In der Simildenstraße in Leipzig-Connewitz wurde eine versteckte Videokamera gefunden. Was steckt dahinter?
Frage 1:
Wie wurde überwacht?
Aus einer „konspirativen Wohnung“ in einem leerstehenden Eckhaus. Kernstück der dort installierten Anlage war eine professionelle Videokamera mit Zoom-Funktion (optisch: 18-fach) und hoher Lichtempfindlichkeit, die auf Kommando geschwenkt (+/- 170°) und geneigt werden kann. Die Kamera erkennt Bewegungen und kann so eingestellt werden, bestimmten Mustern – das können Personen oder Fahrzeuge sein – zu folgen.
Angeschlossen war ein Bildaufzeichnungs- und Übertragungssystem, das die Kamera netzwerkfähig macht. Prinzipiell ist es möglich, mehrere Kameras anzuschließen, gefunden wurde aber nur die eine. Außerdem war ein Einschub für eine Festplatte vorhanden, auf der die Videobilder aufgezeichnet werden können. Dieser Einschub war aber leer.
Stattdessen folgte ein LTE-Router. Durch ihn wird das Kamerabild über ein Vodafone-Mobilfunknetz zu einer vorbestimmten Adresse gestreamt. Umgekehrt kann die Kamera live angesteuert werden.
Das funktionierte so lange, wie Strom da war. Den lieferte eine portable Brennstoffzelle, wie sie sonst beispielsweise in Wohnmobilen verwendet wird. Sie speist sich aus einem Methanol-Tank und belädt eine handelsübliche Autobatterie. Prinzipiell ist so ein autarker Betrieb über mehrere Wochen möglich.
Frage 2:
Wer ist der Überwacher?
Das ist nicht bekannt, es gibt aber plausible Anhaltspunkte. Zunächst fällt auf, dass es sich hier um eine hochprofessionelle Installation handelt. EndkundInnen müssten für die neuwertigen Komponenten insgesamt mehr als 8000 Euro investieren. Die Kamera selbst ist mit „nur“ knapp 1000 Euro noch der günstigste Posten.
Ein privater Betrieb ist dadurch unwahrscheinlich und wäre in der Form auch illegal gewesen. Insbesondere der LTE-Anschluss lässt eher auf gehobene, also auf behördliche Ansprüche schließen. Dafür spricht ein kleiner Aufkleber am Kameramodul, der auf die Firma Digital-Secure GmbH aus Breisach verweist. Sie liefert nach eigenen Angaben Überwachungs-Equipment an allerlei Polizei- und Sicherheitsbehörden, leistet auch Schulung und Support.
Zu den KundInnen der Firma gehören Einsatzkommandos der Polizei im ganzen Bundesgebiet, Landeskriminalämter, der Zoll sowie die Landesämter für Verfassungsschutz. Es ist wahrscheinlich, dass die Behörde, die den Überwachungsposten in Betrieb hatte, aus diesem Milieu kommt. Sie hat sich aber noch nicht „geoutet“. Außerdem ist angesichts des technischen Aufbaus anzunehmen, dass jene Behörde eine langfristige Überwachung betrieben hat – oder betreiben wollte.
Frage 3:
Wer wurde überwacht?
Die Kamera hatte von ihrem Standort aus einen längeren Straßenabschnitt im Blick, an dessen Häuserfront mehrere Eingänge zu etlichen Wohnungen liegen. Abgesehen von der unsachlichen Spekulation, wem die Überwachung eigentlich galt, waren automatisch viele Unbeteiligte betroffen.
Sollte die Polizei hinter der Maßnahme stehen, so findet sich die einschlägige Rechtsgrundlage in der Strafprozessordnung. Sie erlaubt eine derartige Überwachung, wenn wegen einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ ermittelt wird, worunter auch die üblichen Staatsschutz-Delikte und Organisations-Paragraphen fallen. Zwar ist für eine längerfristige Observation ein Richtervorbehalt vorgesehen, aber es genügt ein Verdacht. Die Überwachung muss sich nicht einmal auf einen Verdächtigen beschränken, sondern kann sich ebenso gegen „Kontaktpersonen“ richten.
Womöglich befinden sich also unter den Menschen, die ins Blickfeld der Kamera gerieten, überhaupt keine, denen irgendein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann. Noch größere Spielräume haben die VS-Behörden, die sich derartige Maßnahmen selbst genehmigen können. Ihnen genügt ein Gerücht, jemand sei „Extremist“.
Text zugesandt von: anonym