Pegida fällt aus – Anführer Lutz Bachmann lud heute bei einer Pressekonferenz in Dresden dazu ein, stattdessen „am Mittwoch zu Legida nach Leipzig zu fahren.“ Der hiesige Ableger will sich dann ab 18.30 Uhr auf dem Augustusplatz treffen. Die Anmeldung, das ergab ein heute Vormittag geführtes Kooperationsgespräch mit Vertretern des rassistischen Bündnisses, hat demnach Bestand. Auch die begehrte Route auf dem Innenstadtring wurde Legida zugebilligt.
Pressekonferenz dank Landeszentrale für politische Bildung
Überraschend hatten die Pegida-Organisatoren vorgestern bekannt gegeben, auf ihren montäglichen „Spaziergang“ in der Landeshauptstadt zu verzichten. Gestern erließ die Polizeidirektion Dresden darüber hinaus eine Allgemeinverfügung, mit der sämtliche für heute geplanten Veranstaltungen im Stadtgebiet verboten werden. Grund sollen konkrete islamistische Anschlagsdrohungen gegen Bachmann sein.
Pegida wiederum erklärte sich dazu auf der heutigen Pressekonferenz. Sie fand in den Räumen der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) statt, deren Direktor Frank Richter wiederholt für einen „Dialog“ mit Pegida geworben hatte. Nun ist er offenbar zur logistischen Unterstützung übergegangen. Ein Ausrutscher ist das nicht: Bereits Ende 2013 war Richter kritisiert worden, nachdem er die NPD auf ein Podium eingeladen hatten.
Legida wird auf Dresden-Linie gebracht
Neues bot die Pressekonferenz allerdings nicht. Bachmann bestätigte, dass es sich bei Legida um einen offiziellen Pegida-Ableger handle. Zugleich kritisierte er das stark abweichende Leipziger Positionspapier, das Forderungen der extremen Rechten beinhaltet. Namentlich wandte sich Bachmann gegen den darin bemühten Begriff „Kriegsschuldkult“ und forderte eine Überarbeitung. Die ist bereits vollzogen, in einer stillschweigend von Legida veröffentlichten Neufassung heißt es nun: „Würdige Erinnerung an unsere Geschichte, jedoch keine Generationenhaftung.“ Worin die angebliche „Haftung“ bestehen soll, wird nicht erklärt.
Im eigenen Milieu anecken könnte Legida mit der neuen Forderung, aus der EU sollen die „Vereinigten Staaten von Europa“ werden. Das ist nämlich ein Angstbild der AfD. Um derlei Widersprüche auszuschließen, kündigte Bachmann an, dass künftig alle Pegida-Ableger auf ein gemeinsames Positionspapier festgelegt werden sollen.
Flirt mit der AfD: Bald auch „Gespräche“ mit der CDU?
Pegida-Organisatorin Kathrin Oertel stellte auf der Pressekonferenz neuerliche „Gesprächsdialoge mit Vertretern der Politik“ in Aussicht, die für die kommenden Wochen geplant seien. Zu vermuten steht, dass sich die Ankündigung auf die sächsische CDU bezieht. Deren Innenminister Markus Ulbig hatte kürzlich Dialogbereitschaft durch Pegida gefordert. Oertel erklärt daraufhin, dies als Einladung zu verstehen und sie annehmen zu wollen.
Pegida hatte sich bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der sächsischen AfD-Fraktion getroffen. Die mag zwar nicht von einem „Schulterschluss“ reden. Doch Oertel ließ sich heute von Achim Exner begleiten, Kreisvorstand der Dresnder AfD. Exner sowie der frühere AfD-Landesvize Thomas Hartung – bekannt geworden durch behindertenfeindlichen Äußerungen – saßen gestern auch im Publikum bei Günther Jauch. Dort stellte sich Oertel für Pegida erstmals einer Live-Talkrunde und outete sich als AfD-Wählerin. Ihre Mitdiskutanten waren unter anderem der brandenburgische AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der sich bereits öffentlich mit Pegida solidarisierte, sowie SLpB-Direktor Frank Richter.
Pegida will nächsten Montag wieder demonstrieren
Ungeachtet der angeblichen Bedrohungslage in Dresden sollen die Pegida-Versammlungen ab kommenden Montag fortgesetzt werden. Bachmann nannte keine Details, „damit sich die Gegenseite nicht auch vorbereiten kann.“ Oertel schränkte allerdings wörtlich ein: „Wir haben nicht vor, weiterhin jeden Montag durch Dresden zu ziehen. Wir haben alle Berufe und Privatleben und auch noch etwas anderes zu tun.“
Detaillierte Nachfragen bei der Pressekonferenz waren nicht möglich. So gibt es nach wie vor kein Statement Bachmanns zu einer aktuellen Erklärung der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Sie legt zum einen nahe, dass Pegida staatlich gelenkt sei. Zum anderen heißt es wörtlich: „Uns sind Informationen aus der Motorrad-Szene zugespielt worden, wonach Lutz Bachmann als Spitzel agiert hat.“ Belege werden nicht genannt. Auf der HoGeSa-Website ist der Klarname mittlerweile entfernt worden.
Polizei bezieht Stellung
Größere Verwunderung herrscht derzeit über eine gestern veröffentlichte Stellungnahme der sächsischen Gewerkschaft der Polizei (GdP). Darin heißt es mit wenig Distanz, Legida geriere sich „als unterdrückte Protestbewegung gegen das mit unlauteren Mitteln spielende Establishment“, das sich „der militanten extremistischen Szene bedient, um das, was Herren in weißen Hemden und mit Krawatte nicht dürfen, in die Tat umzusetzen.“ Für Polizisten stelle sich nunmehr die Wahl, „rechtswidrigen Widerstand der politischen Mitte oder rechtmäßige Meinungsäußerung rechter Gruppierungen und Protestbewegungen gut zu finden.“
Der mehrdeutige Text könnte von Legida selbst stammen. Er wirft ein Schlaglicht auf die Frage, warum die Spurensicherung zu einem Tatort 30 Minuten, zu einem anderen aber 30 Stunden braucht. In einem Fall flogen Steine auf das Leipziger Amtsgericht („Linksextremisten“), in einem anderen wurde in Dresden ein Asylsuchender erstochen („Fremdeinwirkung ausgeschlossen“). Als gestern 600 Menschen auf dem Leipziger Marktplatz des ermordeten Khaled Idris friedlich gedachten, konterte die Polizei mit einem Großaufgebot samt Hubschrauber.
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