1996: Bundeskongreß der
Nach den Verboten von Fascho-Parteien in den letzten Jahren hat sich die NPD und ihre Jugendorganisation, die JN, zunehmend zu einem Sammelbecken der Faschos entwickelt. Den Jungen Nationaldemokraten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, haben sie sich doch bereits vor einiger Zeit zu einer Kaderorganisation umstrukturiert.
Für den “25. ordentlichen Bundeskongreß der JN” wurde am 25./26. Mai 1996 nach Leipzig mobilisiert. Stattgefunden hat dieser im “Siedlerheim” in Meusdorf, einer Gartenkneipe, in der bereits im Frühsommer 1992 die DVU eine Veranstaltung durchführte.
Aus Angst vor Antifa-Aktionen gab es für die Teilnehmer, die aus dem ganzen Bundesgebiet anreisten, einen Schleusungspunkt am Samstag in der Zelt von 10.30–11 Uhr am Parkplatz vor dem VölkerschlachtdenkmaL Dieser wurde nach Augenzeugenberichten von Dresdner Faschos betreut, welche bereits eine Stunde vorher vor Ort waren.
Mittelpunkt des “internen Arbeitskongresses” waren nach JN-Angaben die Neuwahlen des Bundesvorstandes. Außerdem standen Ansprachen von Udo Voigt, dem neuen NPD-Bundesvorsitzenden, und Prof. Klaus Weinschenk, ehem. Landesvorsitzender der Berliner REPs, auf dem Programm. Desweiteren gab es “Foren” zu diversen Themen. Jürgen Distier sprach zum “Kaderverständnis”, Andreas Storr aus Berlin zur Basisgruppenarbeit und Achim Ezer zu Thesen der “nationalen Volkswirtschaft”. “Praxisbezogene Schulungen” behandelten die Probleme “Selbstverständnis der JN”, Verhaltensweisen und die Zusammenarbeit der einzelnen JN-Verbände. Der Samstagabend stand außerdem ganz im Zeichen “eines großen kulturellen Gemeinschaftsabends” unter der Leitung von Jörg Hähnel, wo Faschobarde Frank Rennicke in die Saiten haute.
Nach Augenzeugen sollen daran etwa 130 Faschos aus unterschiedlichen Zusammenhängen teilgenommen haben, bei dem Arbeitskongreß blieben die Teilnehmerzahlen weit unter Hundert. Für die Abendveranstaltung wurde ebenfalls der Schleusungspunkt am Völkerschlachtdenkmal, diesmal von 18.30-19 Uhr, angegeben. Die Übernachtung der Faschos erfolgte zum einen in einem Arbeiterwohnheim in Schönefeld und in dem bekannten Faschohaus in Wurzen, welches, entgegen Polizeiberichten in der Presse, weiterhin genutzt wird. Der Kongreß ging dann am Sonntag gegen 16 Uhr zu Ende.
Die Antifa-Aktionen
Bei der Vorbereitung der Gegenaktionen war, aufgrund der zu erwartenden massiven Polizeipräsenz, davon auszugehen, daß man den Kongreß im günstigsten Falle be-, aber nicht verhindern könne. Dennoch gab es am frühen Samstagmorgen über siebzig Leute, die an einer Blockade des Siedlerheimes teilnahmen. Anwesender Fascho-Saalschutz und Polizei schienen trotz des recht auffälligen Anmarsches etwas überrascht. Die etwa 40 Polizisten mußten sogar erst noch ihre Turtles-Kostüme anlegen, schafften es aber leider dennoch, die Blockade am betreten des “Siedlerheimes” zu hindern. Die Antifas blieben so, vorerst von der Polizei geduldet, vor dem Eingang des Gebäudes.
Als die Kongreßteilnehmer dann gegen 11 Uhr eintrafen, machte sich die Polizei jedoch sogleich eifrig daran, den Eingang freizuknüppeln. Dabei kam es zu einer Verhaftung nach altbekanntem Muster. Gegen Mittag wurde von den Antifas entschieden, die Blockade abzubrechen, weil aufgrund des massiven Polizeischutzes eine weitere Behinderung vor Ort unmöglich war. Im Nachhinein gab es von einigen BlockadeteilnehmerInnen Kritik am Verhalten anderer. Wir wollen an dieser Stelle nicht meckern, haben uns aber überlegt, in einem der folgenden Hefte die Überlegungen, die im Vorfeld zur Durchführung der Blockade gemacht wurden, noch einmal zu Papier zu bringen, weil wir denken, das diese auch in Zukunft von Bedeutung sind.
Eine Demonstration unter dem Motto “Gegen den JN-Kongreß – Faschistische Strukturen zerschlagen!” fand dann am selben Tag statt. Etwa 400 Leute demonstrierten von der Innenstadt zum Connewitzer Kreuz. Obgleich die Demo mit der für Leipzig mittlerweile typischen Stille ablief, kamen doch mehr, als im Vorfeld erwartet. Interessant wurde es noch einmal am Connewitzer Kreuz, wo die Demo genau vor den Massen des “Wave- und Gothic-Treffen” endete. Kommentare wie “Ach Polltik? Das geht mich ja nichts an” sprechen da für sich.
Mindestens genau so peinlich war dann das Katz-und-Maus-Spiel einiger Demoteilnehmer (das Klischee bedienend mit Bierdose) mit der Polizei über die Vorherrschaft auf der Kreuzung. Prinzipiell ist es in bestimmten Momenten schon o.k. die Polizei zu ärgern, aber die Leute hätten ja auch früh zur Blockade kommen und was für ihren Adrenalin-Kick tun können…
Was bleibt?
Bei aller frustrierten Stimmung im Nachhinein können wir uns dennoch vor Augen halten, daß die JN ihren Bundeskongreß nur durchführen konnte, weil sie von der Polizei so massiv geschützt wurde. Sowohl die Blockade, als auch die Demo waren sichtbare Zeichen an die Faschos und es ist gut, daß sie gemerkt haben, daß wir solche Treffen nicht einfach an uns vorbeilassen.
Gleichzeitig ist die Tatsache, das der JN-Kongreß ausgerechnet in Leipzig · stattfand, ein deutliches Zeichen, daß die Faschos hier vor Ort sich wieder verstärkt organisieren und das vor allem auch mit einem überregionalen Hintergrund. Die zunehmende Vernetzung zwischen den Leipziger und Wurzener Faschos wurde auch an diesem Wochenende sichtbar. Die NPD ist dabei mit dem neuen stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Jürgen Schön aus Leipzig und dem Wurzener NPD-Kader Markus Müller stets mit von der Partie und hält maßgeblich die Fäden in der Hand.
Der Polizeischutz für den JN-Kongreß hat außerdem wieder einmal deutlich gezeigt, daß man von staatlicher Seite nicht interessiert ist, die sich festigenden Faschostrukturen in Leipzig und Wurzen zu behindern oder gar zu zerschlagen. Mit dem Schutz dieses Treffens hat die Polizei den Faschos bei ihrer weiteren Organisierung geholfen und trägt damit auch die Verantwortung für alle weiteren Faschoüberfälle und -aktionen.
Der nebenstehende Artikel ist enommen aus:
Frente Nr. 11, Sommer 1996, S. 17–20.
Editorischer Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wurden eingie Absätze getrennt.