Antifaschistisches Wochenende 2008
Über 300 Menschen beteiligten sich am 8. November 2008 an einer Demonstration "Für eine starke antifaschistische Kultur". Die Demo zog an mehreren Läden und Gebäuden vorbei, an denen die Notwendigkeit antifaschistischen Widerstandes gegen alltäglichen Rassismus, rechte Ideologien und Neonazistrukturen verdeutlicht wurde. Die Burschenschaftler der rechten Studentenverbindungen "Holzminda" und "Hannovera" verrammelten sich hinter Holzplatten in ihren Häusern. Live auf dem Lautsprecherwagen rappten Kurzer Prozess aus Nürnberg.
Die Demo ist Teil des antifaschistischen Aktionswochenendes "Für eine starke antifaschistische Kultur", das die A.L.I. gemeinsam mit dem linken Musiklabel Fire and Flames veranstaltet. Am Freitag Abend feierten über 400 Menschen im Jungen Theater mit lokalen und internationalen Ska-, Punk. und Oi-Bands. Am Samstag Abend wurde das 4. Fire and Flames- /Antifa-Festival im Jugendzentrum Innenstadt JuzI fortgesetzt. Mehr dazu hier.
Die Demo knüpft an verschiedene antifaschistische Kampagnen der A.L.I. und anderer Initiativen in Göttingen an: Kein ruhiges Hinterland für Neonazis | Ladenschluss! Keine Geschäfte mit Faschisten! | Moonlight dichtmachen! | Linke Räume erkämpfen und verteidigen! | Gegen alltäglichen Rassismus und für einen neuen Afro-Shop
Hier findet ihr weitere Fotos, Informationen und Hintergründe zum antifaschistischen Aktionswochenende:
Bilder | Presseinformation vom 8.11.2008 | Aufruf zum antifaschistischen Aktionswochende 7. und 8.11.2008
Bilder
Am Ritterplan befindet sich der ausgebrannte Afro-Shop. In einem Redebeitrag wurde ein neuer Anlaufpunkt für die afrikanische Community in Göttingen gefordert. Im selben Haus hat auch der rassistische Vermieter des ehemaligen Afro-Shops seinen Laden. Unter anderem wird hier von Jochen Friedrich Freiherr von Waltershausen das Kultur3-Magazin herausgegeben.
Auf der Weender Landstraße wurde in einem Redebeitrag auf den Gedenkstein für die Antifaschistin Conny Wessmann hingewiesen. Am 17.11.1989 wurde sie nach einer antifaschistischen Aktion von der Polizei in den fließenden Verkehr der viel befahrenen Weender Landstraße getrieben. Conny wurde von einem vorbeifahrenden Auto erfasst und starb. Einige weitere Informationen hierzu findet ihr beim Internetstadtmagazin www.goest.de und auf der Seite der ehemaligen Autonomen Antifa M.
Im Kreuzungsbereich Weender Landstraße - Kreuzbergring wurde über die Entwicklungen um die Tabledance-Bar "Moon Light", jetzt "Strip" informiert. Hier hatten Neonazis im Sommer 2008 versucht, einen Anlaufort für Rechtsrockkonzerte in Göttingen zu etablieren. An die alten und neuen Betreiber des Ladens richtete ein Sprecher die Ankündigung, dass die antifaschistische Kampagne weiter gehen werde, bis es eine glaubwürdige Distanzierung von den Neonazigästen gibt. Die Polizei "beeindruckte" mit einer Stoßstange an Stoßstange geparkten "Wagenburg", um den Durchgang zu Hannoverschen Straße 86 zu unterbinden. Die Demo revanchierte sich mit einem kleinen Abstecher an der übernächsten Straßenkreuzung in Richtung Weende, kehrte dann aber auf die ursprünglich vorgesehene Route zurück. Nur wenige Wochen nach der Demo krachte es im Strip / Moon Light. Am 30.11.2008 schossen 5 Neonazis mit einer Punpgun und warfen anschließend zwei Molotow-Cocktails gegen den Laden. Mehr Infos dazu könnt ihr hier nachlesen.
Die Demonstration zog an den beiden rechten Burschenschaften Holzminda in der Wilhelm-Weber-Straße und Hannovera in der Herzberger Landstraße vorbei. Dort wurden jeweils Redebeiträge gehalten zur Grauzone zwischen national-konservativem Milieu und offenem Neofaschismus, in der sich die beiden Studentenverbindungen bewegen. Die rechten Saufkumpanen hatten wohl einen Tipp bekommen, dass heute missmutiger Besuch vorbei schauen könnte: Beide Häuser waren mit schweren Holzplatten verrammelt. In Anbetracht des Kräfteverhältnisses ließen die schwarz-braunen ihre Säbel stecken und schickten ihre Kollegen in grün-blau vor's Haus.
Die Demo zog an mehreren linken Wohnprojekten in der Roten Straße und im Kreuzbergring vorbei. Diese sind wichtiger Bestandteil einer "antifaschistischen Kultur" in Göttingen. Live auf dem Lautsprecherwagen rappte die Nürnberger HipHop-Crew Kurzer Prozess. Die Demo endete in der Nikolaistraße. Im Anschluss startete im Jugendzentrum Innenstadt JuzI der zweite Abend des 4. Fire and Flames- / Antifa-Festivals.
Aufruf
Im folgenden findet ihr unseren Aufruf zum antifaschistischen Aktionswochenende am 7. und 8. November 2008. Der Aufruf könnt ihr hier auch als PDF-Datei downloaden.
Für eine starke antifaschistische Kultur!
Gegen Neonaziläden und rechte Zentren vorgehen!
In Göttingen gibt es kein ruhiges Pflaster für Neonazis und andere Rechte – und das kommt nicht von ungefähr. In der Stadt existiert eine aktive Linke mit ihren Räumen und Strukturen, wie z.B. selbstverwalteten Häusern, die die Voraussetzungen für ein progressives Klima schaffen. Schon bei Anzeichen rechter Umtriebe formiert sich hier antifaschistischer Widerstand, der seit vielen Jahren erfolgreich solche Tendenzen abwehren kann. Dieses Klima ist keine Selbstverständlichkeit, sondern muss immer wieder erkämpft, verteidigt und weiterentwickelt werden.
Der gesellschaftliche Rechtsruck hat zur Folge, dass reaktionäre Kräfte sich zunehmend sicherer fühlen und offener zu Tage treten. Sei es der Versuch einen Anlaufpunkt für Rechte und Neonazis in Göttingen zu errichten, Provokationen Farben und Säbel tragender Burschenschaftler oder das Vorgehen der neoliberalen Stiftungsuniversität gegen linke Strukturen und Wohnprojekte. Gegen diese Entwicklungen heißt es vorzugehen! Mit dem 4. Fire&Flames-Festival, einer Demonstration und Veranstaltungen wollen wir ein Zeichen setzen für eine starke antifaschistische Kultur und gegen reaktionäre Ideologien und rechte Zentren – in Göttingen und überall!
Burschenschaften und faschistische Umtriebe | Alltäglicher Rassismus | Linke Räume verteidigen | Wessen Straße ist die Straße? | Termine und Veranstaltungen | Aufruf als PDF-Datei
Burschenschaften und faschistische Umtriebe
In einer immer stärker nach „Elite“ und „Exzellenz“ strebenden Universitätslandschaft treten elitär-rechte Zirkel aus dem Spektrum der Burschenschaften zunehmend offener auf. Einige Höhepunkte dieser Entwicklung waren ein öffentliches Zusammenkommen Farben und Säbel tragender Burschenschaftler vor der Stadthalle und der Universitätskirche im Rahmen eines „Baltischen Völkerkommers“ am 13. und 14. Juni 2008 sowie eine Verbandstagung des „Allgemeinen Pennäler Rings“ (der Verband mensurschlagender Schülerverbindungen in Deutschland) im „Grünenhaus“ der Burschenschaft „Hannovera“ in der Herzberger Landstr. 9 vom 6. bis 8. Juli 2007. Eine Veranstaltung mit dem wegen antisemitischer Äußerungen entlassenen KSK-Brigadegeneral Reinhard Günzel durch die Burschenschaft „Holzminda“ in der Wilhelm-Weber-Str. 25-30 am 24. November 2004 verdeutlicht die Verortung der Burschenschaften in einer Braunzone, die von offen völkisch-nationalistischem Gedankengut der Neonazis bis hin zu „wert-konservativen“ Auffassungen von CDU-AnhängerInnen reicht. Unser Ziel muss es sein, die Burschenschaften abzuschaffen und die in ihren rechten Zentren propagierten Ideologien zu diskreditieren.
Die für lange Zeit in der Öffentlichkeit geübte Zurückhaltung der Burschenschaften mit ihrer Ideologie der „neuen Rechten“ führte zu einer abnehmenden Wahrnehmung in der Linken. Offen agierende Neofaschisten konnten hingegen seit Anfang der 1990er Jahre durch AntifaschistInnen aus dem Stadtbild vertrieben werden. Viele langjährig aktive Neonazis haben sich daraufhin in das kleinstädtische und ländliche Umland Göttingens zurückgezogen, wo sie nach wie vor aktiv sind. Ein Beispiel hierfür ist Bad Lauterberg im Harz. Seit 2006 ist dort ein Erstarken der NPD- und Kameradschafts-Strukturen zu beobachten. Am 19. Januar 2008 demonstrierten dort mehr als 700 AntifaschistInnen unter dem Motto „Es gibt kein ruhiges Hinterland“. Die rechten Akteure und ihre Strukturen wurden benannt, woraufhin die Neonazis in einem ihrer Treffpunkte, einer örtlichen Spielothek, Hausverbot bekamen. In Bad Lauterberg ist besonders der Tattooladen „Zettel am Zeh“ in den Fokus antifaschistischer Kritik geraten, der nicht nur Treffpunkt und Geldquelle der regionalen Nazis ist, sondern auch einen Rekrutierungsort für rechte Jugendliche darstellt.
Ihrer Strategie folgend, „die Städte vom Land aus“ zu „erobern“, versuchen die Neonazis aus dem Umland auch wieder in Göttingen Fuß zu fassen. Die Neueröffnung der Tabledance-Bar „Moon Light“ in der Hannoverschen Str. 86 im Frühjahr 2008 stellt einen solchen Versuch dar, mit dem mittelfristig ein Treffpunkt für Neonazis aus der Region entstehen soll. So sollte am 12. Juli d.J. ein Rechtsrock-Konzert stattfinden. Eingeladen war dabei auch der Adler-Versand, der mit „Rock Against Communism“ (RAC) wirbt und Utensilien von „Screwdriver“, „Angry Aryans“ und anderen Neonazi-Bands vertreibt. Veranstalter dieses Konzertes war der bekennende Neonazi Mario Messerschmidt, der auf seiner Internetseite zur „Anti-Antifa“, zum „Witwe-Bolte-Versand“ des Neonazi-Kaders Thorsten Heise und anderen Naziseiten verlinkt. Nach dem Bekanntwerden dieser geplanten Veranstaltung durch antifaschistische Recherchen und Öffentlichkeitsarbeit fand eine Demonstration mit 200 Menschen am Tag des Konzerts statt. Dieses und weitere Konzerte wurden daraufhin von der Stadt Göttingen aus konzessionsrechtlichen Gründen verboten. Eine Ersatzveranstaltung konnte jedoch später im Raum Northeim ungestört stattfinden. Einen Monat später, am 13. September d.J., verhinderten AntifaschistInnen ein von Messerschmidt angekündigtes Grillfest, das zusammen mit der NPD Göttingen durchgeführt werden sollte, indem sie den Treffpunkt der Neonazis besetzten. Bisher konnten schnelle antifaschistische Interventionen auf der Grundlage einer mobilisierungsfähigen Linken verhindern, dass Faschisten in Göttingen Fuß fassen. Es gilt, weiterhin die Augen offen zu halten und faschistische und rassistische Umtriebe möglichst früh zu erkennen und gegen sie vorzugehen.
Alltäglicher Rassismus
Erst kürzlich, am 27. September d.J., brannte ein Afro-Shop in der Göttinger Innenstadt im Ritterplan vollständig aus. Dem Brand war eine monatelange rassistische Hetzkampagne durch den Vermieter Jochen Freiherr von Waltershausen gegenüber dem Ladenbetreiber vorausgegangen. Der Vermieter hatte zunächst vor, die Miete um 40% zu erhöhen. Als sein Plan, den Ladenbetreiber mittels falschen Behauptungen gegenüber Ordnungsamt und Polizei, Verleumdungen und Bedrohungen zur Aufgabe des Ladens zu drängen, nicht aufging, wandte er sich mit einem „Hilferuf“ an die NPD-Göttingen, die auf ihrer Website kurze Zeit später propagierte: „Göttinger Vermieter hat ein Negerproblem“. Juristisch ließ von Waltershausen sich von dem bekannten Nazi-Anwalt Klaus Kunze aus Uslar vertreten. Als der Laden wenig später ausbrannte, schloss die Polizei trotz dieser Vorgeschichte jeden rassistischen Hintergrund von vornherein aus.
Unsere Solidarität gilt dem Betreiber des Afro-Shops, der dem alltäglichen Rassismus ausgesetzt ist.
Linke Räume verteidigen
Antifaschistische Kultur wird entwickelt von Menschen, die in ihrem politischen Engagement, ihren Lebensentwürfen, ihren sozialen und kulturellen Projekten für eine solidarische Gesellschaft kämpfen. Politischer Widerstand braucht Räume für Treffen, Diskussionen und Veranstaltungen. Linke Räume sind nicht nur Rückzugsräume, um kapitalistischer Verwertungslogik, Sexismus und Rassismus ein Stück weit zu entgehen, sondern auch Bereiche, aus denen wir offensiv nach außen treten und eine linke Alltagskultur entwickeln können. In Göttingen sind diese neben dem autonomen Jugendzentrum JuzI, dem Roten Buchladen und dem Kneipenkollektiven Theaterkeller und Kabale nicht zuletzt die selbstverwalteten Studentenwohnheime. Einige dieser Häuser (z.B. in der Roten Straße und dem Kreuzbergring) sind, als sie Ende der 1970er Jahre abgerissen werden sollten, nur durch die Initiative von HausbesetzerInnen erhalten geblieben. Nach einer Phase des illegalen Wns wurden die Häuser durch Verträge mit dem Studentenwerk legalisiert. So genannte Gruppenmietverträge, die den HausbewrInnen einen relativ großen autonomen Handlungsspielraum ließen, zum Beispiel darüber zu entscheiden, wer einzieht und wer nicht, sollen nun durch Einzelmietverträge ersetzt werden. Im gleichen Atemzug sollen in einigen Wohnheimen die Mieten mit der Begründung einer „Sanierungspauschale“ um mehr als 20% erhöht werden. Bereits vor einem Jahr haben in Göttingen viele hundert Menschen für den Erhalt linker Strukturen gekämpft – offensiv auf der Straße, aber auch mit Verhandlungsgeschick. Erste Erfolge im Kampf um diese Räume waren die Rücknahme von Kündigungen und die Neuaufnahme von Verhandlungen über die kollektiven Mietverträge mit dem Studentenwerk. Jeder Angriff auf diese Strukturen erscheint auch als Angriff auf eine emanzipatorische Politik und Kultur. Andersherum heißt das aber auch, wenn eine Mehrzahl der BewrInnen aufhört, politisch zu agieren, ist mit dem baldigen Verlust dieser linken Räume zu rechnen.
Eine linke antifaschistische Kultur verstehen wir nicht als Subkultur, die sich identitär auf bestimmte Ausdrucksformen, wie Dresscodes oder Musikgeschmack festlegt, sondern als eine Kultur gegen die herrschenden Verhältnisse. Mit antifaschistischer Kultur meinen wir keine kulturalisierende Sichtweise auf die sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnisse und keine Überdeckung von Abhängigkeitsverhältnissen. Soziale Differenzierungen und Klasseninteressen sollen nicht ausgeklammert werden. Die Perspektive antifaschistischer Kultur ist für uns die Emanzipation der Individuen in einer solidarischen Gesellschaft als Alternative zu Ideologien der Ungleichheit, wie Sexismus, Rassismus und Antisemitismus. Antifaschistische Kultur kann so einen Ausgangspunkt für Menschen bilden, die sich mit gleichen oder ähnlichen Ideen zusammenfinden und diese verfolgen wollen.
Wessen Straße ist die Straße?
Ein wesentlicher Inhalt antifaschistischer Kultur ist für uns ein „widerständiges Element“. Darin beziehen wir uns positiv auf die Traditionen der ArbeiterInnenbewegung und ihren antifaschistischen Widerstand gegen den historischen Faschismus ebenso, wie auf die Erfahrungen und Ausdrucksformen der autonomen Bewegungen der 1980er und 90er Jahre. Ein wichtiger öffentlicher Raum, in dem sich antifaschistischer Widerstand ausdrückt, ist „die Straße“. Sie ist sowohl ein Ort, um Öffentlichkeit zu schaffen, als auch ein Ort, an dem sich das Kräfteverhältnis der radikalen Linken gegenüber dem Staat, seinen politischen Projekten und Organen manifestiert. Der kämpferische und widerständige Charakter, den wir bei Demonstrationen öffentlich hervorheben, ist dabei keine Nebensache, sondern Ausdruck der Annahme, dass Fortschritt in einer Gesellschaft, die von unüberbrückbaren Widersprüchen durchzogen ist, nicht erbettelt, sondern erkämpft werden muss. Zentraler Bezugspunkt einer sich selbst bewussten antifaschistischen Kultur ist der Begriff von Widerstand und dessen Ausdruck.
Das angesprochene Kräfteverhältnis zwischen dem Staat und der Linken hat sich seit Ende der 1980er Jahre beständig zu unseren Ungunsten verschlechtert. Zahlreiche Repressionsmittel des Staates, die unter dem Oberbegriff der „inneren Sicherheit“ fortwährend verschärft werden, berühren auch die Möglichkeiten, sich politisch zu organisieren und zu artikulieren, sich zu Kundgebungen und Demonstrationen zu versammeln und konkreten Widerstand zu verwirklichen. Aktuelle Verschärfungen, die die Eskalationsbereitschaft des Staates dokumentieren, sind das neue Bayerische Versammlungsrecht, das sich nicht allein gegen die radikale Linke mit ihren Ausdrucksformen richtet, sondern auch gewerkschaftliche Kampfmittel verhindern will, oder der Einsatz des Militärs gegen DemonstrantInnen beim G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm.
Dieser rechte Vormarsch im Bereich der „inneren Sicherheit“ macht selbstverständlich auch vor dem beschaulichen Göttingen nicht halt, einer Stadt, die aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur und bestimmter Erfahrungen der Linken häufig positive Ausnahmen im Demonstrationsgeschehen hervorgebracht hat. Doch auch hier sehen wir uns seit Mitte der 1990er Jahre mit martialischen Polizeieinsätzen konfrontiert, die das Ziel haben, Menschen durch Staatsgewalt einzuschüchtern, Demonstrationen zu überwachen und ihrer politischen Ausdrucksmöglichkeiten zu berauben. Neu ist in Südniedersachsen eine Polizeistrategie, die darauf abzielt, nun auch gegen den zwangsweise legalistisch angelegten Teil einer Versammlung vorzugehen. AnmelderInnen von Demonstrationen müssen damit rechnen, mit Strafverfahren überzogen zu werden; so beispielsweise geschehen nach der Demo „Linke Räume verteidigen und erkämpfen!“ am 20. Oktober 2007. Ein der Demonstrationsleitung wurde nach der Demonstration in Bad Lauterberg festgenommen, weil er zu „Straftaten gegen Personen und Sachen aufgewiegelt“ haben soll. Neben einem Strafverfahren wegen Landfriedensbruch bedroht ihn die politische Polizei mit einer zwangsweisen erkennungsdienstlichen Behandlung. Häufiger Anlass für Schlägereien und Strafverfahren, die die Polizei provoziert, sind Konflikte, die sich aus den „Demonstrationsauflagen“ ergeben. Diese gängelnden Auflagen werden von der Polizei selber verfasst, vom eigentlich zuständigen Ordnungsamt lediglich durchgewinkt und haben so zwar bei einer gerichtlichen Überprüfung häufig keinen Bestand, führen aber dennoch zu einschüchternden und aus nichtigsten Anlässen eskalierenden Polizeieinsätzen.
In Göttingen gelingt es bisher durch eine solidarische Bündnisarbeit, juristisches Vorgehen in Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe und linken Anwälten, sowie einem beständig kämpferischen Auftreten auf der Straße, linke Handlungsräume zu verteidigen und gelegentlich sogar kleinere Erfolge zu erzielen. Um diese Situation aufrecht zu erhalten oder gar aus der Defensive zu gelangen, ist beständiger politischer Druck notwendig. Dieser Druck muss sich in unseren Demonstrationen und Aktionen selbst vermitteln. Er muss gegen jene ausgeübt werden, deren Ideologie die Ungleichheit ist und die im letzten halben Jahr in Göttingen gleich mehrere Provokationen und Angriffe unternommen haben. Ihnen setzen wir die Idee von einer Gesellschaft entgegen, in der die Herrschaft des Menschen über den Menschen abgeschafft ist. Dafür lohnt es sich auf die Straße zu gehen, zu diskutieren und zu feiern. Beteiligt Euch am antifaschistischen Aktionswochenende am 7. und 8. November 2008 in Göttingen!
Gegen rechte Zentren vorgehen! Burschenschaften "Hannovera" und "Holzminda" wegsäbeln!
Keine Geschäfte mit Faschisten! Tattooladen "Zettel am Zeh" und Tabledance-Bar "Moon Light" dicht machen!
Den rassistischen Alltag durchbrechen!
Für eine starke antifaschistische Kultur!
Termine und Veranstaltungen
29. Oktober 2008 | 20.00 Uhr | DGB-Haus | Obere-Masch-Str. 10 | Göttingen | "Widerstand ist kein Terrorismus!" Zum politischen Schauprozess wegen "Mitgliedschaft in der DHKP-C"
31. Oktober 2008 | 19:30 Uhr | DGB-Haus | Obere-Masch-Str. 10 | Göttingen | Ladenschluss! Neonazi-Läden dichtmachen! - AntifaschistInnen berichten und diskutieren über Kampagnen gegen Nazi-Läden.
1. November 2008 | 19:30 Uhr | Harzer Hof | Bahnhofstr. 26 | Osterode | Ladenschluss! Neonazi-Läden dichtmachen! - AntifaschistInnen berichten und diskutieren über Kampagnen gegen Nazi-Läden.
7. November 2008 | 18 Uhr | JuzI | Bürgerstr. 41 | Göttingen | Mobilisierungsveranstaltung zum "Siempre Antifascista" - Aktionswochenende in Berlin mit den North-East Antifascists
7. und 8. November 2008 | Fire & Flames-Festival Vol. 4
Presseinformation vom 8.11.2008
300 Menschen "Für eine starke antifaschistische Kultur"
Demonstration vor rechten Burschenschaften
Am Samstag haben in Göttingen über 300 Menschen "Für eine starke antifaschistische Kultur", sowie "Gegen Neonaziläden und rechte Zentren" demonstriert. Die kraftvolle Demonstration zog am Büro eines rassistischen Vermieters am Ritterplan sowie an den Verbindungshäusern zweier rechter Burschenschaften im Ostviertel vorbei.
Vor dem Büro des k3-Magazins im Ritterplan wurde erneut auf die rassistische Kampagne des Vermieters eines ehemaligen Afro-Shops im selben Haus hingewiesen. Jochen Friedrich Freiherr von Waltershausen wandte sich im Sommer 2008 in einem Brief an die Göttinger NPD, wenige Wochen später brannte der Afro-Laden aus. "Es geht nun sowohl darum, mit der afrikanischen Community in Göttingen einen angemessenen Ersatz für den ausgebrannten Laden zu beschaffen, aber auch darum, Rassisten und Neonazis in ihre Schranken zu verweisen - ihnen keine Ruhe zu lassen!", erklärte eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International aus Göttingen.
Im Kreuzungsbereich Weender Landstraße - Kreuzbergring erläuterte ein Redner die Entwicklungen um die Tabledance-Bar "Moon Light", jetzt "Strip": "Solange sich die Betreiber nicht von ihren Neonazigästen und deren Versuchen, Rechtsrockkonzerte in Göttingen zu etablieren, distanzieren, bleibt der Laden in der Hannoverschen Straße 86 Ziel einer antifaschistischen Kampagne".
Das Haus der rechten Studenetenverbindung "Holzminda" in der Wilhelm-Weber-Straße wurde durch starke Polizeikräfte gesichert. Hier kam es zu Verzögerungen und Rangeleien mit der Polizei, als diese den Weg vor das Gebäude zunächst nicht freigeben wollten. Ebenso wie das Gebäude der Burschenschaft "Hannovera" in der Herzberger Landstraße waren die Fenster mit schweren Holzplatten vernagelt, die Fassade zuvor mit Farbbeuteln beworfen worden. "Die beiden Studentenverbindungen bewegen sich in der Grauzone zwischen national-konservativem Milieu und offenem Neofaschismus. Sie werden von uns als >rechte Zentren< bewertet und haben dementsprechend mit antifaschistischem Widerstand gegen ihre öffentlichen Provokationen zu rechnen", erklärte die A.L.I.-Sprecherin weiter.
Vom Lautsprecherwagen wurde Live-Musik der Nürnberger Hiphop-Crew Kurzer Prozess gespielt. Die Demo ist Teil eines antifaschistischen Aktionswochenendes "Für eine starke antifaschistische Kultur", das die A.L.I. gemeinsam mit dem linken Musiklabel Fire and Flames veranstaltet. Bereits am Freitag Abend feierten über 400 Menschen im Jungen Theater zu Ska-, Punk- und Oi-Musik von lokalen und internationalen Bands. Am Sonntag Abend wird das Festival im Jugendzentrum Innenstadt (JuzI) mit den HipHop-Bands Microphone Mafia (Köln) und Chaoze One / Lotta C (Mannheim), sowie der Hardcoregruppe Kellerasseln und der Crust-Band Downfall of Gaia fortgesetzt.
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