Am vergangenen Sonnabend fand in Magdeburg eine Demonstration unter dem Motto “Kein Freispruch für Nazis und Justiz” statt. Die etwa 200 Teilnehmer_innen machten damit auf den aktuellen Prozess gegen mehrere Neonazis aus dem Schönebecker Kameradschafts-Umfeld aufmerksam. Die Neonazis hatten im September 2013 in Bernburg einen Imbißbetreiber erst rassistisch beleidigt und dann lebensgefähtlich verletzt.
In Leipzig gab es für die Demo einen Zugtreffpunkt. Die Frage war, ob gar niemand kommt, weil hier noch immer einige Angst vor den “Leipzig-fressenden ZKlern” haben, oder ob doch eine größere Gruppe antirassistischer Aktivist_innen zusammenkommen würde, wie es sie aktuell in größerer Zahl in Leipzig zu geben scheint. Das Ergebnis kann als durchwachsen bezeichnet werden: Es waren ein paar, aber der ganz große Haufen war es dann doch nicht. Müssen wirklich erst Menschen sterben, bevor die Leute die “weite” Anreise nach Magdeburg auf sich nehmen? Reicht es nicht, dass der Betroffene aus Bernburg beinahe sein Leben verloren hat und bleibende Schäden am Kopf und eine Beeinträchtigung der Sehkraft behalten wird?
Waren zum Mord an Kamal in Leipzig regelmäßig Hunderte auf der Straße, scheint die Motivation in einem ähnlichen Fall zu verfliegen, wenn er sich nicht in der “eigenen” Stadt ereignet hat. Das ist bezeichnend, hat doch insbesondere der Prozess gegen die Mörder von Kamal gezeigt, wie wichtig eine öffentliche Begleitung und Thematisierung solcher Angriffe ist. Wie krass die Situation in Sachsen-Anhalt aussieht, wurde im Aufruf zur Demonstration schon angedeutet. Ein aktuelles Beispiel gibt es in Halle.
Zur Demonstration
Die Demonstration startete am Magdeburger Hauptbahnhof und war – leider – nicht viel besser besucht als der Treffpunkt in Leipzig. Zu Beginn gab es Informationen zum verstorbenen Asylsuchenden in Plauen, bei einer Zwischendkungebung wurde auf rechte und rasstistische Aktvitäten in der sachsen-anahaltischen Provinz aufmerksam gemacht. Vor dem Amtsgericht berichtete die Antifa Burg über die kommenden Prozesse gegen Antifaschist_innen. Unter anderem aus diesem Anlass hatte sich der Demo ein eigener Antirepressionsblock angeschlossen.
An der Demo war zu bemängeln, dass das Rufen von Sprüchen im vorderen Block kaum möglich war, da er die ganze Zeit durch den Lautsprecherwagen beschallt wurde – wer dahinter lief, bekam wiederum nichts von den Durchsagen mit. Mehrmals wurde Pyrotechnik gezündet, besonders im Antirepressionsblock. Über den Sinn mag man streiten, womöglich war das ganz überflüssig, zumal auch Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus auf der Demonstration anwesend waren.
(Übrigens hatte sich auch die “Antifaschistische Offensive Leipzig” (AOL) der Demo angeschlossen. Diese Gruppe hat die an sie gerichtete Kritik bisher nicht zum Anlass genommen, sich zu äußern.)
Was bleibt?
Es war eine wichtige Demonstration mit einem guten Anliegen und interessantem Aufruf, die leider (zu) schlecht besucht war. Legt man das verhaltene Presseecho zugrunde, ist offenbar für die Öffentlichkeitsarbeit zu wenig getan worden. Allerdings wurden etliche Passant_innen durch aussagekräftige Transparente und entlang der Route verteilte Flyer über die Hintergründe informiert.
MDR-Beitrag zur Demo
Wer Zeit hat, sollte unbedingt den Prozess beobachten. Denn wie schlecht sowas ausgehen kann, war Anfang der Woche bei einem Urteil in Halle zu sehen.
Übersicht: Verhandlungstermine zum Bernburg-Prozess in Magdeburg
- 18.02.2014 (Prozessauftakt), 20.02. (entfällt), 21.02. (findet statt), 03.03., 07.03., 10.03., 13.03., 14.03., 17.03., 21.03. (evtl. Auch 24.03., 26.03., 28.03.)
- Beginn ist jeweils 9 Uhr im Saal B23, Landgericht Magdeburg.
- MDR-Bericht zum Prozessauftakt
Mehr Informationen:
- Rechte Morde in Magdeburg
- Rassistische und faschistische Angriffe in Sachsen-Anhalt 2013
- publikative.org zum Bernburg-Prozess
- Interview bei freie Radios vor der Demonstration
Text zugesandt von: anonym.