„Ein sonderbares Treffen“ überschreibt das Göttinger Tageblatt seinen Text zur Demonstration in Wollershausen am 16.12. — „Ein sonderbarer Artikel“ wäre wohl ein treffenderer Titel für diese Darstellung, die jegliche journalistische Sorgfalt vermissen lässt. Der Autor steigt gleich mit einer falschen Tatsachenbehauptung ein: Lediglich von „Unterstützern aus dem politisch linken Spektrum“ sei demonstriert worden, „allerdings nicht durch Flüchtlinge“. Wir fragen uns: Wie lange war er überhaupt vor Ort? Wie konnte ihm entgehen, dass Geflüchtete aus der Unterkunft nicht nur an der Kundgebung teilgenommen, sondern auch verschiedene Redebeiträge gehalten haben? Anders als auf der Demonstration kommen bei ihm jedenfalls weder Geflüchtete noch linke Unterstützer_innen zu Wort, sondern nur diejenigen, die an der Situation der Geflüchteten offensichtlich nichts Wesentliches ändern wollen. Seit November habe sich „viel getan“ behauptet der Autor – den Nachweis jedoch bleibt er, wenig überraschend, schuldig. Stattdessen lässt er ausführlich den Sozialdezernenten des Landkreises, Marcel Riethig, sprechen, der selbstverständlich „die Aufregung um den Standort Wollershausen nicht verstehen“ kann. Ihn lässt er darüber schwadronieren, wie hoch der Standard der Unterkunft sei und dass Familien dort zusammenleben könnten. Die Bewohnerin hingegen, die sich in einem Redebeitrag bitter darüber beklagt hat, dass es eben die Riethig unterstehende Sozialbehörde ist, die ihrer Familie den Umzug in eine angemessene Wohnung verweigert – sie wird mit keinem Wort erwähnt. Riethig hingegen darf sich in Ausführungen darüber ergehen, dass Busse und Deutschkurse in Wollershausen ja kein Problem seien. Das kann man natürlich so stehen lassen. Man könnte aber auch darauf hinweisen, dass niemand bestritten hat, dass Wollershausen über Busverbindungen verfügt – sie sind für die Geflüchteten nur schlichtweg unbezahlbar. Wir ersparen Riethig und dem GT die Mühe, die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Regelsätze für „Verkehr“ mit den Preisen des öffentlichen Nahverkehrs abzugleichen und verraten gleich hier: Der Betrag reicht monatlich für genau eine Fahrt nach Göttingen. Darüber, ob sich für knapp 120 Bewohner_innen der fehlende Zugang zum öffentlichen Nahverkehr durch zwei unterkunftseigene Fahrzeuge – eine Anzahl, die sich wahrscheinlich bei vielen Kreisrät_innen und GT-Journalist_innen innerhalb einer Kleinfamilie findet – sinnvoll ausgleichen lässt, kann sich ja jede_r selbst Gedanken machen.
Auch für eine adäquate Einschätzung zum Deutschkursangebot wäre keine eingehende Recherche notwendig gewesen. Dafür hätte man nur die Forderung der Bewohner_innen nach „gut strukturierten Deutschkurse für die unterschiedlichen Niveaus“ in Beziehung setzen müssen zur offiziellen Präsentation der GAB. Wie sich dieser entnehmen lässt gibt es in dem dort vorgestellten „Modellprojekt“, das pauschal und ohne Berücksichtigung von individuellen Bedürfnissen, Interessen, Vorerfahrungen oder Qualifikationen fast alle erwachsenen Bewohner_innen erfasst, pro Tag nur einen anderthalbstündigen Deutschkurs, der für einen adäquaten Spracherwerb offensichtlich nicht hinreichend ist. Als Zusatzinformation bieten wir hier an: Die zwei Personen, die in der Statistik als diejenigen aufgeführt werden, die einen Sprachkurs an der Universität Göttingen besuchen, haben sich ewig mit der GAB auseinandergesetzt (die wollte sie davon abhalten), machen das derzeit auf eigene Kosten (170 Euro für das Monatsticket) und lassen dafür Mahlzeiten aus, weil ihr Geld hinten und vorne nicht reicht.
Wie man sieht: Es hat sich wirklich unglaublich viel getan! Die Auseinandersetzung um die Unterbringung in Wollershausen wird mit Sicherheit weitergehen. Da wir uns gerade in einem Monat befinden, in dem auch Wünsche für das kommende Jahr formuliert werden, hätten wir auch einen an das GT: Bei der nächsten Aktion zu Wollershausen bitte wirkliche Berichterstattung – und nicht nur deren Simulation! Zum Schluss noch ein Wort zu Riethig, der behauptet, die Demonstrant_innen rissen „mit ihrem Hintern um, was andere mit ihren Händen aufgebaut haben“. Uns würde wirklich wahnsinnig interessieren, was hier eingerissen wird. Wir wissen nur eins: Etwas Gutes wird ja wohl kaum durch die bescheidene Forderung nach menschenwürdigen Lebensbedingungen und einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe zum Einsturz gebracht werden.