Der Freundeskreis – Eine Neonazigruppierung

Redebeitrag der BL im Rahmen der Gegenkundgebung gegen die geplante Demonstration des Freundeskreises in Dransfeld:

Als der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ Ende letzten Jahres das erste Mal an die Öffentlichkeit trat, taten sich antifaschistische Strukturen, und damit auch wir, mit einer genauen politischen und ideologischen Einordung schwer. Viele unbekannte Gesichter, die bis dato noch nicht politisch in Erscheinung getreten waren, nahmen an den ersten „Freundeskreis“-Kundgebungen teil. Mit diesen lauschten nur vereinzelt Neonazis den demagogischen Reden von Jens Wilke, der dabei konkrete politische Aussagen vermied. Mit dem Burschenschafter Lars Steinke als Anmelder und als Teil der sogenannten „Ein-Prozent-Kampagne“ war zudem eine Nähe zur „Neuen Rechten“ zu vermuten.

Nun, spätestens nach der Bekanntgabe, bei den kommenden Kommunalwahlen auf Wahllisten der NPD anzutreten, ist endgültig klar: Der Freundeskreis ist nichts weiter als eine neonazistische Splittergruppe. Dies zeigt sich nicht nur an den stetig sinkenden TeilnehmerInnenzahlen der Kundgebungen, auf denen sich inzwischen nur noch altbekannte Gesichter der neonazistischen Szene versammeln. Oder daran, dass die Mitglieder des Freundeskreises auf neonazistischen Demonstrationen, wie am vergangenem Samstag in Dortmund. Es zeigt sich auch immer mehr in den politischen Positionen des schrumpfenden „Freundeskreises“ um Jens Wilke, Jan Philipp Jaenecke und Fabian Schwedhelm, die wir im Folgenden grob skizzieren wollen.

Der Freundeskreis vertritt zum einen altbekannte völkisch-rassistische Positionen. So fordert er seit seiner Gründung ein „Europa der Vaterländer“. Diese Forderung, welche sich unter dem Slogan „Deutschland den Deutschen“ zusammenfassen lässt, teilt der „Freundeskreis“ mit der NPD wie auch mit der AfD.Zum anderen vertritt er auch dezidiert antisemitische Positionen. Die derzeitigen Migrationsbewegungen in die Europäische Union sieht er als Teil des angeblichen Kalergi-Plans. Inhalt dieser Verschwörungstheorie ist es, dass die sogenannte „Weiße Rasse“ Europas auf Initiative jüdischer Eliten mit Menschen nicht-weißer Hautfarbe vermischt werden soll. Aktuell glaubt der „Freundeskreis“ also: Unbekannte jüdische Strippenzieher hätten mit den politischen Eliten den allumfassenden Plan einer „Umvolkung“ beschlossen, damit die bestehende Kultur Europas zerstört, damit vor allem Deutschland vernichtet werde. Dieser Irrglaube an den sogenannten Kalergi-Plan, ohne jeden rationalen Bezug, ohne jede Fähigkeit einer ernsthaften politischen Analyse, ist in seiner Wahnhaftigkeit sogar im völkischen Lager verschrien. Er wird selbst von extrem rechten Autoren als „kindisch gefälschte Verschwörungstheorie“ bezeichnet.

Dieser Antisemitismus zeigt sich auch in der Forderung nach der Abwehr eines „Raubtierkapitalismus“. So wird etwa TTIP vom „Freundeskreis“ nicht deswegen kritisiert, weil es Verschlechterungen der Arbeitnehmer*innenrechte und eine Absenkung demokratischer Mindeststandards mit sich bringt – also wegen Maßnahmen zum Schaden der Menschen, die nur dazu dienen, dass die nationalen Märkte dies– und jenseits des Atlantik im globalen Konkurrenzgerangel auch weiterhin gegenüber aufstrebenden Staaten wie Indien oder China bestehen können. Nein, für Wilke und Co. geht es um die Abwehr finsterer Pläne ominöser „Marionetten der Hochfinanz“ von der „Ostküste der USA“. Sie verbreiten auch hier die Neuauflage jener antisemitischen Stereotype, die ideologische Grundlage für die Shoah, also für die Vernichtung des europäischen Judentums waren.

Zu guter Letzt ist der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ auch ein klassischer Männerbund. War der Frauenanteil auf ihren Veranstaltungen ohnehin verschwindend gering, werden ferner die wichtigsten organisatorischen und repräsentativen Aufgaben nur von Männern übernommen. Ob Lars Steinke, Jaenecke oder insbesondere Wilke als zentrale Figur des Freundeskreises: Anmeldung, Ordnerdienste, und vor allem Reden und Veröffentlichungen werden von Männern übernommen. Auch im Kontext der massiven sexuellen Übergriffe der Kölner Silvesternacht, nach welcher die TeilnehmerInnenzahlen der „Freundeskreis“-Kundgebungen kurzzeitig beinahe dreistellig waren, wurde Frauen* keine aktive Rolle zugestanden. Stattdessen wurde kritisiert, dass deutsche Männer „ihre Frauen“ nicht mehr beschützen könnten. Anstelle einer feministischen Selbstermächtigung gegen sexuelle Gewalt verneint der „Freundeskreis“ aktive politische Rollen von Frauen*. In der Vorstellung der männlichen „Beschützer“ des „Freundeskreises“ kommen sie nur als passive Schutzobjekte vor.

Noch darüber hinaus sind im öffentlichen Auftreten des „Freundeskreises“ auch klassische faschistische Männerbilder erkennbar. Wenn Wilke in selbstherrlicher Pose stetig wiederholt, man solle nicht „labern“, sondern „machen“, und auf Facebook verkündet, man solle nicht politische Detailfragen diskutieren, sondern auf die „Straße gehen“ und „kämpfen“, dann spricht er die Sprache männlicher Faschistenführer der 1920er und 1930er Jahre. Auch diesen galten „Kompromissler“ oder „Diskutanten“ nichts. Aushandlungspraktiken demokratischer Gesellschaften wurden als „schwach“ und „verweiblicht“ angesehen. Stattdessen sollte eine starke Hand die Nation führen. Der männliche, soldatische Kämpfer, der ohne Zweifeln und ohne jegliches Abwägen eine völkische Ordnung erkämpft, galt und gilt immer noch als das Idealbild extrem rechter Männer.

Dies zeigt, wie tief extrem rechte, wie tief menschenfeindliche Vorstellungen im Denken und Handeln des „Freundeskreises“ verwurzelt sind. Es ist die Aufgabe antifaschistischer Strukturen, genau dieses Denken und Handeln zu demaskieren. Aber es ist genauso wichtig, jenen, die aus diesen menschenfeindlichen Vorstellungen ihre politische Tätigkeit legitimieren, nicht die Straße zu überlassen. Die letzten Monate haben gezeigt, dass ihr mit vielfältigen antifaschistischen Aktionen, ob in Lindau, Duderstadt oder hier in Dransfeld, dem „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ keinen öffentlichen Raum überlassen habt. Die Positionen der Extremen Rechten haben in Südniedersachsen keine breite Anerkennung erfahren, trotz eines rechten Rollbacks in der Bundesrepublik. Es gilt, auch aufgrund dieser Gefahr des Rechtsrucks, zu verstehen, warum die Gefahr des Faschismus in bestimmten gesellschaftlichen Situationen immer wieder anwächst. Es gilt aufzudecken, inwieweit menschenfeindliches Denken seinen Ursprung in der bürgerlichen Gesellschaft hat. Es gilt, diesem Denken, aus dem Leid und Vernichtung all jenen droht, die zu Anderen, zu Fremden gemacht werden, eine andere Perspektive entgegenzuhalten:

Eine Perspektive auf eine Gesellschaft, in der alle ohne Ansehen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung die sozialen und materiellen Grundlagen erhalten, ihr persönliches Glück zu finden.