Ein Genosse ist von uns gegangen. Jürsche starb letzte Woche unerwartet.
Als wir vor knapp vier Jahren zusammen diskutierten und jene Organisierung aufzubauen begannen, die wir bald BL nennen sollten, war auch Jürsche aktiv daran beteiligt. Er war für uns kein Unbekannter, im Gegenteil. Vor allem für jene, die an der Universität studierten, war Göttingen – oder besser: die hiesige Radikale Linke – untrennbar mit ihm verbunden. Die meisten lernten ihn im Autonomicum, im T-Keller oder an einem anderen Ort der Begegnung kennen.
Wir alle lernten in diesen Begegnungen genau wie in der gemeinsamen politischen Arbeit eine Menge von ihm. Einerseits resultierte dies aus seinen Erfahrungen aus über 30 Jahren politischer Praxis, in denen er all die Zeit der Bewegung treu geblieben ist. Andererseits war es seine bemerkenswerte Fähigkeit, komplexe gesellschaftliche Verhältnisse mit großer Klugheit und sprachlicher Pointiertheit darzulegen, die für uns als seine Genoss*innen einen erheblichen Erkenntnisgewinn brachte. Doch die gemeinsamen Gespräche und Diskussionen schärften nicht nur unser kritisches Denken, sondern waren auch mit großer Freude verbunden. Denn Jürsche hatte eine besondere Art, seine Ansichten humorvoll und flapsig auf den Punkt zu bringen.
In größeren Runden wie auch im Zwiegespräch hatte er auch eine weitere angenehme Seite an sich, die man von vielen anderen Intellektuellen – oder jenen, die sich dafür halten – eher selten kennt. Jürsche begegnete einem immer auf Augenhöhe und zeigte gegenüber jede*r Genoss*in, auch jenen ohne allzu große Erfahrung, Wertschätzung. Er zeigte ein aufrichtiges Interesse an der Meinung seines Gegenübers und legte Wert darauf, nicht nur gehört, sondern auch verstanden zu werden. Dies resultierte nicht nur aus seinem Charakter, sondern auch seinem Verständnis von Theoriebildung, die er nie aus reinem Selbstzweck verfolgte, sondern als sozialrevolutionäre Notwendigkeit, also ohne den Bezug zur Bewegung zu verlieren.
Jürsche ging mit seiner Erkrankung offen um. Er entwickelte bestimmte Strategien, sie so weit wie möglich aus seinem Alltag zu drängen, und all die Dinge zu tun, die ihm wichtig waren. In seinen letzten anderthalb Jahren verschlechterte sich jedoch sein Gesundheitszustand stetig. Jürsche entglitt uns zusehends; seine Erkrankung gewann immer mehr die Oberhand. Es tat weh, dem ohnmächtig gegenüberzustehen.
Jürsche, du fehlst uns.