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7.10.Freienbessingen (Thr.): Kundgebung vor dem "Dschungelheim"

8.10.2006 | BlackRedPress

(brp/bfs)Anlässlich des 3. europäischen Aktionstages zu Migration organisierte das Thüringer Anti-G8 Plenum eine Veranstaltungsreihe zu diesem Thema. Diese endete mit einer Kundgebung vor der Waldsiedlung, einem Wohnheim für AsylbewerberInnen bei Freienbessingen im Kyffhäuserkreis.

Veranstaltungsreihe zu G8, Flucht und Migration

Die Veranstaltungsreihe begann am 21. September, an mehrern Tagen wurden Filme zum Leben in Lagern und zur Ferstung Europa gezeigt. In Kooperation mit The Voice refugee forum berichteten Migranten in einer Diskussionsveranstaltung von ihren Erfahrungen mit der Residenzpflicht und rassistischer Behandlung im Alltag. Das Ende der Veranstaltungsreihe sollte eine Kundgebung vor dem AsylberwerberInnenheim in Freibessingen darstellen.

Das Dschungelheim

Zwei Kilometer entfernt von Freienbessingen liegt die sogenannte "Waldsiedlung". Das AsylbewerberInnenheim ist komplett von Wald umgeben, der nächste Arzt ist 10 km entfernt, das nächste Krankenhaus 30 km.

In dieser totalen Abgeschiedenheit müssen Menschen, teilweise seit über 15 Jahren, leben und das unter völlig unwürdigen Bedingungen. Die Wasserrohre der Gemeinschaftsduschen sind verrostet, an den Wänden wachsen Schimmelpilze und auch warmes Wasser ist keine Selbstverständlichkeit. Doch auch die BewohnerInnen sind voneinander getrennt, so wohnen die Leute in qualitativ unterschiedlichen Unterkünften, was als Konzept verstanden werden kann um eine Solidarisierung untereinander zu verhindern. Mitunter wohnen vierköpfige Familien zusammengepfercht in einem Raum. Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es kaum und ein Busticket in die Stadt Sondershausen und zurück kostet 10 Euro.

Diese Verhältnisse sind Grund genug, um jenem kleinen Fleck in Nordthüringen mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Der 7. Oktober

Gegen 15:00 Uhr fanden sich ca. 40 Menschen auf dem kleinen Platz vor dem Heim ein. Die in völlig unverhältnismäßig hoher Anzahl anwesende Polizei, durchsuchte die Kofferräume der ankommenden Fahrzeuge und streute unter den BewohnerInnen das Gerücht, dass Nazis demonstrieren wollten.

An Stelle der von den Ordnungskräften angekündigten Nazis kamen Menschen, die die Forderungen der Leute im Heim unterstützen und mit ihnen für die Schließung des Dschungelheims kämpfen wollen. Es wurde ein offenes Mikrophon aufgebaut, ein Tisch mit Kuchen und Kaffee sowie viele Bälle, Reifen und anderes Spielzeug für die Kinder bereitgestellt.

Die Kundgebung wurde mit einem Redebeitrag eröffnet, der sich an die AsylberwerberInnen im Heim richtete und das Anliegen der Veranstaltung erläuterte. Das offene Mikrophon wurde rege in Anspruch genommen und die BewohnerInnen berichteten von den Menschenunwürdigen Verhältnissen im Heim und über Schickanierungen in der Schule und auf der Straße. "In der Schule nennen sie mich immer Kanacke [...] was soll das? Ich bin auch nur ein Mensch." erzählte eines der Kinder über den Schulalltag.

Nach kurzer Zeit herrschte reges Treiben am Veranstaltungsort: Leute unterhielten sich und kamen in Kontakt, spielten Fußball, liefen auf Stelzen umher oder bedienten sich am Kuchentisch. Die BewohnerInnen des Heims zeigten sich unter anderem dadurch erkenntlich, dass auch sie den Tisch weiter mit Essen und Getränken füllten.

Zwischendurch nutzte der Clown Peppie das offene Mikrophon um den Kindern wie auch den Erwachsenen Mut zu machen und mit einigen Tricks und Kunststücken die gesamte Aufmerksamkeit der Anwesenden zu bekommen.

Auch der Rest der Kundegebung die sich eigentlich eher als Party entpuppte verlief ähnlich ausgelassen und viele, vor allem Kinder fragten "Kommt ihr bald wieder?".

Obwohl es sehr ermutigend für die teilnehmenden BewohnerInnen war, zu sehen dass sie nicht vergessen sind, blieb ein großer Teil der Veranstaltung fern. Eine Frau sagte dass "[...] einige der Leute hier nicht sie selbst sind [...]". Das Leben in einem solchen Heim ist kräftezehrend und viele der Menschen sehen nur wenig Hoffnung oder versuchen eine Duldung zu erlangen und möglichst wenig aufzufallen um nicht eventuell abgeschoben zu werden.

Dennoch gab es Gespräche zwischen einigen AsylberwerberInnen und den Angereisten über das weitere Vorgehen zum Dschungelheim.

Perspektiven

Es ist jetzt vor allem wichtig, Aktionen kontinuierlich fortzusetzen um Das Thema öffentlich zu machen. In Gesprächen mit den BewohnerInnen wurde klargemacht, dass niemand die Rolle einer Vertretung für sie übernehmen kann und will, weil nur die Flüchtlinge und MigrantInnen selbst ihre Forderungen nach außen tragen können. Deshalb ist eine funktionierende Kommunikation im Heim selbst wie auch nach Außen eine wichtige Vorraussetzung für eine erfolgreiche Kampagne mit dem Ziel das Dschungelheim in Freienbessingen zu schließen.

Natürlich ist es nur ein kleiner Schritt im Kampf für Bewegungsfreiheit auch für Menschen ohne Pass und es gibt noch Tausende andere Heime und Lager die es zu schließen gilt, deshalb kann auch ein Erfolg der Kampagne nur als Teilerfolg wahrgenommen werden und muss fortgesetzt werden.

aus: BlackRedPress (Artikel und Fotos)