Die Basisdemokratische Linke begrüßt, dass das Projekt „Our House OM10“ mit seiner jüngsten Stellungnahme den Blick erneut auf die menschenunwürdige Unterbringungspolitik in Göttingen lenkt. Statt endlich gegen Leerstand vorzugehen und durch sozialen Wohnungsbau adäquaten Wohnraum zu schaffen, setzt die Stadt die Verelendungspolitik der letzten Jahre in verschärfter Form fort.
„Faktisch verwirklicht die Stadt Göttingen gerade eine Unterbringungspolitik, die große Nähe zu den viel kritisierten Äußerungen Hartmut Tölles aufweist. Sie isoliert Geflüchtete von der restlichen Stadtbevölkerung und verdrängt sie aus dem öffentlichen Raum, indem sie Massenunterkünfte in Gewerbegebieten und Stadtrandlagen errichtet. Mit 400 anderen Personen in einem Hochregallager zusammengepfercht zu werden, hat mit menschenwürdigem Wohnen nicht das Geringste zu tun. Solche Unterkünfte bieten keinerlei Privatsphäre und führen bekanntermaßen zu einer erheblichen Zunahme von psychischen und physischen Krankheiten“, erklärt eine Sprecherin der Basisdemokratischen Linken.
Die völlig unzureichende Unterbringung lässt sich dabei nicht nur auf die gestiegenen Geflüchtetenzahlen des letzten Sommers zurückführen. Schon zuvor war die Wohnsituation von Geflüchteten in Göttingen in höchstem Maße problematisch. Bereits 2014 protestierten Betroffene gegen die ihnen zugemuteten Wohnbedingungen (http://www.inventati.org/blgoe/index.php/arbeitskreise/ak-antira/46-zur-aktuellen-situation-der-gefluechteten-in-goettingen).
Die angespannte Lage auf dem Göttinger Wohnungsmarkt ist seit Jahren bekannt. Die Stadt hat es aber unterlassen durch die Schaffung neuen Wohnraums oder die Nutzbarmachung leerstehender Gebäude darauf zu reagieren. Nach wie vor gibt es keine nennenswerten Aktivitäten im Bereich des sozialen Wohnungsbaus. Die für einige der Geflüchtetenunterkünfte ins Gespräch gebrachte Nachnutzung als Sozialwohnungen ist eine Farce: Zum einen entspringt sie der Vorstellung, dass die jetzigen Bewohner_innen in absehbarer Zeit wieder „verschwinden“ werden. Sie hat also eine massive Abschiebepolitik zur Voraussetzung, der wir und viele andere Göttinger_innen unseren entschlossenen Widerstand entgegenstellen werden. Zum anderen wird sie zu einer weiteren Absenkung des Wohnstandards für Menschen mit geringem Einkommen führen, indem sie die schlechten Bedingungen der jetzt gebauten Geflüchtetenunterkünfte auch für andere Gruppen wie Studierende, ALG-II-Empfänger_innen, Auszubildende usw. zur Normalität macht.
In Göttingen zeigen sich aktuell die dramatischen Folgen einer Wohnungspolitik, die sich im Wesentlichen auf private Investoren verlässt. Das beschert zwar Immobilienunternehmen glänzende Gewinne, ist aber grundsätzlich nicht dazu geeignet, die Bedürfnisse der hier lebenden Menschen nach Wohnraum zu erfüllen. Zur Verwirklichung eines so grundlegenden Menschenrechtes wie des Rechts auf Wohnen darf sich eine Gesellschaft nicht nur auf Unternehmen verlassen, deren eigentliches Ziel immer nur Profit ist. Stattdessen müssen Lösungen gefunden werden, die Menschen langfristig ein Leben jenseits von Mietrendite und Immobilienspekulation ermöglichen. Die unmittelbare Aneignung durch Besetzungen ist dafür ein wichtiger Schritt. Noch entscheidender ist aber ein umfassendes Programm sozialen Wohnungsbaus, das die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt. Es kann nicht darum gehen, private Investoren zu subventionieren und auf diese Weise niedrigere Mieten und Belegungsrechte lediglich für wenige Jahre festzuschreiben. Eine solche Politik verursacht nicht nur hohe Kosten, sie ist schlichtweg keine Lösung, sondern lediglich eine Verschiebung des Problems in die nahe Zukunft. Stattdessen müssen Wohnungen geschaffen werden, die dauerhaft in öffentlichem Besitz bleiben. Das ist nicht nur langfristig günstiger, sondern derzeit der einzige Weg, um eine tatsächliche Verbesserung der Wohnraumsituation in Göttingen zu erreichen. Eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Wohnraumpolitik kommt allerdings letzten Endes nicht umhin sich auch die Frage nach einer Vergesellschaftung der Wohnraumversorgung zu stellen.