Am 25.10.2014 gingen vierhundert Menschen für „Wohnraum für Alle!“ auf die Straße und demonstrierten lautstark für ein Recht auf Stadt und eine selbstbestimmte Wohnkultur. Im folgenden findet ihr den Redebeitrag der BL, in dem wir auf aktuelle Kämpfe von Geflüchteten, die gegen die Wohnverhältnisse protestieren, informieren und Solidarität mit diesen Kämpfen fordern:
„Wir sind heute hier auf einer Demo bei der es hauptsächlich um studentischen Wohnraum geht. Wir finden es richtig und wichtig, dass studentische Interessen auf der Straße präsent sind. Wenn wir in dieser Weise bezahlbare und selbstverwaltete Wohnungen einfordern, stellen wir unsere legitimen Ansprüche über Profitinteressen und vermeintliche Sachzwänge. Damit stellen wir faktisch eine gesellschaftliche Ordnung in Frage, die die Bedürfnisse der meisten Menschen negiert. Konsequent fortgeführt, kann das der erste Schritt sein, um Teil einer Bewegung zu werden, die darauf abzielt, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.
Dafür ist es aber wichtig, nicht bei der eigenen Betroffenheit stehen zu bleiben, sondern zu berücksichtigen, dass andere gesellschaftliche Gruppen ebenso bzw. oft noch weit stärker unter diesen Verhältnissen leiden. Wer nicht über den eigenen Tellerrand blickt, ist nicht nur unsolidarisch, sondern wird auch nicht erfolgreich sein. „Teile und herrsche“ war schon immer eine der beliebtesten Strategien, um soziale Bewegungen zu zerschlagen und die bestehenden Zustände aufrecht zu erhalten. Auch wenn es um Wohnraum geht, ist die offizielle Politik ganz versessen darauf, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen: Erasmus-Studierende gegen andere Studierende, Studierende gegen ALG-2-Empfänger_innen, ALG-2-Empfänger_innen gegen Flüchtlinge. Wenn wir uns hier spalten lassen, haben wir schon verloren. Deshalb wollen wir das Motto der heutigen Demo ernst nehmen. Es lautet „Wohnraum für Alle“ und so ist es auch gemeint. Deshalb wollen wir hier und heute explizit unser Solidarität mit anderen betroffenen Menschen erklären. Und deshalb wollen wir heute nicht nur über Studierende reden.
Ganz konkret wollen wir stattdessen über Flüchtlinge sprechen. Vor etwa einem Monat haben Flüchtlinge hier in Göttingen die Initiative ergriffen, um zusammen mit Unterstützer_innen gegen ihre Wohnbedingungen zu protestieren. Gemeinsam sind wir zum Neuen Rathaus gegangen, um die zuständigen Behörden unmittelbar mit der unhaltbaren Situation und unseren Forderungen zu konfrontieren.
Viele Flüchtlinge sind seit Jahren auf der Suche nach Wohnungen. Weil sie keinen festen Aufenthaltsstatus, sondern nur kurzfristige Duldungen erhalten, haben sie keine Chance bei Vermieter_innen. Stattdessen werden sie von der Stadt genötigt, eine Unterbringung in maroden Häuserblocks im Rosenwinkel und im Neuen Weg zu akzeptieren. Die Ausstattung dort ist desolat, die Zimmer sind überbelegt. Konkret heißt das zum Beispiel, dass 8 Personen in 2 bis 3 Zimmern mit nur einer Kochplatte, einer Dusche und einem WC leben müssen. Diese Wohnsituation ist ein Teil der vielgesichtigen ausgrenzenden Politik gegen Flüchtlinge. Sie missachtet das grundlegende Recht auf ausreichenden und menschenwürdigen Wohnraum. Deshalb greifen wir hier die Forderungen auf, die im Rahmen der Protestaktion vor vier Wochen artikuliert worden sind:
- Wir fordern die ausreichende Versorgung nach den Bedürfnissen der Bewohner_innen und die freie Wahl der Wohnung.
- Wir fordern den Zugang zu allen leerstehenden Häusern in Göttingen.
- Wir fordern die bedingungslose Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz.
- Duldung abschaffen! Abschiebungen verhindern! Bleiberecht für alle!
Als wir vor vier Wochen anlässlich der schlechten Wohnsituation bei der Ausländerbehörde protestiert haben, waren wir noch relativ wenige. In Kürze werden wir erneut dort hingehen und die Verantwortlichen mit den Folgen ihrer Politik konfrontieren. Wir hoffen, dass beim nächsten Mal viele von euch mit dabei sind, um eben jenes Motto, unter dem wir hier heute gemeinsam demonstrieren, mit Leben zu erfüllen. Damit wir gemeinsam Teil einer Bewegung werden, die die Verhältnisse zum Tanzen bringt.“