Rechtslastige Mitglieder der “Alternative für Deutschland” (AfD) haben eine “Patriotische Plattform” innerhalb der Partei gebildet. Das Zentrum der neuen Strömung heißt Sachsen, die Basis sitzt in Leipzig, das Ziel ist offenbar eine konsequente Rechtsverschiebung der AfD. So richtet sich die Gründungserklärung der Plattform explizit gegen “massenhafte Einwanderung” und “gegen die Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft”.
Zwar war bereits kurz vor dem Gründungs-Parteitag der AfD auf deren Facebook-Seite die Parole “Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung” ausgegeben, aber auch rasch wieder gelöscht worden. Seitdem vermeidet die Partei solches Vokabular und dementiert inhaltliche Anleihen bei der extremen Rechten ebenso wie personelle Verbindungen. Unter den Mitbegründern der “Patriotischen Plattform” befinden sich allerdings namhafte AfD-Funktionäre wie der sächsische Vize-Landeschef Thomas Hartung. An seiner Seite streiten Burschenschafter und ehemalige Funktionäre der extrem rechten Splitterpartei “Die FREIHEIT”.
Angebliches “Umerziehungsprogramm”
Die Plattform bezeichnet sich abwechselnd als “Netzwerk” und “Organisation”. Sie war Ende 2013 gegründet worden, tritt aber erst seit kurzem öffentlich in Erscheinung und bemüht sich nun darum, als offizieller Parteiflügel anerkannt zu werden. Damit geht die Plattform auf Konfrontationskurs gegen die aktuelle programmatische Entwicklung der Bundespartei, die nicht mehr auf pure “Euro-Rebellion”, sondern eine zunehmend ambivalente Haltung zur Europäischen Union setzt. Die “Patriotische Plattform” befürwortet hingegen einen Austritt Deutschlands aus der EU, in der “die Kommissare nach Sowjetart herrschen”, wie es auf der zugehörigen Website heißt.
Dort wird angekündigt, die bisherigen Flügelkämpfe innerhalb der AfD zu eigenen Gunsten austragen zu wollen. Kritisiert wird die “Heterogenität der Anhängerschaft, unter der die AfD immer noch leidet”. Es sei bereits erreicht worden, dass in der AfD “die Ablehnung des gesellschaftlichen Umerziehungsprogramms ‘Gender Mainstreaming’ so sehr Konsens ist, daß Anti-Gender-Grüppchen nur noch müde belächelt werden.” Die Grenzen zur Verschwörungstheorie sind fließend. Darüber hinaus will die Plattform eine Debatte um die “deutsche Leitkultur” lancieren, wie sie die CDU schon ab dem Jahr 2000 geführt hatte, um gegen Zuwanderung zu agitieren.
Die meisten Mitbegründer kommen aus Sachsen
Unter den 13 Gründungsmitgliedern der “Patriotischen Plattform” sind drei AfD-Mitglieder aus Baden-Württemberg und eines aus Niedersachsen. Der Schwerpunkt liegt allerdings in Sachsen mit neun Mitgliedern, die allesamt zu den Kreisverbänden Leipzig und Dresden gehören. Dem Vernehmen nach soll die Gründung der Plattform auch ursprünglich im Freistaat angeregt worden sein.
Gründungsmitglied aus Niedersachsen
- Anette Schultner, Beisitzerin im Landesvorstand der AfD Niedersachsen.
Gründungsmitglieder aus Baden-Württemberg
- Joachim Kuhs, Mitbegründer des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg und laut Impressum Verantwortlicher der Website der “Patriotischen Plattform”.
- Eva Kahlmann, ehemals “Die FREIHEIT”.
- Norbert Walter.
Gründungsmitglieder aus Sachsen
AfD-Verband Dresden
- Thomas Hartung, stellvertretender Landesvorsitzender und PR-Verantwortlicher der sächsischen AfD.
- Ralf Schutt, Art-Director beim Dresdner Druck- und Verlagshaus, das die Sächsischen Zeitung herausgibt.
- Julien Wiesemann, Lehramtsstudent in Dresden, vormals stellvertretender Landesvorsitzender von “Die FREIHEIT” und deren Listenkandidat zur Bundestagswahl.
- Thomas Golbing, hat die Domain für die “Patriotische Plattform” angemeldet.
AfD-Verband Leipzig
- Hans-Thomas Tillschneider, Vorstandsmitglied in Leipzig, war Bundestagskandidat der Sachsen-AfD auf Listenplatz 7, lehrt als “Islamwissenschaftler” an der Uni Bayreuth.
- Roman Topp, früher RCDS, ist jetzt “Gesamtkoordinator Leipzig” der AfD und Landessprecher der “Jungen Alternative”, zudem Mitglied der Burschenschaft Arminia in Marburg.
- Roland Ulbrich aus Düsseldorf, jetzt Rechtsanwalt in Leipzig, ist bekannt als Burschenschafter, hat Kontakt zum Corps Thuringia Leipzig, war 2013 Teilnehmer beim Wiener Akademikerball.
- Ralf Hickethier, Pädagoge und Psychologe, Leser der “Jungen Freiheit”. War 2012 noch in führender Rolle beteiligt am Aufbau der glücklosen Kleinstpartei “Union Deutscher Patrioten” (UDP), in der sich vor allem frühere DVU-Mitglieder sammelten.
- Felix Koschkar.
Burschis und Salonfaschisten
Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich damit zumindest zwei Ex-Mitglieder von “Die FREIHEIT”. Wankelmütige DF-Anhänger hatten bereits den Bundestagswahlkampf der AfD in Sachsen intensiv unterstütz. Noch kürzlich blockte Thomas Hartung eine dahingehende Presseanfrage ab mit dem Statement, es handle sich um eine “sensationistische, quantitative Berichterstattung, die nicht der Horizonterweiterung der Leser dient”. Den Horizont der Plattform bereichern mindestens zwei Burschenschafter. Das Milieu ist bestens vernetzt, Roland Ulbrich beispielsweise ist mit der Familie des FPÖ-Rechtsaußen Andreas Mölzer bekannt. Bei Ralf Schutt wiederum handelt es sich um einen persönlichen Freund des Salonfaschisten Felix Menzel, der in Dresden ein “identitäres Zentrum” betreibt.
Schutt soll in der Vergangenheit an privat organisierten “Gesprächskreisen” Menzels teilgenommen haben. Passenderweise kündigt der AfD-Verband Mittelsachsen bereits für kommenden Dienstag einen “Themenstammtisch” an, bei dem Menzel referiert. Angekündigt wird er als Vertreter des “Kulturmagazins Blaue Narzisse”, tatsächlich handelt es sich aber um eine einschlägige Postille der Neuen Rechten. In der Vergangenheit war Menzel als Besucher und Referent bei NPD-Veranstaltungen aufgefallen, er lanciert in verschiedenen rechten Spektren das Thema “Ausländerkriminalität”. Wohl nicht erfolglos. Der Sächsischen Zeitung hatte Roman Topp jüngst gesagt, die AfD habe “ein Problem mit Rassismus – und zwar gegen Deutsche.“ Auch die “Junge Alternative” scheint bisher ein sehr sächsisches Projekt zu sein.
Verstärkung von ganz rechts
Mit den AfD-Ablegern in Leipzig und Dresden unterstützen die stärksten sächsischen Kreisverbände den Aufbau der “Patriotischen Plattform”. Vermutlich ist die Landesvorsitzende Frauke Petry bestens im Bild, denn mit dem Landesvize Hartung hat sich ihre rechte Hand der Plattform angeschlossen. Der Rechtstrend der AfD ist hierzulande auch nicht mehr zu übersehen: Die AfD Leipzig wird verstärkt durch Karl-Heinz Obser; der ehemalige Landesvorsitzender der DSU und zeitweiliges Stadtratsmitglied in Leipzig hatte auch schon mit “Pro Deutschland” liebäugelt. In Freital ist ein ehemaliges Republikaner-Mitglied zur AfD übergewechselt, in Chemnitz unter anderem ein Stadtrat von “Pro Chemnitz”.
Dass die sächsischen AfD’ler nicht nur im Falle der Plattform mit den als besonders konservativ geltenden Parteifreunden aus Baden-Württemberg gut auskommen, zeigte sich jüngst im Falle einer homophoben Online-Petition im Ländle: Die AfD hatte Mitglieder zur Unterzeichnung der Petition aufgerufen, um so gegen “Indoktrinierungs- und Missionierungsversuche” zu protestieren. In dem derart gescholtenen Bildungsplan wird vorgesehen, im Schulunterricht auf abweichende Lebensweisen einzugehen – in Teilen der AfD hält man das für einen gravierenden Anschlag auf “Ehe und Familie”. Von den etwa 190.000 UnterzeichnerInnen der homophoben Petition kommt nur die Hälfte aus Baden-Württemberg, gleich darauf folgt Sachsen. Neben Neonazis und Fundamentalchristen gehören zahlreiche sächsische AfD-Mitglieder zu den UnterstützerInnen.
Reaktionär sein
Erst kürzlich hatte Marc Jongen im Magazin “Cicero” argumentiert, die AfD sei eine “konservative Avantgarde” und müsse auch mal “reaktionär” sein. Jongen ist stellvertretender Sprecher der AfD in Baden-Württemberg und Assistent des bekannten TV-Philosophen-Darstellers Peter Sloterdijk. So deutlich äußert sich die “Patriotische Plattform” zwar (noch) nicht, dafür gibt es ein feinsinniges Bonmot auf ihrer “Facebook”-Seite. Dort findet sich ein heimattümelndes Gedicht von Karl Bröger, einem Sozialdemokraten aus der Weimarer Zeit.
Bröger war auch Anhänger des Hofgeismarer Kreises, der das Konzept eines “nationalen Sozialismus” in der deutschen Sozialdemokratie verankern wollte. Anfang der 1990er gab es dann Versuche, den nationalrevolutionären Kreis wiederzubeleben. Ausgangspunkt war auch hier: Leipzig.
Text zugesandt von: afd watch group le