„Nicht der Polizei in die Hände spielen“

Spaßguerilla: Protest gegen den Polizeiposten in Connewitz am 21. Februar. Foto: Indymedia linksunten.

Unter dem doppelbödigen Motto Connewitz steht auf haben sich am vergangenen Freitag etwa 200 Menschen, manche sagen 300, vor den Wiedepachpassagen getroffen. Ihr Protest galt dem neuen Polizeiposten im Stadtteil und fiel zum Teil spaßig aus.

Für leipzig.antifa.de fragte der rote Reporter Enrico Auerbach einen der Organisator_innen, der seinen Namen nicht nennen will, ganz im Ernst, worum es bei der Satire-Altion eigentlich ging – und warum nicht alle darüber lachen können.

 

Die schwerste Frage zuerst: Was genau habt ihr mit der Aktion erreicht?

  • Mit der Aktion war es möglich, eine Stimmung, die seit einer Woche im Stadtteil gärt, auch optisch auf die Straße zu bringen und Menschen im Stadtteil zusammenzubekommen, die mit der klaren Kampfansage seitens Polizei und Stadt ein Problem haben. Es ist auch beeindruckend, was für Reaktionen auf die Kundgebung und den Aktionsaufruf bei Medien, Politik, Polizei und Bevölkerung ausgelöst wurden.Kurz gesagt, Humor haben die Leute nicht. Und Beleidigungen und blödsinnige Aussagen scheinen in Ordnung zu sein von denen, die sich jetzt am lautesten über die Aktion aufregen. Wenn es aber sie selbst betrifft, ist das alles ganz schlimm und das Geschrei groß.

 

Die Polizei fand die Aktion gar nicht lustig und hat sie in einer Pressemitteilung als “peinlich” bezeichnet. Das ist lustig. Aber dass da ein Transparent mit der Aufschrift “Ganz Connewitz hasst die Polizei” gezeigt wurde, spricht leider dafür, dass auch etliche Teilnehmer_innen den Sinn der Aktion nicht verstanden haben. Kann man noch von einer gelungenen Aktion sprechen, wenn sie selbst die eigenen Leute nicht raffen?

  • Ja, es gab eine paar, die nicht verstanden haben, was das Ziel war. Das mag ärgerlich sein, wird sich aber auch nicht immer verhindern lassen. Das muss nicht an der Aktion liegen, sondern vielleicht einfach daran, dass es Personen gibt, die sich nicht auf solche Aktionen einlassen können oder wollen. Es wäre besser, wenn sie dann vielleicht nicht versuchen, die Aktion für ihren Umgang mit dem Polizeiposten zu nutzen.Aber so tragisch ist es jetzt auch nicht, dass es dieses klare Statement gab, was durchaus auch vielen Menschen aus dem Herzen spricht. Zudem hat der überwiegende Teil sich an den „Aktionskonsens“ gehalten und der angetrunkene Pöbelhaufen hat halt seins gemacht, das ist Punkrock und gehört genauso in den Kiez und zur Geschichte dieses Stadtteils.

 

Euer Aufruf und viele feine Details eurer Aktion waren Persiflagen auf die Nazis-Mobilisierungen etwa in Leipzig-Schönefeld, die sich als “Bürgerinitiativen” tarnen. War es das Ziel, diese Fake-Bürgerinitiativen durch eine weitere Fake-Bürgerinitiative vorzuführen?

  • Ja, war es und in weiten Teilen ist das auch sehr gut gelungen. Selbst die Nazis haben das verstanden. Aber wichtig war auch, dass mit der Spaßaktion nicht der Polizei in die Hände gespielt wurde, die nur darauf wartet, dass der neue Posten militant angegriffen wird und sie das schön medial und politisch für sich ausnutzen können.Daher ist eine Aktion, die den gewünschten gewalttätigen Konflikt mit der Polizei ins Leere laufen lässt, eine gute Idee und macht auch mehr Spaß als das immer bierernste politische Standardprogramm der linken Szene.

 

Wenn man sich die Kommentarspalte bei LVZ-Online durchliest, komme ich zu folgendem Eindruck: Leute, die auf eine Nazi-Bürgerinitiative in Schönefeld reinfallen, und das sind ganz schön viele, kriegen eure Insider-Gags gar nicht mit, sondern nehmen die Sache ebenso ernst. Ist Satire hier wirklich der richtige Weg, um Kritik zu vermitteln?

  • Wie gesagt, die Aktion zeigt sehr deutlich, dass es um den Humor in dieser Stadt schlecht bestellt ist. Satire ist daher nicht der Königsweg, um Kritik zu vermitteln, aber schon einer, der mal gegangen werden kann. Immerhin gibt es viele Gruppen und Aktionen in der Stadt, die Kritik auch anders und durchaus sehr sachlich vermitteln. Und Insider-Gags sind es meistens gar nicht gewesen, viele unserer Formulierungen und Aussagen sind welche, die seit Monaten offen von den AkteurInnen, die persifliert werden sollten, kommuniziert werden und überall nachzulesen sind.Wenn Menschen das nicht verbinden können, dann liegt es wohl entweder an einem schlechten Gedächtnis, oder einem oberflächlichen politischen Interesse.

 

Ich habe deshalb gefragt, weil die rassistische Mobilisierung, die hier zur Vorlage der Satire wird, doch eigentlich viel zu ernst und bedrohlich ist, um ausgerechnet das als Schmunzelvorlage zu nehmen. Befürchtet ihr nicht, dass ihr die “echte” Mobilisierung, die ihr veralbert, damit auch ein bisschen verharmlost – wären da nicht ganz andere Mittel als die “Spaßguerilla” angesagt?

  • Die Lage ist ernst und wird auch so von den Gruppen und Aktiven in der Stadt aufgefasst, daher gibt es ja auch regelmäßig Aktionen gegen die rassistische Mobilisierung und eine dauerhafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Aber die Spaßaktion fand ja gerade nicht im Zusammenhang mit einer rassistischen Mobilisierung statt, sondern zu einem anderen, ebenfalls wichtigen Themen, nämlich staatlicher Repression und der Stigmatisierung von Connewitz.Ich denke, die Satire kann durchaus auch den gefährlichen Kern der rassistischen Mobilisierung durch die Überspitzung aufzeigen, gerade dadurch, dass man noch klarer auftreten kann, wie die Rassisten es sich selber sicherlich gerne wünschen. Und vielleicht hat so auch die Polizei nochmal gesehen, was so ein BürgerInnenmob eigentlich ausmacht und nimmt ihn vielleicht auch endlich mal genauso ernst, wie die antirassistischen Aktiven.

 

Wäre es nicht passender gewesen, zu eurer Aktion eine ausgewiesene Satire-Truppe wie “DIE PARTEI” oder die “Apfelfront” einzuladen? In der Berichterstattung musste der Satire-Charakter der Aktion immer wieder extra hervorgehoben werden. Das wirkt so schlecht wie ein Witz, dessen Pointe man den Zuhörer_innen erst mühsam erklären muss.

  • Gibt es die Apfelfront überhaupt noch? Viel ist davon nicht zu hören und „DIE PARTEI“ hat doch keine Basis bis auf die zwei Kandidaten zur Wahl, oder? Daher lohnt sich die Einladung nicht wirklich. Der Satire-Charakter musste in der Presse schon deshalb hervorgehoben werden, weil es keine wirkliche Recherche mehr unter JournalistInnen gibt, also einfach vieles nur abgedruckt wird, wie es reinkommt.Die mangelnde politische Verknüpfung bei den meisten LeserInnen zu den anderen „Bürgerinitiativen“ war ja durchaus auch bei der Presse zu beobachten. Und dann ist es ja eh so, dass es kaum Satire-Aktionen in Leipzig gibt, also der gekonnte Umgang mit sowas nicht vorhanden ist.

 

Die Titanic hat sich mal in die Dresdner Altstadt gestellt und die Leute mit einem Hammer kleine Frauenkirchen-Skulpturen zertrümmern lassen. Solche Satire wirkt, weil sie den richtigen Leuten wehtut. Wem hat eure Satire wehgetan?

  • Der Polizei, den rassistischen und spießbürgerlichen BürgerInnen, die im Netz, in Pressemitteilungen, zu Hause und in den Kneipen immer noch darüber toben und ihren Vernichtungswillen gegen alles, was ihnen nicht genehm ist, zum Ausdruck bringen. Die sagen damit eine Menge über sich aus.

 

Beachtlich ist, dass bei eurer Aktion 200 Leute zusammenkamen. Ist es nicht trotzdem ärgerlich, dass zu einem Termin, der hauptsächlich die eigenen Leute bespaßen soll, mehr Leute kommen als beispielsweise neulich zur Antira-Demo in Magdeburg?

  • Ja, ärgerlich ist es, aber auch hier gibt es viele Gründe, warum das manchmal so ist. Klar ist es wünschenswert, dass alle diese Menschen von Freitag auch nach Magdeburg gefahren wären, aber was hilft es, sich darüber zu ärgern?

 

Was sind eure nächsten Aktions-Ideen?

  • Also, den Gerüchten zufolge plant die „Connewitzer Dorf Union“ (CDU), ins Geschehen einzugreifen mit einer Menschenkette für nächsten Freitag, um die Wiedebach-Passagen zu schützen.

 

Entschuldigung, aber das klingt dann doch etwas ausgenudelt, weil das die Variation eines ganz ähnliches Themas ist. Lebt Satire nicht eher davon, dass sie unerwartet kommt?

  • Wir können in einigen Wochen gerne nochmal darüber reden, ob das ausgenudelt ist, wenn niemand mehr kommen sollte. Unerwartet bleibt die Aktionsform, weil sie genau das Gegenteil davon macht, was die Polizei sich erhofft, und ihre Erwartungen ins Leere laufen lässt. Zumal mit den unterschiedlichen Variationen der Satire durchaus viele unterschiedlichen gesellschaftliche Debatten aufgegriffen werden können und mit Witz und Humor zeigen, wie abstrus solche Debatten zum Teil geführt werden.

 

Abgemacht, bis in einigen Wochen!