Polizei hat Connewitz auf dem (Bild-) Schirm

Wer observiert den Herderpark?

Seit etlichen Jahren wird zur Bekämpfung von Kriminalität auf die Überwachung öffentlicher und kommerzieller Räume gesetzt. Bereits 1996 war Leipzig Ausgangspunkt eines großangelegten polizeilichen Pilotprojekts zur Einführung der stationären und dauerhaften Videoüberwachung großer Plätze. Etwa 30 Städte in der BRD taten es der Messestadt gleich, auch wenn der Nachweis bis heute aussteht, dass dadurch Kriminalität messbar gesenkt oder in nennenswertem Maß aufgeklärt werden könnte.

Allenfalls setzt eine doppelte Verdrängung ein. Ein Teil der Bevölkerung glaubt sich weniger “bedroht”, ein anderer ändert das Verhalten und meidet Überwachungsanlagen – zwei Effekte von Kontrolle. Nur an der Kriminalität selbst und an dem spiegelbildlichen Interesse, Delinquenz zu definieren, ändert sich im Zeitverlauf wenig: Zwischen 1996 und 2000 sind in Leipzig alte Stasi- durch drei moderne Polizei-Kameras ersetzt wurden, die ihren Vorgängern technisch hochüberlegen sind.

Zu den staatlichen kommen private Anlagen. Im Sommer 2003 zählte die Initiative “Leipziger Kamera” fast 700 Video-Überwachungskameras in der Innenstadt. Die Initiative dokumentierte über Jahre die wachsende Videoüberwachung und deren gesellschaftliche Folgen.

Polizei: “gute Erfahrungen beim Einsatz von Videotechnik”

Im November 1999 begann die Polizei, das Connewitzer Kreuz mit einer Videokamera vom Dach des Gebäudes Karl-Liebknecht-Straße 152 aus zu beobachten. Damals kam es zu einer Protestkampagne der AG öffentliche Räume beim BgR im Bündnis mit anderen linken und alternativen Gruppen, vom 31. Januar bis zum 4. Februar 2000 fand eine ganze Demonstrationswoche statt mit dem – vorläufigen – Erfolg, dass die Überwachungsmaßnahme am 19. April 2000 zuende ging.

Doch nach einem Krawall im Mai 2003 wurde die Kamera erneut installiert, seit Februar 2005 wird permanent aufgezeichnet. Im Herbst 2006 wurde sie durch die Kamera auf der Verkehrsinsel am Connewitzer Kreuz ersetzt.


Dort steht sie noch heute und hat Zuwachs bekommen: Der Gebäudezug an der Biedermannstraße, der am Herderpark fast bis zur Wolfgang-Heinze-Straße reicht, wurde schon vor Jahren mit Kameras bedacht. Sie waren auf die komplette Biedermannstraße gerichtet. Eine Kamera zeigt auf die Ecke zur Stockartstraße.

Eine weitere Anlage hatte bis vor kurzem die Kreuzung Biedermann-/Hammerstraße im Blick. Dagegen soll es eine Beschwerde beim Sächsischen Datenschutzbeauftragten gegeben haben. Seit einigen Wochen sind hier mehrere Kameras, die bislang den ganzen Straßenzug im Blick hatten, nur noch auf die Hauswand gerichtet. Nur kann keiner garantieren, dass das so bleibt.


Weitere Kameras fallen auf, wenn man genauer hinschaut. Eine davon ist offenbar nicht angebracht worden, um das Gebäude an sich oder dessen hochwertige Fassade gegen Sprühereien zu “sichern”. Sie zielt vielmehr in Richtung des Spielplatzes im Herderpark. Hier geht es wohl eher nicht um das Aufzeichnen von etwaigen Malereien an Wänden, sondern um eine verdeckte Videoobservation des Herderparks.

Man weiß nicht, wer das veranlasst hat. Man weiß aber, dass die Leipziger Polizei im Zwischenbericht der AG Stadtteilentwicklung Connewitz – am Ende des gescheiterten Konzepts steht der Polizeiposten in der Wiedebach-Passage – auf “gute Erfahrungen beim Einsatz von Videotechnik” verwiesen hat. Der Plural zeigt an, dass die Polizei nicht nur die allseits bekannte Kamera am Kreuz betreibt.


Apropos Wiedebach-Passage: Natürlich ist auch dort aufgerüstet worden, hier wird gefilmt. Immerhin könnte die Auswertung des anfallenden Videomaterials die Frage klären helfen, wie gut der Polizeiposten wirklich frequentiert und ob er überhaupt zu etwas gut ist.


Eine weitere, nahe gelegene Kamera ist eher privater Art. Der Netto hat sie an der Bornaischen Straße installiert, doch zeigt auch sie auf öffentliche Gehwege.


Erst neulich hat sich auch der REWE-Markt am Connewitzer Kreuz dafür entschieden, nicht nur eigene KundInnen, sondern den kompletten Gehweg um den Markt herum überwachen zu lassen.


Let’s talk about Connewitz

Teil des Gegentrends zu Überwachung und Kontrolle ist der Offene Brief einer Initiative “Für das Politische”, der sich mit mit dem Polizeiposten als Baustein einer Repressionsstrategie kritisch auseinandersetzt. Zu den ErstunterzeichnerInnen des Offenen Briefes gehören etliche politische und kulturelle Institutionen im Kiez.

Eine passende Veranstaltung folgt diesen Donnerstag (27. März) um 19 Uhr im UT Connewitz, unter anderem mit einer ehemaligen VertreterIn der Kampagne “Leipziger Kamera”. Das Motto der Veranstaltung trifft die Sache genau: “Gefährliches Connewitz?”