Die Eröffnung eines Kontos — eigentlich eine selbstverständliche Angelegenheit — wird Flüchtlingen vielerorts verwehrt. Bereits im April verkündete die Stadt, dass dies nun in Göttingen aufgrund einer Einigung mit der örtlichen Sparkasse möglich sei. Geflüchtete aus Göttingen protestierten am Vormtittag, um darauf aufmerksam zu machen, dass dies bisher nicht der Fall ist und ihnen weiterhin die Kontoeröffnung verwehrt wird. Im Folgenden dokumentieren wir den Infoflyer für Passant*innen sowie die Pressemitteilung zur Aktion.
Pressemitteilung: Protest vor der Sparkasse für Konten für Geflüchtete
Am heutigen Donnerstag, den 30.07.2015, versammelten sich etwa 35 Geflüchtete und Unterstützer_innen vor der Filiale Kreishaus der Sparkasse in der Reinhäuser Landstraße. Die Geflüchteten wollten dort Konten einrichten, nachdem eine geflüchtete Person gestern in der Sparkassenzentrale in der Weender Straße die Auskunft erhalten hatte, dass dies dort möglich sei. Mehrere Personen gaben daher an, ein Konto eröffnen zu wollen. Nach Gesprächen mit verschiedenen Mitarbeiter_innen erhielten die Geflüchteten die Auskunft, dass eine Kontoeröffnung zum jetzigen Zeitpunkt aus technischen Gründen nicht möglich sei – die verwendete Bearbeitungssoftware akzeptiere die Angaben auf den provisorischen Ausweisen nicht. Außerdem sei die Kontoeröffnung noch nicht mit der Stadt Göttingen abgesprochen. Herr Thewes, der Filialleiter, erklärte jedoch, die Sparkasse stünde in Verhandlungen mit der Stadt, und fand klare Worte: „In drei Wochen ist das durch.“
Daraufhin beschloss eine kleinere Gruppe von Geflüchteten, auch noch die Sparkassenfiliale in der Weender Straße aufzusuchen um zu erfahren, warum sie am Vortag überhaupt an die Filiale im Kreishaus verwiesen worden waren. Nach einigen ausweichenden Antworten wurde erklärt, es habe sich um einen Fehler gehandelt, da sich die Ausweisdokumente nur schwer von regulären Reisepässen unterscheiden ließen. Außerdem würden Geflüchtete aufgrund der „unsicheren Rechtslage“ generell an die Filiale im Kreishaus verwiesen.
Die Frage, warum eine Kontoeröffnung speziell in Göttingen im Gegensatz zu anderen Städten wie Hannover oder Hamburg noch immer nicht möglich sei, beantwortete eine Mitarbeiterin mit folgenden Worten: „Was in anderen Städten passiert verstößt gegen geltendes Gesetz. Wir von der Sparkasse in Göttingen halten uns an das Gesetz.“
Seit längerem wird von Geflüchteten und Unterstützer_innen gefordert, dass Geflüchtete auch mit Duldungsstatus endlich Girokonten erhalten. Die Verfügung über ein Konto ist in den allermeisten Fällen Voraussetzung für den Eintritt in Arbeits– und Mietverhältnisse sowie für viele Kaufverträge. Zu diesen Benachteiligungen kommt die Praxis der monatlichen Barauszahlung der Sozialleistungen im Neuen Rathaus. Bisher müssen die Betroffenen Monatsende für Monatsende, in einzelnen Fällen auch Woche für Woche bei der Behörde vorsprechen, um dort die ihnen zustehenden Geldbeträge abzuholen. Das stundenlange Warten im tristen Eingangsbereich des Rathauses mit über hundert Personen stellt insbesondere für Eltern oder Kranke eine extrem stressige Situation dar
Bereits im April hatten Stadt und Sparkasse gegenüber dem Göttinger Tageblatt und dem Integrationsrat verkündet, dass eine Kontoeröffnung für geduldete Flüchtlinge nunmehr möglich sei. Dies stellte sich für Geflüchtete, die daraufhin eine Kontoeröffnung versuchten, jedoch bald als Falschinformation heraus.
Der praktische Versuch einer Kontoeröffnung soll die Forderungen nach gleichberechtigter Teilnahme an dieser Gesellschaft, gleichen Rechten für alle Menschen und nach einem Ende der diskriminierenden Sondergesetze für Geflüchtete unterstreichen.
Kein Mensch ist illegal!
Bündnis gegen Abschiebungen
Konten für alle – auch für Geflüchtete!
Ein Konto zu besitzen erscheint als alltägliche, geradezu selbstverständliche Angelegenheit. Ob beim Eintritt in den Beruf, das Eingehen eines Mietverhältnisses oder bei einer einfachen Bestellung im Internet, an wie vielen Stellen führt heutzutage kein Weg an der Angabe eines Kontos vorbei. Dennoch stehen Flüchtlinge in Deutschland vor massiven Schwierigkeiten, wenn sie versuchen wollen, ein eigenes Konto einzurichten. Dies hängt damit zusammen, dass die Banken ihre Ausweisdokumente (Aufenthaltsgestattungen bzw. Duldungen) für nicht ausreichend erachten. Sie verweisen in diesem Zusammenhang u.a. auf das sogenannte Geldwäschegesetz, also eine gesetzliche Regelung, die offiziell dem Kampf gegen organisierte Kriminalität (nämlich dem “Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten”) dienen soll. Hier wird sie aber als pauschaler Vorwand und Legitimation genutzt, um einer Personengruppe die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verweigern.
Aus diesen Benachteiligungen ergibt sich auch die diskriminierende Praxis der monatlichen Barauszahlung der Sozialleistungen. In Göttingen müssen die Betroffenen Monatsende für Monatsende – in einzelnen Fällen auch Woche für Woche – bei den Behörden vorsprechen, um dort die ihnen zustehenden Geldbeträge abzuholen. Das stundenlange Warten im tristen Eingangsbereich des Rathauses mit über hundert Personen stellt insbesondere für Eltern oder Kranke eine extrem stressige Situation dar. Obwohl Sparkasse und Stadt Göttingen bereits im April im Göttinger Tageblatt verkündeten, dass in Göttingen aufgrund einer lokalen Vereinbarung alle Geflüchteten ab sofort Konten eröffnen können, wird dies den Betroffenen weiterhin verwehrt!
Diese systematische Benachteiligung wollen wir nicht länger hinnehmen! Das grundlegende Anrecht der Flüchtlinge auf ein Konto lässt sich nicht durch formale und bürokratische Argumente unter den Tisch kehren. Es geht um die Möglichkeit gleichberechtigter Partizipation an dieser Gesellschaft, um gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben, und das Ende der diskriminierenden Sondergesetzgebung für Geflüchtete!