Die verschiedenen rassistischen Ausgrenzungsmechanismen und Gesetze, die den Geflüchteten keinerlei Chancen auf ein menschenwürdiges Leben bieten, missachten grundlegende Menschenrechte. Zwangsunterbringung, Residenzpflicht, Duldung, Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsverbot und Bildungsverbot sind nur einige dieser repressiven Herrschaftsinstrumente.
In vielen Treffen und Gesprächen mit Geflüchteten aus den Flüchtlingsunterkünften im Rosenwinkel und Neuen Weg haben wir über die Probleme gesprochen, die sich aus dieser rassistischen Politik und alltäglichen Diskriminierung ergeben. Die erschreckenden Missstände und die katastrophalen Folgen dieser Ausgrenzungen wurden dabei immer offensichtlicher. Der folgende Text enthält die Beschwerden von Geflüchteten.
Zur Wohnsituation:
A, ein Mitbewohner, erzählt: „Wir wohnen zu acht in einer Wohnung, die aus zweieinhalb Zimmern besteht. Wir sind acht Männer mit verschiedenen Nationalitäten auf engstem Raum. Wir haben eine Kochplatte und eine Toilette und Dusche. Diese beengte Wohnsituation nimmt mir und meinen Mitbewohnern ähnlich, jeden Freiraum und jede Rückzugsmöglichkeit. Außerdem sind die sanitären Einrichtungen der Häuser in katastrophalem Zustand – von Schimmel bis Kälte. Das gefährdet unsere Gesundheit.“
„Es ist unerträglich, wenn sich mehrere Menschen oder ganze Familien nur einen Raum teilen müssen“, sagt ein weiterer Mitbewohnner, der mit Frau und zwei Kinder auch im Heim lebt. „Eine Privat– und Intimsphäre ist für uns nicht gewährleistet. Wir Erwachsene und unsere Kinder stören uns zwangsläufig gegenseitig in unseren Bedürfnissen.“
F wohnt mit seiner Familie (davon zwei Kinder): Die Familie schläft zur Zeit auf dem Boden, weil der Antrag auf ein Bett von der Ausländerbehörde nicht bewilligt worden ist. Nicht einmal die Grundausstattung wird bei Familie F von der Ausländerbehörde bzw. dem Sozialamt komplett gewährleistet. Auch wenn die Austattung durch die Feuchtigkeit in der Wohnung und die feuchten Hauswände kaputt geht, werden keine neuen Möbel oder Bett vom Sozialamt bewilligt. „Alle Gegenstände müssen wir selbst organisieren, meist vom Sperrmüll, weil die geringe finanzielle Unterstützung des Amtes bei weitem nicht für die Anschaffung von Ausstattungen ausreicht.“
B erzählt von seinem gesundheitlichen Zustand: B hat seit Langem eine Augenkrankheit. Er ist beim Augenarzt gewesen, der ihm bestätigt hatte, dass er dringend operiert werden sollte. Mehr als drei Monate sind seitdem vergangen und bis jetzt hat er noch keinen Überweisungsschein von der Ausländerbehörde ausgestellt bekommen. „Die Ausländerbehörden ignorieren meinen gesundheitlichen Zustand, weil ich als Geduldeter permanent nach dem Asylbewerberleistungsgesetzt bestraft und sanktioniert werden soll. Gesundheit steht jedem Menschen zu, egal welche Papiere und Aufenthaltsrechte er besitzt.“
Individueller Kampf gegen Wohnverhältnisse in Flüchtlingsheim:
B erzählt:
„Bis jetzt haben sich einige von uns individuell bei der Ausländerbehörde wegen der Wohnverhältnisse beschwert, aber eine richtige Antwort bekommen wir nicht. Wir wurden nicht ernst genommen.“
„Die unzumutbare Wohnsituation verursacht oft Krankheiten oder macht uns bereits krank.“
„Einigen von uns wurden sogar ärztliche Atteste ausgestellt, die die Wohnverhältnisse als Ursache für die Erkrankungen sehen und eine Veränderung der Wohnsituation fordern, um die Gesundheit wiederherzustellen.“
„Nach vielen einzelnen Beschwerden seit fast einem Jahr ist alles, was sich geändert hat, dass wir nach einen Wohnung suchen dürfen.“
„Aber aufgrund des Duldungsstatus bekommen wir keine richtige Wohnung.“ B sagt: „Ich suche mit meiner Familie seit fast einem Jahr eine Wohnung. Meistens weigern sich die Wohnungsunternehmen aufgrund der Unsicherheit unserer dreimonatigen Duldung, die Wohnung zu vermieten.“
Soziale Kürzungen:
Ein Vater einer 6-köfigen Familie beschreibt, dass sie seit April diesen Jahres 300 Euro weniger Geld bekommen als zuvor. 300 Euro weniger für eine Familie ist knapp. Sie wissen nicht warum? Als wir den Brief der Ausländerbehörde gelesen haben, sahen wir, dass es sich um eine menschenverachtende Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG Asylbewerberleistungsgesetz handelte. Dieser Paragraph soll durch leistungsrechtliche Sanktionen (Kürzung, Umstellung auf Sachleistungen) einen missbräuchlichen Leistungsbezug verhindern und auf die Ausreise bzw. Abschiebung der betroffenen Ausländer hinwirken.
Die staatliche Begründung kann man so verstehen:
„Sehr geehrte Familie; Wenn sie (bzw. ihre Familie) bislang nicht „freiwillig“ ausgereist sind, wird ihnen die Stadt deswegen als Sanktion den sozialkulturellen Anspruch kürzen.“
Solche Demütigungen sind kein Einzelfall. An dieser Stelle lautet unsere Frage an die Stadt Göttingen und ihre Ausländerbehörde: In wie vielen Fällen hat die Stadt Göttingen innerhalb der letzten zwei Jahre Leistungen nach § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes gekürzt?
C, ein weiterer Bewohner des Hauses, sagt: „Am schlimmsten ist es, den ganzen Tag nichts zu tun und keinen Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Hinzu kommt bei allem noch die ungewisse Zukunft, das Warten auf die Bearbeitung ihres Asylantrags und die Angst vor Abschiebung. Viele von uns haben psychische Probleme mit Folge von Depressionen.“
Diese dauernde Diskriminierung und Ausgrenzung muss sofort beendet werden!
Die folgenden Forderungen spiegeln nur einen Teil der sozialen Probleme wider. Diese sozialen Probleme werden geschaffen und geschürt von bürokratischen Institutionen, die unser Menschsein verachten und unsere Würde verletzen.
Wir fordern:
- Bessere soziale Lebensbedingungen durch Abschaffung von Asylbewerberleistungsgesetz, Residenzpflicht und Lagerunterbringung
- Bildung und Ausbildung statt Ausgrenzung durch die Aufhebung des Arbeitsverbots
- Ermöglichung der Teilnahme an Deutschkursen mit mindestens 4 Stunden pro Tag.
- Beendigung der „Kettenduldungen“ durch ein bedingungsloses Bleiberecht