“Die mit der größten Fresse sind die ersten die gehen.”

Maik Scheffler im Februar 2016 bei einem Vortrag vor Schülern. Foto: blick.de

Mit dieser Textzeile beschrieb Daniel Giese das Dilemma der rechten Szene mit ihren oftmals sehr wankelmütigen Kameraden. Ehemalige Nazis, deren Sinneswandel im Grunde genommen unterstützenswert ist, können jedoch auch zum Dilemma für antifaschistische Akteure werden. So suchten im vergangenen Jahr gleich zwei vormals aktive Neonazis erfolgreich den Kontakt zu antifaschistischen Kreisen. Ein weiterer verkauft sich medienwirksam als Aussteiger. Darüber müssen wir reden.

Maik Scheffler

Der 1974 geborene Maik Scheffler aus Delitzsch war von 1997 bis 1999 und von 2008 bis 2015 Mitglied der NPD. Ab der Jahrtausendwende war er Kopf der extrem gewaltbereiten Delitzscher Naziszene. Seine kriminelle Karriere begann 1993 mit einer Verurteilung wegen Körperverletzung und Diebstahl. Im Jahr 1998 wurde er wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe verurteilt, kurz darauf wiederum wegen Körperverletzung und u.a. Hausfriedensbruchs – Hintergrund war ein “Hausbesuch” bei einem Linken.

Scheffler gehörte dem sächsischen Ableger der selbsternannten Eliteorganisation “Hammerskins” an, war im “Kampfbund Deutscher Sozialisten” (KDS) aktiv und betrieb eine Nazikneipe in Bad Düben. Zusammen mit dem KDS-Mitglied Thomas Gerlach baute er ab 2008 das “Freie Netz” auf, eine militante Neonazistruktur in “Mitteldeutschland”. Schon in dessen Vorläuferorganisation “Nationaler Beobachter Delitzsch” spielte er eine federführende Rolle.

Im Jahr 2007 betrieb Maik Scheffler den Versandhandel “Front-Versand”, wo er u.a. T-Shirts mit dem Motiv “Anti Zionist Action Group” verkaufte sowie Kleidung mit der Aufschrift “In hoc signo vinces” (“In diesem Zeichen werden wir siegen”) vor einem halben Hakenkreuz, das über dem Horizont aufgeht. Darunter im Katalog: “So einen Sonnenaufgang hätten wir gern”. Dafür wurde er 2008 u.a. wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 220 Tagessätzen verurteilt. Ihn verteidigte der Neonazi-Anwalt Wolfram Nahrath.

Der mitangeklagte “Front Versand”-Administrator Ronny Robrecht ging straffrei aus. Seine langjährige Bekanntschaft mit Scheffler ist nicht nur eine geschäftliche: Ronny Robrecht trat 2009 in die NPD ein und beteiligte sich bis 2014 an mehreren NPD-Aufmärschen, oft an der Seite von Scheffler. Für die NPD betreute der in Delitzsch wohnhafte Robrecht im Jahr 2014 den Onlineauftritt des “Deutsche Stimme Warenhaus”. Darüber hinaus betrieben Robrecht und Scheffler gemeinsam die Firma “R&S Servicegesellschaft”.

Nach seinem Wiedereintritt in die NPD wurde Scheffler sogleich als Direktkandidat für die Landtagswahl 2009 nominiert und mit der “Orgaleitung” des Wahlkampfs betraut. In Delitzsch erwarb er 2009 ein Stadtratsmandat. Im selben Jahr wurde er zum Kreisvorsitzenden der NPD Nordsachsen gewählt, zwei Jahre später außerdem zum stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden. Daneben bekleidete er zahlreiche weitere offizielle und inoffizielle Ämter, etwa das des “Landesorganisationsleiters”, und war bei der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag angestellt. Jahrelang fungierte er als Anmelder, Organisator und Redner bei NPD-Aufmärschen.

Zum 31. Oktober 2014 trat Scheffler vom stellvertretenden Landesvorsitz zurück und aus dem Landesvorstand aus. Ein Vierteljahr später, am 27. Januar 2015, trat er aus angeblich der NPD aus. Damit kam er einem Ausschluss zuvor, denn gegen ihn lief ein vom Landesvorstand eingeleitetes Ausschlussverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens. Man warf ihm vor, Mitglieder des Landesvorstands wiederholt beleidigt und verunglimpft zu haben. Was Scheffler verheimlicht: Sein Austrittsschreiben hatte er zwar im Januar eingereicht, in Kraft treten sollte der Austritt jedoch erst am 9. Februar 2015. Möglicherweise wollte er vorher noch die Jahreshauptversammlung des NPD-Kreisverbands Nordsachsen besuchen.

Am 30. Januar 2015, drei Tage nach seinem angeblichen Austritt, rechnete Scheffler in einem Interview der Leipziger Volkszeitung mit der extrem rechten Partei ab – nur mit der Partei, wohlgemerkt. Im Interview betonte er, seine “patriotische Einstellung” zu bewahren, und schließt “eine Läuterung [s]eines Verständnisses von Demokratie und Souveränität” aus. Hätte es in der sächsischen NPD keinen Streit gegeben, so “würde der heutige Landesvorsitzende höchstwahrscheinlich Maik Scheffler heißen”. Auf die AfD angesprochen, kritisierte Scheffler an der rechtspopulistischen Partei nur, dass sie “ihre Chance nicht genutzt” habe. Vom “historischen Nationalsozialismus”, Diktaturen und “Herrenrassen” distanzierte sich Scheffler im Interview. Ein Bruch mit dem Programm der NPD sähe dennoch anders aus.

Schefflers letzter (dem Autor bekannter) einschlägiger öffentlicher Auftritt war der Besuch einer Veranstaltung des “Freundeskreis Udo Voigt” am 13. Dezember 2014 in Theuma. Während dieser Veranstaltung meldete Maik Scheffler sich für einen Besuch beim NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt in Strasbourg im April 2015 an. Zumindest am 26. Januar 2015 war Scheffler für die Reise noch eingeplant – gemeinsam mit dem Leipziger Neonazi Alexander Kurth, seiner Frau Romy Kurth und dem Leipziger NPD-Schatzmeister Alexander Neubert.

Maik Scheffler und Alexander Kurth waren bis Ende 2014 langjährige Führungspersonen der Neonaziszene in und um Leipzig und Strategen am Scharnier zwischen NPD und parteilosen Neonazis. Der Hitler-Anhänger und unverhohlene Antisemit Kurth war im Jahr 2014 gleich zweimal aus der NPD ausgetreten – im Juni vorgeblich, um weiteren Imageschaden von der Partei abzuwenden, und im Oktober dann tatsächlich, um einen Landesverband der Neonazipartei “Die Rechte” aufzubauen.

Scheffler und Kurth leiteten u.a. die Nazi-Tarnorganisationen “Leipzig steht auf” und “Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein”, auf deren Facebook-Seiten noch im März 2015 Maik Schefflers Fakeprofil “Jonas Thieme” als Administrator eingetragen war. Schefflers braunes Treiben und sein langjähriges enges Vertrauensverhältnis zu Kurth ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Dementsprechend ist das im März 2015 erhobene und zwei Monate später veröffentlichte Datenmaterial von Alexander Kurths Smartphone auch in Bezug auf Scheffler sehr ergiebig. Dem Autor dieser Zeilen wurden zudem mehrere bislang unveröffentlichte Screenshots zugespielt. Das Material stammt aus dem Zeitraum Dezember 2014 bis März 2015.

In mehreren Gesprächen spotteten beide über die NPD. Dabei ging es Scheffler und Kurth jedoch nicht um die menschenfeindliche Politik dieser Partei, sondern um persönliche Differenzen mit als inkompetent empfundenen Funktionären. So bezeichnete Scheffler den stellvertretenden Landesvorsitzenden Jens Baur als “Wichser”. Der “menschlichen Enttäuschung [Enrico] Böhm” drohte Scheffler ein “blaues Wunder” an.

Maik Scheffler zu Alexander Kurth: "Ich erwarte ab jetzt einen geschäftstüchtigen Partner mit dir, der seine Energie zu gleichen Teilen in Politik und Geschäft aufteilt und investiert."
Maik Scheffler zu Alexander Kurth: “Ich erwarte ab jetzt einen geschäftstüchtigen Partner mit dir, der seine Energie zu gleichen Teilen in Politik und Geschäft aufteilt und investiert.”

Seit Anfang 2015 arbeitete Kurth für Schefflers Drückerkolonne “Medientarife”, die langfristig nicht nur Schefflers, sondern auch Kurths Lebensunterhalt finanzieren sollte. Von Kurth erwartete Scheffler in einer Nachricht vom 2. Januar 2015 “einen geschäftstüchtigen Partner, der seine Energie zu gleichen Teilen in Politik und Geschäft aufteilt und investiert”. Wenn das Fundament stehe, sei er auch bereit, Kurth politisch zu unterstützen. “Du wirst als Rechte-Chef nur durchhalten und auf Dauer stark sein können, wenn du unabhängig vom Sozialsystem bist.” Die zugehörige Webseite medien-tarife.info wird seit mindestens Januar 2015 vom oben erwähnten Ronny Robrecht betrieben, die Facebook-Seite existiert seit Mai 2014.

Anfang 2015 gab Scheffler an, aufgrund seiner Vollzeittätigkeit bei “Medientarife” fortan keine Zeit für Rednertermine auf Demonstrationen zu haben. Für geschlossene Saalveranstaltungen bei “anständigen Kameraden” sei er aber zu haben – offenbar geht es ihm nicht um den Zeitaufwand, sondern um sein Bild in der Öffentlichkeit. Am 28. Januar 2015 fragte Alexander Kurth, ob Scheffler sich nach seinem Austritt aus der NPD wieder ein normales Facebook-Profil zulegen wolle. Scheffler entgegnete, wie er Geschäftspartner und die Öffentlichkeit zukünftig zu täuschen gedenkt: “Ich hab erstmal eins für ausschließlich politikfreie, damit ich fürs Geschäft Freunde aus der Umgebung finde. Ansonsten hab ich [mein Fakeprofil] Jonas fürs Politische.”

Maik Scheffler: Ein politikfreies Fakeprofil, "damit ich fürs Geschäft Freunde aus der Umgebung finde"
Maik Scheffler: Ein politikfreies Fakeprofil, “damit ich fürs Geschäft Freunde aus der Umgebung finde”

Nach dem LVZ-Interview sagte Scheffler zu Kurth, er sei “ja kein Aussteiger”, sondern habe “einfach nur mit dieser Partei gebrochen”. Auch schildert er seine Zukunftspläne bis zur Kommunalwahl 2019: “Gerade in Delitzsch bin ich ja so anerkannt als nationaler Politiker. […] Deshalb überlege ich, dass ich erstmal für mich kommunal eine Bürgerinitiative gründe […] das Ganze auf einer konservativen Ebene, in Vorbereitung alles auf 2019. […] Und dann kann man 2019 mit richtig guter nationaler Politik auch wieder angreifen.” Woraus die breite personelle Basis besteht, auf die er in seiner Bürgerinitiative zurückgreifen möchte, verrät Scheffler auch: “Ich hab eine Liste von vielen Leuten, die sich auch während meiner ganzen NPD-Zeit immer bei mir gemeldet haben und alles gut fanden, bloß sich nicht öffentlich zur NPD bekennen konnten.” Seine Devise: “Nicht zu viel lospoltern, alles im Hintergrund tun, ein Fundament schaffen.”

Nach dem Austritt von Kathrin Oertel bei Pegida witterte Maik Scheffler im Januar 2015 eine jüdische Verschwörung: “Wenn die Pegida erledigt haben, dann werden sie sich über Legida hermachen, sich dort in die Spitze hineinschmiegen und die dann zersetzen, ganz wie sie es ja aus ihrem Heimatland in Israel gewohnt sind.” In einer anderen Sprachnachricht an Kurth, nach seinem Austritt aus der NPD und dem LVZ-Interview, bezeichnet er Jürgen Gansel als “Untermensch”. Antisemitische Vorurteile und Geschichtsverdrehung haben es Maik Scheffler bis heute angetan. Vor rund zwei Monaten, im Februar 2016, behauptete er mit Bezug auf den Krieg in Syrien: “So war es auch mal in Deutschland. Die Herren des Krieges waren die gleichen wie heute in Syrien. Die USA bereitet vor und konstruiert alle notwendigen Ausgangssituationen und ihre Marionetten drücken den Abzug.”

Seinen Plan, eine Bürgerinitiative zu gründen, setzte Scheffler noch 2015 um: Sein “Bürgerbündnis Delitzsch” trat im September 2015 anlässlich eines Totschlags in einer Asylunterkunft an die Öffentlichkeit. In einer “Konstellation aus NPD-Aussteiger (Maik Scheffler), Ausländer (Al-Gherbi Helmi Al-Gherbi), Linkem (Steffen Thies) und unpolitischem Unternehmer (Ro Robrecht)” betrachtete sich die Gruppe als “die tatsächliche Mitte der Gesellschaft”. Tatsächlich hat Scheffler sich die Bezeichnung “NPD-Aussteiger” keineswegs verdient, und der angeblich “unpolitische Unternehmer” ist der eingangs erwähnte Ronny Robrecht. Das “Bürgerbündnis” stellte zwar fest, dass Gewalt in einer Massenunterkunft kein “ausländerspezifisches Phänomen” ist. Gleichzeitig warf man anderen vor, “unter Zuhilfenahme der Meinungspolizei auf jeden kritischen Aufschrei mit Verbalknüppeln, wie ‚Pack‘, ‚Rassist‘, ‚Nazi‘ usw.” einzuschlagen. Die Gruppe fordert eine Kontrolle der Einwanderung “nach tatsächlichen Kapazitäten” und für Delitzsch “eine deutliche Absenkung der Bewohnerzahlen auf maximal 150 Personen, welche vollumfänglich und menschenwürdig betreut und kompetent auf ihre Integration bzw. Abschiebung vorbereitet werden können.”

Im Büro des “Bürgerbündnisses Delitzsch” in der Rudolf-Breitsched-Straße 24 sitzt auch “Medien-Tarife” alias “Verbraucher-Service-Point”. Im Firmenimpressum steht nach wie vor Ronny Robrecht. Maik Schefflers Kommunalpolitik und das Business, in dem Alexander Kurth mitarbeitet(e), laufen hier ungehindert weiter.

Für Scheffler bietet sein angeblicher Ausstieg nur Vorurteile: Er hat mit der NPD, in der er mit seiner Strategie des Bindeglieds zwischen Partei und “Freien Kräften” gescheitert war, abgerechnet und kam einem Parteiausschluss nebst öffentlicher Schlammschlacht zuvor. Zudem hat er Ruhe vor antifaschistischen Aktionen und kritischer Presseberichterstattung und erhält möglicherweise Geld für seine “Aussteiger”-Vorträge, die er seit mindestens Februar 2016 u.a. an Schulen hält. Daneben dürften die Geschäfte mit seinem langjährigen NPD-Weggefährten Ronny Robrecht besser laufen. Einschnitte musste Scheffler nicht hinnehmen, die Reaktionen seiner ehemaligen “Kameraden” sind bislang rein verbaler Natur.

Dass Scheffler, wie im Februar 2016 behauptet, “vor eineinhalb Jahren den Ausstieg geschafft” habe, ist schon rechnerisch eine Lüge. Bis man einen Ausstieg “schafft”, vergehen Jahre. Vieles deutet darauf hin, dass Maik Scheffler, genau wie er es Anfang 2015 geplant hatte, die Öffentlichkeit und das Aussteigerprogramm “ad acta”, das ihn angeblich seit Herbst 2014 betreut, hinters Licht führt. Beweise für einen Sinneswandel bleibt er schuldig. Auch die Texte seines “Bürgerbündnisses” und die oben zitierte aktuelle antisemitische und gerichtsrevisionistische Äußerung sprechen gegen eine Läuterung.

Es ist beschämend, dass Medien, Öffentlichkeit und Schefflers neue Mitstreiter seinen Parteiaustritt mit einem Ausstieg aus der Naziszene verwechseln. Das betrifft auch das “Zentrum Demokratische Kultur” und die Kindervereinigung Leipzig e.V., die heute eine Fachtagung unter dem Titel “Extremistisches Allerlei? – Was tun?” ausrichten. Zur Stunde soll dort, im Zentrum für demokratische Bildung / Schulmuseum am Goerdelerring 20, “Mike” Scheffler einen halbstündiges Vortrag zum Thema “Rechtsradikale und völkische Bestrebung in Leipzig und im Leipziger Umland und ihre Bedeutung für die Deradikalisierung aus der Ausstiegssicht” halten.

Benjamin Döhler

Ergänzung: Im Januar 2017 erschien ein Interview mit Benjamin Döhler in der Leipziger Zeitung.

Ein wenig anders gelagert ist der Fall des 1991 geborenen Benjamin Marco Döhler. Dieser ist aufmerksamen AntifaschistInnen spätestens seit 2009 als Teil der Leipziger Naziszene bekannt. Damals bewegte sich Döhler im Umfeld des “Aktionsbündnis Leipzig”, dem Leipziger Ableger des “Freien Netzes”. Döhler dürfte hierbei unumstritten zum festen Kern der damals sehr aktiven Gruppierung gezählt haben. So übernahm er auch Ordnertätigkeiten bei ihren Aufmärschen. Am 13. August 2011 griff er mit mehreren “Kameraden” in Geithain zwei Gegendemonstranten an, bis Mai 2012 nahm er an Neonaziaufmärschen teil.

Benjamin Döhler inmitten weiterer Neonazis (u.a. Maik Scheffler) beim gescheiterten "Recht auf Zukunft"-Aufmarsch am 17. Oktober 2009 in Leipzig. Foto: Indymedia Linksunten
Benjamin Döhler inmitten weiterer Neonazis (u.a. Maik Scheffler) beim gescheiterten “Recht auf Zukunft”-Aufmarsch am 17. Oktober 2009 in Leipzig. Foto: Indymedia Linksunten
Benjamin Döhler beim Naziaufmarsch in Hof/Saale am 1. Mai 2012. Foto: art-nb
Benjamin Döhler beim Naziaufmarsch in Hof/Saale am 1. Mai 2012. Foto: art-nb

Mit dem Wegzug des Anführers Tommy Naumann wurde es ab Sommer 2012 ruhiger um Benjamin Döhler und weitere Protagonisten des “Aktionsbündnis Leipzig”. Vor diesem Hintergrund spricht das jedoch eher für einen Rückzug ins Private oder schlichtes Aufhören als für einen zwangsläufigen Bruch mit der neonazistischen Ideologie.

Ein Wiedersehen gab es im Frühjahr 2014, als Döhler als Zaungast auf den von friedensbewegten Querfrontlern initiierten “Montagsmahnwachen” auftrat. Mit Beginn der LEGIDA-Aumärsche beteiligte er sich schließlich immer wieder an den Gegenprotesten. Seinen neuen Weggefährten verschwieg er seine braune Vergangenheit zunächst. Mit seiner offensichtlich noch nicht aufgearbeiteten Vergangenheit konfrontiert, versperrte Döhler sich einem entsprechenden Ausstiegsprozess nicht. Die Grundbedingung, sich vorerst aus linken Kontexten fernzuhalten, brach er jedoch mehrfach.

Ein ernstgemeinter, antifaschistischen Standards entsprechender Ausstieg von Benjamin Döhler ist mangels reflektierten Umgangs mit seiner Vergangenheit nicht ersichtlich. Vielmehr scheint es sich bei ihm um einen erlebnisorientierten jungen Menschen zu handeln, der lediglich ein neues, erfolgsversprechenderes Aktionsfeld sucht. Das ist zweifelsfrei keine gute Voraussetzung für einen ohnehin sehr kritisch zu betrachtenden “Umstiegsprozess”. Den Vertrauensvorschuss hat Benjamin Döhler verspielt.

Jeff Fitzek

Ein weiterer “Umsteiger”, der an dieser Stelle erwähnt werden muss, kommt aus Sachsen-Anhalt. Jan Jeff Fitzek nahm in den Jahren 2013 und 2014 an zahlreichen NPD-Aufmärschen in Leipzig und Umgebung teil. Neben der NPD in ihrem Wahlkampf unterstützte er auch die NPD-Tarnorganisation “Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein”. Außerdem war Jeff Fitzek Gründungsmitglied der “Oldschool Society”. Noch im Mai 2015, als die “OSS” ausgehoben und verboten wurde, bekannte er sich zu der neonazistischen Terrorgruppe.

Jeff Fitzek

Seit Ende 2015 besucht Fitzek antifaschistische Versammlungen, u.a. den Protest gegen LEGIDA und die Gegenaktivitäten zum Naziaufmarsch am 16. Januar 2016 in Magdeburg. Gegenüber AntifaschistInnen macht Fitzek keinen Hehl aus seiner Vergangenheit – eine andere Wahl hat er seit seines Outings im April 2014 allerdings auch nicht. Ob die linke Stuktur, die ihn offenbar bei der Auseinandersetzung mit seine Vergangheit zu unterstützen versucht, dieser Aufgabe gerecht wird, ist unklar. Dem Vernehmen nach befindet er sich daneben in einem Aussteigerprogramm. Dass bei Aussteigerprogrammen mitunter der Verfassungsschutz im Boot sitzt, stellt für linke Zusammenhänge ein Risiko dar.

Dass es sich bei dem “Aussteiger”, den ZDF-Sendung “Frontal 21” in ihrer Sendung vom 23. Februar 2016 interviewte, um Fitzek handelt, erkannte auch die NPD schnell. Der damalige NPD-Stadtvorsitzende Enrico Böhm bestreitet Fitzeks Behauptung, er habe ihm vor seinem Wohnhaus aufgelauert. Unter seinen ehemaligen Kameraden gilt Fitzek als Verräter.

Im Jahr 2010 nahm der 1987 geborene Jeff Fitzek schon einmal an antifaschistischen Protesten teil. Kommentaren bei Indymedia zufolge war er früher auch für mehrere Jahre Mitglied der SPD-Jugendorganisation Jusos. Dass Fitzek sich nun von seiner neonazistischen Vergangenheit distanziert, ist natürlich lobenswert. Ob dieser erneute Sinneswandel Bestand hat, ist angesichts seiner Wankelmütigkeit aber fraglich. Seine größte Loyalität gilt sicher dem Alkohol.

Kriterien für einen Ausstieg

Antifaschistische Standards für einen Ausstieg, der diesen Namen verdient, erfüllt bislang keine der drei genannten Personen. Worin der Unterschied zwischen Aussteigern, Rückziehern, Aufhörern und Austretern besteht und wie mit diesen zu verfahren ist, beschreiben zwei zeitlose Artikel aus dem Antifaschistischen Infoblatt sehr gut:


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