Aufruf zum bunten Block gegen Polizeiwillkür und politische Justiz am Samstag, den 07.07.2018 um 12 Uhr am Gänseliesel
Am Morgen des 28.06.2018 wurden in Göttingen mehrere Wohnungen von der Polizei durchsucht. Als Anlass unterstellte die Polizei die Beteiligung an Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im letzten Jahr, sowie die angebliche Beteiligung an einer Auseinandersetzung mit dem AfD– Funktionär und Neonazi Lars Steinke.
Dass die beiden Vorwürfe vollkommen haltlos sind und die Spitze des Eisbergs der immer deutlicher werdenden polizeilichen Willkür darstellen, wird deutlich, wenn man sich den Ursprung der Vorwürfe anschaut: So war eine der von den Durchsuchungen betroffenen Personen während der G20 Proteste nachweislich nach Asien verreist. Ausgangslage für die Ermittlungsarbeit war lediglich ein durch Lars Steinke angefertigtes Phantombild sowie der Umstand, dass eine Beamtin des Fachkommissariats 4 für Staatsschutzdelikte und politisch motivierte Straftaten (vor kurzem aufgefallen durch das illegale Sammeln von Massen an persönlichen Daten) einen Betroffenen darauf erkannt haben will. In ihrem Arbeitseifer war sie gleich auch der Meinung, ebendiese Person auf einem Fahndungsbild aus dem Kontext der G20-Proteste 2017 gesehen zu haben.
Auf Grundlage dieser wilden Spekulationen Wohnungstüren einzutreten und in die Privatsphäre von Menschen einzufallen ist als politisch motivierter Einschüchterungsversuch zu werten. Polizei und Justiz pfeifen auf ihre eigene, bürgerliche Grundordnung, wenn es um den „Kampf gegen Links“ geht. Dass die Polizei Grundrechte nicht als Hindernis für ihre Willkür sieht, wurde im vergangenen Jahr mehr als deutlich, als sie in der Hamburger Innenstadt den Ausnahmezustand probte. Mit Wasserwerfern und Sturmgewehren, mit Knüppeln und Gas versuchten mehr als 30.000 Polizisten jeden Protest gegen das Treffen der zwanzig mächtigsten Tyrannen der kapitalistischen Weltordnung niederzuschlagen. Dass die Polizei letztlich scheiterte, den demokratischen Protest zu vereiteln und sich die Demonstrant*innen und die Bewohner*innen Hamburgs gegen die Rechtsbrüche und die Gewalt in verschiedenster Form zur Wehr setzten, hatte eine bis heute anhaltende Verfolgungswelle zur Folge, die seit Langem ihresgleichen sucht.
Die grassierenden Widersprüche, die der Kapitalismus alltäglich an allen Ecken der Welt produziert, die ökonomische und ökologische Zerstörung ganzer Regionen, die Menschen zur Flucht zwingt, die immer größer werdende Schere zwischen wenigen Reichen und vielen Armen, die auch im „Krisengewinner“-Deutschland dafür sorgt, dass Millionen Menschen trotz Arbeit mehr schlecht als recht über die Runden kommen, können die neoliberalen Herrschenden kaum mehr kaschieren. Um ihre ökonomischen und politischen Interessen zu schützen, schüren sie in der Bevölkerung Angst vor– und Hass gegen jene, die aus noch beschisseneren Verhältnissen hierher fliehen und verschärfen im selben Atemzug die Gewalt und Verfolgung gegen diejenigen, die diese Verhältnisse in Frage stellen. Allein als Links zu gelten und für eine solidarische und emanzipatorische Gesellschaft einzustehen reicht dieser Tage aus, um in das Visier der Ermittler*innen zu geraten, als potenzielle Täter*in zu gelten und Zielscheibe der staatlichen Repression zu werden.
Zahlreiche rechtswidrige Einsätze der Polizei sollten als Anlass genügen, ihre Arbeit verstärkt zu kontrollieren. Stattdessen sollen ihre Kompetenzen bald auch in Niedersachsen mit einem neuen Polizeiaufgabengesetz massiv ausgeweitet werden, welches eine weitere Aushöhlung demokratischer Rechte mit sich führt. Welche Folgen dies haben wird, lässt sich bereits in Bayern beobachten, wo besagtes Gesetz seit ein paar Wochen in Kraft ist. In Augsburg wurde ein Aktivist über das erste Juli-Wochenende von der Polizei als „Gefährder“ in Vorbeugegewahrsam genommen, um ihn von seinem demokratisch legitimierten Recht auf Protest gegen den dort stattfindenden AfD-Bundesparteitag abzuhalten. Die „Gefahr“ des jungen Menschen begründete die Polizei – ohne Notwendigkeit einer juristischen Prüfung oder eines richterlichen Beschlusses – darauf, dass er in der Vergangenheit einmal durch das Verkleben von Stickern eine Ordnungswidrigkeit begangen hatte.
Wir lassen uns von der Polizei nicht einschüchtern und werden weiterhin für ein solidarisches Miteinander einstehen und die bestehenden Machtverhältnisse in Frage stellen! Wie so oft zeigt sich auch an dem Vorfall vom vergangenen Donnerstag, dass Menschen willkürlich eingeschüchtert werden sollen. So sind einige unmittelbar und zufällig betroffen, aber gemeint sind wir alle, die wir für eine bessere Gesellschaft einstehen.
Wir rufen alle dazu auf, sich unserem bunten und offenen Block gegen Polizeiwillkür am Samstag, den 07.07.2018 um 12 Uhr am Gänseliesel anzuschließen und gemeinsam gegen Repression auf die Straße zu gehen!