Lambda statt Hakenkreuz

Tony Gerber gibt Kampfsport-Unterricht für „Identitäre“. Foto: IB.

Um die „Identitären“ ist es ruhig geworden. Was vor gut zwei Jahren als subversive Jugendbewegung von rechtsaußen begann, ist ein biederer Verein geworden. An der politischen Verortung hat das nichts geändert, wie das Beispiel Sachsen zeigt. Denn hier ist unter den führenden „Identitären“ neben einem jungen AfD-Politiker aus Leipzig auch ein bekannter Neonazi aus Zwickau. Der heißt Tony Gerber und schwadronierte in der Vergangenheit von der „arischen Rasse“, schimpfte auf „Untermenschentum“ und „hebräische Judenbengel“.

Feinderklärung per Video

Bisher ist noch niemand, der ZuschauerInnen mit „Glück auf!“ begrüßt, Youtube-Star geworden. Aber darum geht es bei „Identitära“ auch nicht. Der Videoblog ist im sächsischen Zwickau, Ortsteil Neuplanitz, daheim. In loser Folge entstehen dort Beiträge zur neurechten „Identitären Bewegung“ (IB). Durch das Programm führt Tony Gerber mit einer beachtlichen Treue zur Mundart.

In den bisher drei Sendungen hat Gerber erklärt, was ihn an der IB begeistert. Es ist die „klare Freund-Feind-Bestimmung“. Er hat begründet, worum sich ein „Identitärer“ bemüht, nämlich “Wehrhaftigkeit”, denn der Feind heißt nun einmal „nicht selten Ausländer“. Und schließlich holte er für die neueste Episode mit Martin Sellner den Anführer der „Identitären“ in Wien vor die Kamera und plauderte mit ihm über das Thema Asyl. Gewissermaßen also noch einmal über den Feind, denn Gerber befürchtet „ethnische Konflikte“ und dass sich das Stadtbild Zwickaus durch „Masseneinwanderung“ drastisch verändern werde.

„Natürliche Instinkte“ gegen Ausländer

Der MigrantInnenanteil an der Zwickauer Bevölkerung beträgt etwa zweieinhalb Prozent. Gerber wird so ein Detail einfach vergessen haben bei dem Elan, den er neuerdings im Namen der IB an den Tag legt, der er sich nach eigenen Angaben erst im Frühjahr angeschlossen hat. Seitdem hat der 27-Jährige an einem „Deutschlandtreffen“ der IB in Fulda teilgenommen und an einem Sommerfest der IB-Österreich. Zudem unterrichtet Gerber die Gefolgsleute in seinem Lieblingsfach: Kampfsport. Am dritten Juliwochenende gab er gar im Namen der „Identitären Bewegung Zwickau“ gar einen kompletten „Selbstverteidigungskurs“. Beworben wurde die Veranstaltung unter dem Label „Sektion Jahn – Spirit of 1683“.

Die Bezeichnung ist angelehnt an den legendären „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, dessen Turnbewegung eng verknüpft ist mit der Entwicklung der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert und der Ideen des späteren völkischen Nationalismus vorweg nahm. Die Jahreszahl 1683, auch zu sehen auf IB-Mechandise-Artikeln, spielt an auf die zweite Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich. Der etwas bemüht wirkende Rückgriff auf das historische Exempel verdeutlicht, in welche Situation sich die „Identitären“ versetzt sehen. Sie wollen daher, so heißt es in einem Bericht zur Kampfsport-Veranstaltung, „die natürlichen Instinkte zur Selbstverteidigung“ wecken. Die klare Freund-Feind-Unterscheidung bedacht, ergibt sich sogleich, welcher Feind hier zu bekämpfen sei.

Neonazi und AfD-Politiker in Wien

Derart motivierte Gewalt ist nun nicht weniger rassistisch, nur weil sie zu einer anthropologischen Konstante verklärt wird und die IB jeden Rassismusvorwurf von sich weist. Besonders überzeugend ist das ohnehin nicht. Der Zulauf zu einem ersten Aufmarsch der „Identitären“ in am 17. Mai in Wien blieb überschaubar. Dort wiederum gehörte Tony Gerber zu den wenigen sächsischen Teilnehmern, Fotos zeigen ihn mit einer charakteristischen Lambda-Fahne.

IB-Aufmarsch am 17. Mai 2014 in Wien. Links Gerber, rechts Koschkar. Fotos: Daniel Weber (flickr)/derStandard.

Ein zweiter sächsischer Teilnehmer dieses Aufmarsches war Felix Koschkar aus Leipzig-Schleußig. Der Verbindungsstudent wollte zuletzt als Direktkandidat für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in den Landtag einziehen. Koschkar wird der „Patriotischen Plattform“ in der AfD zugerechnet. Kurz vor der Wahl gehörte er zu einem Kreis örtlicher Mitglieder, die für einen Vortrag keinen Geringeren als Andreas Mölzer nach Leipzig einluden. Der österreichische FPÖ-Rechtaußen Mölzer sollte über Europa sprechen – die EU hatte er vor nicht langer Zeit als „Negerkonglomerat“ geschmäht.

Die damals geplatzte Veranstaltung wird mittlerweile einem Weggefährten Koschkars, dem Leipziger AfD-Politiker Roland Ulbrich, zur Last gelegt. Und zwar in einen Antrag auf Parteiausschluss. Die neue Frage, in welcher bedenklichen Beziehung Koschkar bei den „Identitären“ mit einem Emporkömmling der Neonaziszene wie Tony Gerber steht, dürfte für die AfD erst recht peinlich sein. Erst Anfang September war bekannt geworden, dass einige sächsische Mitglieder einen Vorlauf in der extremen Rechten haben, andere zeitgleich in der NPD aktiv blieben.

Biografie in der Braunzone

Dort Mitglied war Gerber zwar nie. Dennoch ist der Lebenslauf des gelernten Kochs, der sich heute als „Sicherheitsberater“ bezeichnet, gerade dort aufschlussreich, wo er die Braunzone durchquert. Eine Station war der „Schutzbund Deutschland“, der Mitte der 2000er Jahre durch Verteilung rassistischer Propaganda bekannt wurde. Einschlägige Flugblätter und Sprühereien waren auch in Zwickau aufgetaucht. Behörden gehen davon aus, dass auch Schulungen in „Rassenkunde“ zum „Schutzbund“-Programm gehörten. Auf dessen Verbot Mitte 2006 folgten fortgesetzte Aktivitäten unter dem Label „Bewegung Neues Deutschland“. Flugblätter wurden wiederum in Zwickau verbreitet. Als Verantwortlicher war darauf Maik Eminger notiert.

Gerber bei einem Neonaziaufmarsch am 16. November 2013 in Schneeberg. Screenshot: MDR.

Spätestens ab 2008 fiel Gerber dann als Anhänger der „Nationalen Sozialisten Zwickau“ auf und kurz darauf als Vertreter des militanten Kameradschafts-Netzwerkes „Freies Netz“. Er war beteiligt an der mit neonazistischen Inhalten befüllten Website „mittelsachsen.org“, die 2009 auf Betreiben der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) gesperrt wurde. Im gleichen Jahr kandidierte er für die NPD zur Stadtratswahl in Zwickau. „Spitzenkandidat“ damals war übrigens Peter Klose, bekannt für skurrile Auftritte im heimischen Stadtrat. Der frühere V-Mann und zwischenzeitliche NPD-Abgeordnete im Landtag verstarb vor wenigen Monaten. In die Schlagzeilen geriet er zuletzt, weil er seine Facebook-Seite mit einem „Paulchen Panther“-Motiv schmückte. Das tat er, wohlgemerkt, vor der Enttarnung des NSU. Ein Ereignis, das auch für Gerber Folgen hatte.

Ein „Sonnenritter“ beim BKA

Heute steht Gerber hinter der Website „Sonnenritter“, erklärtermaßen der „Theorie-Blog“ einer nicht näher erläuterten „Organisation“, tatsächlich aber eine Sammlung gerberscher Besinnungsaufsätze. In einem davon charakterisiert sich der Autor selbst als früheren „Kader“ im „Nationalen Widerstand“. Damals sei er aber „noch relativ apolitisch“ und Kameraden nur „Maulhelden“ gewesen. Er selbst dagegen sei „immer in innerster Überzeugung und mit besten Gewissen“ vorgegangen. Dafür, dass Gerber mit früheren Überzeugungen tatsächlich gebrochen hätte, gibt es jedoch wenig Anhalt. Noch im November vergangenen Jahres tauchte er bei einem rassistischen Aufmarsch („Lichtellauf“) in Schneeberg auf.

„…besonders Heinrich Himmler
danken und loben“

Auch darf gezweifelt wären, dass seine Überzeugungen früher einmal „relativ apolitisch“ gewesen wären. Denn aufgrund seiner freundschaftlichen wie politischen Verbindung zum mutmaßlichen NSU-Unterstützer André Eminger – er verwahrte eine Spendenbüchse der „Nationalen Sozialisten Zwickau“ – hat Gerber, wie er selbst bei „Sonnenritter“ berichtet, beim Bundeskriminalamt ausgesagt. Er wiederholt in seinem Blog gern, was er dem BKA im Sommer 2012 berichtet hat und derzeit nicht zu widerlegen ist: dass er vom NSU nichts mitbekommen habe. Und, angesichts der Faktenlage viel streitbarer, dass Eminger ein „anständiger, arbeitsamer und gewaltverneinender Mensch” sei.

„Organisiert gegen Regime und Untermenschen“

Gerber ist so voll des Lobs für den Angeklagten, dass er glatt vergisst zu berichten, was ihm das BKA eigentlich vorhielt: Bei André Eminger wurde eine Festplatte sichergestellt, die neben persönlichen Dokumenten auch Propagandamaterial enthält, das eindeutig dem NSU zuzurechnen ist. Und es gibt auf dem gleichen Datenträger einen Ordner namens „tony“ und darin eine ganz spezielle Datei: In ihr wurde eine obskure Rede zum „Julfest“ 2005 notiert, die ausschließlich für ein hartgesottenes Neonazi-Publikum gedacht gewesen sein kann.

Das Skript identifizierte Gerber prompt als das seine. Es heißt dort auszugsweise:

  • „Kameraden! Wir sind hier heute zusammen gekommen, um ein 10.000 Jahre altes Fest zu feiern […] Im dritten Reich gab es den letzten großen Aufschwung des germanischen Heidentums. In diesen Bezug möchte ich besonders Heinrich Himmler danken und loben, der sich auf dem Gebiet der Ahnenforschung und des Wotanismus im gehobenen Maße betätigte […]

    Ich möchte heute auch nicht, trotz der Feierlichkeiten, meinen Hass gegen dieses Untermenschenregime verbergen! […] Nicht zu vergessen, diese elenden jüdischen Kuttengrunzer der Kirche, die das Deutsch-Germanische Volk nun mehr als 2000 Jahre knechten! Doch die Arische Rasse ist nicht zum knechten geboren!! Ich selbst, gehe mitlerweile seit 3 Jahren organisiert, gegen Regime und Untermenschen vor! Wir als Lichtmenschen, haben die Bestimmung und das gegebene Schicksal, nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt zu richten! Mit Allvater Wotan und Donars Blitzen, werden wir wie ein Sturm, über diese von Untermenschen bevölkerte Welt fegen! Wir brauchen keine Demokratie und keinen hebräischen Judenbengel als guten Hirten […]

    Vermöge der Jud den Wind den er säte, nun als Sturm ernten! Der Stahl harrt auch in meiner Hand!!! Heil euch Kameraden, zum Wohle und ein flüssiges Julfest!“

Verwechslungsgefahr

Bleibt die Frage: Warum hatte Eminger diesen Text? Wohl zum Korrekturlesen, behauptet Gerber, der seine Vernehmer auch sonst erfolgreich abspeisen konnte mit der Ausrede, seine volksverhetzenden Ausführungen seien teils nur Polemik gewesen, teils „philosophisch“ (!) zu verstehen. Vom Inhalt zurückgenommen hat er überhaupt nichts. Auch nicht den folgenden Satz:

  • „Wir leben in einem Land, indem jede Kultur nicht nur reingelassen und akzeptiert, sondern auch noch zu allem Überfluss integriert wird.“

Einer wie Gerber passt also ganz gut zu den „Identitären“, die dasselbe beklagen. Da verwundert es nicht, dass der Abstand, den sie zur Neonaziszene haben wollen, in der Praxis nur von theoretischer Bedeutung ist: Nachdem Mitte September die Wiener „Identitären“-Gruppe um Sellner Aufsehen erregte durch eine nachgestellte Hinrichtung des „Islamischen Staates“, wurde das morbide Happening sogleich in Leipzig wiederholt. Hier jedoch kamen die Schauspieler von der NPD-Jugend.


Lesetipp: Die Zeitschrift Der Rechte Rand informierte im vergangenen Jahr mit einer Schwerpunktausgabe (Nr. 143) ausführlich über die „Identitäre Bewegung“. Das komplette Heft gibt es hier zum Download.


Text zugesandt von: derGilb