Szenen aus dem Film „Fight Club“, der „Spirit of 1956 Hungary“, die Forderung nach „More Fascism“: Wer das Pirnaer „Haus Montag“ bei Facebook besucht, landet auf den ersten Blick bei einem „sozialen regionalen Netzwerk für Identität und Kultur“. Auf den zweiten Blick folgt die Selbstbeschreibung, man sei „eine Squadra, ein Trupp“. Die historischen squadristi waren Mussolinis Schwarzhemden. Erst auf den dritten Blick wird klar: Das „Haus Montag“ ist in Wirklichkeit die Fassade für eine Geschäftsstelle des NPD-Verbandes im Landkreis Sächsischen Schweiz–Osterzgebirge sowie ein Bürgerbüro des Landtagsabgeordneten Johannes Müller.
Das „Haus Montag“ – tatsächlich ist die Fassade völlig unauffällig – war im Oktober 2013 eröffnet worden, angekauft hatte es der Norweger Eirik Ragnar Solheim. Einst führte er eine Osloer Neonazi-Organisation namens „Viking“ an und ist nun mit dem namhaften ostsächsischen Neonazi Thomas Rackow gut bekannt, der mittlerweile selbst in Norwegen lebt. Nach Informationen der Sächsischen Zeitung waren bei Bauarbeiten in Pirna ehemalige Mitglieder der verbotenen „Skinheads Sächsische Schweiz“ gesehen worden, der auch Rackow angehörte. Besonders der Ex-SSS-Kader Thomas Sattelberg soll sich engagieren. Er ist Sachbearbeiter der NPD-Landtagsfraktion. Dass Müller dem geschassten Holger Apfel als Interims-Fraktions-Chef nachgefolgt ist, dürfte das „Haus Montag“ weiter aufwerten.
Neu daran ist die Symbolsprache. Angelehnt an die neofaschistische Casa-Pound-Bewegung in Italien wird zur Selbstdarstellung an Bildern übernommen, was Online-Plattformen wie „Zentropa“ massenhaft bieten: Fast schon beliebige Motive, kombiniert mit kurzen Parolen oder Sinnsprüchen. Oft haben die mit Politik oder Geschichte weniger zu tun, sondern speisen sich aus der Pop-Kultur. Schon die Bezeichnung „Haus Montag“ verweist auf Ray Bradburys dystopischen Roman-Klassiker „Fahrenheit 451“ und dessen Protagonisten Guy Montag, der selbst zum verfolgten Widerständler wird. Derart wollen sich die Protagonisten des „Haus Montag“ mit dem Image der Unterdrückten identifizieren und durch diese Assoziation als nonkonformistische Underdogs durchgehen.
Der Versuch an sich ist nicht so beliebig, wie die Bilder vermuten lassen. Solheim hatte im Dezember 2010 bei einer Veranstaltung des NPD-nahen „Bildungswerks für Heimat und nationale Identität“ referiert und dort über „werbepsychologische Maßnahmen“ gesprochen: Man müsse positive Bilder in die Öffentlichkeit tragen, „um so die Propaganda der Gegner zu unterlaufen“. Unter den Seminar-Teilnehmern befanden sich nicht nur NPD-Anhänger, sondern auch Angehörige „national-konservativer Gruppen und Studentenverbindungen“.
Zumindest an der Vorgänger-Veranstaltung hatte aus genau diesem Milieu der Chemnitzer Felix Menzel teilgenommen. Er war da gerade von einer Italien-Reise zurückgekehrt, ein Besuch bei Casa Pound inklusive. Die hat er als „wegweisend“ bezeichnet, denn sie setze „neue Maßstäbe zu einer rechten Ikonographie“; als Beispiel nennt er Bradburys „451“.
Menzel, ein wichtiger Kopf der Neuen Rechten und verantwortlich für die Zeitschrift „Blaue Narzisse“, steht nun für einen weiteren aktuellen Rezeptionsversuch des italienischen Vorbilds: In der „Blauen Narzisse“ war 2012 für ein „Haus der Alternativen Rechten“ geworben worden, eine buchstäbliche Ver-Ortung als Ausgangspunkt für künftige „alternativ-rechte Jugend- und Kulturprojekte […], denen es gelingt, unser Lebensgefühl einzufangen; vielleicht kleine Schmieden für die richtige Bild- und Symbolsprache.“ Mitte 2013 eröffnete Menzel dann tatsächlich mit einigen Gleichgesinnten ein „Zentrum für Jugend Identität und Kultur“ in Dresden. Die Umsetzung – hier handelt es sich um schlichte Kellerräume – hat allerdings wenig mit Casa Pound zu tun.
Darum geht es aber auch nicht. Bereits 2009 hatte Menzel in einem schmalen Band, der im neurechten Antaios-Verlag erschienen ist, bemängelt, dass der Rechten in Deutschland identitätsstiftende Schlüsselbilder fehlen, die im kollektiven Gedächtnis mit dem symbolischen dumpfen Bonehead konkurrieren könnten. Genau da wird Casa Pound relevant, das mit einer „Mischung aus faschistischer und futuristischer Ästhetik, virilem Aktivismus, popkultureller Verspieltheit und ideologischer Strenge“ reüssiert. Zu dem Schluss ist neulich Johannes Schüller, Mitarbeiter des Dresdner „Zentrums“, in der österreichischen Rechtsaußen-Zeitschrift „Neue Ordnung“ gekommen.
Es geht erkennbar um den Versuch, „Pop“ zu sein – in der Verbandszeitschrift „Aktivist“ der „Jungen Nationaldemokraten“ ist das offen diskutiert worden. Man lässt sich darauf ein um des prinzipiellen Vorteils willen, auf ein unerschöpfliches Reservoir an Zeichen und Symbolen zurückgreifen zu können. Sie sind uneindeutig und lassen sich nicht auf den historischen Nationalsozialismus zurückführen – solange man nicht weiß, wer sie zu welchem Zweck gebraucht.
Heraus kommt im Falle des „Haus Montag“ ein ästhetischer Stilbruch. Aber wie schon bei den „Autonomen Nationalisten“, die in Sachsen längst keine Rolle mehr spielen, gibt es keine Hinweise auf einen inhaltlichen Wandel.
Der Text ist die ungekürzte Fassung eines Beitrags, der im aktuellen Heft der Zeitschrift Der Rechte Rand (Nr. 147, März/April 2014) erschienen ist. Die Schwerpunktausgabe widmet sich – kurz vor der Europawahl – extrem rechten Bewegungen und Parteien in verschiedenen Ländern. Ein Abo lohnt sich!
Erhältlich ist das Heft im linken Buchhandel, zum Beispiel bei el libro. Dort ist auch ein aktuelles Buch zum Thema von Heiko Koch erhältlich: Casa Pound Italia – Mussolinis Erben, kürzlich im Unrast-Verlag erschienen. Einen guten Einstieg ins Thema bietet auch ein Radio-Interview mit dem Autor.