Die Extreme Rechte ist seit einigen Jahrzehnten politisch wie sozial in der Region Südniedersachsen verankert. Neben dem rechten Rand des Göttinger Verbindungswesens können dabei vor allem neonazistische Strukturen auf ein seit mehr als 30 Jahren aktives Netzwerk zurückgreifen, welches mancherorts fest im dörflichen wie städtischen sozialen Leben integriert ist. Für unsere antifaschistische Arbeit gerade im Umland Göttingens ist es von zentraler Bedeutung, diese Strukturen und ihre entscheidenden Akteure zu kennen, um sie letztendlich effektiv bekämpfen zu können. Mit diesem Artikel möchten wir einen Überblick über ihren derzeitigen Stand aufzeigen.
Auch wenn es derzeit bezüglich neonazistischer Aktivitäten in Südniedersachen vergleichsweise ruhig zu sein scheint, sind ihre grundlegenden Strukturen keineswegs im Schwinden begriffen. Das wichtigste regionale Netzwerk, welches vor allem die Jüngeren unter den Neonazis organisatorisch an sich bindet, ist hierbei die AG Rhumetal. Ihre hauptsächlichen Aktivitäten liegen in der Region um Northeim, Katlenburg und Moringen. Gute Verbindungen bestehen aber zu einer Vielzahl an Neonazis in der gesamten Region. Von ihrem Auftreten her orientieren sich ihre Mitglieder am ehesten an den seit den Beginn der 2000er Jahre auftretenden sog. „Autonomen Nationalisten“. Sie pflegen also einen an der linken Szene orientierten „modernen“ Lifestyle incl. sportlicher Kleidung, Basecap und musikalischem Missbrauch an HipHop und Hardcore-Punk, der sich vom früheren Nazi-Skinhead-Auftreten mit Springerstiefeln und Bomberjacken dezidiert unterscheidet.
In der Öffentlichkeit fallen sie vor allem mit gemeinsamen Besuchen bundesweiter neonazistischer Aufmärsche oder dem Durchführen lokaler, vor allem spontaner Kundgebungen gegen antifaschistische Vorträge oder zum geschichtsrevisionistischen Gedenken an die northeimer Opfer alliierter Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg auf. Man half aber auch der NPD unter anderem bei ihrem Wahlkampf zur Europawahl im Frühling 2014. In ihrer Organisationsform sind sie keine geschlossene Kadergruppe, sondern ein Netzwerk, dessen Kern ein erweiterter Freundeskreis darstellt. Dennoch gibt es eindeutig Führungsfiguren.
Das Netzwerk der AG Rhumetal: Relevante Personen
Zu den Führungsfiguren der AG Rhumetal zählen vor allem Roland Rusteberg und Fabian Zufall, beide aus Northeim. Erstgenannter war bereits Anmelder einer neonazistischen Kundgebung in Bad Nenndorf im November 2013 und arbeitet als Leiter einer REWE-Filiale in Northeim. In der Öffentlichkeit tritt jedoch zumindest bei Neonazi-Aufmärschen noch deutlicher Fabian Zufall als Führungspersönlichkeit auf. Mit seiner im Vergleich zu seinen anderen „Kameraden“ auffälligen Frisur, die am ehesten noch als rot gefärbter Irokesenschnitt durchgehen könnte, übernimmt er dort als Koordinierer und Anpeitscher mit Megaphon eine tragende Rolle für den Block aus Südniedersachsen. Hier finden sich auf Aufmärschen weitere Personen des Netzwerkes, so – um einige Beispiel zu nennen – Pascal Zintarra, Malte Ahlbrecht, Rene Schneemann oder Salina Will, welche sich hinter dem seit Jahren genutzten Transparent der früheren Freien Kameradschaft Northeim einreihen („Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“).
Pascal Zintarra, der wie Rusteberg und Zufall in Northeim wohnhaft ist, war in jüngster Zeit besonders im Fokus antifaschistischer Aktivitäten. Zusammen mit einigen Freunden fuhr er in unregelmäßigen Abständen am Wochenende nach Göttingen, wo er die (mitunter auch körperliche) Auseinandersetzung mit Menschen suchte, die nicht in sein vom Gedanken der „Volksgemeinschaft“ geprägtes Weltbild passten. Diese Ausflüge endeten jedoch nach mehrmals erfolgter Gegenwehr und nach seiner Verurteilung wegen Körperverletzung. Seitdem muss er am Wochenende Sozialstunden ableisten. Bei einem seiner Ausflüge hatte er u.a. den Wirt einer Göttinger Kneipe mit den Worten bedacht, Menschen wie er „müssten ins Gas geschickt werden“.
Malte Ahlbrecht aus Atzenhausen als weitere, besonders bei Demonstrationen präsente Person aus dem Netzwerk der AG Rhumetal, soll hier als Beispiel für die Einbindung extrem rechter Jugendlicher aus dem südlich von Göttingen gelegenen Friedland und der weiteren Umgebung dienen. Dort sind seit nicht allzu langer Zeit vermehrt neonazistische Tags und Graffitis geschmiert wie auch Sticker verklebt worden. Zugleich hat sich eine rechte, männlich dominierte Jugendclique gebildet, die in Verbindung zu den genannten Vorfällen gebracht werden muss. Dass Einzelne aus diesem vor allem freundschaftlich verbundenen Kreis nun den Weg in die organisierte Neonaziszene gefunden haben, spricht dafür, den Raum Friedland aus antifaschistischer Perspektive zukünftig verstärkt in den Blickpunkt zu nehmen. Auch in Northeim war es vor ca. vier Jahren eine rechte, relativ große Jugendclique mit einem ausgeprägtem Hang zur Gewalt (so wurde unter anderem ein Besucher einer Kirmes in Bovenden von ihnen schwer verletzt) um den weiterhin mit bereits genannten Neonazis freundschaftlich verbundenen Ruben Issmer, welche das soziale Grundgerüst für das derzeitige Netzwerk der AG Rhumetal bildeten.
Dass nicht nur Kontakte nach Friedland, sondern auch in das Eichsfeld bestehen, zeigt die Person Rene Schneemann (Heiligenstadt). Er und sein lokales Umfeld treten regelmäßig gemeinsam mit Mitgliedern der AG Rhumetal auf. So waren mehrere Neonazis aus dem Eichsfeld wie aus den Regionen um Northeim und Friedland auf einer Kundgebung in Heiligenstadt anzutreffen. Hier versuchten sie im Juni 2014 eher vergeblich, auf den kommenden „Tag der Deutschen Zukunft“, einer jährlichen, bundesweit organisierten Demonstration der sog. „Freien Kameradschaften“ aufmerksam zu machen. Ob bei dieser Gelegenheit oder in Dortmund, Magdeburg oder Bad Nenndorf, regelmäßig treten diese beiden eher sozial getrennten Gruppierungen gemeinsam auf. Ein (kleiner) politischer Unterschied zu den Northeimer AG Rhumetal-Beteiligten dürfte eine größere Nähe zur NPD sein. So halfen Eichsfelder Neonazis um Schneemann nicht nur beim Wahlkampf zur Landtagswahl in Thüringen, inzwischen hat es mit Matthias Fiedler auch einer aus ihren Reihen zum NPD-Funktionär geschafft. Ferner traten mit Fiedler, Schneemann oder Martin Lopotsch einige der sog. „Freien Kräfte“ des Eichsfelds als NPD-Kandidaten zu den diesjährigen Kommunalwahlen an.
Salina Will aus Scheden ist ein Beispiel für die Aktivitäten von Frauen im Netzwerk der AG Rhumetal. Sie nahm in der jüngeren Vergangenheit an einer Vielzahl von neonazistischen Kundgebungen und Aufmärschen mit Beteiligung der Neonazis aus Südniedersachsen teil. Sie gehört fest zum inneren Kern der neonazistischen extremen Rechten in der Region, auch wenn sie nicht wie ihre größtenteils männlichen Mitstreiter provokant oder gewalttätig auftritt, sondern sich bei öffentlichen Auftritten eher zurückhält. Sie bedient damit in bestimmten Punkten das klassische Geschlechterbild in der extremen Rechten. Nach diesem wird Frauen eher eine passive, kümmernde Rolle zugeschrieben, sie sollen vor allem die sozialen oder gar familiären Belange als ihre Aufgabe ansehen und den politischen Kampf den Männern überlassen. Andererseits bringt sie sich aktiv in das politische Geschehen ein – einem in extrem rechten Kreisen immer noch hegemonialen (seit einigen Jahren aber brüchigen) Verständnis von „Frau“, welches Will am „Herd“ und nicht auf der Straße sieht, wird sie damit nicht gerecht.
Heise, Hoffmann, Schubert und Co: Die wichtigsten Personen der Generation Ü30
Die Jungnazis der AG Rhumetal konnten in ihrer Organisierung auf bereits bestehende Netzwerke älterer Neonazis aufbauen. Südniedersachsen war ab den späten 1980er Jahren bis weit in die 1990er Jahre hinein eine Hochburg des organisierten und militanten Neonazismus. Die regionalen Strukturen der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) bis zu ihrem Verbot 1995, die Kameradschaft Northeim als das darauffolgende Sammelbecken militanter Neonazis (war zeitweise die mitgliederstärkste und gewalttätigste Kameradschaft bundesweit) und die NPD nach ihrer Öffnung für eben dieses Spektrum der extremen Rechten ab Mitte der 1990er Jahre waren und sind Strukturen, die für eine Kontinuität neonazistischer Aktivitäten sorgten.
Mit all diesen genannten Organisationen ist vor allem Thorsten Heise in Verbindung zu bringen. 1969 in Göttingen geboren, ist er seit über 25 Jahren eine der Führungsfiguren. Trat er in seinen Anfangsjahren noch als Naziskin auf, der trotz mehrerer schwerer Verbrechen immer mit überraschen milden Urteilen rechnen konnte, gibt er sich heute die Fassade als „kümmernder“ NPD-Kommunalpolitiker im thüringischen Teil des Eichsfelds, leider mit relativ großem Erfolg. In seinem derzeitigen Wohnort Fretterode konnte der dank dem Versand von Rechtsrock und Nazi-Merchandise Gutsituierte bei den diesjährigen Kommunalwahlen 19 Prozent der Stimmen verbuchen. In sein Anwesen inmitten des Ortes lädt er aber nicht nur die lokale Dorfjugend ein. Regelmäßig finden dort Kameradschaftsabende für Neonazis aus Thüringen, Hessen und eben Südniedersachsen statt. Heises Anwesen dient also nicht nur als sozialer Treffpunkt, sondern auch als Ort der ideologischen Schulung und der politischen Vernetzung.
Heise ist auch der Organisator des jährlich stattfindenden „Heimattags“ in Leinefelde im Eichsfeld. Es ist das größte Neonazi-Event in der Region, mit bekannten Rechtsrockbands, Rednern extrem rechter Parteien wie dem Europaparlament-Abgeordneten Udo Voigt (NPD), Bier und Bratwurst sowie Clowns und Hüpfburg für die jüngsten der Teilnehmenden. Die Struktur des Heimattags wird von organisierten Neonazis gestellt, alle bisher genannten Personen waren dort als Besucher_innen oder als Teil der Organisationsstruktur. Der Ort des Events ist ein Sportplatz in dem Plattenbaugebiet von Leinefelde. In diesem Viertel leben vor allem sozial Benachteiligte ohne große Möglichkeiten der Selbstentfaltung. Mit der Präsentation extrem rechter Ideologien und des dazugehörigen Lebensstils will Thorsten Heise mit seinen Mitstreiter_innen bewusst eine „System“-Alternative darstellen, mit welcher sich die eigene soziale Lage ins Positive verändern würde. Leider hat er damit relativ großen Erfolg, denn eine Vielzahl von Jugendlichen und Familien besuchen den „Heimattag“ jährlich – auch wenn die Besucher_innenzahlen wohl aufgrund der jährlichen antifaschistischen Gegenproteste rückläufig sind.
In Südniedersachsen hatten ab den 2000er Jahren mit Michael Hahn, Patrick Kallweit und zuletzt Marco Borrmann andere frühere Beteiligte der Kameradschaft Northeim Heises Strategie übernommen, einerseits als lokale NPD-„Kümmerer“ vor Ort aufzutreten, andererseits als Verbindungsglied zu den aktivistischen Neonazis wie beispielsweise der AG Rhumetal zu wirken. Lokalpolitisch aktiv waren diese drei alle im Harz: Hahn in Bad Lauterberg, Kallweit in Goslar und Borrmann in Osterode/Scharzfeld. Derzeit gibt es aber niemanden mehr in der Region, der diese Funktion ausfüllt. Hahn beschränkt sich auf eine Rolle als Hinterbänkler im Stadtrat und Kallweit wurde abgewählt und ist verzogen. Marco Borrmann, welcher am offensichtlichsten als Verbindungsmann zu den jüngeren Neonazis auftrat und sich auch nicht scheute, auf Neonazi-Demonstrationen den südniedersächsischen Block offen zu koordinieren, zog trotz seines Sitzes im Osteroder Stadtrat im Frühjahr 2014 nach Willbringshausen in Nordrhein-Westfalen. Zwar wird er aufgrund einer nicht allzu großen Entfernung seines neuen Wohnortes weiter eine wichtige Rolle in den regionalen extrem rechten Strukturen spielen. Aber alleine wegen des Ausbleibens seiner dauerhaften physischen Präsenz wird sie jene der Vergangenheit nicht erreichen. Derzeit ist noch offen, wer seine Funktion zukünftig ausfüllen wird. Am ehesten werden aber wohl Führungsfiguren der AG Rhumetal nachfolgen.
Auch auf lokaler Ebene erfolgt die soziale wie politische Einbindung jüngerer Neonazis durch die ältere Generation. In und um Northeim ist dafür unter anderem Carmen Hoffmann verantwortlich. Auf Treffen und gemeinsamen Fahrten in die Natur mit etablierten wie neuen Gesichtern steht sie für die Integration der Letztgenannten ein. Auch für Frauen in der regionalen Neonaziszene ist sie eine Führungsfigur. Nachdem in der NPD Mitte der 2000er Jahre der Ring Nationaler Frauen (RNF) mit dem Ziel, durch ein unverdächtiges und unverfängliches Auftreten mit Frauenthemen in der sogenannten „Mitte“ der Gesellschaft zu punkten, gegründet worden war, war Hoffmann die zentrale Führungsfrau bei der Entstehung der RNF-Regionalgruppe Südniedersachsen und hat diese Rolle bis heute inne.
In Harste/Bovenden ist seit einigen Jahren der Sitz des Onlineshops „Der Versand“, welcher vor allem gängige Hooligan– und Streetwear-Marken vertreibt. Der extrem rechte Hintergrund des Versandes wird durch den Besitzer von „Der Versand“ deutlich. Timo Schubert, der früher bei den Rechtsrock-Bands „Agitator“ und „Hauptkampflinie“ am Schlagzeug saß, versteht sich auch heute noch prächtig mit einer Vielzahl der in der Region lebenden Neonazis, auch wenn er sich öffentlich von rechten Positionen distanziert und auf den ersten Blick keine explizit rechten Kleidungsmarken vertreibt. Auf einigen hauseigenen Angeboten finden sich allerdings Codes der neonazistischen Szene, zum Beispiel die Zahl 18 (Als Synonym für die Abkürzung AH=Adolf Hitler) auf einem Motorrad für Kinder. Er ist zudem mit „KC Music Limited“ der Rechte-Inhaber des Merchandise der rechten Hooligan-Band „Kategorie C“. Diese wohl bekannteste Rechtsrock-Band in Deutschland heizte bei der „Hooligans gegen Salafisten“-Demonstration am 26.10. in Köln die Stimmung des über 4000 Nazis und Hooligans zählenden Mobs an. Der gleichnamige Song der Band und Hymne der HoGeSa-Bewegung, welche ihren Rassismus offen auf der Straße zeigt, wird ebenfalls von Schubert produziert.
Die Funktion solcher Versände für die Extreme Rechte, ob nun „Der Versand“ von Schubert oder der „Witwe Bolte“-Versand von Heise, ist deren ideologische Unterfütterung. Hier erhalten Neonazis nicht nur die wichtige Kleidung für den passenden nazistischen Lifestyle. Vor allem Rechtsrock-Musik wie Kategorie C oder die bei Heises W&B-Records unter Vertrag stehenden Bands sorgen genau wie ebenfalls im Angebot enthaltene (neo-)nazistische Schriften für die Möglichkeit, sich stets im eigenen Wahn der Volksgemeinschaft ideologisch zu vergewissern.
Weitere bekanntere Neonazis der älteren Generation sind unter anderem Christian Asche und seine Lebensgefährtin Ricarda Reichert (wohnhaft in Hardegsen), die regelmäßig Aufgaben auf extrem rechten Veranstaltungen übernehmen, Hoffmanns Lebenspartner Markus Menge oder Markus Gieseler aus Nörten-Hardenberg. Sie haben für die neonazistischen Strukturen zwar nicht die Bedeutung wie die im Vorfeld genannten Personen, sollten als langjährig Aktive aber nicht ungenannt bleiben.
Die neuesten Entwicklungen: Schwedthelms Haus in Nesselröden & Messerschmidts Rückkehr
Im Frühjahr diesen Jahres wurde öffentlich gemacht, dass Fabian Schwedthelm eine ehemalige Kneipe in Nesselröden in der Nähe von Duderstadt käuflich erworben hatte. Der auf Aufmärschen regelmäßig im Block der früheren Kameradschaft Northeim und jetzigen AG Rhumetal mitmarschierende Neonazi versuchte bereits vor einigen Jahren, einen Kameradschaftsabend in Göttingen zu etablieren. Nach dem Scheitern dieses Versuchs besteht nun die Möglichkeit, dass die neonazistischen Strukturen der Region seine Immobilie für Treffen sozialer oder politischer Natur oder für rechte Liederabende nutzen. Dies ist seit dem Frühjahr bereits einige Male geschehen, wenn auch nicht in dem zuvor erwarteten Ausmaß. Eine polizeiliche Untersuchung des Gebäudes erfolgte bereits nach einigen Tagen der medialen Bekanntmachung von Schwedthelms Kauf, da er sich auf Facebook mit verfassungsfeindlichen Symbolen präsentierte.
Schwedthelms Immobilie sollte verstärkt im Fokus antifaschistischer Aktivitäten stehen. Häuser in der Hand von Neonazis dienen nicht nur ihrer kommunalen Verankerung vor Ort als „ganz normale Bürger”. Sie sind auch, wie das Beispiel Fretterode zeigt, Dreh– und Angelpunkt extrem rechter Strukturen, in denen zum einen die dazugehörige Weltanschauung geformt und gefestigt wird, zum anderen die politische Vernetzung neonazistischer Organisationen und Netzwerken stattfindet. Es gilt zu beobachten, inwieweit sich das Haus in Nesselröden als Treffpunkt dieser Strukturen entwickelt.
Doch nicht nur die Entwicklungen in Nesselröden sollten aufmerksam begleitet werden. Auch die Aktivitäten von Mario Messerschmidt seit seiner Haftentlassung Anfang diesen Jahres bereiten Anlass zur Sorge. Zu Erinnerung: Der besagte Neonazi und frühere Fremdenlegionär wurde 2009 verurteilt, weil er in der Göttinger Moonlight-Bar, einem Striplokal in den Händen der Hells Angels, während einer extrem rechten Geburtstagsfeier mit einer Pumpgun auf Anwesende schoss und im Anschluss daran mit via EC-Karte bezahlten Tankstellen-Benzin versuchte, das Lokal anzuzünden. In der darauffolgenden polizeilichen Razzia fand man bei ihm Unmengen an Waffen.
Nach dem Absitzen seiner Haftstrafe, während derer er unter anderem Drohbriefe an die Göttinger Rote Hilfe verfasste, versuchte er schnell wieder Anschluss in der regionalen Neonazi-Szene zu erreichen. Er lief bei neonazistischen Aufmärschen im Block der AG Rhumetal mit und besuchte den „Heimattag“ in Leinefelde genauso wie das Hauptquartier des inzwischen verbotenen Chapters der Adelebser Hells Angels. Hier suchte er skurrilerweise den freundschaftlichen Kontakt ausgerechnet zu den Personen, auf die er in der Moonlight-Bar geschossen hatte. Hier ist vor allem Antonino Muce zu nennen, der inzwischen wegen schwerer Erpressung inhaftierten Ex-Chef des Hells Angels-Chapters, welcher sich bereits in den 1990er Jahren im Umfeld der FAP bewegte.
Eine politische Heimat fand der momentan in Adelebsen wohnende Messerschmidt in der neuen neonazistischen Partei Die Rechte, für welche er mit 88 Prozent er in den Bundesvorstand gewählt wurde – also in einen keinesfalls unbedeutenden Posten. Während der eher als narzisstischer Einzelkämpfer bekannte Messerschmidt in den regionalen etablierten Strukturen nicht die von ihn gewünschte Position fand, hat er nun die Möglichkeit, in einer im Vergleich zur NPD im Wachsen begriffenen Partei extrem rechte Politik nach seinem Willen zu betreiben. Dass er dies zweifelsohne auch in Südniedersachsen versuchen wird, zeigt sich in Güntersen: Hier hat er für den 28. Februar eine Gedenkdemonstration für Horst Wessel angemeldet. Sollte diese dort oder an einem Alternativort tatsächlich stattfinden, müsste allen Antifaschist_innen in Südniedersachsen klar sein, dass man sich an diesem Tag Nazis in den Weg stellen sollte.