Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen!

Kundgebung am 23. Mai 2014 auf dem Lindenauer Markt. Foto: Kampagne "Ein Herz für Baulücken - Nazizentren abreißen!"

Etwa 120 Personen versammelten sich gestern, am 23. Mai 2014, auf dem Lindenauer Markt, um gegen das Nazizentrum in der nahegelegenen Odermannstraße zu demonstrieren. An dieser Stelle sei ein Redebeitrag der Kampagne “Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen” in überarbeiteter Form dokumentiert.

  • Wir befinden uns hier in unmittelbarer Nähe zur Odermannstraße 8. Dieser Ort ist für Nazis von höchstem logistischen und symbolischen Wert und war in der Vergangenheit mehrfach Ausgangspunkt gewalttätiger Übergriffe auf Personen, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Nazis passen. Wir, die Kampagne “Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen”, bestehend aus Anwohner_innen und Antifaschist_innen, haben uns zum Ziel gesetzt, dieses schwerwiegende Problem mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen.

    Als “Bürgerbüro” des damaligen Landtagsabgeordneten Winfried Petzold eröffnete die NPD am 15. November 2008 das Nazizentrum in der Odermannstraße 8. Seitdem fungiert die “O8” als Dreh- und Angelpunkt der regionalen und überregionalen Naziszene, mehrmals im Monat finden verschiedene Veranstaltungen statt. Darunter Rechtsrockkonzerte wie am 26. Oktober 2013, als vier Bands aus dem “Blood-and-Honour”-Umfeld vor 130-140 Nazis auftraten, und geschichtsrevisionistische “Zeitzeugenvorträge”, beispielsweise am 28. September 2013. Dort erzählte der ehemalige SS-Untersturmführer Kurt Barckhausen von seinem Dienst in der “SS-Division Totenkopf”. Diese war verantwortlich für zahlreiche Kriegsverbrechen an alliierten Soldaten und Partisan_innen. Etwa 100 Nazis aus der ganzen Bundesrepublick besuchten den NS-verherrlichenden Vortrag.

    Die meisten dieser geschichtsrevionistischen Zeitzeugenvorträge organisiert Nils Larisch. Er stammt aus dem gewaltbereiten Hooliganmillieu des 1. FC Lokomotive Leipzig und war einer der Initiatoren der Kampagne “Freiheit für Erich Priebke”. Priebke hatte sich im Zweiten Weltkrieg als deutscher SS-Offizier an einem Massaker an 335 italienischen Zivilisten beteiligt und wurde dafür von der italienischen Justiz im Jahr 1998 zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Der überzeugte Neonazi Nils Larisch bewarb Solidaritäts-Shirts und “Erich-Priebke-Wein” und nahm auch Spenden auf seinem Privatkonto unter dem Stichwort “Der letzte Ritter” entgegen. Die Kampagne für die Freilassung Priebkes endete schließlich erfolglos mit dem Ableben des Kriegsverbrechers im Oktober 2013.

    Des weiteren treten antisemitsche Referent_innen in der “O8” auf, beispielsweise die Holocaustleugnern Ursula Haverbeck-Wetzel am 20. April 2012. Auch für Grillpartys und Sonnenwendfeiern wird das Nazizentrum genutzt, ebenso für Kaderschulungen, bei denen zukünftige Nazifunktionäre ausgebildet werden sollen. Während des Wahlkampfs lagert die NPD hier Plakate.

    Dass dieser Ort neben der ideologischen Gefahr auch eine ganz konkrete Bedrohung für die Nachbarschaft darstellt, zeigen mehrere Übergriffe in den vergangenen Jahren. Bereits im ersten Monat nach Eröffnung der “O8” erreigneten sich mehrere Naziübergriffe – wie beispielsweise am 21. November 2008, als drei mit Schlagstöcken und Quarzhandschuhen bewaffnete Nazis eine junge Frau angriffen, die ihren Biomüll über den Zaun warf. Noch am selben Tag drohten vermummte Nazis den Mitarbeiter_innen des nahegelegenen Vereins Buchkinder e.V., ihren Laden zu zerstören.

    Doch auch in jüngerer Vergangenheit nahmen die rechten Übergriffe nicht ab. Am 13. Januar 2012 schlugen drei Neonazis auf zwei Passanten ein, die nachts vor dem Zaun des Nazizentrums standen. Nach dem Übergriff flüchteten die aus der Odermannstraße 8 kommenden Nazis mit einem Auto. Ein Angriff auf das Sommerfest des Kulturvereins D21 am 18. August 2012 bestätigte ein weiteres Mal die von den ansässigen Neonazis ausgehende Gefahr gegenüber kulturellen Einrichtungen, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen.

    Diese Übergriffe sind kein Einzelfall, Leipzig ist nach Statistiken der Opferberatung der RAA Sachsen die Stadt mit den meisten rechtsmotiverten Gewalttaten. Allein im Jahr 2013 waren es 53 registrierte Übergriffe, hinzu kommt eine schwer abschätzbare Dunkelziffer. Fakt ist: Die Bedrohung durch Nazis endet nicht am grauen Metalltor der Odermannstraße 8.

    Kundgebung am 23. Mai 2014 auf dem Lindenauer Markt. Foto: Kampagne "Ein Herz für Baulücken - Nazizentren abreißen!"
    Kundgebung am 23. Mai 2014 auf dem Lindenauer Markt. Foto: Kampagne “Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen!”

    Rassistisch. Antisemitisch. Menschenverachtend. Nationalistisch.

    Als eine Partei, die dem Nationalsozialismus nachtrauert, versucht die NPD immer wieder, ihre darauf aufbauende Ideologie in die Parlamente zu bringen – und die damit verbundenen finanziellen Mittel zu nutzen. Aus diesen Gründen möchten wir ausgewählte diesjährige Kommunalwahlkanditat_innen, die auch regelmäßig die Odermannstraße 8 besuchen und nutzen, vorstellen:

    Alexander Kurth

    Der Nazischläger verprügelte im Jahr 2003 Sebastian Krumbiegel, den Sänger der “Prinzen”. Kurth hatte Krumbiegel aufgrund seiner roten Haare für einen Punk gehalten. Dies zeigt, wie Alexander Kurth mit Menschen umgeht, die nicht in sein Nazi-Weltbild passen. Der seit fast 20 Jahren in der Neonazi-Szene Aktive verfügt über bundesweite Kontakte, auch zu mittlerweile verbotenen Organisationen wie der “Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene” (HNG) hatte er einen guten Draht. Zusammen mit seiner ebenfalls kandidierenden Ehefrau Romy Kurth hetzt er gegen Asylsuchende und den Moscheebau in Gohlis. Unter Gleichgesinnten zeigt er sich ganz ungeniert als Judenhasser und Verehrer zahlreicher Diktatoren, allen voran Adolf Hitler. Politische Gegner_innen würde er am liebsten “in einem Steinbruch”, auf “Todeslisten” oder “im Lager” sehen.

    Enrico Böhm

    Enrico Böhm war im neonazistischen Hooliganmilieu der Lok-Leipzig-Fangruppierung “Blue Caps” aktiv. Die “Blue Caps” waren berüchtigt dafür, an mehreren rechtsmotivierten Übergriffen beteiligt gewesen zu sein. Im Jahr 2010 stand er zusammen mit seiner Freundin wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz vor Gericht, nachdem bei ihnen 2800 Exemplare der ersten Ausgabe der “perplex” gefunden wurden. Diese Ausgabe der zur Verteilung an Schulen bestimmten Zeitschrift der “Jungen Nationaldemokraten” war Ende 2007 indiziert worden.

    Kai Mose

    Der Kampfsportler Kai Mose war im Frühjahr 2008 an Überfällen auf vermeintliche Linke im Johannapark, auf das soziokulturelle Zentrum “Anker” und auf einen Nightliner mit Besucher_innen des “Leipzig.Courage zeigen”-Festes beteiligt. Des weiteren verübte er im selben Jahr mit anderen Nazis einem versuchten Brandanschlag auf den “Fischladen”, das Vereinslokal des Roten Stern Leipzig.

    Axel Radestock

    Radestock ist Administrator der NPD-Leipzig-Homepage. Weiterhin steht er hinter dem obskuren “Bund Germania Magna”, der wiederum die Webseite “Volksberichtshof” betreibt. Diese publiziert üble antisemitische Hetze, hart an der Grenze zur Holocaustleugnung, und verbreitet Textzeilen über vermeintliche “mannigfache Holocaust-Lügen” und den angeblichen “Psycho-Virus Holocaust”. In der realen Welt nimmt Radestock an NPD-Kundgebungen teil und besucht regelmäßig Veranstaltungen in der Odermannstraße 8.

    Die NPD in ihrem Wahlkampf zu behindern und ihnen die Stimme zu verweigern reicht jedoch nicht aus…

    Die Leipziger Naziszene ist auf die Odermannstraße 8 angewiesen. Neben der Bedeutung für die Rekrutierung und Schulung von Nachwuchs hat die Immobilie einen nicht zu unterschätzenden symbolischen Wert im von Nazis als “Frontstadt” betitelten Leipzig. Dies kann für uns nur bedeuten, dass wir einen solchen Ort nicht weiter dulden können und den Nazis gemeinsam den Kampf ansagen werden. Es ist gefährlich, tatenlos dabei zuzusehen, wie Nazis einen solchen Raum ungestört nutzen und etablieren können – ob in Lindenau oder sonstwo. Erklärtes Ziel unserer Kampagne “Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen!” ist es demnach, den Nazis ihren Raum in Lindenau streitig zu machen und die “O8” zu schließen.

    Doch dies erfordert hartnäckige Arbeit und Durchhaltevermögen. Antifaschistische Präsenz zu zeigen ist nicht nur am Tag einer Kundgebung, eines Naziaufmarschs oder sonstiger Veranstaltungen nötig. Es ist auch darüber hinaus wichtig, Nazis entschlossen entgegenzutreten. Ein Lindenau ohne Nazis ist nur durch eure Solidarität und tatkräftige Unterstützung als Anwohner_innen und Antifaschist_innen möglich.

    Keinen Fußbreit den Nazis! Für ein Lindenau ohne NPD!

    Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen!


Text zugesandt von: Kampagne “Ein Herz für Baulücken – Nazizentren abreißen!”