“Du kommst hier nicht rein!”

Ein Türsteher-Experte rechtfertigt in der Lokalpresse rassistische Einlasspolitik mit angeblichem Sexismus bei "Ausländern". Jetzt kommt heraus: Er hat selbst Frauen belästigt.

(Zu diesem Bericht liegt eine Gegendatstellung Enrico Hochmuths vor, die unten nachzulesen ist.)

Das Antidiskriminierungsbüro Leipzig (ADB) hat 2006, 2008 und zuletzt 2011 die “Einlasspolitik” in Leipziger Clubs und Diskotheken getestet. Wiederholt kam heraus, dass Menschen, die nicht „deutsch“ aussehen, häufiger vor der Tür bleiben müssen als andere. Im vergangenen Jahr verurteile das Amtsgericht sogar den Club Velvet zu einer Schmerzensgeldzahlung, weil mit diskriminierenden Einlasskontrollen gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstoßen wurde.

Weil bisher kaum Besserung zu verzeichnen ist, hat das ADB ein erneutes “Clubtesting” angekündigt. Zwar ist ein Online-Artikel der Leipziger Volkszeitung (LVZ), in dem das angekündigt wird, inzwischen nicht mehr abrufbar. Dafür war in der Druckausgabe vom vergangenem Freitag ein Interview mit einem Mann erschienen, der vorgibt, sich auszukennen: Enrico Hochmuth, laut LVZ Museumskurator in Delitzsch, studierter Museologe und Kulturwissenschaftler, Doktor der Philosophie. Seit 1995 ist Hochmuth Kampfsporttrainer am Hochschulsportzentrum der HTWK und der Universität Leipzig. “Zudem gibt er Deeskalationsseminare und hat bereits für die Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention der Stadt Leipzig gearbeitet“, berichtet die LVZ.

Rassismus ist Alltag

“Dr. Türstehers” Aussagen sind durch Juliane Nagel und die AG Antifa kritisch kommentiert worden: Entgegen den Fakten leugnet Hochmuth in der LVZ rassistische Einlasskontrollen. Kritische Nachfragen durch LVZ-Redakteur (“Polizeireporter”) Frank Döring: gibt es nicht.

Wer in Clubs oder Diskotheken an der Tür steht, weiß von den rassistischen Einlasspraxen: Weil es entsprechende Anweisungen für die Belegschaft an der Tür gibt und entsprechendes Handeln zur „subjektiven Erfahrungswelt“ von TürsteherInnen gehört. „Ausländer“ seien die, die Ärger machen, also lass sie draußen und du hast einen ruhigen Abend. Das ist natürlich Blödsinn, weil das Stresspotential nichts mit der angeblichen Herkunft zu tun hat, sondern mit dem Alkoholpegel.

„Wie soll ich ein Rassist sein in meiner Schokohaut“ (Tarik, K.I.Z.)

Hochmuth sichert sich natürlich ab gegen den Vorwurf, etwas Falsches zu sagen: Sein eigener Vater sei Algerier, er selbst sei für eine “Willkommensinitiative ausländischer Studenten” tätig. Und belesen ist er natürlich auch, was man daran sieht, dass er wohl nicht zufällig Huntingtons “Kampf der Kulturen” in die Kamera hält. Derart gerüstet weist Hochmuth auf die “Probleme” hin. Er nennt sie “Nordafrikaner”. Der Bezug zum Clubtesting des ADB erschließt sich nicht – außer, dass Hochmuth Vorurteile über angebliche “Ausländerkriminalität” nährt. Das soll diskriminierende Einlasspolitik offenbar von dem Verdacht befreien, rassistisch zu sein. Oder aber eine solche Einlasspolitik als richtige Reaktion hinzustellen.

Nun findet Hochmuth sein eigenes Interview misslungen und meint in einem Blog, seine Aussagen würden zu “plakativ” dargestellt. Im gleichen Kontext kommt Ali aus Gohlis zu Wort und damit endlich die Sicht von jemandem zur Sprache, der täglich von Rassismus in Leipzig betroffen ist.

„Ausländer“ mit „deutschen Frauen“ überfordert?

Es gibt noch eine weitere Perspektive, die einige Fragen erklärt, die sich zu Hochmuth stellen. Der sagte nämlich wörtlich:

  • „Clubs mit überwiegend studentischem Publikum sind für uns hingegen deutlich unproblematischer. Manchmal führen schon bestimmte kulturelle Differenzen zu Konflikten. So kann etwa die leichte Bekleidung deutscher Mädchen und Frauen in Diskotheken bei ausländischen Besuchern durchaus falsch interpretiert werden.“

Enrico Hochmuth muss es wissen. Der ist nicht nur Experte für sehr vieles, sondern war auch schon Kunstlehrer für die sächsische Lehmbaugruppe im Leipziger Westen. Dort hatten sich SchülerInnen beim Direktor der Schule beschwert, wegen sexistischer Belästigungen durch – Hochmuth. Die Betroffenen hatten sich entschieden, nicht mehr zu seinem Unterricht zu erscheinen. (Herr Hochmuth dementiert diesen Vorgang in einer Gegendarstellung.)

In ähnlicher Weise ist Hochmuth auch schon bei Kampfsport-Trainings und “an der Tür” in Erscheinung getreten. Für einen Sexisten wie ihn ist es natürlich eine günstige Entlastungsstrategie, das eigene Verhalten auf MigrantInnen zu projezieren und über “ausländische Besucher” zu urteilen, die angeblich mit „leicht bekleideten deutschen Mädchen“ nicht umgehen können. Ob Hochmuth den eigenen Sexismus mit seinem algerischen Vater erklärt, ist hingegen nicht bekannt.

Immerhin: Hochmuth arbeitet inzwischen nicht mehr als Kunstlehrer.


Text eingesandt von: Türsteher


Aktualisierung vom 28.01.2014

Im Nachgang des obigen Berichts erreichte leipzig.antifa.de folgende Gegendarstellung von Enrico Hochmuth:

  • “Zu Ihrem Sexismusvorwurf ist folgendes zu sagen: eine Schülerin, die während des Unterrichtes korrespondierte und nicht am Unterrichtsgeschehen teilnahm, ließ sich nicht bewegen, ihre Aufmerksamkeit auf den Unterrichtsstoff zu lenken. Schließlich kommentierte ich sarkastisch: sollte sie Liebesbriefe schreiben, dann an mich, da bekäme sie umgehend Antwort. Verbunden war dies mit der Option die Klasse bei Desinteresse zu verlassen. Die Schülerin verschwand wutschnaubend und beschwerte sich beim Schulleiter. Nun wurden mehrere Zeugen aus der Klasse gehört, die aktenkundig den Vorgang ebenso schilderten. Darauf hin wurde der Schülerin die Option gestellt den Vorgang untersuchen zu lassen oder sich dem Vorwurf der Verleumdung zu stellen. Der Vorwurf wurde darauf von ihr fallen gelassen. Zu keiner Zeit habe ich sexuell herabwürdigende oder missverständliche Äußerungen gegenüber der Schülerin getätigt. Ich stehe gerne Rede und Antwort zu allen Sachverhalten und benenne Zeugen. Ich bin auch jederzeit bereit und willens, dies mit juristischen Mitteln aufklären zu lassen.”