Die Stadt Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg verschwörungsideologischer Akteure entwickelt. Hier sitzt nicht nur das seit 2010 erscheinende AfD- und Legida-nahe “Compact-Magazin”, sondern auch die Propagandaschmiede “NuoViso”.
In der Hardenbergstraße 64, einem Hinterhaus in der Südvorstadt, befindet sich die von Frank Höfer, Steffen Höfer und Michael Swoboda betriebene Filmproduktionsfirma “NuoViso”, die seit rund zehn Jahren verschwörungsideologische und esoterische Videos im Internet und auf DVD verbreitet. Das inhaltliche Spektrum reicht von Esoterik und “Impfkritik” über Kornkreise und Pseudowissenschaft bis hin zum modernen Antisemitismus der “Wahrheitsbewegung” und Reichsbürger-Propaganda. Darüber hinaus trat Frank Höfer, ein ehemaliger “Compact”-Mitarbeiter, zwei Mal bei Konferenzen der verschwörungsideologischen und Holocaustleugnern nahestehenden “Anti-Zensur-Koalition” auf.
Ihre Filme vertreibt die Firma auf Webseiten wie nuoviso.tv und neuehorizonte.tv. Daneben betreibt sie das Portal alternativ.tv, das u.a. Angebote des chemtrail-gläubigen Reichsbürgers Andreas Popp einbindet. Dessen auf DVD erhältliche Reden stehen im NuoViso-Onlineshop neben Mitschnitten mehrerer “Compact”-Konferenzen und Aufzeichnungen der vom NPD-nahen Geschichtsrevisionisten Michael Vogt organisierten “Quer-Denken”-Kongresse – allesamt produziert von NuoViso.
Andere NuoViso-Filme entstehen in den eigenen Räumlichkeiten in der Südvorstadt, die als “Studiolounge Leipzig” vermarktet werden. Neben Michael Vogts “Quer-Denken TV” wurden dort auch “Compact TV”-Sendungen produziert, außerdem Videos mit Andreas Popp, Christoph Hörstel und den “Compact”-Chefhetzer Jürgen Elsässer. Dessen Magazin wiederum listet NuoViso als “Partner”. Mit Elsässer, der laut eigener Definition ein Antisemit ist, und dessen “Volksinitiative gegen das Finanzkapital” hatte “NuoViso” schon 2009 kooperiert.
So verwundert es nicht, dass NuoViso alias “Compact-TV” auch Elsässers Rede bei Legida am 21. Januar 2015 filmte – kurz bevor die 4800 anwesenden Anhänger des rassistischen Bündnisses, darunter zahlreiche Neonazis, über den Ring zogen und Nazi-Hooligans unter den Augen der Polizei Journalisten angriffen. Zu Elsässers ideologischen Gemeinsamkeiten mit Legida sei an dieser Stelle ein offener Brief des Aktionsnetzwerks “NoCompact” zitiert:
- Im Jahr 2015 trat Elsässer drei Mal als Redner auf den fremdenfeindlichen Versammlungen „Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlands“ („Legida“) auf, deren Publikum von Hooligans und Neonazis dominiert wird. Dort bezeichnete er Geflüchtete als „Invasionsarmee“, „Kolonisten“ und „Lindwurm mit Hunderttausenden Köpfen“ und prophezeite „apokalyptische Szenen“. Elsässers völkische Reden und Veröffentlichungen strotzen vor Übertreibungen und Pauschalisierungen, die allesamt das Ziel verfolgen, berechtigte und unberechtigte Ängste in Hass auf Geflüchtete und auf die Demokratie umzuwandeln. Dass Elsässer vor seinen wenigen Tausend Anhängern, die keinesfalls „das Volk“ sind, bereits mehrfach zum Sturz der als „Merkel-Regime“ verunglimpften demokratisch legitimierten Regierung aufrief, zeugt hauptsächlich von seinem eigenem Demokratieverständnis. So verwundert es kaum, dass Elsässer im September 2015 auf seiner Webseite einen „Notstand“ heraufbeschwor und zum Militärputsch aufrief.
An der Legida-Bühne dürften die NuoViso-Filmer einem alten Bekannten begegnet sein: dem damaligen Legida-Vizechef Markus Johnke. Man kennt sich von den unpolitisch-rechtsoffenen “Mahnwachen für den Frieden”, die in Leipzig zwischen dem 31. März und dem 1. September 2014 beinahe wöchentlich stattfanden. Zur Initiatorin Anne-Katrin T. gesellten sich alsbald der vermeintliche Linke Mike Nagler, der rechte Tierfreund Jörg Krause und die heutigen NuoViso-Mitarbeiter Hagen Grell und Daniel Seidel. Den Draht zu “Mahnwachen” in anderen Städten hielt der selbsternannte “Zionistenjäger” Sebastian Jänicke aus Laußig.
Die Redebeiträge der “Mahnwachen” zeichnen sich, wie in der selbsternannten “Wahrheitsbewegung” üblich, vor allem durch Unwissenheit und Dogmatismus statt durch Streben nach Erkenntnis aus. Ihr ideologischer Kitt ist nicht etwa ein undifferenzierter Wunsch nach Frieden, sondern ein irrationales Überzeugungssystem mit antisemitischen Zügen, das überall Verschwörungen gegen “das Volk” wittert.
Von Beginn an ein regelmäßiger “Mahnwachen”-Redner war Stephane Simon, der später bei Pegida reden sollte, aber schon damals als Verschwörungsideologe, Reichsbürger-Freund und Besucher eines NPD-Aufmarschs bekannt war. Um die audiovisuelle Dokumentation der Versammlungen kümmerten sich u.a. Daniel Seidel und der “Alien-Lobbyist” Robert Fleischer, der mit NuoViso zusammenarbeitet.
Seit Mai 2014 filmte und veröffentlichte auch NuoViso selbst etliche Redebeiträge der “Montagsmahnwachen” und der von ihnen im Juni 2014 im Streit um rechte Ideologien abgespalteten “Sonntagsausflügler”. Als deren Wortführer trat Markus Johnke auf, weitere Akteure waren Enrico Heine und der Reichsbürger Rico Handta. Stephane Simon war ein ständiger Besucher, der Reichsbürger und Möchtegern-Polizist Holger Fröhner mehrfacher Redner.
Nur eine Woche nach Elsässers erster Legida-Rede trafen alte Bekannte der “Montagsmahnwachen” erneut zusammen: Am Rande des dritten Legida-Aufmarschs gab Holger Fröhner am 30. Januar 2015 im Restaurant “Augustus” über den Abend verteilt Audienzen. Ein Gast war der bereits erwähnte Hagen Grell, der mehrere Webseiten betreibt und rassistische und antisemitische YouTube-Videos produziert, die nur in kommentierter Fassung zu ertragen sind. Seit einigen Monaten ist Grell Moderator der Videoserie “NuoViso Talk”.
Der Legida-Teilnehmer und Mahnwachen-Veteran Fröhner war es auch, der mit dem damaligen Legida-Kopf Johnke am 25. Januar 2016 den ersten “Legida-Livetalk” bestritt. Zwei Wochen später lud Johnke den AfD-Funktionär und Identitären-Freund Roland Ulbrich ein. Dabei saßen sie auf den gleichen Sesseln wie Hagen Grell im “NuoViso Studio Talk”, was den Verdacht nahelegt, dass die Legida-Sendung im NuoViso-Studio in der Südvorstadt gedreht wurde.
Text zugesandt von: Jo
Hinweis: Am 4. Juli 2016 findet die dritte Demonstration der antifaschistischen Kampagne »a monday without you« in Leipzig statt. Treffpunkt ist 18:00 Uhr an der Arno-Nitzsche-Straße Ecke Zwickauer Str (Lidl-Parkplatz).