Leif Hansen, der Legida-Lobbyist

Leif Hansen als Legida-Redner am 21. Januar 2015.

Was der Freitag bringt, kann niemand sagen. Legida will sich dann auf dem Markplatz treffen und zum dritten Mal durch Leipzig ziehen. Zum zweiten Mal wird das rassistische Bündnis den Wochentag und die Route gewechselt haben. Ein Plan ist bislang schwer zu erkennen und die diebische Freude nicht recht verständlich, diesmal vor dem Alten Rathaus zu stehen und der Kommunalpolitik zuleibe zu rücken. Die sitzt nämlich im Neuen Rathaus.

Womöglich sind die Pläne der Rechten schon Makulatur: Heute steht ein weiteres Kooperationsgespräch auf dem Programm, mit einer endgültigen Entscheidung ist noch nicht zu rechnen. Durch mindestens drei zusätzliche Kundgebungsanmeldungen in der Innenstadt, so viel lassen die Organisatoren durchblicken, sollen unerwünschte GegendemonstrantInnen fern gehalten und der eigene Einzugsbereich vergrößert werden. So genannte Scheinanmeldungen fallen aber nicht unter den Schutz der grundgesetzlichen Versammlungsfreiheit. Und einen legitimen Protest in Sicht- und Hörweite werden sie nicht verhüten.

Mit Gottes Hilfe: Surflehrer will Parteien entmachten

Da nützt es auch nichts, neue Köpfe heranzuziehen. „Beantragt wurde die Demo nicht von den bisherigen Anmeldern, sondern von Leif Hansen“, berichtet BILD Online. Der 41-Jährige, der im erzgebirgischen Markersbach bei Schwarzenberg wohnt, ist nach eigenen Angaben „einer der wenigen Surf- und Segellehrer in Sachsen“ – und in der Pegida-Bewegung nicht ganz neu. Nach Darstellung von Spiegel Online lief er bereits beim Dresdner „Abendspaziergang“ am 15. Dezember mit und reckte dort ein Schild mit der Aufschrift „Parteien gute Nacht – Bürger an die Macht“ empor. Das gleiche Banner war am vergangenen Mittwoch, beim zweiten Legida-Marsch, an der Rednerbühne befestigt.

Die erklomm Hansen schließlich selbst und beklagte in seiner Ansprache „ein Leben voller Bevormundung und Entmündigung durch unsere politischen Stellvertreter.“ In der Schule habe er auf seine Lehrer hören müssen, später habe ein von ihm unterstützter Volksentscheid in Hamburg keinen Erfolg gehabt. Jetzt fürchtet er Dobrindts Pkw-Maut. „Deswegen bin ich frustriert“, sagt Hansen, was durchaus sein kann. Nach einem Gruß an seine Mutter, weil „sie mich geboren hat“, fordert er „eine neue deutsche Verfassung“. Zum Schluss ruft er drei Mal um Gottes Hilfe an.

Parteikritiker mit vielen Parteibüchern

Gewiss: Hansens Auftritt ist nur eine von vielen Skurrilitäten dieser rechten Bewegung, in der er ernstlich „den Sieg der Freiheit in Europa“ begründet sieht – ohne Parteien, bitteschön, dafür mit „dem Volk“, das in Dresden und Leipzig ein sehr ausgesuchtes Verhältnis zu bestimmten Freiheiten pflegt. Vor allem aber muss Hansens Brandrede gegen Parteien verwundern, denn er hat selbst mehreren davon angehört. Und das ist womöglich noch immer der Fall: Auf einer internen Liste der AfD taucht Hansen mit der Mitgliedsnummer 10585714 auf.

Noch im Frühjahr 2012 hatte er sich im Wiki der Piratenpartei zu Wort gemeldet und gesagt, er sei jetzt „auch an Bord“. Und gegenüber Spiegel Online behauptete Hansen, auch schon in anderen Gewässern gesegelt zu sein: Nach eigener Darstellung will er nacheinander den „Violetten“, der WASG, den LINKEN und dann der FDP angehört haben. Nachweisbar ist das bisher nur im Fall der „Violetten“. Die verstehen sich als „Sprachrohr einer wachsenden Zahl von spirituellen Menschen, all jener, die sich der geistigen Dimension unseres Daseins bewusst sind“.

Laut Programm hat sich die Partei der Lobpreisung des „Göttlichen in allem, was ist“ verschrieben. Die InitiatiorInnen versprachen sich von der Jahrtausendwende, als die Partei entstand, einen nicht näher erläuterten Wandel esoterischer Art.

Funktionär in Esoterik-Partei

Unterlagen des Bundeswahlleiters zufolge war Hansen Mitbegründer der Violetten und gehörte zumindest im Jahr 2001 dem Bundesvorstand als Schriftführer an. In Hansens XING-Profil, das er kürzlich für die Allgemeinheit sperrte, steht noch immer zu lesen, dass er sich für charismatisch hält – und den Violetten angehört.

Im Handbuch der deutschen Parteien heißt es zu der Partei süffisant: „Als Hauptforderungen werden bundesweite Volksentscheide sowie die Förderung regenerativer Energien formuliert, wobei häufig im Sinne der Anregung eines grundlegenden Bewusstseinswandels an das individuelle Verantwortungsgefühl – etwa beim Wechsel des Stromanbieters – appelliert wird.“ Kurz nach Gründung fusionierten die Violetten mit der „Partei Neues Bewusstsein“, von der die Präferenz für anthroposophische Pädagogik übernommen wurde. Das schadet jedenfalls nicht, denn die Violetten sind völlig bedeutungslos.

Demokratie-Lobbyist unter Antidemokraten

Größere Bedeutung hat der Verein „Mehr Demokratie e.V.“, dem Hansen angehört und für die er jahrelang emsige Kampagnen-Arbeit betrieb. „Demokratielobbyist“ nennt sich Hansen daher auch. Was allerdings nicht so recht passen will zum Legida-Bündnis, das seinen zweiten Marsch mit folgenden Worten resümierte: „Wir haben das System an seinem wundesten Punkt getroffen, an der Wurzel allen Übels, nämlich unserer Demokratie.“ Der nachfolgende Satz könnte aber von Hansen selber stammen: „Wir fordern ein Wahlrecht, was zur Beendigung der Parteiendiktatur und zu einer echten Volksvertretung in den Parlamenten führen würde.“

Mittlerweile hat sich der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ – sein Sachsen-Büro ist im Haus der Demokratie in Leipzig-Connewitz angesiedelt – ausdrücklich von Pegida und Legida distanziert und legt Wert darauf, dass Hansen nur im eigenen Namen gesprochen habe. „Auch wiederholte Gespräche haben seine Entscheidung nicht beeinflussen können“, teilte der Verein mit. Von einen Vorstandsaufgaben, die formal bis Ende dieser Woche andauern, sei Hansen entbunden worden, er soll nicht wieder um einen Funktionärsposten kandidieren. Ausgeschlossen wurde er aber auch nicht.

Reagiert hat der Verein erst vor wenigen Tagen, nachdem Hansen als Legida-Redner in kritischen Veröffentlichungen benannt wurde. An seiner neuen Rolle hat Hansen bereits Gefallen gefunden: Am Sonntag stand er in Dresden bei Pegida auf der Bühne. Er erzählte das Gleiche wie in Leipzig. Der nächste Legida-Marsch wird unter einem Motto stehen, das ihm gefällt: „Für den bundesweiten Volksentscheid“.


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