Auflösungserklärung der AOLE

Von der Leipziger Szene weiß man auswärts vor allem zu berichten, dass sie besonders antideutsch sei. Solche Nachrede – manche würden sagen: üble Nachrede – lässt sich zuverlässig in Gelächter auflösen. Man muss nur auf die "Antifaschistische Offensive Leipzig" (AOLE) hinweisen.

Der AOLE-Website lässt sich heute entnehmen, dass die Gruppe im Jahr 2009 gegründet wurde. Bis vor einer Weile stand dort außerdem zu lesen, dass man nicht länger habe zusehen wollen, wie die Antifa in Leipzig “vor die Hunde” gehe. Denn die werde “von antideutschen Inhalten unterwandert”.

Es ist nicht überliefert, ob dieser Passus dank der sprachkompetenteren Einsicht gelöscht wurde, dass Inhalte nicht wandern. Oder ob es den AOLE-Leuten dämmerte, dass sie damit eine Diskussion ansprechen, von der sie vermöge eigener Abwesenheit gar nichts wissen. Vielleicht war ihnen der Satz auch irgendwann nur noch peinlich. Immerhin war es der allererste AOLE-Versuch einer Textproduktion (in gewissen Kreisen gilt das ja schon als Konzession an antideutsche Gepflogenheiten). So war es damals konsequent, dass die Gründungserklärung der AOLE nur der Vorspann zu so etwas wie einer Selbstdarstellung war, die Satz für Satz von gerade solchen Websites zusammengestückelt wurde, die sich als “Zusammen kämpfen” (ZK) bezeichnen.

Gerüchtehalber wollte die AOLE sogar “ZK Leipzig” werden, immerhin wurde ein zugehöriger Blog angemeldet. Vielleicht war aber die Performance der AOLE, die es seit fünf Jahren vermochte, überhaupt keine Rolle zu spielen, allen anderen ZKs zu mies. Vielleicht erwies sich die SDAJ Leipzig zudem als ungeeigneter Bündnispartner, schließlich sind die einem ganz anderen Zentralkomitee verpflichtet.

Nachdem seit 2009 also im wesentlichen gar nichts geschah, hat die AOLE nun den ersten eigenen Text geschrieben. Er ist dazu gedacht, einen demnächst geplanten Ausflug zur Luxemburg-Liebknecht-Demo nach Berlin in einen Zusammenhang mit der nahenden Weltrevolution zu setzen. Ein ehrgeiziger Plan, der besser nochmal fünf Jahre hätte reifen sollen, bevor er zu Papier kommt.

Im zuverlässigen Stalino-Duktus prognostiziert die AOLE höchst unzuverlässig die heranrückende Revolution. Über diese Revolution nimmt die AOLE schon seit ihren Gründungstagen an, dass sie auszulösen heiße, “Klassenbewusstsein in die Gesellschaft zu bringen”. In einem halben Jahrzehnt dämmerte es der Gruppe nicht, dass RevolutionärInnen nicht vor dem Problem eines fehlenden, sondern eines verkehrten Klassenbewusstseins stehen. Die Ansicht muss man nicht teilen. Aber wer sie – wie die AOLE – nicht teilt, kann sich nicht auf Luxemburg und Liebknecht berufen.

Dennoch sieht die AOLE gewisse “Fortschritte” in ihrem verkehrten Kampf:

“Mit jedem Tag der vergeht werden sich auch immer mehr Menschen ihrer eigenen Klasse bewusst und opfern sich auf , für den internationalen Befeiungskampf für eine bessere Welt . Dieser Befeiungskampf wird derzeit in vielen teilen der Welt mit der Waffe ausgetragen , sei es in Palästina , Kurdistan oder dem Baskenland .”

(Rechtschreibung im Original.)

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich Menschen, die sich “opfern”, ihrer Klasse bewusst geworden sind oder hier eine besonders üble Verwechslung mit Volk und Nation vorliegt. Fest steht, dass diese bewaffneten Menschen, die sich in Palästina oder wo auch immer “aufopfern”, entgegen der Annahme der AOLE keineswegs den “Traum von den [R]evolutionären Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg” verwirklichen. Schon die Idee, der Kapitalismus müsse gerade in Israel gestürzt werden, indem sich bewaffnete Menschen – das sind: Selbstmordattentäter – “opfern”, führt regelmäßig nicht zur Befreiung der Arbeiterklasse, sondern zur Ermordung von Israelis.

Um auch keinen Zweifel daran zu lassen, dass ihr Pamphlet so gemeint ist, wie es geschrieben steht, bezeichnet die AOLE dieses Vorhaben als “Befreiungskampf” und die aufopfernden Befreiungskämpfer als “Waffenbrüder”. Dass sie hier nationalen bis nationalistischen Befreiungskämpfen zujubelt, dementiert die AOLE übrigens ausdrücklich auf einem Transparent, das die Behauptung aufstellt, “Autonome” seien “nicht national”. Wahrscheinlich würden sie sich auf Nachfrage auch von dem irren Gedanken distanzieren, “Klassenbewusstsein”, wie sie das verstehen, lasse sich beispielsweise durch die Waffenbrüder im Baskenland “in die Gesellschaft bringen”, also: herbeibomben.

Der Irrtum liegt nicht nur in der schon durch deutsche Linke demonstrierte Untauglichkeit der Methode, sondern auch in der Unterstellung, die Waffenbrüder und -schwestern teilten bei alledem noch die zuckersüße Utopie der AOLE einer befreiten Gesellschaft: “In dieser Gesellschaft werden dann alle Menschen frei sein und in frieden Leben können .” Natürlich abzüglich derer, die sich “geopfert” haben oder geopfert wurden. Dass die AOLE darüber hinweggeht, demonstriert kein proletarisches, sondern ein besonders bleiernes Bewusstsein.

Ein halbes Jahrzehnt lang hat es die AOLE erfolgreich vermocht, nicht von irgendwelchen Inhalten “unterwandert” zu werden. Karl Kraus hätte seine helle Freude gehabt: Diese Leute haben keinen Gedanken und sind unfähig, ihn auszudrücken. Man kann es aber auch so sehen, dass diese “Antifaschistische Offensive” dem Antifaschismus nur noch so dienen kann, die Gruppe endlich aufzulösen.


Text eingesandt von: Ralf Gustav