Dass auch Neonazis Kleingärten pachten, ist weder neu noch ungewöhnlich. Schlagzeilen machte zuletzt etwa die Terrorzelle “Oldschool Society”, die sich in einem Kleingarten in Frohburg (Landkreis Leipzig) gegründet und mehrfach getroffen hatte. Nutzen Neonazis (oder auch die AfD) hingegen das Vereinsheim oder die Gartenkneipe, ist die Veranstaltung meist größer. Auch im Raum Leipzig gibt es mehrere Kleingartenanlagen, in denen Neonazis in den vergangenen Jahren ungestört Konzerte, Vorträge und Vernetzungstreffen durchführen konnten – sei es aus Sympathie der Inhaber oder aus Ignoranz.
Kleingärtnerverein “Trommelholz” Leipzig
Bis zum Jahr 2007 nutzte die Leipziger NPD das Vereinsheim des Kleingärtnervereins “Trommelholz” in der Straße Am Viadukt 56. Dazu schrieb die Kampagne “Fence Off” im Mai 2011:
Bis 2007 versammelten sich die Anhänger des Kreisverbandes konspirativ im Vereinslokal der Gartensparte Trommelholz (Stadtteil Möckern). Unter dem Tarnnamen “Freundeskreis Deutschland” kam es zu regelmäßigen Mitgliederversammlungen und Vortragsabenden. Im März 2007 ist das Vereinslokal niedergebrannt und stand der Partei fortan nicht mehr zur Verfügung.
Vereinsgaststätte “Petersilie”, Geithain
Willkommene Mieter waren Neonazis einst in der Geithainer Gartenkneipe “Petersilie” in der Tautenhainer Straße 8. So etwa am 21. August 2009, als die NPD dort eine Wahlkampfveranstaltung durchführte. Ihr Landtagskandidat Gerd Fritzsche forderte dabei die Errichtung einer “Volksgemeinschaft” – ein zentrales Konzept des Nationalsozialismus.
Rund zwei Monate später, am 30. Oktober 2009, veranstaltete der Geithainer NPD-Stadtrat und Neonazi Manuel Tripp in der “Petersilie” einen Vortrag mit dem Waffen-SS-Mitglied Gottfried Pönitz, an dem etwa 100 Personen teilnahmen. Chronik.LE schrieb damals:
Nach Angaben des Fachjournalisten Volkmar Wölk hatte es Versuche gegeben, die Veranstaltung zu verhindern. So hätte der Inhaber der “Petersilie” zwar auf Nachfrage gewußt, wen er sich da ins Gartenlokal holt; aber die braunen Gäste scheinen sein Ordnungsempfinden nicht nachhaltig zu stören. Schon beim letzten Mal sei alles ruhig geblieben, also gebe es keinen Grund, etwas zu unternehmen.
Die damaligen Pächter der Gaststätte “Petersilie”, die zum Kleingartenverein “Erholung e.V.” gehört, waren seit 2002 das Ehepaar Friedrich. Andere Quellen nennen als Inhaberin eine Beate Friedrich. Bevor die Gaststätte im Jahr 2011 oder 2012 geschlossen wurde, fand noch mindestens eine weitere Naziveranstaltung dort statt: Ein Vortrag des Frohburger Neonazis Jan Häntzschel, organisiert vom “Freien Netz Geithain” und begleitet von zwei “Liedermachern”, am 26. November 2010.
Mittlerweile wurde die “Petersilie” von einer Cateringfirma übernommen und umbenannt.
Kleingartensparte Neu-Witznitz, Borna
Rund 150 Neonazis besuchten nach Angaben des Innenministeriums am 3. Februar 2015 einen “Liederabend” mit “Lunikoff”, dem Sänger der als kriminelle Vereinigung verbotenen Berliner Band “Landser”. Als Ort gibt der sächsische Verfassungsschutzbericht 2015 den Bornaer Ortsteil Neuwitznitz an. Erwähnt wird außerdem eine ähnliche Veranstaltung am 20. Dezember 2014 mit zwei neonazistischen Liedermachern im gleichen Ortsteil (18/3983).
Die Veranstaltung mit “Lunikoff” wird auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage 6/14534 als “rechtsextreme Aktivität in sächsischen Kleingärten” aufgeführt. Dies lässt nur den Schluss zu, dass beide Neonazi-Veranstaltungen im Spartenheim der Kleingartensparte Neu-Witznitz e.V. in Borna stattgefunden haben. Das war zu jenem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht verpachtet, der letzte Pächter hatte im Jahr 2009 Insolvenz angemeldet.
In besagter Kleingartenanlage besitzt der stadtbekannte Neonazi Peter Kühnel seit vielen Jahren einen Kleingarten. Am 11. Januar 2016 beteiligte Kühnel sich am Naziüberfall auf Leipzig-Connewitz. Im Jahr 2009 kandidierte er erfolglos für die NPD zur Wahl des Bornaer Stadtrats, im Jahr 2018 sammelte er Unterstützerunterschriften für die Nazipartei “Der III. Weg”. Die Vereinsvorsitzende der Kleingartensparte, Kathrin K., ist möglicherweise seine Mutter.
Gaststätte “Waldesgrün Zwenkau”
Einen Pächter hat die Vereinsgaststätte “Waldesgrün Zwenkau” seit Jahren nicht, Einmietungen sind aber offenbar kein Problem. So konnten Neonazis am 11. September 2015 ein NS-Black-Metal-Konzert im Herzstück der gleichnamigen Kleingartensparte im Eythraer Weg in Zwenkau (Landkreis Leipzig) veranstalten. Auf der von Benjamin Schneider mitorganisierten Veranstaltung traten die NSBM-Bands “Artam”, “Permafrost”, “Poprava” und “Sekhmet” auf. Ein ähnliche Konstellation stand am nächsten Tag im tschechischen Děčín auf der Bühne.
Siedlerverein Fortuna Leipzig
Für gleich zwei Veranstaltungen konnten Neonazis im Jahr 2017 den Festsaal des Kleingartenvereins “Siedlerverein Fortuna Leipzig” nutzen. Am 1. Juli 2017 traten hier Hannes Ostendorf und Stefan Behrens von der Rechtsrockband “Kategorie C” auf, laut Innenministerium vor rund 120 Personen. Am 16. Dezember 2017 veranstalteten Neonazis am gleichen Ort einen “Zeitzeugenvortrag”. Der Saal in der Seelestraße 27a wird öffentlich zur Miete angeboten, Ansprechpartner dafür ist damals wie heute der Leipziger CDU-Stadtrat Falk Dossin.
Diese Immobilie, in dem auch der “Verband Wohneigentum Sachsen e.V.” sitzt, war Gegenstand einer Kleinen Anfrage im sächsischen Landtag (6/13455). Die Antwort des Innenministers fällt sehr knapp aus, den Namen des Objekts verrät er nicht, zwei Lücken werden mit Geheimhaltungsinteressen begründet. Offenbar war der Verfassungsschutz über die Neonazi-Veranstaltungen detailliert im Bilde. Umso mehr drängt sich die Frage auf, wie fünf Monate nach dem Nazikonzert eine weitere rechte Hetzveranstaltung in der Seelestraße stattfinden konnte.
Kleingartenverein Buren e.V., Leipzig
Die Neonazis Alexander Kurth, David Köckert und Jens Wilke trafen sich am 20. Oktober 2018 mit Gleichgesinnten in der “Burenschänke”, die zum Kleingartenverein “Buren e.V.” im Kohlweg in Leipzig gehört. Angeblich nahmen vierzig Personen an dem Vernetzungstreffen teil, darunter Vertreter mehrerer rechter Kleinstparteien.
Dieses Netzwerktreffen wurde durch zwei kleine Anfragen im sächsischen Landtag beleuchtet (6/15465 und 6/16155). Dabei bestätigte das Innenministerium, dass in der “Burenschänke” bereits am 23. Februar 2018 eine Neonazi-Veranstaltung stattfand – ein Treffen des “Stammtisch Weißer Rabe”, einer neonazistischen Initiative, die im Dezember 2015 aus der “Offensive für Deutschland” hervorging.
“Landgasthof Ramsdorf” in Regis-Breitingen
Keine Kleingartenanlage, trotzdem ganz weit draußen: In Regis-Breitingen (Landkreis Leipzig) versammelten sich am 5. Mai 2018 rund 120 Neonazis zu einem Zeitzeugenvortrag des in Bielefeld lebenden Klaus Grotjahn. Grotjahn war als 17-Jähriger der SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division “Nordland” beigetreten und gibt seinen Geschichtsrevisionismus regelmäßig auf Neonaziveranstaltungen zum Besten. Im Anschluss an den Vortrag trat der Zwickauer Neonazi Maik Krüger als Liedermacher “FreilichFrei” auf.
Der genaue Veranstaltungsort ist nicht bekannt, in der Antwort auf eine Kleine Anfrage (6/13454) wollte das Innenministerium ihn nicht nennen. Dabei gibt es in Regis-Breitingen durchaus Räume, die Neonazis offen stehen. So fanden im “Landgasthof Ramsdorf” in der Hauptstraße 85 in letzter Zeit mehrere Naziveranstaltungen statt.
Kleingärtnerverein “Alt-Schönefeld”, Leipzig
Einen weiteren Zeitzeugenvortrag organisierten Neonazis am 9. Februar 2019 im Gartenlokal des Kleingärtnervereins “Alt-Schönefeld”. Dort erzählte der 1929 im Erzgebirge geborene Siegfried Müller von seiner Haft in Sibirien in den Jahren 1945 bis 1950. Ungefähr 70 Personen nahmen an der Veranstaltung teil, darunter der Leipziger Neonazi-Versandhändler und ehemalige NPD-Kreischef Enrico Böhm. Zu Siegfried Müllers Publikum gehörten in der Vergangenheit nicht nur Neonazis, sondern auch Schulklassen.
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