Am Montagabend zog zum ersten Mal „Legida“ durch Leipzig. Es gelang nicht, den rassistischen Aufmarsch zu verhindern, und schon am kommenden Mittwoch folgt die nächste Runde. Was ging? Was muss künftig gehen? Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Es folgt eine davon – abweichende Meinungen sind willkommen.
Erfahrungen einer Autonomen Reisegruppe
Die Masse an Leuten auf den beiden Refugees-Welcome-Demos war beeindruckend, doch schienen sie zu viele Aktivist*Innen zu lange vom eigentlichen Ort des Geschehens fernzuhalten. Wir haben die Demo bewusst gemieden und sind schon gegen fünf/halb sechs zum LEGIDA-Aufmarsch-Platz gegangen, wo wir ziemlich hilflos dabei zusehen konnten, wie die LEGIDA-Ordner ihre Leute durch eine Lücke zwischen den Hamburger Gittern durchleiten konnten. Wir standen mitten zwischen ihnen. Schnell machten wir uns auf die Suche nach fitten Bezugsgruppen, aber die waren leider alle auf den Demos.
Also standen wir mit einigen Antifas, vielen unorganisierten und planlosen Bürger*Innen und noch mehr Rassist*Innen vor den Hamburger Gittern und versuchten, das Beste daraus zu machen und den Eingang zu blockieren. Das hat nur sehr schleppend funktioniert, da sich die meisten Bürgis, lobenswerte Ausnahmen gab es, nicht an Blockaden beteiligen wollten und nicht wussten, wie sie das konsequent anstellen sollten (und es sich auch nicht sagen ließen). Bis die Ketten standen, konnten sich einige Hundert Rassist*Innen in dem Chaos, in dem niemand wusste, wer wohin gehörte, auf den Sammelplatz durchschlagen. Da viele LEGIDA-Leute überhaupt nicht ins Nazi-Klischee passten, wurden sie auch nicht so vehement daran gehindert, wie es vielleicht sonst üblich gewesen wäre.
Die eine Refugees-Welcome-Demo kam dann viel zu spät an, als die meisten Rassist*Innen bereits am Sammelpunkt waren. Ein beeindruckender schwarzer Block, wir atmeten zuerst auf, bewegte sich aber nicht etwa auf die nur sehr dünn besetzte Reihe Bullen am Sammelplatz zu, sondern lief direkt in eine Seitenstraße gegen Bullenwannen und wurde kurzzeitig gekesselt. Das wars dann auch mit Dynamik an diesem Abend. Der Rest war das übliche Hinter-der-Demo-her-Gerenne.
Unserer Einschätzung nach war die größte Chance an diesem Tag, den Aufmarsch zu blockieren, mit vielen fitten Leuten alle Zugänge zum Sammelplatz dicht zu machen und die Rassist*Innen mit einem freundlichen Arschtritt wieder nach Hause zu schicken. Bedauerlicherweise waren alle dafür in Frage kommenden Leute auf den großen Demos und kamen viel zu spät. Die Symbolwirkung von 30.000 Menschen auf den Gegendemos ist sicher nicht zu unterschätzen, schön wäre es aber, wenn das nächste Mal wieder auf zielführende Konzepte zurückgegriffen wird. Zum Beispiel, wenn Kundgebungen direkt am Aufmarschgebiet angemeldet werden oder sich Demos rechtzeitig dorthin bewegen.
Auch bei uns bestand eine große Unsicherheit, wie bestimmt die LEGIDA-Leute daran gehindert werden sollen, zu ihrer Demo zu gehen. Mit direkten Aktionen gegen Teilnehmer*Innen konnten wir an diesem Tag nichts anfangen, gerade auch, weil viele gar nicht wussten wie ihnen geschieht und warum sie blockiert werden. Es waren erstaunlich viele ältere Leute vor Ort. Der Einschätzung, dass zwei Drittel der Leute von außerhalb Leipzigs kamen können wir uns nicht anschließen. Die meisten schienen durchaus vertraut mit der Umgebung.
Wie so oft mangelte es an Entschlossenheit und Kommunikation bei den vielen autonomen Kleingruppen, die an dem Abend unterwegs waren. Wirklich handlungsfähige Gruppen sind uns kaum begegnet. Dabei gab es durchaus Situationen, in denen man auf die Route hätte gelangen können, wenn eine erste Reihe dagewesen wäre, die die erste Bullenreihe durchfließt.
Diesen Montag kann LEGIDA als Erfolg verbuchen. Dass das nächste Mal noch mehr Rassist*Innen kommen werden, ist wahrscheinlich. Allerdings werden kaum noch mal 30.000 Gegendemonstrant*Innen kommen. Die wöchentliche Drecksarbeit wird bei den üblichen engagierten Leuten hängen bleiben. Das war abzusehen und macht es zumindest leichter, zu unterscheiden, wer wohin will und wer für kurzfristige Aktionen ansprechbar ist.
Wenn noch mal über die Szene hinaus mobilisiert wird, dann mit einem klaren Ziel vor Augen. Geht dahin und macht das! Ansonsten stehen sich nur viele Leute die Beine in den Bauch und gaffen, ohne zu wissen, was sie machen sollen und können.
Text zugesandt von: Autonome Reisegruppe H. Fischer