Neuigkeiten im Fall des mutmaßlich rassistisch motivierten Übergriffs Leipziger Neonazis auf Mallorca: Der Betroffene soll sich auf dem Weg der Besserung befinden und nicht querschnittsgelähmt sein. Die Leipziger Volkszeitung bestätigt zudem, dass die Tatverdächtigen Robert Falke und Johannes Herre zu der rund 70-köpfigen Reisegruppe aus rechten Hooligans gehörten, die auf der Mittelmeerinsel den Saisonabschluss des Fußballclubs 1. FC Lokomotive Leipzig feierten. Gleichzeitig versuchen Bekannte der Tatverdächtigen gegenüber der LVZ, die Tat zu entpolitisieren. So habe Falke unter “massivem Alkoholeinfluss” gestanden. Als er wegen unangemessenen Verhaltens – angeblich Folge einer Wette – herausgeworfen wurde, seien bei ihm “die Sicherungen durchgebrannt”. Dass Rassismus bei Neonazis, die sich mit Kampfsport und Bildern rassistischer Terrororganisationen wie dem “Ku Klux Klan” aufputschen, in Taten gegen Schwarze keine Rolle spielen soll, ist schwer vorstellbar. Es ist davon auszugehen, dass die Neonazis Falke und Herre einen weißen Türsteher nicht mit der selben Brutalität angegriffen hätten. Entsprechende kritische Nachfragen stellt die LVZ jedoch nicht.
Die “Ara Balears” veröffentlichte indes ein Foto, das Johannes Herre mit einem Hitlergruß zeigt. Herre soll auf den Türsteher eingetreten haben, als dieser bereits am Boden lag.
Für die Lok-Leipzig-Hooligans auf Mallorca dürfte nicht nur der Saisonabschluss ihres Fußballvereins ein Grund zum Feiern gewesen sein, sondern auch das Ergebnis der Kommunalwahl in Wurzen. Dort wurde am 26. Mai 2019 der Hooligan und Neonazi Benjamin Brinsa in den Stadtrat gewählt. Brinsa gilt als Spiritus rector des “Imperium Fight Teams”, bei dem auch Robert Falke trainiert. Im Januar 2018 fiel Brinsa einer breiten Öffentlichkeit auf, als er zusammen mit anderen Neonazis Journalisten und AntifaschistInnen mit einer schwertähnlichen Waffe bedrohte. Ort des Geschehens war die Bahnhofstraße 21 in Wurzen, Lagerraum des Nazi-Versandhandels “Front Records”. Juristische Konsequenzen dieser Bedrohungen sind bislang nicht bekannt.
Polizei: “Keine Ermittlungen in Leipzig”
Gegenüber der LVZ meldete sich auch die Leipzier Polizei zu Wort. Sprecher Andreas Loepki widesprach der Aussage von VICE, dass “szenekundige Beamte” auf Mallorca seien, um den spanischen Behörden bei ihren Ermittlungen zu helfen. Im Gegenteil würden in Leipzig “angesichts des aktuellen Falls zunächst keine Ermittlungen gegen die rechte Ultra-Szene oder den Kampfsportclub aufgenommen”, wird die Staatsanwaltschaft zitiert. Dabei gäbe es gute Ermittlungsansätze in der Stadt, bestand die Reisegruppe doch aus rund 70 potenziellen Zeugen.
Ein Interesse, etwas zu den Ermittlungen gegen diese Strukturen beizutragen, ist in Leipzig offensichtlich nicht vorhanden. Auch auf die Verstrickungen von Leipziger Polizisten mit dem “Imperium Fight Team” gibt es bislang keine Reaktionen. Auf Twitter wird hingegen über einen weiteren Beamten diskutiert. Ronny Golze, Hundertschaftsführer bei der Bereitschaftspolizei, war im Januar 2019 bei einer antifaschistischen Kundgebung vor dem ehemaligen Konzentrationslager und jetzigen “Imperium”-Trainingsraum Kamenzer Straße 12 negativ aufgefallen. Auf seinem damaligen Facebook-Profil bekundete er seine Nähe zu Timo Feucht, der dem “Imperium Fight Team” angehört und sowohl am Neonaziangriff in Connewitz am 11. Januar 2016 als auch an einer bewaffneten Auswärtsfahrt nach Gera am 25. September 2016 teilnahm.
Justiz in Sachsen: Verfassungstreue unterm Hakenkreuz-Tattoo?
Ein weiterer Leipziger Kampfsportler und Neonazi fiel in dieser Woche durch seine Abwesenheit auf. Der angehende Jurist Brian Engelmann sollte am 11. Juni 2019 eine Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Leipzig haben – wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Neonazi-Angriff auf den Leipziger Stadtteil Connewitz am 11. Januar 2016. Doch die Verhandlung fiel jedoch aus unbekannten Gründen aus. Erstinstanzlich war Engelmann am 28. November 2018 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie einer Geldstrafe verurteilt worden.
Vor dem Leipziger Amtsgericht hatte Brian Engelmann versucht, sich als das eigentliche Opfer darzustellen. Er behauptete, in Connewitz gewesen zu sein, um “ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen”. Auf die Nachfrage, warum er sich nicht von der Neonazi-Gruppe entfernt habe, antwortet der langjährige Kampfsportler, der als Türsteher in einem Nachtclub in der Leipziger Südvorstadt arbeitet, er habe “Angst vor den Hünen” gehabt, die sich in der Gruppe befanden. Engelmann schätzte die Größe der Gruppe auf 300-400 Personen. Mit der Berufung möchte Engelmann, der zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung sein Referendariat am Amtsgericht Chemnitz absolvierte, seine Karriere als Jurist retten. Denn eine Haftstrafe ab einem Jahr würde nicht nur die Chancen auf eine Verbeamtung zunichte machen, sondern auch das Ausscheiden aus dem Referendariat bedeuten.
Engelmanns berufliche Zukunft stand schon einmal auf der Kippe. Im Februar 2012 hatte er in einer Discothek in Dresden in eine Auseinandersetzung eingegriffen und dabei dem Angreifer mittels eines Fußtritts gegen den Kopf mehrere Gesichtsknochen gebrochen und einige Zähne zerstört. Das Amtsgericht Dippoldiswalde erkannte darin eine fahrlässige gefährliche Körperverletzung und verurteilte Engelmann zu einer Geldstrafe in Höhe von lediglich 200 Euro.
Wie sich sein Bekenntnis zur “Verfassungstreue”, das er vor Beginn seines Rechtsreferendariats unterschrieben haben dürfte, mit den vier Hakenkreuzen und der “schwarzen Sonne” auf seinem Körper vereinbaren lassen, wird er hingegen jetzt erklären müssen.
Engelmann trainiert übrigens im selben Sportverein wie Johannes Herre, im “Bushido Sportcenter Leipzig” (ehemals “Bushido Free Fight Team Leipzig”) von Marko Zschörner. Dort ist er nicht der einzige Jurist. Auch Florian Melzer, der ab 2011 an der Universität Leipzig Jura studierte, gern Thor-Steinar-Kleidung trägt und im Jahr 2014 eine AfD-Kundgebung besuchte, stand dort auf der Matte.
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