NPD zieht geschwächt in Wahlkämpfe

Überraschungen beim Parteitag und schmale Personaldecke:
Die NPD startet unter schlechten Voraussetzungen in die Wahlkämpfe.

NPD-Landesparteitag am 1. März 2014 (v.l.): Jens Baur (Dresden), Nicht-Spitzenkandidat Maik Scheffler und Landtagsabgeordneter Arne Schimmer. Foto: MDR.

Im Landgasthof „Klatschschänke“ in Zwickau-Schlunzig traf sich am vergangenen Sonnabend die sächsische NPD. Hauptaufgabe der 64 Delegierten des Landesparteitages war die Aufstellung der Listenkandidaten zur Landtagswahl am 31. August: Wie vorgesehen ist dabei der Landesvorsitzende Holger Szymanski (Dresden) zum Spitzenkandidaten gewählt worden.

Der frühere V-Mann Szymanski war erst vor kurzem anstelle des geschassten Holger Apfel in den Landtag nachgerutscht, ihm verdankte er den Aufstieg an die Landesspitze. Auch den Fraktionsvorsitz hat Szymanski mittlerweile übernommen. Mit der Personalie setzt die NPD ihren Trend fort, die Geschicke des Landesverbandes zur Sache der Landtagsfraktion zu machen. Auf Platz 2 der Landesliste steht mit Johannes Müller (Sächsische Schweiz) der parlamentarische Geschäftsführer und Interims-Vorsitzende der Fraktion.

Scheffler scheitert

Allerdings war Müllers Platz umkämpft, gegen ihn kandidierte Maik Scheffler aus Delitzsch – und verlor. Ursprünglich war Scheffler für Platz 7 vorgeschlagen worden, hat sich aber auch hier nicht durchsetzen können. An seiner Stelle steht nun die Abgeordnete Gitta Schüßler. Schließlich landete Scheffler nur auf Platz 9, der als aussichtslos gilt, selbst wenn es die NPD erneut knapp in den Landtag schaffen sollte. Doch dafür spricht aktuell nicht viel.

Schefflers Misserfolg versteht sich vor dem Hintergrund seiner aktiven Rolle bei der Entmachtung Holger Apfels. Auch in der NPD liebt man den Verrat, aber nicht den Verräter.

Die Kandidatenkür und zugehörige Diskussionen fanden allerdings – das ist bei der NPD Usus – unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Den Rauswurf der Presse hatte unter anderem Antje Hiekisch (Zittau) beantragt, die nun auf Platz 8 steht. Eigentlich war erwartet worden, dass für ihren Görlitzer Kreisverband erneut Andreas Storr ins Rennen geschickt wird. Der aber ist nicht unter den bisher veröffentlichten Listenkandidaten. Hintergrund: Storr, einer der aktivsten NPD-Redner im Landtag, ist aus seinem eigenen Kreisverband heraus angegiftet worden, weil er sich nicht gut genug um die Belange vor Ort gekümmert habe.

Auffällig ist ferner, dass sich unter den ersten 15 Kandidaten keine NPDler aus den Kreisverbänden Bautzen und Mittelsachsen sowie Leipzig und Chemnitz befinden. Anwesend beim Parteitag war indes Frank Rohleder. Der Chemnitzer gilt als Intimus des Apfel-Vorgängers an der Parteispitze, Udo Voigt. Die Kandidaten auf den Listenplätzen 16 bis 25 hat die NPD bisher nicht veröffentlicht.

Kommunale Entankerung

Offensichtlich startet die NPD stark geschwächt ins Wahljahr, den Verlust von Holger Apfel dürfte sie kaum verwunden haben. So plant die Partei zwar bei den Kreistagswahlen im Mai erneut einen „flächendeckenden“ Antritt in sämtlichen Wahlkreisen, allerdings mit weniger Kandidaten als bisher.

Drastischer ist der Effekt bei den zeitgleichen Stadt- und Gemeinderatswahlen, von denen sich die NPD in einigen Landstrichen zurückziehen wird: Allein in den Landkreisen Görlitz und Leipzig sowie dem Erzgebirgskreis wird es voraussichtlich in knapp 20 Orten mit NPD-Ratsleuten keine Kandidatur mehr geben. Die hier mit Sicherheit wegfallenden Mandate machten vor fünf Jahren etwa ein Viertel aller in Sachsen errungenen NPD-Ratssitze aus und waren ein gern gezeigter Beleg für die „kommunale Verankerung“ der Partei.

Eine Ursache dürfte sein, dass es der NPD kaum gelingt, die eigenen Mandatsträger bei der Stange zu halten. Das zeigt sich aktuell nicht nur im Landkreis Leipzig, wo bisherige “Leuchttürme” einknicken, sondern auch im Erzgebirge: In Großrückerswalde will der NPD-Gemeinderat Sandrino Zießler künftig für die CDU kandidieren. Eigentlich wollte Zießler zur Alternative für Deutschland (AfD) wechseln, dort befand man ihn aber als zu rechts.

„Knesset an der Pleiße“

Dass die NPD mit ihrer dünner werdenden Personaldecke sorgsam haushalten muss, zeigt sich in Leipzig. Hier gibt die Partei ihrem bisherigen Ratsmitglied Klaus Ufer (Althen) keine Chance mehr, erneut in den Stadtrat einzuziehen. Ufer, bisher treuer Parteigänger, war am Sonnabend auch nicht in Zwickau.

Den Leipziger Kandidaten ist indes anzumerken, dass sich die Partei auf jene Wahlkreise konzentriert, in denen sie 2009 am erfolgreichsten war. Das betrifft insbesondere Nordost (bisher: 4,4 Prozent), West (4,0 Prozent) und Ost (3,8 Prozent). Falls die NPD an die vormaligen Ergebnisse anknüpfen kann, werden der Hooligan Enrico Böhm, der Rentner Detlef Teich sowie Kai Mose – der zwischenzeitlich aus der Szene aussteigen wollte – die besten Voraussetzungen für ein Stadtratsmandat haben.

Erst darauf folgt Alexander Kurth (Wahlkreis Nord). Der hielt in Zwickau übrigens eine erfolglose Laudatio für Scheffler und bezeichnete den Leipziger Stadtrat nebenbei als „Knesset an der Pleiße“

Schlecht kalkulierter „Hellersdorf-Effekt“

Womöglich setzt die NPD in Leipzig auf einen „Hellersdorf“-Effekt, denn in Böhms Wahlkreis liegt die Unterkunft für Asylsuchende im Stadtteil Schönefeld, gegen die sich die Partei besonders sträubt. Eine für vergangenen Montag vorgesehene Wiederholung der rassistischen „Leipzig steht auf“-Kundgebung vor der Unterkunft fiel allerdings aus. Neuerdings erklärt der Kreisverband, man wolle sich eher auf die geplante Moschee in Gohlis konzentrieren. Der Stadtteil fällt in die Wahlkreise Nord, wo Alexander Kurth antreten wird, und Nordwest, wo seine Frau Romy Kurth aufgestellt wurde.

Der Wechsel des Schwerpunktes ist leicht zu erklären. Scheinbar hat die NPD erst spät mitbekommen, dass die Unterkunft in Schönefeld als Zwischenlösung angelegt ist, die schon Ende März planmäßig wieder geschlossen werden soll und daher schlecht aus Wahlkampf-Aufhänger taugt. Noch zeigen wird sich, wie gelungen die Auswahl der weiteren Kandidaten ist: Im Wahlkreis Südost wurde Daniel Kaempf aufgestellt. Der ist wiederum Hooligan – und in seiner Freizeit „Geisterjäger“. Das kann immerhin als besonders origineller Bruch mit Apfels Credo der „seriösen Radikalität“ gelten.

Ambitionierte Pläne…

Aber ohnehin strebt die Partei nach Größerem und rechnet sich nun, nach dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde, beste Chancen zur Europawahl aus. Den Auftakt wollen die „Jungen Nationaldemokraten“ am 22. März im „Großraum Leipzig“ mit einem „Europakongress“ geben. Eingeladen sind unter anderem Delegierte der griechischen Nazipartei Goldenen Morgenröte, der italienischen Casa-Pound-Bewegung und des ukrainischen Rechten Sektors. Der Planungsstand deutet darauf hin, dass das NPD-Büro in Leipzig-Lindenau aus Platzgründen als Location eher ausscheidet.

Vielleicht sind solche Pläne gar überambitioniert. Einer davon ist der Aufbau einer „nationalen Immobilienstruktur“, über die am Wochenende in Zwickau diskutiert wurde: Künftige Landtagsabgeordnete sollen Geld abführen, um Häuser zu kaufen und Parteiveranstaltungen weniger konspirativ planen zu müssen. Das Problem wird daran deutlich, dass die NPD schon jetzt eine Location für den nächsten Bundesparteitag im November suchen muss. Aber der Erwerb eines eigenen Objekts – die Räume des „Deutsche Stimme“-Verlags in Riesa sind nicht sakral genug – ist angesichts des schmalen Partei-Budgets nicht drin.

Ob künftige Abgeordnete tatsächlich einspringen können, bleibt bis auf Weiteres offen. Sollte die NPD keinen unerwarteten Auftrieb erhalten, wird es im Landtag schon bald keine NPD-Abgeordneten mehr geben. Auch das anstehende Parteiverbotsverfahren bringt Unwägbarkeiten mit sich, denn falls es erfolgreich ist, verliert die NPD auch ihre Häuser. Womöglich ist man bei genauem Studium der Antragsschrift darauf gestoßen, dass das als Verein organisierte „Bildungswerk für Heimat und Nationale Identität“ als einzige Struktur nicht vom Verbot betroffen wäre und damit als Eigentümer taugt.

Apropos Verbotsantrag: Einer der häufigsten Zitatgeber ist Maik Scheffler. In einem MDR-Interview sagte er anlässlich des Landesparteitags dem MDR, NPD-Abgeordnete im Landtag müssten “Signale setzen und keine Parlamentsdebatte halten”. Gut vorstellbar, dass auch dieser Satz bald der Partei zur Last gelegt wird.

…versus schlechte Aussichten

Aller Zukunftsmusik steht eine schlechte Bilanz aus der Vergangenheit entgegen. Aus dem jüngst veröffentlichten Rechenschaftsbericht der NPD für das Jahr 2012 geht zum einen hervor, dass die Partei viel mehr Mitglieder verloren hat, als bisher zugegeben wurde: Zum Stichtag 31. Dezember 2012 waren exakt 5371 Parteibücher in Umlauf. Damit hat die NPD allein zwischen 2010 und 2012 fast genau 1000 Mitglieder verloren, Indizien für eine Trendwende gibt es nicht.

Zum anderen handelt es sich bei den „Großspendern“ der Partei nur noch um einige ihrer eigenen Abgeordneten in Sachsen, namentlich Andreas Storr – der bald mit Sicherheit kein Abgeordneter mehr sein wird –, Alexander Delle und Arne Schimmer. Aufschlussreich ist die Bilanz des vegleichsweise großen Landesverbandes Sachsen, der überraschend wenige Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen erzielt. Rechnerisch zahlt jedes sächsische Mitglied weniger als zwei Euro im Monat. Das ist deutlich weniger, als es die eigene Satzung fordert. Und womöglich ein Instrument, die wegbrechende Basis durch großzügige Rabatte am Austritt zu hindern.

Der Wirtschaftsprüfer der NPD, Rainer Lorenz-Doleisch von Dolsperg aus Hannover, hat diese Ungereimtheit nicht beanstandet. Er ist übrigens ein früherer Angehöriger des Ex-V-Mannes Michael See alias „Tarif“, der im NSU-Umfeld spitzelte. Die Naziwelt wird eben immer kleiner.


Text zugesandt von: anonym.