbedingt hervor – sie bewegten sich durchaus in dem Rahmen, in dem sich die meisten Aktionen der außerparlamentarischen Linken bewegen.
Conny war da keine Ausnahme. Am 17. November 1989 waren sie und andere AntifaschistInnen auf die Anwesenheit von Neonazis in Göttingen aufmerksam geworden und hatten sich gesammelt, um den Faschisten entgegen zu treten. Dabei wurden sie von Zivilpolizisten beobachtet und verfolgt, die Verstärkung anforderten. Als diese eingetroffen war, gingen die Mörder mit dem Funkspruch „Sollen wir sie jetzt platt machen?“ zum Angriff über. Die Antifas wurden direkt an der Weender Landstraße mit CS-Gas und Schlagstöcken attackiert – Conny wurde dabei in den Verkehr getrieben, von einem Auto erfasst und war sofort tot. Wer ihr helfen wollte wurde gewaltsam daran gehindert und mit Sprüchen wie „Ihr könnt euch gleich dazu legen“ eingeschüchtert.
Jeder antifaschistisch engagierte Mensch hätte sich zu dieser Zeit an diesem Ort befinden können. In diesen Momenten sozialer Auseinandersetzungen zeigt der Staat den Kern unter der "modernen, friedlichen und demokratischen" Hülle - sei es geplant, durch Zufall oder konfrontiert mit wachsendem Widerstand. Wird der "gesellschaftliche Konsens" in Frage gestellt, verteidigt der Staat die Grundlage seiner Existenz. Zu diesen Grundlagen gehört die Unantastbarkeit der kapitalistischen Weltordnung sowie das Monopol zur Gewaltanwendung. Und beides ist er bereit, bis zum letzten zu verteidigen.
In weiten Teilen der Gesellschaft herrscht dagegen die Vorstellung, dass die Ausübung von Gewalt nicht unmittelbarer Bestandteil unserer modernen staatlichen Institutionen ist. Lässt sich die Realität von Gewalt nicht leugnen, werden vielfältige Rechtfertigungen angeführt. Es wird behauptet, bei Gewalttaten durch Polizisten handele es sich um aus der Rolle fallende schwarze Schafe. Faschistische Morde werden als extremistische Einzeltaten gewertet. Oder schlimmer: zugunsten der Polizei wird oft angenommen, sie hätten gute Gründe haben müssen. Die Taten von Faschisten werden entpolitisiert und als Konflikt zwischen gleichermaßen „extremistischen“ Jugendgangs betrachtet. Diese Sichtweise mag für viele verlockend und naheliegend erscheinen, weil sie, und genau das ist ihr Fehler, das Wesen von Souveränität und Staatlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft verschleiert.
Der Staat: gefährlich und gewalttätig
Im Allgemeinen müssen Staaten der sogenannten Ersten Welt ihre Existenz nicht täglich mit brutaler Gewalt und Einschüchterungen durchsetzen. Die Geschichte hat mehr als einmal bewiesen, dass dieses Modell ziemlich ineffektiv und kurzlebig ist. Die hochindustrialisierte „Konsumgesellschaft“ hat den Rückgriff darauf, zumindest in den sogenannten „Industrieländern,“ immer überflüssiger gemacht. An seine Stelle ist die effektivere und langfristig stabilere Herrschaft durch Hegemonie und Konsens getreten. Ein komplexes Gewebe aus Wahlen, Mitbestimmungsrechten, Aufstiegsmöglichkeiten, sozialstaatlichen Mechanismen, Propaganda und Alltagskultur erzeugt einen sozialen Konsens aus dem ein Ausbrechen nicht notwendig erscheint. Wer dazu gehört und die Regeln befolgt kann sich sicher fühlen - zumindest in denjenigen Regionen der Welt, in denen das Kapital es sich leisten kann und von einer Gesellschaft dazu gezwungen wird.
Auch wenn diese Erscheinungsform des Staates mit allen Mitteln der Kunst beschönt und beworben wird – sie bleibt eine Erscheinungsform, hinter welcher der Kern aus Gewalt und Macht bestehen bleibt. Nicht umsonst leistet sich der Staat einen extrem teuren und komplexen Sicherheits- und Überwachungsapparat. Genau dieser Apparat steht uns in jeder direkten Konfrontation gegenüber. Manchmal, weil die Legitimität und Autorität des Staates wirklich in Frage gestellt wird, wie es während des Aufstandes in Griechenland der Fall war. Manchmal aber auch nur, um ein Exempel zu statuieren, das die sozial und ökonomisch Marginalisierten zwingen soll, sich wieder lautlos in den Terror ihres Alltagslebens zu fügen – wie in den französischen Banlieues.
Oft genug sind es zuletzt Teile des staatlichen Repressionsapparates, die aufgehetzt „über das Ziel hinausschießen“. So war der Mord an Alexis in Griechenland das Ergebnis einer umfassenden Medien- und Polizeikampagne gegen die griechischen AnarchistInnen – nicht weil es der Wille des Staates oder der herrschenden Klasse gewesen wäre, sondern weil ein übereifriger Polizist (seine Kollegen nannten ihn „Rambo“) sich die Schreckensszenarien, die in der Öffentlichkeit ausgebreitet wurden, zu Herzen nahm. Genau diese „Sollübererfüllung“ führte zu einem Aufruhr, der den griechischen Normalzustand in seinen Grundfesten erschütterte.
Der Mord an Conny ist wahrscheinlich ähnlich zu beurteilen. Weder der deutsche Staat noch die Göttinger Polizei hatten einen zwingenden Grund Conny zu töten und ganz sicher haben sie von dem folgenden Konflikt nicht profitiert. Aber in einem Gesellschaftssystem, in dem das Schlagen, Verfolgen, Überwachen, Einsperren und Terrorisieren von Personen, die radikale politische Ziele verfolgen zur Normalität gehört, ist es da verwunderlich, dass früher oder später Personen ernsthaft verletzt oder getötet werden?
Angriff ist die beste Verteidigung
Wir kämpfen für eine radikale Änderung der Gesellschaft. Nicht mehr oder weniger als die Abschaffung dieser sozio-ökonomischen Ordnung basierend auf Staat, Kapital und Patriarchat ist das Ziel. Wir kämpfen für die klassen- und staatenlose Gesellschaft auf der einfachen und doch skandalösen Basis von „Jeder und jede nach seinen und ihren Fähigkeiten, jedem und jeder nach seinen und ihren Bedürfnissen!“.
Es ist offensichtlich, dass Konflikte, Repression und Konsequenzen unvermeidbar sind, wenn Menschen versuchen, offensiv gegen die Staatsgewalt vorzugehen und mit seiner Wirklichkeit und seinen Regeln offen brechen. Um einen Gegner wie den Staat zu beseitigen, reichen Dialog und Verhandlung nicht aus.
Die Rollen als Opfer, Geschlagene, Getötete, Eingesperrte, Verfolgte, Isolierte und Marginalisierte, in die uns die Gesellschaft drängt, lehnen wir jedoch bewusst ab. Appelle an das Unrechtsbewußtsein der anständigen Bürger werden die Situation nicht ändern. Unsere Sicherheit als individuelle Militante und unsere Stärke als eine revolutionäre Kraft kann und wird nur unsere kollektive Macht als Bewegung sein.
Durch unsere Intervention in soziale Kämpfe und Klassenkämpfe erreichen wir neue Leute, radikalisieren die Kämpfe, knüpfen wertvolle Kontakte und entwickeln eine Solidaritätsgemeinschaft, an die wir uns in Zeiten von Repressionen wenden können. Die Erkämpfung, Verteidigung und der Aufbau von Freiräumen dient nicht nur dazu mehr Menschen zu erreichen, sondern ist Bedingung für gelebte antifaschistische Gegenkultur und schafft Rückzugsorte in schwierigen Zeiten. Unsere Aufgabe ist es eine revolutionäre Bewegung aufzubauen, zu vernetzen, zu schützen und eine politische Macht zu werden, um dem Staat zu zeigen, dass seine Handlungen nicht Konsequenzen bleiben.
Der deutsche Staat behandelt die radikale Linke wie er will, schlicht und einfach, weil er es sich leisten kann. Er kann uns in Massen einsperren, Hausdurchsuchungen durchführen und wahnwitzige Schauprozesse veranstalten, dass es ihm schadet oder dass es Konsequenzen hat. Er behandelt unsere Demonstrationen wie Gefangenentransporte, untersagt Identitätsschutz, auf Angriffsabwehr steht Gefängnis und sogar in dem, was wir sagen oder schreiben werden wir kontrolliert und gemaßregelt. Selbst wenn eine Demonstration auch nur versucht aus den abgesperrten Parcours auszubrechen, in welche die Polizei unsere Routen verwandelt, werden wir geschlagen, mit Pfefferspray attackiert und eingesperrt.
Unsere Aufgabe ist es, dieses Gewaltmonopol zu brechen um damit und dabei die viel größere strukturelle Gewalt in Frage zu stellen, die sich unter dem Deckmantel der parlamentarischen Demokratie verbirgt – damit meinen wir die Gewalt der Ausbeutung, die Morde durch sogenannte „Arbeitsunfälle“, die Qualen durch entfremdete und sinnlose Jobs, physische und psychische Folter mit der MigrantInnen, Gefangene und andere Marginalisierte konfrontiert werden, und vieles mehr. Der oberflächliche Frieden unserer Gesellschaft ist auf dem Leiden der scheinbar Überflüssigen gebaut und wird gestützt von der überwältigenden Unterdrückungsmaschinerie, die bereit steht, falls diese Überflüssigen doch einmal außer Kontrolle zu geraten wagen.
Für das Ende der Gewalt!
Klassengesellschaften kennen keinen Frieden. Sie sind per Definition in einem konstanten Kriegszustand. Zu unseren Waffen im Kampf gegen diesen permanenten Kriegszustand gehören Klassenbewusstsein, kollektive Organisation, Solidarität, Massenmilitanz und die unkontrollierbare Vielfalt unseres Widerstandes. Für uns ist die beste Würdigung der vom Staat Getöteten nicht Kerzen, Gedenken oder Märtyrertum, sondern unseren Beitrag zu leisten im alltäglichen Kampf gegen das System, das solche Tode nicht nur möglich, sondern unvermeidbar macht. Kämpft mit uns für eine Gesellschaft, in der die Herrschaft des Menschen über den Menschen abgeschafft ist. Kommt am 14.11.2009 nach Göttingen!
Unser Gedenken … weiter kämpfen.
Nie wieder Polizeiterror … nieder mit Staat und Kapital
Für die soziale Revolution und die staatenlose und klassenlose Gesellschaft.
Göttingen, im Oktober 2009.
Den Aufruf und die Demonstration unterstützten folgende Gruppen und Initiativen:
antifaschistische Aktion Burgantifaschistische Aktion Hannover [AAH]
antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen
antifaschistische Jugend Bochum (AJB)
antifaschistische Linke Freiburg (ALFR)
antifaschistische Linke Fürth [ALF]
antifaschistische revolutionäre Aktion Berlin [arab]
Antifa Info Pool (Hamburg)
Antifa Syke
autonome Linke Magdeburg [A.L.M.]
Politcafé Azzoncao Bochum
freie ArbeiterInnen-Union (FAU) Bielefeld/OWL
Jugendantifa Göttingen (J.A.G.)
Infoladen NmK Karlsruhe
next Steffi Karlsruhe
northeast antifascists [NEA] Berlin
organisierte Autonomie (OA) Nürnberg
radikale Linke (RL) Nürnberg
red and anarchist Skinheads (RASH) Berlin/Brandenburg
revolutionäre Perspektive Berlin
siempre antifascista
sozialistische Linke (SoL) Hamburg
sozialrevolutionärer Block Giessen
Folgende Gruppen rufen zur Teilnahme an der Demonstration auf (Stand vom 26.10.2009):
autonome.antifa [f] (Frankfurt)
Material
Den Aufruf der A.L.I. findet Ihr hier. Hier findet Ihr den Aufruf als pdf. Das Plakat der A.L.I. gibt es in drei Farben: rot, hellblau und lila. Unser Plakat könnt ihr hier als PDF-Datei herunter laden.Zur Demo gab es einen Mobilisierungs-Jingle
Auch der Vorbereitungskreis aus Initiativen und Einzelpersonen, das Aktionen zum Todestag von Conny vorbereitete, hatte ein Plakat in vier Variationen und einen Aufruf.
Ebenso gab es einen Aufruf und ein Plakat von GenossInnen aus Berlin.
Presse
»Polizei soll sich zurückhalten«
Demonstration in Göttingen soll an Tod von Conny Weßmann vor 20 Jahren erinnern
Junge Welt, 13.11.2009
Von Max Eckart
Vor 20 Jahren starb die Studentin Conny Weßmann am Rande eines Polizeieinsatzes in Göttingen. Am 17. November 1989 hatten Antifaschisten in der Stadt gegen Neonazis demonstriert, die Linken wurden von Polizisten verfolgt. »Sollen wir sie jetzt plattmachen?«, fragte einer im Polizeifunk. Die 24jährige Conny Weßmann floh auf die vielbefahrene Weender Landstraße, wurde dort von einem Auto erfaßt und starb an ihren Verletzungen.
An ihren Tod wollen an diesem Samstag zahlreiche Menschen erinnern. Zur Teilnahme an der nicht angemeldeten Demonstration haben Initiativen und autonome Gruppen aus ganz Deutschland aufgerufen. Auf Plakaten, die im Stadtgebiet geklebt wurden, steht: »Vor 20 Jahren wurde Conny von der Polizei in den Tod gejagt.« Die Göttinger »Antifaschistische Linke International« (A.L.I.) nennt in einer Presseerklärung »den Tod unserer Genossin Conny einen politischen Mord, weil das Einsatzkonzept der Polizei Verletzte und Tote billigend in Kauf genommen hat.«
Eine Sprecherin der A.L.I. forderte die Polizei auf, »sich angesichts des Anlasses der bevorstehenden Demonstration und Mahnwache deutlich zurückzuhalten. Alles andere wäre eine unerträgliche Provokation.« Die Grüne Jugend in Göttingen rief die Polizei in einem Brief ebenfalls zur Deeskalation auf. Trotz einer fehlenden Demonstrationsanmeldung solle die Polizei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht einschränken. Um Ausschreitungen zu vermeiden, bedürfe es der Mitwirkung aller beteiligten Gruppen.
Der Göttinger Stadtrat bat Polizei und Demonstranten um einen friedlichen Verlauf der Demonstration. In einem mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei mehrheitlich verabschiedeten Antrag wird Göttingens Polizeipräsident Hans Wargel zudem aufgefordert, für künftige Einsätze ein zeitgemäßes Deeskalationskonzept zu entwickeln. Es solle sich an Konzepten orientieren, die noch vor wenigen Jahren zum vergleichsweise friedlichen Verlauf vieler großer Demonstrationen beigetragen hätten. Zuletzt hatten behelmte Polizisten viele Demos in der Stadt eng begleitet oder sogar eingekesselt.
Der leitende Göttinger Polizeidirektor Thomas Rath sagte, der Anlaß der Demonstration mache alle Seiten betroffen. Er hoffe auf einen friedlichen Demonstrationsverlauf, in dessen Mittelpunkt die Trauer stehe. Rath geht von einem »größeren und sensiblen« Einsatz aus. Eine friedliche Demonstration werde die Polizei zulassen, bei drohender Gewalt aber einschreiten.
Die Demonstration beginnt am Samstag um 15 Uhr auf dem Göttinger Marktplatz. Auch an den Tagen zuvor und danach sind Veranstaltungen zum 20.Todestag von Conny Weßmann angekündigt. So gibt es heute abend im Jugendzentrum Innenstadt ein Solidaritätskonzert. Am 17. November wird in der Alten Mensa eine Plakat- und Bilderausstellung zur Geschichte des antifaschistischen Protestes in Göttingen eröffnet. Abends soll es eine Mahnwache an der Stelle geben, wo die Studentin vor 20 Jahren starb.
Polizei von Ratsbeschluss überrascht
Stadtradio Göttingen, 13.11.2009
Bei der für morgen geplanten Demonstration zum 20. Todestag einer am Rand eines Polizeieinsatzes getöteten Studentin rechnet der leitende Polizeidirektor Thomas Rath mit bis zu 700 Teilnehmern. Im Stadtradio Interview sagte Rath, nach den Ankündigungen sei die Demonstration „nicht abgeneigt, sich gewalttätig entwickeln zu können“. Er hoffe aber, dass der Protestzug wegen des Anlasses friedlich verlaufe. Angesichts des Ratsbeschlusses vom vergangenen Freitag zeigte sich Rath überrascht. Der Rat hatte Polizeipräsident Hans Wargel mehrheitlich aufgefordert, für künftige Einsätze ein zeitgemäßes Deeskalationskonzept zu entwickeln. Rath sagte, die Polizei lasse sich ungern eine eskalierende Taktik vorhalten. Das oberste Ziel sei es, die morgige Demonstration friedlich und gewaltfrei durch die Stadt zu bringen. Mit einer starken Präsenz und Kontrollen im Vorfeld sollen gleichzeitig Straftaten konsequent verhindert werden.
[107,1] Vorbereitungen zur „Conny-Demo“ am Samstag
Audiobeitrag:
http://rakete.blogsport.de/2009/11/13/1071-vorbereitungen-zur-conny-demo-am-samstag/
Eine Narbe im Asphalt
Jungle World, 12.11.2009
Vor 20 Jahren starb Conny Wessmann in Göttingen bei einem Polizeieinsatz. Der Tod der Antifaschistin war ein prägendes Ereignis für die linke Szene und die Stadt. Eine Demonstration soll an sie erinnern.
von Sören Maier
»Ich würde sagen, wenn wir genug Leute sind, sollten wir die platt machen.« Der Einsatzleiter der Polizei und die Kollegen vom Zivilen Streifenkommando in Göttingen waren sich einig, wie aus dem aufgezeichneten Funkverkehr von damals hervorgeht. Kurz darauf flüchtete die 24jährige Studentin und Antifaschistin Conny Wessmann vor den anstürmenden Polizeibeamten auf die viel befahrene Weender Straße. Sie wurde von einem Auto erfasst und starb noch am Unfallort. »17. 11. 89 Conny von den Bullen ermordet« – dieser Spruch prangte ab diesem Tag an vielen Häuserwänden und ist noch bis heute zu finden. Kommende Woche jährt sich der Todestag von Conny zum 20. Mal.
Ende der achtziger Jahre waren neonazistische Gruppen in und um Göttingen zu einem Problem geworden, nicht nur, aber vor allem für Linke. Auseinandersetzungen mit Nazis gehörten zum Alltag. Lea*, eine Antifaschistin, erinnert sich: »Egal wo du am Wochenende hingegangen bist, irgendwann kam immer der Anruf, dass irgendwo Nazis sind, und dann bist du da hin.« Bei Partys lagen Knüppel und Lederjacken griffbereit am Eingang. Mehrfach wurde auch das seit 1982 bestehende Jugendzentrum Innenstadt (Juzi) angegriffen. Einmal warfen die Nazis mit Molotow-Cocktails, ein anderes Mal fuhren sie mit einem Reisebus unter den Augen der Polizei vor.
Ausgangspunkt vieler Naziangriffe in dieser Zeit war das nahe gelegene Mackenrode. Dort hatte der Landesvorsitzende der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), Karl Polacek, eine Art Jugendheim für einsame Skinheads und zukünftige Nazi-Schläger eingerichtet. Es wurden Treffen abgehalten, neue Kader herangezogen und Propagandaveranstaltungen an Schulen sowie Überfälle in der Region organisiert. Zu Polaceks bekanntesten Zöglingen gehört der nach wie vor äußerst aktive Kameradschaftsführer und NPD-Vorstand Thorsten Heise.
Wegen der ständigen Bedrohung entwickelten sich in Göttingen nicht nur umfangreiche Diskussionen über neofaschistische Bewegungen. Auch ein antifaschistischer Selbstschutz wurde organisiert. Über Telefonketten kamen innerhalb von kurzer Zeit Hunderte Leute zusammen, und das wohlgemerkt im Zeitalter vor der Verbreitung der Mobiltelefone.
So auch am Abend des 17. November. In der Innenstadt war es zu Auseinandersetzungen zwischen Nazi-Skinheads und Autonomen gekommen, woraufhin sich mehrere Gruppen von Antifas auf den Weg dorthin machten, unter ihnen auch Conny, die zu der Zeit in einer bekannten linken Hausgemeinschaft wohnte. Als sie dort eintrafen, wurden die Nazis jedoch bereits von der Polizei aus der Stadt gebracht. Die Gruppe um Conny lief noch ein wenig in den Seitenstraßen umher, bis der Zugriff der Polizisten mit dem tödlichen Ende erfolgte. Für die beteiligten Beamten hatte der Einsatz keine Konsequenzen, nur sehr zögerlich wurden Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen, die aber kurz darauf eingestellt wurden.
Für die linke Szene und auch für die Stadt waren die Folgen umso größer. »Es war ein Schock, eine Lähmung. Sowas gab es ja schon vorher, aber bisher war das niemandem aus unserer Nähe passiert«, sagt Lea. »Es war ein Knall, der bis ins bürgerliche Lager reichte«, berichtet auch Matthias*, der damals dabei war.
Trotz der anhaltenden Hetze aus dem konservativen Spektrum gegen die Linke und das Juzi als »Hort der Gewalt« gingen eine Woche später 15 000 Menschen auf die Straße. Ein Bündnis mit dem Namen »BürgerInnen gegen Rechtsextremismus und Gewalt« gründete sich. Es regte sich Widerstand gegen die offizielle Berichterstattung, in der meist von »rivalisierenden Jugendgangs« die Rede war, und gegen die Polizei, die das Problem der rechten Gewalt ignorierte oder gar den Eindruck erweckte, als käme ihnen die Gewalt der Nazis gar nicht ungelegen. Veröffentlichte Funksprüche hatten wenige Jahre zuvor belegt, wie Göttinger Zivilpolizisten nachts Jagd auf bekannte Linke machten und was sie von ihnen hielten. »Für den würde es sich ln, Dachau wieder aufzumachen«, hieß es da. Oder: »So wie’s aussieht, bettelt der noch um Schläge.« So bezeichnete selbst das Bürgerbündnis den Tod als »tragische Konsequenz« der Polizeiarbeit und forderte die Polizei auf, sich bei der Demonstration für Conny »vollständig zurückzuhalten«.
Noch bis zu Connys drittem Todestag fanden regelmäßig – anfangs sogar wöchentlich – Mahnwachen an der Unfallstelle statt, die von einem großen Bündnis getragen wurden. Seit 1990 erinnert dort eine Metallskulptur an die Getötete, noch heute zeugt eine »Narbe« im Asphalt vom Feuer bei den Mahnwachen.
Nach ein paar Jahren kam es jedoch zu Diskussionen. »Streitpunkt war besonders das Verhältnis von persönlicher Trauer und der politischen Dimension des Ganzen«, erzählt Lea. In einem Flugblatt von 1997 wurde der politische Umgang mit der Toten, insbesondere wie ihn die Autonome Antifa M pflegte, heftig kritisiert. Conny diene »nur noch als Objekt zur Mobilisierung« und werde »unter Missachtung ihrer Individualität in den Dienst einer Bewegung gestellt, deren Teil sie zwar sicher auch war – aber eben nicht nur«. Die Antifa M hatte bereits zum fünften Jahrestag eine eigene Demonstration organisiert und war mit Bildern von Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Conny aufmarschiert. Das war gegen die szeneinterne Absprache, auf Bilder zu verzichten, um kein Märtyrertum heraufzubeschwören. Im folgenden Jahr gab es kein Bündnis mehr und nur noch einzelne getrennte Veranstaltungen.
Über den richtigen Umgang mit dem Tod von Linken, die zugleich auch Freunde waren, wird in Göttingen derzeit erneut diskutiert. Denn am kommenden Samstag wird es unter dem Motto »Kein Vergeben, kein Vergessen« nach vielen Jahren Pause anlässlich des 20. Jahrestags von Connys gewaltsamem Tod wieder eine Demonstration geben, zu der in der ganzen Republik und von fast allen linken Gruppen Göttingens aufgerufen wird. Das Organisationsbündnis verzichtet auf eine Anmeldung der Demonstration, da »wir ganz besonders an diesem Tag die Polizei sicher nicht um Erlaubnis fragen werden, um auf die Straße zu gehen«, wie Matthias betont, der im Vorbereitungskreis sitzt.
Unangemeldete Demonstrationen waren vor 20 Jahren in Göttingen die Normalität. Damals gab es aber auch eine große Zahl linksliberaler Bürger von den Kirchen bis zu den Grünen, die sich – oft mit Unbehagen – bei solchen Anlässen hinter die mehreren tausend schwarz gekleideten und behelmten Autonomen einreihte. Eine solche Zusammenarbeit ist, von Nazi-Aufmärschen einmal abgesehen, kaum noch vorhanden, könnte jedoch nun, zum 20. Todestag von Conny, eine kleine Reaktivierung erfahren.
Der Stadtrat verabschiedete am Freitag voriger Woche auf Antrag der Fraktion der Göttinger »Linken« eine Resolution, in der allen gedankt wird, »die sich aktiv gegen Neonazismus und Faschismus stellen«. Polizei und Demonstranten werden darin gebeten, »zu einem friedlichen Verlauf beizutragen«. Auch der Landesverband der Grünen Jugend fordert von der Polizei, den »legitimen Protest« trotz einer ausgebliebenen Anmeldung zuzulassen und »sämtliche Provokationen« zu unterlassen. Aus Polizeikreisen hieß es bisher nur, man hoffe auf eine friedliche Demonstration. Der Anlass mache schließlich alle Seiten »betroffen«, sagte Polizeidirektor Thomas Rath.
Conny-Demo: Entscheidung fällt am Liesel
Göttinger Tageblatt, 11.11.2009
Göttingen (bib). Ob sich der Demonstrationszug zum Gedenken an den Tod von Conny Wessmann am Sonnabend durch die Stadt bewegen darf oder nicht, entscheidet sich m Sonnabend. Die Göttinger Polizei hofft auf eine friedliche Veranstaltung. "Wir rechnen mit 500 bis 700 Demonstranten aus dem linken Spektrum", sagte Polizeichef Thomas Rath gestern dem Tageblatt. Er geht von einem "größeren und sensiblen Einsatz" aus. Und weiter: Ob wir sie marschieren lassen, entscheidet der Einsatzleiter am Gänseliesel." Dort soll um 15 Uhr der Auftakt der Demo stattfinden. Im Internet und auf Plakaten wird zur Teilnahme an der nicht angemeldeten Veranstaltung aufgerufen. Sollte sich am Gänseliesel abzeichnen, dass Gewalt oder Krawall drohen, will die Polizei die Demonstration dort auflösen. Rath: "Unser Wunsch ist eine friedliche Demonstration, die wir auch zulassen werden." Das Gedenken an den Tod der Studentin, die vor 20 Jahren bei einer antifaschistischen Aktion auf der Weender Landstraße vor ein Auto gelaufen ist, "muss man positiv begleiten", sagt Rath. Gegen Gewalttäter werde man aber konsequent vorgehen. "Gewalt unter dem Deckmantel der Trauer" wolle man keinesfalls tolerieren. Wie viele Demonstranten teilnehmen werden und welche Strecke der Zug nehmen will, ist unbekannt. Das alleine reiche aber nicht als Grund für eine Auflösung. Und: "Die Teilnahme daran ist keine Straftat", erklärt Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner. Vermutlich führt der Weg zum Mahnmal an der Weender Landstraße. Das heißt für die Polizei: "Die Planung ist flexibel. Bereits im Vorfeld der Demo werde es Kontrollen geben, auch externe Polizeikräfte werden im Einsatz sein.
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Göttinger Tageblatt, 9.11.2009
Göttingen (bib). Der Rat der Stadt Göttingen hat einen allerdings zuvor von den Grünen geänderten Antrag der Linken beschlossen. Inhalt: Die Stadt gedenkt des 20. Todestages von Conny W., die am 17. November 1998 bei einer antifaschistischen Aktion ums Leben kam. In dem Antrag wird auch die Göttinger Polizeidirektion, namentlich Polizeipräsident Hans Wargel, dazu aufgefordert, ein zeitgemäßes Deeskalationskonzept zu entwickeln und zu praktizieren, das sich an den Einsatzkonzepten orientiert, die noch vor wenigen Jahren zum vergleichsweise friedlichen Verlauf vieler Demonstrationen beigetragen haben. "Mit dem Dienstantritt von Wargel", so Tom Wedrins von der SPD, "habe sich daran einiges geändert. Man solle mit der Polizei reden, es sei nicht jedes Mal nötig, etliche Hundertschaften ranzuholen". Der Antrag, den Patrick Humke-Focks (Linke), eingebracht hatte, wurde von den Grünen kräftig geändert. Der Rat wolle auch wegen des Mottos "Kein Vergeben, kein Vergessen gegen Polizeistaat und Kapital" nicht zur Demo am 14. November aufrufen, betonte Oberbürgermeister Wolfgang Meyer. "Aber", so Dagmar Sakowsky (Grüne), "der Rat danke dennoch allen Bürgern, die sich aktiv gegen Faschismus stellen. Dadurch sei es in der Vergangenheit zu einer Klimaänderung in der Stadt gekommen". Laut Antrag bittet die Stadt zudem Demonstranten und Polizei, "zu einem friedlichen Verlauf der Conny-Demo beizutragen". CDU und FDP stimmten dem Antrag nicht zu. Holger Welskop (CDU) bezeichnete den Antrag als "überflüssig". Jeder könne selbst entscheiden ob er gedenken wolle, dafür brauche es keinen Aufruf. Zudem sei es nicht Aufgabe des Rates, über Polizeistrategien zu urteilen. Humke-Focks freute sich über den Beschluss des Antrags. Das sei ein wichtiges "Signal".
Rat bittet um friedlichen Demonstrationsverlauf
Stadtradio Göttingen, 9. November 2009
Im Vorfeld einer Demonstration am kommenden Samstag hat der Rat der Stadt Göttingen die Polizei und Demonstranten um einen friedlichen Verlauf gebeten. Ein entsprechender Beschluss wurde auf der Ratssitzung am vergangenen Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei gefasst, CDU und FDP stimmten gegen den Antrag. Hintergrund ist die Ankündigung der Demonstration zum 20. Todestag einer Studentin, die 1989 am Rande eines Polizeieinsatzes ums Leben gekommen war. Außerdem fordert der Rat Göttingens Polizeipräsident Hans Wargel mehrheitlich auf, für künftige Einsätze ein zeitgemäßes Deeskalationskonzept zu entwickeln. Dies solle sich an Konzepten orientieren, die „noch vor wenigen Jahren zum vergleichsweise friedlichen Verlauf vieler großer Demonstrationen“ beigetragen hätten. Ferner dankt der Rat allen Bürgern in Göttingen, „die sich aktiv gegen Neonazismus und Faschismus stellen“.
Grüne Jugend fordert Polizei zu Deeskalation auf
Stadtradio Göttingen, 06.11.2009
Im Vorfeld der in Göttingen geplanten Demonstration zum 20. Todestag einer am Rand eines Polizeieinsatzes getöteten Studentin hat die Grüne Jugend die Polizei zur Deeskalation aufgerufen. Hintergrund der Demonstration ist der Tod einer 24-jährigen Studentin aus der linken Szene im Jahr 1989. Dem vorausgegangen war ein Polizeieinsatz gegen die Gruppe um die Studentin in einem Stichweg am Iduna Zentrum. Beim Versuch in Richtung Campus zu fliehen, wurde die 24-jährige auf der Weender Landstraße von einem Auto erfasst und starb. In einem Brief der Grünen Jugend an die Göttinger Polizei heißt es, trotz einer fehlenden Demonstrationsanmeldung solle die Polizei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht einschränken. Um Ausschreitungen zu vermeiden, bedürfe es der Mitwirkung aller betroffenen Gruppen. Aus diesem Grund fordert die Grüne Jugend die Polizei zur Deeskalation auf. Der leitende Polizeidirektor Thomas Rath sagte auf Anfrage, der Anlass der Demonstration mache alle Seiten betroffen. Er hoffe auf einen friedlichen Demonstrationsverlauf, in dessen Mittelpunkt die Trauer stehe.
Conny W.: 20. Todestag
Göttinger Tageblatt, 03.11.2009
Göttingen (bar). Rund um den 20. Todestag der 1989 am Rande eines Polizeieinsatzes gestorbenen Cornelia Wessmann sind aus der linken Szene verschiedene Veranstaltungen angekündigt worden. Unter anderem wird für Sonnabend, 14. November, um 15 Uhr zu einer Demonstration unter dem Titel Kein Vergeben! Kein Vergessen! aufgerufen. Start ist um 15 Uhr am Gänseliesel. Bereits am Abend zuvor findet im Jugendzentrum Innenstadt, Bürgerstraße 41, ein Solikonzert statt. Für die kommenden Tage sind außerdem Mobilisierungsveranstaltungen in Hamburg, Berlin und Hannover angekündigt. Am 17. November, dem 20. Todestag, ist zudem um 19 Uhr in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz eine Veranstaltung mit Zeitzeugen geplant. Wessmann war 1989 auf der Flucht vor der Polizei vor ein Auto gelaufen.
POLITIK VON UNTEN
taz, 31.10.2009, Felix Lee
Gedenken à la Antifa
Mit einer unangemeldeten Demo wird in Göttingen des 20. Todestages der Antifaschistin Conny W. gedacht
Göttingen hatte sicherlich schon vorher den Ruf einer linken Hochburg. Doch was am 17. November 1989 geschah, hat die kleine Universitätsstadt im piefigen Südniedersachsen nachhaltiger geprägt als der zeit- und ortsnahe Mauerfall.
Im Anschluss an eine Protestaktion gegen rechtsextreme Skinheads wollte die 24-jährige Studentin Conny Wessmann mit ihrer Kleingruppe eine Polizeisperre umgehen. Als Polizisten sie verfolgten, rannte sie auf eine viel befahrene Straße und wurde von einem Auto erfasst. Sie starb noch am Unfallort. Für die autonome Szene war die Sache klar: Conny W. war von Polizisten in den Tod getrieben worden. Was die Sache zusätzlich heikel machte: Vor dem Unfall hatte ein Einsatzleiter in sein Funkgerät gesagt: Wenn genug Leute da sind, "sollten wir die ruhig mal plattmachen".
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Noch am selben Abend versammelten sich Hunderte zu einer Trauerkundgebung. Dabei blieb es nicht. In den folgenden Wochen kam es zu den größten Autonomenprotesten, die es bundesweit je gegeben hat. Die Bilder vom "Göttinger schwarzen Block" sind legendär.
Ich selbst habe die Conny-Demos erst ab Mitte der neunziger Jahre in Göttingen miterlebt. Mir persönlich waren die "Gedenkdemos" suspekt. Denn programmatisch hatten sie vor allem eine Aussage: den Polizeistaat angreifen.
Aber auch in der Göttinger linken Szene wurde das Conny-Gedenken immer wieder sehr kontrovers diskutiert. Antifas verarbeiteten den tragischen Tod zu einem Heldenmythos, während ihr unmittelbarer Bekanntenkreis stark bezweifelte, ob Conny einer solchen Märtyrerrolle je zugestimmt hätte.
Die Debatten haben nicht viel gebracht. Zum 20. Jahrestag mobilisieren dieser Tage erneut Antifas zu einer Conny-Demo. Sie haben darauf verzichtet, die Demo anzumelden: Das Versammlungsrecht gelte hin nicht mehr, wenn "Tausende Bullen die Demonstration in eine Art Gefangenentransport verwandeln und das inhaltliche Anliegen nach besten Mitteln verbergen", argumentieren sie. Wer vorbestraft ist oder keinen deutschen Pass hat, sollte sich dieses "persönlichen Risikos" bewusst sein. Ein solcher Umgang gibt Connys Freunden recht: So möchte sicherlich niemand in Erinnerung bleiben.
Never Forgive, Never Forget
Neither Heros, Nor Martyrs
Conny in Göttingen, Silvio in Berlin, Carlo in Genoa, Dax in Milano, Thomas in Dortmund, Carlos in Madrid, Rick L. In Magdeburg, Jan Kucera in the Czech Rep., Feodor in St. Petersburg, Alexis in Athens, and the list could go on and on and on. We single them out because the names are likely to inspire thoughts, memories, and emotions in your minds. But these are neither heros, nor martyrs. They were simply militants, activists, young revolutionaries who had the misfortune of being killed because of their ideas, either by Fascists or by the Police, the State`s private army. They were not singled out, nor were they involved in activities beyond the realm of what most activists/militants of the extra-parliamentary left expose themselves to.
Conny was no different. On the 17th of November she and others were alerted to the presence of Nazi skins in Göttingen. For this reason, a group of antifascists gathered to chase the Nazis out of the city. They were observed by plainclothes police, who gave chase to the antifascists and called for re-enforcements. Once they had gathered enough officers, the murderers went on the offensive. After commenting on police radio “Jetzt machen wir sie platt” they attacked the group of antifascists with batons and pepper spray. All this happened on the Weender Landstrasse. During this confrontation, Conny was chased into oncoming traffic on the busy avenue and struck by a car. She was killed immediately. People who rushed to her aide were greeted with threats such as „you can lie down next to her“ by the cops.
Any militant antifascist or revolutionary activist could have found his or herself at that time in that place. In those dark moments of the social war where the State, either by choice, by accident, or because of increased resistance, briefly takes off the mask of “modern, peaceful, and democratic” and briefly reveals the true nature of its existance, and its weapons for survival when the mirage of social consent falls apart. Namely none other than overwhelming force, violence, and a brutal defense of its monopoly of it.
Many will argue that this is not representative of “our” modern institutions. That these are “bad apples” (in the case of murdering cops), or “fringe elements” in the case of murdering Fascists. Or even worse, some will argue that “there must have been a good reason” (in the case of murdering cops), or that “it was a conflict between youth gangs” (in the case of murdering Fascists). These opinions, while tempting and to many also comforting, are dangerously ignorant of the true nature of State power.
The State: Violent and Dangerous
The modern state no longer relies on brute force and intimidation to secure its daily existance. History has proven this method to be highly ineffective in the long run, and the advent of industrial society and the consumer model have rendered it, at least in the “first” world, unecessary. Instead the model of rule via overwhelming force has been replaced with the framework of rule through social consent. A much less brutal, and indeed more effective, model is provided by the tapestry of elections, social services, benign cultural campaigns, etc. which are charachteristic of a modern first world country.
And though the state takes great care to maintain this image, it is in the end precisely that: an image. The true nature of the state, and of power in general, is that of rule via overwhelming force and violence. And it is precisely this nature which is exposed in every confrontation with the State. It is to violence and force which the State resolves when faced with challenges to what it presents as acceptable parameters of dissent. Sometimes the violence of the State stems from real challenges to its authority and the status-quo, as witnessed recently in the Greek uprising. Other times it has the purpose of attempting to restore order and keep the socially and economically marginalized quiet, as it often does in the uprisings in the French banlieues. In other cases, it is the result of the repressive arms of the state not being in line with the will of the political class and taking their role too seriously. Greece again provides here a recent example of this. A long media and police propaganda campaign against anarchists resulted in the murder of Alexis Grigoropoulos, but not because this represented the will of the Greek state and political class. Rather, it was the action of an overzealous police officer (nicknamed “Rambo” by his colleagues) which in the end caused the Greek status-quo to be shaken to its core.
The murder of Conny is probably a similar case. The German state had no need to murder Conny, and indeed the Police and the city of Göttingen certainly did not benefit from the ensuing conflict and attention. Yet in a country where, both then as well as now, the apparatus of state and police make regular sport of the beating, persecuting, surveilling, and demonizing of those with radical politics, can it really come as a surprise that sooner or later, somebody is seriously injured or killed?
Attack is the Best Defence
We seek a radical transformation of society. Nothing more and nothing less than the destruction of this socio-economic order based on the pillars of state, capital, and patriarchy, and their replacement with the principles of libertarian communism, and the simple yet scandalous basis of “from each according to his/her abilities, to each according to his/her needs.” It should be more than clear that, when searching to challenge the monopoly of violence of the state and create situations of open rupture with its reality and order, conflict, repression, and consequences are inevitable. When demanding the abolition of your opponent, dialogue and negotiation are seldom effective tools.
Therefore, we consciously reject the roles of victim, beaten, murdered, jailed, prosecuted, isolated, and marginalized which this society so often offers to us. Pleas to public opinion as to the injustices of the status quo are a futile sport. Our safety as individual militants and our strenth as a contestatory force will come from our collective power as a movement. Intervention in social and class struggles, which serve to reach new people, radicalize struggles, and create important bonds of solidarity to which we can appeal in times of repression. The erkämpfung, verteidigung, and aufbau of freiräume, places in which we can not only reach new and young people, give life to an antifascist and revolutionary counterculture, but also retreat to in times of trouble. Building a revolutionary movement, promoting vernetzung and cooperation, solidarity, and most importantly developing the strengh as a movement to show the state that its actions will not always go without consequences. Once again here we have to look towards the recent example of the insurrection in Greece, which if nothing else, has certainly achieved that cops will now think more than twice before they again point a gun at a comrade.
In contrast to this, the State treats activists of the extra-parliamentary left in Germany the way it does, plain and simply because it can afford to. It can arrest us massively, and the outcry is minimal. It can carry out hausdurchsuchungen and show trials in the most scandalously arbitrary way, and sees that it suffers little to no consequence for its actions. It can treat our demonstrations like prisoner transports, in which protecting our identity is forbidden, defending ourselves from being attacked by the uniformed thugs all around is is forbidden, and even in what we say or write we are controlled. And should the demonstration attempt to break out of the prisoner transport, it can beat, pepper spray, and arrest us with little to no consequence.
Our challenge is to break this monopoly of violence, while at the same time exposing and confronting the much greater systematic violence which behind the smile of democracy, is the inevitable basis for the existing order. The violence of exploitation, the murder of “workplace accidents,” the torture of slaving lives away at alienating and meaningless jobs, the physical and psycholigcal torment to which migrants, prisoners, and other “marginals” are subjected, and the list could go on and on. What is clear is that the apparent peace of our society is built on the suffering of those deemed expendable, and the overwhelming force which sits at the ready should these “marginals” get out of hand.
For an End to Violence!
Class society knows no peace. It is by definition a constant war. Our weapons in it are class consciousness, collective organization, solidarity, and mass militance. Our best tribute to those killed by the state is to be found not in candles, commemorations, or martyrdom, but in laying our grain of sand towards the continuation of the struggle against the conditions which make such deaths not only possible, but inevitable. Struggle iwth us for a society in which the domination of human over human is abolished. Come to Göttingen on 14.11.2009!
Our Tribute ... Continuing the Struggle!
Never Again Police Terror ... Death to State and Capital
For the Social Revolution and the Classless Stateless Society
mittlerweile gibt es erste offizielle Rückmeldungen zur bevorstehenden
Demonstration zum 20. Todestag der Antifaschistin Conny am kommenden
Samstag, den 14. November 2009.
Die Grüne Jugend hat in einer Presseinformation die Polizei zur
Deeskalation aufgefordert. Der leitende Polizeidirektor Thomas Rath
sagte auf Anfrage gegenüber dem Stadtradio, "der Anlass der
Demonstration mache alle Seiten betroffen. Er hoffe auf einen
friedlichen Demonstrationsverlauf, in dessen Mittelpunkt die Trauer stehe".