Die Ökonomisierung im öffentlichen Dienst macht auch nicht vor dem Gesundheitswesen halt. Die Beschäftigten der UMG Gastronomie Gmbh wehren sich jetzt gegen Dumpinglöhne.
Spätestens seit Beginn der 1990 Jahre, sei es auf Bundes-, Landes-, oder Kommunalebene, ist es auch in Deutschland infolge eines Prozess der „kapitalistischen Landnahme“ in Mode gekommen, wichtige gesellschaftliche Aufgaben zu privatisieren. Das heißt, dass vormals (als selbstverständlich erachtetes) öffentliches Eigentum an private Unternehmen verkauft worden ist. Dies hat zur Folge, dass sich auch Krankenhäuser plötzlich mit einer Denkweise auseinander setzten müssen, nach welcher Profit und Gewinn immer und überall die höchste Priorität haben. Sei es nun der Pflegebereich oder die Post, der Bahnverkehr oder die Stromversorgung: Die Idee, dass etwas in erster Linie „nur“ zum Wohl der Gesellschaft existieren könnte und nicht um einen Gewinn zu erwirtschaften, ist so fremd geworden, dass die Bilanz oft zum einzigen Merkmal des Erfolges gemacht wird.
Wenn aber so wichtige Aufgaben wie zum Beispiel die Müllentsorgung einer Stadt oder – wenn es nach Sigmar Gabriel gehen sollte – bald auch die Autobahnen an private Unternehmen verkauft werden, so ändert sich die komplette Arbeitsweise einer solchen Einrichtung. In öffentlicher Hand, ob nun verstaatlicht oder selbstverwaltet, ist der alleinige Zweck dieser Institutionen ihrer Aufgabe nachzukommen und die gemeinschaftlichen Arbeiten, zu deren Zweck sie existieren, zu erfüllen. Private Unternehmen dagegen müssen, unabhängig von Branche oder Industrie, immer Gewinn erwirtschaften. Schafft ein Unternehmen das nicht, so scheitert es und geht pleite. Und wo es in der Privatwirtschaft nichts unübliches ist, kann dies für vormalige Kernbereiche des gesellschaftlichen Lebens katastrophal sein. Denn eine Gesellschaft kann es sich nicht erlauben, das plötzlich notwendige Voraussetzungen des alltäglichen Lebens aufhören zu funktionieren, nur weil kein Profit mit ihnen gemacht werden konnte. Wer möchte schon plötzlich ohne Strom dasitzen, nur weil der lokale Stromanbieter Konkurs anmelden musste?
Doch das Paradigma der Wirtschaftlichkeit endet nicht mit der massenhaften Privatisierung. Auch in Einrichtungen, die in öffentlicher Hand verblieben sind, hat sich die Idee der Verwertbarkeit durchgesetzt. Sie sollen sich mindestens selbst tragen, also müssen Einnahmen erhöht und Ausgaben gesenkt werden. In Krankenhäusern bedeutet das einerseits mehr Krankheitsdiagnosen und Operationen – denn für die gibt es Geld –, andererseits die Verringerung der Lohnkosten. Um diese zu drücken, müssen nicht nur Ärzt*innen und Pflegepersonal immer mehr Patient*innen zur gleichen Zeit versorgen, sondern auch in den sogenannten patientenfernen Bereichen, wie etwa Verpflegung und Reinigung, soll gespart werden.
Zu diesem Zweck werden jene Bereiche vielerorts in Tochtergesellschaften ausgelagert, so auch in Göttingen, wo 2006 das gesamte Verpflegungssegment der Universitätsklinik in die UMG Gastronomie GmbH (UMG Gastro) „outgesourct“ wurde. Auf diese Weise müssen die Arbeitenden nicht mehr nach dem „Tarifvertrag der Länder für den öffentlichen Dienst“ (kurz: TV-L) bezahlt werden, sondern nach dem deutlich schlechteren Tarifvertrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). In Zahlenheißt das, dass alle Personen, die seit 2006 durch die UMG Gastro eingestellt worden sind, bis zu 30 Prozent weniger verdienen als ihre Kolleg*innen, die noch vom Universitätsklinikum selbst eingestellt wurden. Die Neueingestellten bekommen also für die gleiche Arbeit deutlich weniger Geld. Viele von ihnen arbeiten in Teilzeit und müssen zusätzlich „aufstocken“ um überhaupt ein Existenzminimum zu erreichen. Die Rentenaussichten sind miserabel.
Die Beschäftigten haben jetzt genug und fordern gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di 35 Prozent mehr Lohn. Von Arbeitgeber*innenseite gibt es bisher nur eine unverbindliche Kalkulation, nach der eine Erhöhung um 17 Prozent über die nächsten vier Jahre möglich wäre, also weniger als die Hälfte der Forderung und immer noch unter dem Lohnniveau der Altverträge. Anstatt vernünftig zu rechnen, stellt sich die Geschäftsführung lieber als Opfer des „Sachzwangs“ der Wirtschaftlichkeit dar, die eine Erfüllung der Forderungen unmöglich machen würde. Die Universitätsklinik in Hannover und auch das Studentenwerk Göttingen zeigen aber, dass es sehr wohl möglich ist die Beschäftigten in den Küchen nach TV-L zu bezahlen. Die Universitätsmedizin Göttingen als Muttergesellschaft der UMG Gastro fühlt sich bislang überhaupt nicht zuständig für die Situation der Beschäftigten. Dabei läge es gerade an ihr, Bedingungen zu schaffen, unter denen die UMG Gastro die Löhne erhöhen kann, zum Beispiel durch eine Senkung der Mieten, die 2008 von einem auf das andere Jahr um eine halbe Millionen von 250.000 auf 750.000 Euro erhöht worden sind.
Wenn Menschen vom Lohn ihrer Arbeit nicht mehr leben können, kann es nicht allein ihre Aufgabe sein, dagegen zu kämpfen. Wir müssen sie in ihrem Kampf unterstützen, nicht nur um akut ihre Lebensbedingungen zu verbessern, sondern auch um dem durch und durch kapitalistischen Primat der Wirtschaftlichkeit insgesamt eine Absage zu erteilen. Nicht der Markt, sondern nur eine solidarische Gemeinschaft kann sicherstellen, dass sowohl die Patienten gut versorgt, wie auch die Arbeitenden gute Arbeitsbedingungen haben. Eine Gesellschaft, die beides um den Preis einer „schwarzen Null“ opfert, stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus.
Die gesamte Demontage #7 gibt es hier zum Download.