Kämpfend erinnern,
„solange das Problem besteht“

Antirassistische Demonstration zum Gedenken an Kamal vor einem Jahr in Leipzig. Foto: Indymedia Linksunten.

Am morgigen Sonnabend findet zum vierten Mal eine Demonstration im Gedenken an Kamal K. statt, der 2010 in der Leipziger Innenstadt durch Neonazis ermordet wurde.

Die VeranstalterInnen der Demo thematisierten bereits im Vorfeld weitere rechte Morde und die Tragweite rassistischer Ideologie, gerade in Leipzig. Aus diesem Anlass gab es einen „antirassistischen Kulturtag“ im Rabet sowie Anfang der Woche die „Leipziger Rede“ im Rathaus. Morgen wird es auf die Straße gehen.

Enrico Auerbach sprach für leipzig.antifa.de mit einer Person aus dem Vorbereitungskreis der kommenden Demonstration. Hinter ihr stehen der Initiativkreis Antirassismus, die Kampagne „Rassismus tötet!“ – Leipzig sowie das Antifa-Komitee Leipzig.

 

Zunächst eine ganz banale Frage: Warum gibt es morgen erneut eine Demonstration im Gedenken an Kamal und weitere Opfer rechter Gewalt in Leipzig?

  • Für uns sind mehrere Gründe ausschlaggebend, warum uns eine weitere Demo wichtig ist. Zunächst einmal stehen wir solidarisch an der Seite der Familie Kamals, der es wichtig ist, dass der Mord nicht vergessen wird. Wir wollen die Demo nutzen, um die rassistische Motivation dieser Tat und der beiden Täter genau so kritisch zu beleuchten wie das Verhalten von Medien, Polizei und Justiz. Denn dort erkennen wir Parallelen zu weiteren Fällen.

    Wie die zustande kamen und danach damit umgegangen wurde ist Ausdruck eines gesellschaftlich akzeptierten Rassismus in der Stadt. Darin findet sich auch der Grund, warum weitere rechten Morde in Leipzig nicht anerkannt oder sogar verschwiegen werden. Und all das in Leipzig, also in der Stadt, in der laut RAA die meisten rechten Übergriffe stattfinden.

Wird es so sein, dass in Leipzig eine jährliche Gedenkdemonstration etabliert wird, ähnlich den Silvio-Meier-Demos in Berlin?

  • Das können wir noch nicht voraussagen. Wir sind uns einig, dass das Thema eine kontinuierliche Beachtung braucht. Aber es gibt unterschiedliche Auffassungen, in welchen Formen das geschehen sollte. Solange das Problem besteht, das wir thematisieren, und solange wir bei dem spezifischen Anlass die Fürsprache der Familie Kamals haben, wollen wir aber an öffentlichen Aktionen festhalten.

    Andererseits ist es so, dass es im Vorbereitungskreis kritische Standpunkte zu einer ‘Ritualisierung’ des Gedenkens gibt. Das bedeutet auch immer eine Einschränkung der Themen, die man nach außen tragen muss und die über den Anlass des Demotermins hinausgehen. Dazu gehört zum Beispiel der Umstand, dass die rassistischen Mordfälle in Leipzig staatlicherseits anerkannt werden. Bei den Fällen, in denen ein sozialdarwinistisches oder homosexuellenfeindliches Motiv vorlag, sieht das völlig anders aus.



In einem Radiointerview ging eine eurer MitstreiterInnen auf die Aktionen ein, die ihr dieses Jahr schon gemacht habt oder an denen ihr beteiligt wart. Kannst du das nochmal anreißen, wie euer Engagement konkret aussieht?

  • Unser Vorsatz war, dass wir in diesem Jahr nicht nur eine Demonstration veranstalten wollen, sondern auch schauen, wie man sich mit den Themen Rassismus und den rechten Morden anders auseinandersetzen kann, als es bisher erprobt war.

    So ein neuer Versuch war im September der „antirassistische Kulturtag“ im Rabet mit dem dem Motto „Kriminell ist nicht die Eisenbahnstraße, sondern das System“. Wir wollten mit unterschiedlichen Mitteln wie Workshops, Infoständen, Musikbeiträgen und einer Podiumsdiskussion mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. Und wir wollten dabei auf die rassistische Stigmatisierung eines ganzen Stadtteils aufmerksam machen, den manche nur verächtlich als “die Eisenbahnstraße” kennen. Wir haben gemerkt, dass die Podiumsdiskussion dazu sehr gut ankam.

    Am vergangen Montag haben wir dann zusammen mit der AG Erinnerungskultur der Stadt eine Veranstaltung mit dem Titel „Leipziger Rede“ durchgeführt. Angelehnt war das an die „Möllner Rede“, wo der rassistische Brandanschlag in Mölln 1992 thematisiert wurde. Hier in Leipzig sprachen dann vier Menschen über ihre rassistischen Alltagserfahrungen in der Stadt und es wurde dadurch sehr deutlich, wie krass die Situation wirklich ist, wie oft es zu Ausgrenzungen, Beleidigungen und Angriffen auf verschiedenen Ebenen kommt. Und dann wird es morgen ab 14 Uhr unsere Demonstration geben, wo wir in genau den Alltag reinstoßen wollen, in dem solche Dinge passieren.

Und dann macht ihr ein Jahr Pause und es geht von vorne los?

  • Natürlich nicht. Der Initiativkreis Antirassismus hat lange an einer Ausstellung zu Todesopfern rechter Gewalt in Leipzig gearbeitet, die jetzt fertig ist und bald ausgestellt werden kann. Los geht es damit am 14. November im Rathaus. Zur Eröffnung wird auch eine interessant besetzte Podiumsdiskussion gehören. Später soll die Ausstellung dann überall dort gezeigt werden, wo Menschen sich für das Thema interessieren.

    Nebenher macht der Initiativkreis Vorträge zu den rechten Morden in Leipzig und seiner Arbeit. Auch die Kampagne „Rassismus tötet!“ ist in Leipzig kontinuierlich aktiv. Das ist auch nötig, weil sich jetzt schon abzeichnet, dass es in den nächsten Monaten wieder zu rassistischen Mobilmachungen kommen wird, wie ganz aktuell in Wiederitzsch.