Plan B auf Klassenfahrt - Ein Reisebericht vom diesjährigen BUKO
26. Mai 2008 | Gruppe Plan_BWir, das sind einige Leute von Plan B, sind zum BUKO in den Pott gefahren. Der fand dieses Jahr vom 9.-12.05. unter dem Motto, "Dabei sein ist alles? - Kämpfe für Selbstbestimmung und gegen globale Ausschlüsse" in Dortmund statt. Es war der 31. Kongress der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO). Die BUKO ist ein unabhängiger Dachverband von "Dritte-Welt Gruppen", entwicklungspolitischen Organisationen, internationalistischen Initiativen, Soligruppen, Läden, Kampagnen und Zeitschriftenprojekten. Der Bundeskongress findet seit 1977 jährlich statt und soll linke herrschaftskritische Debatten befördern. Der BUKO sucht nach emanzipatorischen Perspektiven und will Solidarität (in Abgrenzung zur Hoffnung auf Almosen) und Widerstand von unten fördern. Die BUKO versteht sich als kapitalismuskritisch, wobei Unterdrückungsverhältnisse, wie Geschlechterverhältnisse, Rassismus und Antisemitismus einbezogen werden. BUKO Mitgliedsgruppen organisieren sich in einem Netzwerk, ohne durch inhaltliche Doktrinen festgelegt zu werden. Dieser undogmatische Ansatz ist durchaus sympathisch, führt aber auch zu sehr fragwürdigen Inhalten - aber dazu später mehr.
Entsprechend des selbstorganisatorischen Anspruches des BUKO sind wir nach Dortmund gefahren, um zu lernen, zu diskutieren und selbst einen Workshop mit dem Titel: "Verstehen wie wir Arbeiten" durchzuführen. Vorher haben wir aber einige Workshops besucht.
Eine Veranstaltung informierte über die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen - Frontext -, die laut Veranstalter ein neues "Leitbild der Inneren Sicherheit" verkörpert. Die Behörde hat an sich nur rund 100 Mitarbeiter_innen, stellt aber vor allem durch ihre Vernetzungstätigkeit ein wirksames Instrument der Abschottung dar. Mit einer effektiven Vernetzung von Staatlichen Behörden, quasi-militärischer Grenzsicherung und der Pflege der gut geschmierten Abschiebemaschinerie dient Frontex dazu, die Sortierung von Menschen nach Verwertbarkeit zu optimieren.
Der Workshop "Eingesperrt? Ausgesperrt!" thematisierte die Ethnisierung von Gewalt gegen Frauen und die migrationspolitischen Folgen. Jahre hat es gedauert, um die Probleme migrantischer Frauen zu thematisieren: patriarchale Familienstrukturen, Mißachtung, fehlende Unterstützung für selbstgewählte Lebensentwürfe bis hin zu den heute oftmals zitierten Zwangsehen. Heute sind patriarchale Zwänge ein Thema - allerdings nur am Beispiel muslimischer Familien. Gewalt gegen Frauen wird jedoch weltweit tagtäglich ausgeübt. Der Blick durch die Ethno-Brille verschleiert diese Tatsache und verhindert, dass sich gemeinsame Kämpfe von Frauen entwickeln können. So entsteht das Bild der emanzipierten Frau in der westlichen Welt, die ihren Schwestern aus den weniger zivilisierten Gegenden hilft: kein schöner Anblick. Migrantinnen werden zum Objekt von Hilfsangeboten, Frauenorganisationen hier unterliegen teilweise dem Mißverständnis, der Kampf gegen Sexismus hierzulande sei schon (fast) gewonnen.
Das historische Einstiegsreferat des Workshops "Blick zurück nach vorn? Klassenkämpfe und Arbeiterbewegung in der Geschichte" beschrieb die Zeit von 1870-1920 im deutschen Raum als eine Zeit der Durchsetzung wichtiger Rechte. Ein kritischer Blick auf die Arbeiterbewegung wurde leider durch den fatalistischen Blick auf die zeitgemäßen Gegebenheiten verwischt. Die Politik von "Zuckerbrot und Peitsche" war mächtiger als die Arbeitermacht. Kooperatismus ersetzte die Intervention. Die erwartete kontroverse Diskussion wurde zu einer rechtfertigenden Verteidungsrede der klassischen Arbeiterbewegung.
In der Veranstaltung "neue soziale Zentren" wurde deren Rolle für die sozialen Bewegungen dargestellt. Die abnehmende Wirkungsmächtigkeit und die Renaissance der Zentren in jüngerer Zeit wurden am Beispiel von sozialen Zentren in Barcelona und dem Bethanien in Berlin beleuchtet. Sehr bezeichnend war dabei der Unterschied, den die Projekte in ihrer Bedeutung für soziale Bewegungen einnehmen. Während es in Barcelona gelingt, migrantische Organisationen und Arbeitsloseninitiativen in die Zentren zu integrieren, dümpelt das Bethanien, zumindest nach Aussage einiger anwesender Gäste, trotz zahlreicher Anstrengungen, größtenteils in der eigenen Szene herum. Soziale Zentren sollten ein Mittel sozialer Bewegungen sein, in die Gesellschaft zu intervenieren. Gelingt dies nicht, muß das Projekt aufgegeben und nach neuen Interventionsmöglichkeiten gesucht werden - ein Grundsatz der hier zu Lande zumindest stärker diskutiert werden sollte. Dass soziale Zentren gerade in kleineren Städten häufig die einzigen Orte sind, die eine linke Szene überhaupt am Leben halten, wurde nicht thematisiert
In "Ancient Futures: Lernen von Ladakh" wurden völlig unkritisch die traditionelle Verhältnisse in der indischen Provinz Ladakh verherrlicht, ohne auf die Probleme religiöser und patriarchaler Machtverhältnisse einzugehen. Dagegen schilderte man uns jeglichen sozialen Wandel allein unter dem Gesichtspunkt der schädlichen Zersetzung sozialer Strukturen. Ein durchaus positives Licht auf die Internationalismus-Szene wirft die Tatsache, daß nur sechs Leute zur Filmvorführung im großen Hörsaal gekommen sind und es keine einzige positive Rückmeldung zu der platten Verklärung des Einfachen Lebens in traditionellen Herrschaftsstrukturen gab.
Der Workshop "Frauen in der kurdischen Guerilla" drehte sich um eine Buchvorstellung. Noch vor der Gründung der PKK waren Frauen unter den ersten kämpfenden Einheiten, die sich in den 70er Jahren in die Berge zurückzogen. Später war die Entscheidung, in die Guerilla zu gehen, für viele Frauen die einzige Alternative zum traditionellen Leben in der kurdischen Großfamilie. In der PKK hatten sie größere Freiräume, später eigene Einheiten. Die Besuche in den Dörfern verwirrten: Frauen ohne Kopftücher, dafür bewaffnet, mit eigenen Kommandantinnen. Der Schritt in die Guerilla bedeutete viel, es gab kein Pendant zum Bild des männlichen Kämpfers, an das sich andocken ließe. Der Schritt war oftmals groß genug, um sich anschließend als ausreichend emanzipiert anzusehen. Die Referentin erzählte vor allem aus ihren Erfahrungen.
Zu unserem Workshop erschienen dann ca. 20 Personen - mehr als erhofft. "Wir arbeiten in EU Projekten, Bundesprogrammen, kleinen Bildungsträgern, Unis und Vereinen und Stiftungen. Unsere Jobs sind schlecht bezahlt, immer befristet und um einen Folgeantrag müssen wir uns selbst kümmern - meistens unbezahlt. Trotzdem sind die meisten hoch motiviert, denn es geht ja um Emanzipation und Selbstverwirklichung. Einen Chef, mit dem man sich um Arbeitsbedingungen streiten könnte, gibt es nicht. Folglich nimmt die Selbstausbeutung krasse Züge an. Wir fragen uns in dieser Situation, wieso wir immer erwarten, dass andere sich gegen ihre Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen, wenn wir es nicht tun. Deswegen wollen wir besser verstehen, wie die Arbeitsverhältnisse in der Projekt-Szene funktionieren."
Unter dem Titel "Verstehen, wie wir arbeiten" stellten wir diese Fragen in unserem Workshop zur Diskussion. Den Dreh- und Angelpunkt bildete unser gerade anlaufendes Projekt einer Militanten Untersuchung. Militante Untersuchung heißt, Fragen zu stellen nicht mit dem Wunsch nach neuen Sozialdaten, sondern um mit Menschen in ihrem Alltag Protest- und Widerstandsmöglichkeiten zu diskutieren oder - dem momentanen Stand entsprechend - für die Probleme zu sensibilisieren. Das Projekt ist purer Eigennutz: Viele von uns arbeiten derzeit unter merkwürdigen bis lausigen Bedingungen in ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen und für zu wenig Geld. Und niemand von uns hat eine Idee, wie dem abzuhelfen wäre. Wir sind keine Expertinnen, sondern selbst grad ziemlich ratlos.
Bei der beginnenden Vorstellungsrunde stellten wir fest, dass die von uns genannten Erfahrungen nicht nur von uns selbst, sondern auch von vielen TeilnehmerInnen geteilt wurden. Es zeigte sich dabei, dass die Thematisierung des eigenen Arbeitsalltags wirklich eine Leerstelle im linksradikalen Selbstverständnis ist.
Wir haben vermieden, zu Beginn allgemeinere Thesen und generelle Probleme in diesem Bereich zu formulieren. Wir wollten nicht als Experten auftreten und so tun als wüsten wir schon mehr als wir wissen. Dies hat sich schließlich als sehr gewinnbringend für die Diskussion herausgestellt. Es beteiligten sich recht viele Teilnehmerinnen und gemeinsam wurden zahlreiche Ebenen und Probleme auf dem Feld der Projektarbeit gesammelt, die für uns wertvolle Anregungen darstellen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Trennung Arbeit vs. Freizeit bei geistiger Beschäftigung mit hohem identitätsstiftenden Charakter so haltbar ist. Was passiert denn, wenn man nach der Konzeptarbeit für das Antira-Projekt (Honorartätigkeit) zum Vorbereitungstreffen für die Katzhütte- Aktion geht (Freizeit)? Oder, vielleicht gravierender, wenn man auf der Fahrt zum Treffen dann doch wider aller guten Vorsätze doch noch mal über die Förderrichtlinien nachgrübelt? Und wie gehen wir mit der Konkurrenz um, die sich auch im Bereich freier Projektarbeit immer wieder einstellt? Obwohl Militante Untersuchungen gerade ziemlich im Trend liegen, fanden wir kein vergleichbares Projekt (Konkurrenzkampf Nummer Eins bestanden), das die Arbeitsbedingungen der Aktiven selbst in den Mittelpunkt stellte. Wir berichten also zukünftig weiter.
Neben vielen interessanten Veranstaltungen glänzt der BUKO vor allem mit einer entspannten Atmosphäre. Die inhaltliche Auseinandersetzung findet in einem Klima gegenseitigen Respekts statt - ganz anders als bei den Beliebtheitswettbewerben für Erkenntnissekten, die man bei diversen Kapitalismus-Kongressen angucken kann. Das sonnige Wetter und die entspannte Atmosphäre ließ Vorfreude auf die beginnende Camp(ing)-Saisson aufkommen. Und auf den nächsten Buko.
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