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Antifa heißt Feminismus - Feminismus heißt Militanz

Feministische Kampagne: Ausstellung | Konzert | Diskussion

Im Anschluss an den 08. März 2014, den Internationalen Frauenkampftag, veranstaltete die Antifaschistischen Linke International eine feministische Kampagne unter dem Motto "Antifa heißt Feminismus - Feminismus heißt Militanz". Unsere Betiligung an der Bündnisdemonstration am 08. März bildete dabei den Auftakt und Kampagnenstart.

Wir wollten aus einer antifaschistischen Perspektive den feministischen Kampf thematisieren und herausstellen, dass Feminismus immer zum Antifaschismus dazugehören muss! Dabei nahmen wir uns einer kontroversen Frage an, nämlich den Zusammenhängen und Widersprüchen linksradikal-militanter Politik und feministischer Theorie und Praxis.

Verschiedene Veranstaltungen boten den Rahmen, um sich dieser Frage anzunehmen. Ende März veröffentlichten wir außerdem einen längeren Text zu diesem Thema. Bereits im Jahr zuvor haben wir die Debatte mit einem GöDru-Artikel (hier) angerissen, auf den es mittlerweile Antworten gibt.

Weitere Informationen zu unserer anti-patriarchalen Positionierung und Praxis aus früheren Projekten findet ihr unter anderem hier und hier

Fotoausstellung | Bündnisdemo 8. März | Diskussionsveranstaltung | Text

 


Anti-Sexist-Streetart Fotoausstellung

In verschiedenen Jahren hat die A.L.I. - meistens zum 08. März - zum Anti-Sexist-Streetart-Fotocontest aufgerufen. Dabei sind einge Fotos von Kunst im öffentlichen Raum zum Thema Antisexismus zusammen gekommen.

Die kreative Aneignung des öffentlichen Raums ist an sich schon ein politischer Akt, wenn dadurch zugewiesene Plätze verlassen werden. Aber sie ist längst nicht Selbstzweck, sondern bietet den Raum zur Subversion und Kritik an den bestehenden Verhältnissen und gerade deswegen werden Graffiti und Streetart fortwährend kriminalisiert.

Im laufe der Contests ist eine Ausstellung entstanden, die wir um die Kunstwerke des letzten Jahres erweitert haben. Die Fotoausstellung war an vier Samstagen im März und April bei linksunten im Roten Buchladen zu sehen.

In gemütlicher Attmosphäre besuchten zwischendurch immer wieder einige Menschen die Ausstellung und nutzten die Gelegenheit, sich gleich bei linksunten zu informieren oder ein T-Shirt mitzunehmen.

Mehr Bilder vom Streetart-Contest aus dem letzten Jahr findet ihr hier.


Bündnisdemonstration am 08. März

Her mit dem ganzen Leben - Fight for feminism

Zum 08. März 2014 rief die Antifaschistische Linke International zusammen mit dem Bündnis 8. März zur gemeinsamen Bündnisdemonstration am Internationalen Fraunkampftag in Göttingen auf!

An der Demonstration am Samstag Vormittag beteiligten sich in der Göttinger Innenstatt rund 300 Leute. Die A.L.I. hat vor der Stadthalle, in unmittelbarer Nähe zur Burschenschaft Hannovera, ein Agit-Prob-Theaterstück unter dem Titel "Männerfestungen einreißen" während der Demo aufgeführt. Bilder von der Demo und dem Agit-Prob findet ihr unten.

Mit der Beteiligung an der Bündnisdemonstration startet die A.L.I. außerdem in eine Kampagne zu den Zusammenhängen von Antifaschismus, Feminismus und Militanz: Antifa heißt Feminismus - Feminsmus heißt Militanz!

Letztes Jahr hat die >A.L.I.< am 08. März ein Agit-Prob-Theaterstück am Gänseliesel aufgeführt. Einen Bericht und eine Übersicht über unsere Aktionen vom letzten Jahr findet ihr hier

Weitere Informationen zu unserer anti-patriarchalen Positionierung und Praxis findet ihr unter anderem hier und hier

Bilder | Bündnisaufruf | Presseberichte







 


An dieser Stelle veröffentlichen wir den Aufruf des Bündnis 8. März, das die Demonstration organisiert:

Her mit dem ganzen Leben – Fight for Feminism!

Mit dieser Forderung gehen am internationalen Frauen*kampftag verschiedene Gruppen, Institutionen und Einzelpersonen in Göttingen auf die Straße, um gemeinsam für ein selbstbestimmtes Leben und gegen die alltägliche Gewalt an Frauen*, Lesben und Trans* einzustehen.
Nach wie vor werden in unserer Gesellschaft Frauen*, Lesben und Trans* in vielerlei Hinsicht benachteiligt und Männer* privilegiert. Die zweigeschlechtliche Ordnung macht sich in allen Lebensbereichen bemerkbar: Sie verteilt Macht, Geld und Anerkennung höchst ungleich. Sie legt uns nahe, dass und wie wir uns ausschließlich als „Männer“ oder „Frauen“ wahrnehmen sollen, wie wir denken und fühlen sollen, wen und wie wir lieben sollen, was wir zu tun und zu lassen haben und eben auch, was uns zusteht oder auch nicht.

Keine Zeit keine Zeit keine Zeit, hören wir immer wieder - Super-busy-Sein ist heutzutage schon fast ein Muss.

Unser Alltag ist von morgens bis abends durchstrukturiert: Schule, Ausbildung, Freizeit, Familie, Freund*innen oder Job – wenn man eine_n hat – müssen in Einklang gebracht werden. Die sogenannte Lohnarbeit, die immer noch hauptsächlich männlich dominiert wird, bestimmt trotz mehr als hundert Jahre langen Kämpfen für kürzere Arbeitszeiten immer noch das Leben vieler. In kapitalistisch organisierten Gesellschaften gilt Lohnarbeit als das einzige Mittel, sowohl für die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse zu sorgen, als auch um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, Anerkennung zu bekommen und Rechte zu erhalten.
Beim Wettbewerb um möglichst existenzsichernde Arbeitsplätze werden aber bereits viele Menschen ausgeschlossen und benachteiligt, indem ihnen Zugänge verwehrt oder erschwert werden. Eine Rolle spielt deshalb nicht nur die gesamtgesellschaftliche Benachteiligung von Frauen*, Lesben, Trans*, sondern auch, welchen Pass ich besitze, woher ich komme, wie gesund ich bin uvm.

Caring for...Patriarchy?

In dem ganzen Konkurrenzzirkus werden außerdem weitere zum Leben wichtige Dinge abgespalten, die sich nicht daran messen lassen, wie kompetent, flexibel, dynamisch und gutaussehend wir im Job sein sollen. Dazu zählen (Für-)Sorge-, Haus- und Beziehungsarbeit und vieles mehr. Diese unsichtbare, meist unbezahlte und nicht anerkannte Arbeit wird in der BRD nach wie vor hauptsächlich von Frauen* geleistet. Das ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Arbeitskraft weiterhin zur Verfügung gestellt werden kann. Beide Bereiche, Lohn-und (Für-) Sorgearbeit, sind grundsätzlich aufeinander angewiesen. Damit basiert die gesamte Organisation gesellschaftlich notwendiger Arbeit auf einem vergeschlechtlichen, patriarchalen Verhältnis. Sichtbar wird dieses auch darin, dass in Berufen, in denen der Frauen*anteil am Höchsten ist, die meisten Arbeitsplätze unsicher und schlechter bezahlt sind. Besserverdienende Frauen* mit guten Jobs wiederum können die Haus-und (Für-)Sorgearbeit als schlecht bezahlte an Menschen abgeben, die auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben. Dazu zählen vor allem Migrant*innen und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen. Denn wie gut ich an der Gesellschaft teilhaben kann, ist abhängig unter anderm davon, ob ich weiß-deutsch, mit Pass, heterosexuell, körperlich unversehrt, (bildungs-)bürgerlich bin und damit der gesellschaftlich vorgegebenen Norm entspreche.

4in1: Her mit dem ganzen Leben!

Wenn 8 Stunden Arbeit, Funktionieren, Haushalts-und/oder Familienarbeit erledigt sind, bleibt da kaum noch Zeit, Luft zu holen, ein tolles Hobby zu haben, genug Geld und Energie, uns so zu entwickeln, wie mensch es gerne möchte. Gegen diesen Status Quo wollen wir etwas unternehmen, denn wir sind nicht bereit, diese Zumutungen mit abendlichem Yoga auszugleichen...HER MIT DEM GANZEN LEBEN ist ein Zitat aus dem Lied "Brot und Rosen" von streikenden Textilarbeiter*innen, die 1911 in den USA gegen Hungerlöhne und für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft haben. Der Slogan wurde im Folgenden immer wieder auch im Rahmen des internationalen Frauen*kampftages genutzt, an dem seit über 100 Jahren Frauen* und Feminist*innen auf die Straße gehen, um ihre Rechte einzufordern.
In ihrer 'Vier-in-eins-Perspektive' beschreibt die Feministin Frigga Haug, wie ein besseres und gerechteres Leben für alle aussehen könnte. An ihre Vorstellungen anknüpfend braucht es erstens: Zeit fürs Produzieren notwendiger Güter. Zweitens: Zeit für die (Für-)Sorge und Pflege eigener wie fremder Bedürfnisse. Drittens: Zeit für eigene Interessen, Entspannung und Spaß. Und es braucht viertens Zeit, um gemeinsam Politik zu machen.

Selbstbestimmt: Lieben, Leben, Arbeiten, Kämpfen

Gerade letzteres gerät in unserer Gesellschaft unter dem Druck von Lohn-und (Für-)Sorgearbeit immer mehr unter die Räder. Politik wird als Bereich verstanden, um den sich andere kümmern und den andere 'schon für eine*n erledigen'. Dabei bedarf es eines kollektiven Aushandlungsprozesses, in dem wir gemeinsam entscheiden, wie wir zusammen leben wollen und was ein gutes Leben für alle ist. Und: wie wir eine Gesellschaft organisieren, in der wir unsere Lebensperspektiven nicht mehr entlang von funktionalen Trennungen aufteilen, so dass sie als gesellschaftlicher Gesamtkörper nur den Ansprüchen von Kapitalismus und Patriarchat entsprechen. Wir wollen das ganze Leben danach organisieren, was unsere Bedürfnisse, jenseits von Geschlechteraufteilung und Profitinteressen, sind. Dazu wollen wir uns das ganze Leben wieder selbstbestimmt aneignen.
Wir wollen das gute Leben - für alle!
Weg mit der patriarchalen Aufteilung, mit Sexismus, Konkurrenz, geschlechtlich organisierter Überforderung, Homo-und Trans*phobie.

Her mit dem ganzen Leben!
Fight for Feminism!
Heraus zur Bündnisdemonstration am internationalen Frauen*kampftag!
8. März / 11.30 Uhr / Platz der Synagoge

 


 

Presseberichterstattung

Göttinger Tageblatt vom 10. März 2014

Lockere Sprüche, ernste Kritik
Internationaler Frauentag: Göttinger Bündnis 8. März demonstriert

Von Katharina Klocke |

Für ihr Stimmrecht gingen im Jahr 1909 Frauen in den USA auf die Straße: einer der ersten Frauenkampftage, die 1910 von den Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker auf internationaler Ebene installiert wurden. Im Lauf des Jahrhunderts lösten andere Themen das Stimmrecht ab. Doch nach wie vor demonstrieren am 8. März Menschen für die Frauenrechte.

Göttingen. Im Lauf des Jahrhunderts lösten andere Themen das Stimmrecht ab. Doch nach wie vor demonstrieren am 8. März Menschen für die Frauenrechte.
So auch am Sonnabend in Göttingen: Mehr als 200 Frauen und auch Männer forderten eine gleiche Verteilung an „Macht, Geld und Anerkennung“.
„Her mit dem ganzen Leben. Fight for feminism“ lautete die Forderung auf einem Transparent an der Spitze des vom Bündnis 8. März organisierten Demonstrationszuges. Es folgte eine bunte Mischung aus Protest und Appellen. „Neither your beauty nor your beast“: Damit wandten sich die Trägerinnen „wider den patriarchalen Blick auf unsere Körper“.
Lockere Sprüche, ernste Kritik
„Jeder Tag ein 8. März – brecht dem Patriarchat das Herz“, wurden Geschlechtsgenossinnen aufgefordert. Hinter lockeren Sprüchen stand ernste Kritik: an Gewalttaten an Frauen, unsicheren Jobs mit schlechter Bezahlung und Privilegien des männlichen Teils der Weltbevölkerung.
Friedlich zog der Protestzug durch die Innenstadt. So auch eine spontane Aktion von etwa 50 Frauen in der Nacht zuvor, die sich, berichtete eine Rednerin am Sonnabend, „für die soziale Revolution die Nacht zurückgeholt“ hätten. Am Nachmittag wurde der Frauentag in der Musa mit einem Netzwerk-Treffen und feministischer Feierei fortgesetzt.

 

HNA vom 10. März 2014

Aktionstag in der Göttinger City: 200 demonstrierten für Frauenrechte

Göttingen. Einige zückten ihre Handys und filmten das lautstarke Spektakel, andere wendeten sich ab oder ignorierten schlicht die Demonstration, bei der am Internationalen Frauentag am Samstag rund 200 Menschen durch die Göttinger Innenstadt gingen.
Sie stand unter dem Motto „Fight for Feminism – her mit dem ganzen Leben“ und trat für die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung von Frauen ein. Organisiert wurde die Demo, die bei strahlendem Sonnenschein stattfand, vom Göttinger Frauenforum und unterstützt unter anderem vom Deutschen Gewerkschafts-Bund (DGB), der DGB-Jugend und der Vereinten Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi.
Bei ihren Statements erklärten die Demonstranten Ihre Solidarität mit den Hebammen, deren Berufsstand durch die drastische Erhöhung der Berufshaftpflichtprämien akut bedroht ist. Darüber hinaus wendeten sie unter anderem gegen sexuelle Ausbeutung und Sexismus im Alltag.
Die Gewerkschaften kritisierten, dass das Spardiktat in Betrieben und öffentlichem Leben vor allem zu Lasten der Frauen gehe. Frauen würden in überholte Rollenbilder gedrängt. Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern gehöre zu den Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft: Daraus resultiere gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Nach Angaben der Göttinger Polizei verlief die Demonstration bis auf das Zünden einiger Böller friedlich. (zhp)

 



Diskussion "Antifa heißt Feminismus"

mit einer Vertreterin des Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus und der A.L.I.

Am Donnerstag, den 24. April 2014 haben wir eine Diskussion mit einer Vertreterin des Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus veranstaltet. Ca. 80 Leute besuchten das Rote Zentrum, in dem wir vor Beginn der Veranstaltung auch noch mal unsere Anti-Sexist-Streetart Fotoausstellung gezeigt haben. Durch die Fotos inspiriert und durch eine vegane VoKü gesättigt starteten wir in unsere Diskussion.

In dem komplett gefüllten Raum diskutierte unsere Genossin mit dem Forschungsnetzwerk über die Verknüpfungspunkte von antifaschistischer Politik und feministischer Perspektive. Dabei wurde durchaus auch kontrovers über unsere Veröffentlichung "Antifa heißt Feminismus, heißt Militanz" diskutiert.

Wir danken unserer Referentin vom Forschungsnetzwerk für ihr kommen und für die bereichernde Diskussion. Und natürlich bedanken wir uns auch bei unseren BesucherInnen!

Hier noch mal unser Ankündigungstext für die Veranstaltung:

Der Blick auf die Geschlechterverhältnisse erscheint in antifaschistischer Politik zu oft als eine Nebenangelegenheit. Gerade in der Auseinandersetzung mit Neonazi-Strukturen bleibt der Fokus auf die männlichen Akteure gerichtet; damit wird die Rolle weiblicher Faschistinnen für das Funktionieren extrem rechter Zusammenhänge übersehen. Vor allem wird an der Fokussierung aber die Gewöhnung auch einer linken, antifaschistischen Praxis an einen sexistischen Blick deutlich.

Dabei gehört Feminismus grundsätzlich zu einem antifaschistischen Politikansatz dazu! Nicht nur, weil das Problem an faschistischen Zusammenhängen auch darin besteht, dass sie radikal patriarchal sind, sondern auch, weil Antifa als emanzipatorische Bewegung den Kampf gegen alle Herrschaftsformen aufnehmen muss.

Die A.L.I. diskutiert diese Fragen mit dem 2000 gegründeten Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, das der bisherigen Forschung mit einem differenzierten, geschlechrreflektierten Blick eine angemessene Analyse entgegen setzen möchte.

 


Text der Antifaschistischen Linken International zur Kampagne

Hier könnt ihr euch den Text als pdf-Datei runter laden (über 5MB). Im nachfolgenden könnt ihr den Text  direkt auf der Homepage lesen:

 

Antifa heißt Feminismus heißt Militanz!

Neue Anstöße für einen feministischen Antifaschismus

Antifa heißt immer auch Feminismus! Seit unserer Gruppengründung ist es uns ein wichtiges Anliegen, unsere antifaschistische Politik nicht nur auf reine „Anti-Nazi-Arbeit“ zu beschränken, sondern als Teil der radikalen Linken gegen all jene Herrschaftsverhältnisse vorzugehen, die die Zumutungen und existentiellen Bedrohungen durch den Kapitalismus tragen und unterstützen. Das heißt, dass wir uns als Antifa unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen dem Kampf nicht nur gegen den Kapitalismus, sondern auch gegen das Patriarchat, nationalistischen Chauvinismus, Rassismus und Antisemitismus annehmen wollen. Wir tun dies unter einem expliziten Politikansatz des Antifaschismus, weil wir alle diese Herrschaftsformen als Bedingungen verstehen, unter denen es überhaupt zum Faschismus kommen kann. Wir begreifen den Faschismus als reaktionärste, gesellschaftliche Herrschaftsform, in dem die Auswirkungen dieser Unterdrückungen am brutalsten ihre Auswirkungen entfalten.  Außerdem ist es  für uns nach wie vor richtig, dass eine historisch reflektierte, radikale Linke im Land der Täter der Shoa von einem antifaschistischen Ansatz ausgehen muss.
Von Anfang an bildete die Auseinandersetzung mit dem Patriarchat für uns ein Schwerpunktthema. Wir glauben, mit unseren Broschüren und Kampagnen „Kleine Reiseführerin durch den Geschlechterdschungel“ (2005 und 2007) und „Fight racism and sexism“ (2008) viel in der Antifa-Bewegung angestoßen und dazu beigetragen zu haben, eine feministische Perspektive im Antifa-Ansatz immer mit zu denken. Dieser Kampf gegen das Patriarchat war und ist für uns niemals den Kämpfen gegen den Kapitalismus oder gegen Neonazis untergeordnet, sondern ist für uns einer der zentralen Ansatzpunkte unseres Kampfes um Emanzipation und für die soziale Revolution.
Nichts desto trotz haftet gerade einer radikalen, teils auch militant agierenden Antifa oft das Image des „Mackertums“ an – auch und vor allem in den Diskussionen der radikalen Linken selbst. Das hat viel mit einer autonomen, antifaschistischen Kultur und mit Bildern zu tun, die auch wir vermitteln wollen. Unsere ersten Auseinandersetzungen mit Patriarchat und Sexismus waren wesentlich angestoßen durch die Erkenntnis, dass sexistische Strukturen und Auswirkungen auch vor einer antifaschistischen Bewegung nicht Halt machen. Das vergeschlechtlichte, verinnerlichte Selbstverständnis linker AktivistInnen, insbesondere das unreflektierte Auftreten männlicher Antifas, inner-linker Sexismus und der Umgang damit, waren und sind die Anlasspunkte für uns, das Thema Feminismus in unserer politischen Praxis auch in den Vordergrund zu stellen. Gerade als gemischtgeschlechtlich organisierte Gruppe bedeutet das, Feminismus und den Kampf gegen das Patriarchat auch nach innen hin immer wieder zu diskutieren.
Allerdings nehmen wir mittlerweile die Etablierung von zu einfachen, verfestigten und damit leider auch teilweise klischeehaften Kategorien und Zuschreibungen in einem solchen inner-linken Diskurs über Sexismus und die eigene Involviertheit und Betroffenheit wahr. Einigermaßen verkürzt wird ein radikales Auftreten und eine militante Positionierung in diesem Diskurs mit Männlichkeit und damit mit einem patriarchalen Dominanzraum assoziiert und kritisiert. Feminismus findet in großen Teilen einer radikalen Linken ihren Ausdruck in einem Bild von „pink-and-silver“, Glitzer und trash. Dass damit die Bedeutungsgehalte gerade der patriarchalen Zuschreibung der Geschlechterdifferenz, ein essentialistisches Bild der vergeschlechtlichten Subjekte und eine teilweise problematische, differenzfeministische Vorstellung reproduziert werden, finden wir bedenkenswert. Demgegenüber wollen wir vermitteln, dass gerade im autonomen Auftreten, in einer radikalen und militanten Haltung und einer entsprechenden politischen Praxis Gehalte und Ansatzpunkte der Emanzipation aus den sexistischen und patriarchalen Verhältnissen liegen.
Vor dem Hintergrund dieser Wahrnehmung und dieses Diskurses ist es für uns an der Zeit, uns besonnen mit dem Verhältnis von feministischer Politik und militanter Haltung zu beschäftigen: Wir wollen Zusammenhänge deutlich machen und Kontroversen aufnehmen. Dabei wollen wir vermitteln, warum in einer militanten Haltung ein emanzipatorischer, feministischer Anspruch liegen kann und darlegen, wie diese militante Haltung sich gestalten muss, um feministisch zu sein. Wir argumentieren hier dafür, dass Militanz zwingend ein Teil feministischer Praxis sein muss. Wir beginnen mit Beispielen, an denen wir beobachten, wie militantes Agieren im politischen Diskurs verhandelt wird und von denen wir glauben, dass an ihnen einiges deutlich werden kann:

Zum Beispiel: Sexismus nicht erwünscht!

In Marburg kommt es Anfang des Jahres 2014 anlässlich einer öffentlich beworbenen Diskussionsveranstaltung von Verbindungsstudenten mit Personen aus dem neonazistischen Spektrum – Referenten vom extrem rechten Magazin „Zuerst“, vom „Institut für Staatspolitik“ und von der reaktionären Zeitung „Narzisse“ – zu vielfältigen Aktionen und Angriffen gegen Verbindungen und Burschis. Es fliegen Farbbeutel gegen Verbindungshäuser, eine Person der Burschenschaft Germania wird verletzt und einige Scheiben an einem anderen Verbindungshaus entglast.
In der bürgerlichen Öffentlichkeit scheint man sich zunächst der Problematik von extrem rechten Referenten bei Verbindungsveranstaltungen bewusst zu sein, der Bürgermeister verlautbart „rechtsextreme Ideologien passen nicht nach Marburg“. Gleichzeitig grenzt man sich jedoch deutlich von den vermeintlich gewalttätigen Übergriffen ab, die laut Oberbürgermeister Vaupel nichts mit dem Demonstrationsrecht zu tun hätten. Gegen rechte Burschenschaften zu agieren scheint für die Zivilgesellschaft in Ordnung zu sein, solange das Gewaltmonopol des Staates gewahrt bleibt und alle sich innerhalb des demokratisch vorgegebenen Rahmens verhalten. Diese Abgrenzung bietet den Rahmen für die bürgerliche Öffentlichkeit, die Polizei und nicht zuletzt für die Burschenschafter selbst, die Verbinder als Opfer zu inszenieren und das Bild einer „gewalttätigen“ linken Szene an die Wand zu malen. In der Distanzierung zwischen demokratisch legitimen Protest und irgendwie illegitimer „linker Gewalt“ wird eine Deutungshoheit über das Geschehen hergestellt, die moralisch aufgeladen und in der (anscheinend) gewaltaversiven, bürgerlichen Selbstvergewisserung des öffentlichen Diskurses ausgegossen wird. Anstatt die Vorfälle in den Kontext einer Kritik an sexistischen Burschenschaften zu stellen, wird in der Öffentlichkeit die Gewaltaffinität der „linken Chaoten“ thematisiert.
Auch innerhalb der linken Szene nehmen wir viel zu oft wahr, dass anstatt einen positiven Bezug auf militantes Agieren herzustellen, mittels dessen Raumnahme und Gestaltung des Alltages verhandelt wird, vorschnell militantes Mackertum assoziiert und kritisiert wird. Wenn Burschis farbentragend und mit Kappe auf dem Kopf durch die Stadt laufen und Leute das nicht hin nehmen wollen, sondern ihnen diesen Raum nicht zugestehen, dann ist auch innerhalb der linken Szene die Reaktion oft genug eine pauschale Kritik, ob das Agieren denn gerechtfertigt und ob die Aktion nicht in ihrer Art illegitim und einfach als linke Kraftmeierei zu verstehen wäre.
Warum wird Militanz meist männlich assoziiert? Was ist daran problematisch und wie kann ein militanter Feminismus zum Ausdruck kommen?

„Ich gehöre zur Elite, die an deiner Unterdrückung mitwirkt“

Angriffe gegen Burschis und Verbinder könnten auch als eine Möglichkeit militant-feministischer Praxis gesehen werden. Denn Verbindungen schaffen elitäre Räume und wirken an den gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnissen mit: Verbindungen sind elitäre und konservative bis reaktionäre, sowie  sexistische, nationalistische und rassistische Strukturen. Ziel der Verbindungen ist es, Seilschaften zu organisieren, in denen dem auch schon elitären Nachwuchs in Zukunft einflussreiche gesellschaftliche Positionen verschafft werden. Gerade das Lebensbund- und das Männerbundprinzip vor allem der Burschenschaften spielt dabei eine entscheidende Rolle. Burschenschaften sind Träger einer extrem sexistischen Ideologie, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern naturalisiert und moralisiert. Verknüpft mit den – durchaus wirksamen – Strukturen der elitären Seilschaften, werden so gesellschaftlich relevante Stellungen Männern vorbehalten und  Frauen sexistisch die Position im Privaten zugewiesen, die sie von gesellschaftlichem Einfluss und kollektiver Selbstbestimmung fern halten. Burschenschaften sind damit ein Beispiel für das Funktionieren des Patriarchats par excellence.
Wenn sie diese Ideologie, diese sexistische Haltung, auch noch durch die Insignien ihrer exklusiven Zugehörigkeit zu diesem patriarchalen Club in Form von Kappe und Farben spazieren tragen oder rechtskonservative, neofaschistische, rassistische und sexistische Personen einladen, dann ändert sich schon das Bild des armen Opfers, dass – angeblich völlig ungerechtfertigt – umgehauen wurde. Denn das patriarchale Prinzip, dass Frauen in dieser Gesellschaft in ein Leben und ein Dasein zwingt, dass sie von der gesellschaftlichen Aushandlung und letztlich auch von ihrer Selbstbestimmung ausschließt, tut über der Hälfte der Menschen brutale Gewalt über ihr Leben an. Den unterdrückten Subjekten das auch noch öffentlich, durch Kappe und Farbe, unter die Nase zu reiben, ist dabei ziemlich zynisch. Es signalisiert: „Ich gehöre zur Elite, die an deiner Unterdrückung mitwirkt und zu der du per Definitionem nie gehören darfst“.
Aus dieser Perspektive betrachtet wird es nicht nur menschlich verständlich, wenn ein betrunkener, sexistisch pöbelnder und farbentragender Verbindungsmann mal irgendwo geschubst oder geboxt wird. Von hier aus kann so etwas sogar als explizit feministische Praxis verstanden werden. Denn wenn Feminismus die politische Bewegung ist, die in kollektiver Selbstermächtigung die Emanzipation von Frauen aus der Unterdrückung erkämpfen will, die aus der Aufteilung der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse resultiert, dann gehört dazu natürlich auch, patriarchale Strukturen wie Männerbünde nicht einfach hin zu nehmen, sondern konsequent anzugehen.

Alles bleibt beim Alten: Der militante Antifa-Macker war`s?

Schauen wir uns jedoch die Thematisierung von militantem Aktivismus näher an, verstört etwas an der Interpretation als anti-sexistische Aktion. Burschis im öffentlichen Raum nicht einfach so hin zu nehmen und ihr männerbündlerisches Auftreten zurück zu weisen und zu verdrängen kann als anti-sexistische Praxis gelesen werden – aber ist sie das im Konkreten auch? Dieses Fragezeichen bleibt wohl bei einigen stehen. Aber was verunsichert hier? Vielleicht hilft dabei ein Blick in die mediale Berichterstattung. Die oberhessische Presse beschreibt die Militanten in Marburg als „zwischen 1,70 und 1,80 Meter große[n], schlanke[n] und dunkel gekleidete Männer“. Interessanter Weise spult das Göttinger Tageblatt zu einem anderen Vorfall in Göttingen eine fast wortgleiche Beschreibung der vermeintlichen TäterInnen ab: „Bei den Tätern soll es sich um zwei 1,70 bis 1,80 Meter große, schlanke und kräftige Männer handeln, die dunkel gekleidet waren, Kapuzen trugen und die Gesichter vermummt hatten.“ Männer prügeln sich irgendwo mit Männern. Bei aller Analyse von Verbindungen und ihrer gesellschaftspolitischen Funktion, bei allem, was daran kritisiert werden muss, ist es eingängig, dass es schwer fällt, den Vorfall als anti-sexistische Aktion zu verstehen, wenn man dieses Bild im Kopf hat.
Nur: woher wissen das GT und die oberhessische Presse oder woher wissen die Burschis, die eine Täterbeschreibung bei der Polizei abgeben, dass es Männer waren, wenn diese doch vermummt waren? Groß, schlank, kräftig, schwarz gekleidet, dunkle Kapuze – klar, das müssen militante, natürlich männliche Macker gewesen sein? Vielleicht ein Bild, dass sich bei der einen oder dem anderen Linken auch schnell genug einstellt. Interessant daran ist doch aber, wie einig sich in dieser Deutung dann Burschis, bürgerliche Öffentlichkeit und reflektierte Linke manchmal sind. Das gewohnte Bild, mit dem Männlichkeit und Weiblichkeit gedeutet und interpretiert wird, die stereotyp-zweigeschlechtliche, kulturell-angewöhnte Chiffre, mit der wir menschliches Handeln deuten und die uns vorgibt, was und wie Männer und wie Frauen sind, macht auch vor linkem Denken nicht halt.
Bei den Verbindern, bei denen, jenseits von eher selten abgegebenen BekennerInnenschreiben, meistens die Deutungsmacht des Geschehens und die Quelle der zugänglichen Informationen liegen, ist eine solche Interpretation sogar naheliegend: Wie könnten gestandene Männer denn auch sich selbst und der Welt eingestehen, von zwei Angehörigen des „schwachen Geschlechts“ verlattet worden zu sein. Klar, „groß, kräftig, vermummt“ - das müssen Männer gewesen sein, unter diesem Bild lassen sich aus dieser Perspektive keine Frauen vorstellen. Jenseits davon, was man überhaupt unter Vermummung und dunkler Kleidung für körperliche Merkmale erkennen kann. Ganz davon ab, ob solche körperlichen Merkmale dann auch tatsächlich das kulturelle Selbstverständnis eines Menschen wiedergeben oder nicht. So lässt sich schon die vermeintliche Faktenbeschreibung als gewollte Darstellung in Frage stellen: Waren die Militanten überhaupt kräftig, groß und männlich oder macht es diese Darstellung für das Selbstverständnis der Burschis lediglich einfacher? Das Eingeständnis, von in ihrem Weltbild unterlegen wirkenden Personen angegriffen worden zu sein, fällt sicherlich schwerer. Wie würde es denn für sie wirken, in ihrer strammen Jungsrunde beim Bier zu Hause zu erzählen, eine jüngere, kleinere, unsportlich wirkende Person hätte sie zu Boden geschmissen, angegriffen oder verletzt? Viel peinlicher wäre ihnen wohl noch zu gestehen, eine Frau hätte sie verprügelt. Da müsste es vielleicht sogar zur Revision ihres verdrehten Weltbildes kommen.
Die mediale Berichterstattung ist dann wohl umso dankbarer für so eine Wiedergabe des Geschehens: Prügelei, linke Chaoten, die Verbindungsstudenten überfallen. Alles andere, als dass es sich hier um Männer handelt, wäre doch höchst irritierend für eine immer noch patriarchal denkende Gesellschaft. So, wie sich eben nur Jungs prügeln, auf der Kirmes immer betrunkene Männer aneinander geraten und es überhaupt auch schon in der Steinzeit so gewesen sein muss, dass eben die Männer mit Keulen aufeinander losgegangen sind. Dass Frauen in dieser Art agieren könnten? Unvorstellbar, das wäre ja nicht weiblich – oder?
Warum aber existiert, wie wir es hier mal unterstellen, so ein Bild und so ein Deutungsschema doch auch in einer feministisch reflektierten und über das gesellschaftlich-ideologische Geschlechterverhältnis reflektierenden Linken? Gerade in einer emanzipatorischen Linken, der die eigene Involviertheit in und die Betroffenheit von patriarchalen Strukturen bewusst ist, werden Sexismus und deren Durchdringung linker Zusammenhänge bearbeitet. Das wirft an dieser Stelle aber die Frage danach auf, wie männliche Dominanz, militantes Agieren und ein Verständnis für Sexismus in dieser Bearbeitung aufgeworfen und wie und ob sie auch auseinandergehalten oder zusammengeworfen werden. An dieser Stelle verlassen wir unsere Beispiele und wollen uns unserer zentralen Frage zuwenden: Wie wird Sexismus in der Linken bearbeitet und wie wird militantes Agieren in diesem Kontext verhandelt?

Bewusstsein und Praxis eines linken Anti-Sexismus und die „Gewaltfrage“

Uns begegnet in Diskussionen über anti-sexistische Praxen in linken Zusammenhängen besonders ein Argumentationsstrang, der vor allem auf die männliche Dominanz von Räumen und sozialen Zusammenhängen eingeht. Da Sexismus auch vor linken Zusammenhängen nicht Halt macht, werden dessen Grundlagen zurecht in der Linken reflektiert, kritisiert und versucht zu bearbeiten. In dem Bewusstsein, dass das Patriarchat bei der Aufteilung der Geschlechtersphären das Männliche als dominanten Raum entwirft, der im Verhältnis zum Weiblichen in die Herrschaftsposition gerückt wird, wird versucht, in linken Zusammenhängen diesem Herrschaftsverhältnis entgegen zu wirken. Eine konkrete Kritik in Bezug auf die reellen sozialen Beziehungen ist dabei, dass dominantes Verhalten und Mackertum von Männern dieses Herrschaftsverhältnis reproduziert, indem es auch die linken Zusammenhänge entlang der sexistischen Aufteilung strukturiert und die Entfaltung von emanzipatorischer Selbstbestimmung ausschließt oder verdrängt. Linker Anti-Sexismus versucht daher zu Recht diese Dominanz zu brechen und durch explizite Strukturen und Räume die Entfaltung von Emanzipation und Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Ein gewichtiger Anteil in der feministischen Kritik liegt dabei auf der Frage nach der Gewalt, zumindest begegnet uns dieses Argument immer wieder so. Das hat seinen Grund auch in der Geschichte feministischer Bewegungen. Denn in den 1970er und '80er Jahren entwickelte sich feministische Gesellschaftskritik wesentlich auch entlang der Frage von Gewalt gegen Frauen: staatliche, z.B. durch den Abtreibungsverbotsparagraphen §218, der den weiblichen Körper der Biopolitik unterwarf (und immer noch unterwirft), aber auch unmittelbare Gewalt im patriarchalen Privatraum der Ehe und Familie. Gewalt wurde somit im feministischen Bewusstsein als etwas verstanden, über das Männer auch ihre Herrschaft und ihre Dominanz gegenüber der weiblichen Sphäre erhalten und sichern. In wie fern darunter nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine strukturelle Gewalt zu verstehen wäre, ist oben schon ein mal angeklungen, als es um die Fälle der Burschis und ihrer patriarchalen Funktion als elitäre Männerbünde ging und wird später noch mal expliziter Thema werden.
Mittlerweile wird Gewalt in der inner-linken, anti-sexistischen Reflexion nicht mehr nur als direkt wirksame, den Körper oder die Lebensumstände treffende Handlung thematisiert, sondern spielt auch eine Rolle in der Frage, wie Gewalt in die Subjektposition derer eingelassen ist, von denen sie in dieser Analyse ausgeht. Habitus und Auftreten von unreflektierten Männern, die offen oder latent aggressives Verhalten zeigen, wird so auch in den anti-sexistischen Praktiken als Reproduktion männlicher Dominanz mitgedacht und kritisiert. Dass auch die männliche Rolle keine natürliche ist, sondern kulturell überformt und adaptiert, wird in solcher Kritik mit aufgenommen, wenn das Darstellen eines solchen Habitus anhand von vorgefertigtem Style als Ausdruck der Reproduktion männlicher Dominanz gelesen wird. Das Role-Model des Mackers und der Vorwurf daran, ist damit keine Kritik an einer wie auch immer gearteten Biologie der Männer, sondern an dem Weitertragen der kulturellen Idee von Männlichkeit, in die das patriarchale Herrschaftsverhältnis eingelassen ist.
In dieser Thematisierung dürfen jedoch Kritiken an mackerhafter Dominanzattitüde nicht einfach auf eine Kritik an Militanz übertragen werden, wie es manchmal im inner-linken Diskurs passiert, z.B. wenn sogar eine Frau für ihr mackerhaftes Auftreten im schwarzen Kapuzi gerügt wird, wie wir es auch schon erlebt haben. Den kulturellen Ausdruck im personifizierten Habitus, in dem auch Gewalt eine Rolle spielt, gibt es nicht nur im kulturellen Role-Model des männlich-dominanten Mackers, sondern Gewalt oder die Frage nach Gewalt spielt auch eine Rolle in der politischen Haltung der Militanz und damit auch im Habitus militanter AktivistInnen. Das schlägt sich dann darin nieder, dass eben auch militanter Ausdruck in einer anti-sexistischen Kritik als männliche Dominanz gebrandmarkt wird. Dem allerdings, so denken wir, liegt ein Schnellschuss und ein Denkfehler zu Grunde. Denn die Gewalt, wie sie aus feministischer Perspektive als Mittel der Unterdrückung der Frau im Patriarchat gedacht wird und die Gewalt, wie sie im Agieren einer linksradikalen Militanz mitschwingen mag, sind grundverschieden und müssen dringend auseinander gehalten werden!
Linke Militanz ist grundsätzlich ein allgemeiner Ausdruck einer radikalen, antagonistischen Haltung gegenüber den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen von Kapitalismus, Rassismus und eben auch Patriarchat. Sie negiert das Gewaltmonopol des Staates und vermittelt entschlossene Handlungsbereitschaft. Diese Eigenschaften per se auf eine männliche Domäne zu attribuieren und differenzfeministisch generell abzulehnen, halten wir aus einer emanzipatorischen Perspektive, der es darum geht, patriarchale Herrschaftsstrukturen durch feministische Verschiebungen aufzubrechen, für problematisch. Denn letztlich wird so auch militanten Frauen ihre feministische Positionierung abgesprochen.

Fight Sexism - Die Geschlechterordnung aufbrechen durch reale Dekonstruktion

In der Mitte sehen wir ein  Bild der Demospitze der 20-jährigen Silvio-Meier-Demonstration von 2012 in Berlin. Die jährliche Demo ist wohl eines der typischsten Beispiele für eine kämpferische und offensive Antifa-Demo. Hier tritt die Antifa selbstbewusst und militant auf. Die Bilder sind geprägt von entschlossenen Ausdrucksformen: ein einziger geschlossener Block, die Reihen gehen untergehakt in Ketten, Pyrotechnik, ein Transparent mit Kampfansage an Neonazis und Staat nach dem Anderen. Die Assoziation bei diesem Anblick stellt sich schnell her: Hier sind mal wieder die Antifa-Checker unterwegs. „Rumgeprolle“ und „Mackerattitude“ mag mancheR hier vielleicht denken. Klar, der Ausdruck der Demo beschreibt schon fast das Klischee des offensiv-militanten Antifa-Auftretens. „So sind 'se halt, die Macker von der Antifa“. Oder?
Bei einem genaueren Blick auf das Bild wird ein fundamentaler Attributionsfehler deutlich, das Fronttransparent deutet darauf hin. Darauf ist der Slogan zu lesen: „Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren – antirassistisch und queer-feministisch“. Queer-feministisch? Jedes Jahr geht gerade bei dieser „Macker-Antifa-Demo“ prinzipiell ein Frauen-Lesben-Trans* Block vorweg. Was auf dem Bild zu sehen ist, ist vor allem ein Auftreten eben dieses FLT*-Blocks. Alles Macker? Vor diesem Hintergrund wirkt diese Zuschreibung plötzlich absurd.
Die falsche Wahrnehmung ist ein weiteres Beispiel für einen Schnellschuss im Denken anti-sexistisch reflektierter Kritik an militanten Ausdrucksformen. So richtig der Versuch ist, in linken Räumen und überall männliche Dominanz aufzubrechen und damit das Patriarchat zu untergraben, liegt der Zuschreibung doch ein analytischer Fehler zu Grunde. Eine Kritik an Militanz, die auf der Verknüpfung dieser mit Mackertum basiert, übersieht, dass hinter ihrer Argumentation das Bild essenzialisierter, differenz-theoretischer Geschlechter steckt, das der Logik des Patriarchats folgt. Es ist das Patriarchat, das Frauen in seiner hegemonialen Vorstellung als schwächer, friedlich und dadurch passiv gelten lässt, Männer hingegen als stark, aggressiv und damit dominant. Aus dieser naturalisierenden Aufteilung ergeben sich dann spezifische Rollen und gesellschaftliche Funktionen. Durch die Verknüpfung von Militanz mit Mackertum wird diese Zuordnung nicht in Frage gestellt, sondern, da sie die Grundvoraussetzung der eigenen Praxis darstellt, stabilisiert.
Frauen gelten als die Passiven, die durch entschlossenes, kämpferisches Auftreten ausgeschlossen werden würden. Diese Kritik fällt jedoch herein auf die vorgegebene Aufteilung der Geschlechter: Anstatt anzuerkennen, dass diese differenz-theoretische Logik schlichtweg falsch ist und der Realität vieler Frauen nicht einmal entspricht, wie z.B. unser Bild oder auch die Praxis der Roten Zora zeigen, werden Frauen, die von der passiven, friedlichen Norm abweichen mit abfälligen Sprüchen oder Macker-Vorwürfen gebrandmarkt. Anstatt Frauen zu empowern, sich erstens von ihren ansozialisierten Verhaltensnormen zu befreien und zweitens gegen Repräsentanten des Patriarchats vorzugehen, werden sie erneut, wie vom Patriarchat vorgesehen, in die Passivität gedrängt und aus den politischen Aushandlungskämpfen heraus gehalten.
Das heißt in der Tat nicht, dass uns als anzustrebendes Role-Model, auch für Frauen, die starke und durchsetzungsfähige Charakteristik der patriarchalen Männlichkeit vorschweben würde. Emanzipation bedeutet für uns keinesfalls, dass Frauen und alle Anderen auch so sein dürfen, wie der Mann im Patriarchat entworfen wird. Die Infragestellung des konkurrenzfähigen, eigenständigen und durchsetzungsfähigen Mannes im patriarchalen Kontext bleibt eine Aufgabe der Emanzipation, nicht nur für Männer, sondern als Verschiebung im diskursiven Geschehen und in den Alltagspraktiken, die die Subjekte auf ihre geschlechtlichen Eigenschaften festschreiben. Die Bekämpfung des Patriarchats ist so eine zweiseitige Angelegenheit, in der nicht nur die weibliche Sphäre aus der Unterdrückung zu befreien ist, sondern auch der normierende Zuschnitt männlicher Identitäten als Sphäre der Hegemonie dekonstruiert werden muss.
Was aber den analytischen Fehler in der reflexartigen Gleichsetzung von Militanz, Gewalt und männlicher Dominanz ausmacht, wird sichtbar, wenn wir uns vergegenwärtigen, was eigentlich die Dekonstruktion der Geschlechter meint und was als politische Praxis daraus folgen müsste. Die sexistische Aufteilung der geschlechtlichen Sphären durchzieht als macht-basiertes Kräfteverhältnis praktisch alle sozialen Beziehungen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Dieses relativ stabile Konstrukt aufzubrechen, bedeutet die gegenseitige Bezogenheit dieser Sphären und ihre herrschaftsstabilisierende Verknüpfung als Ideologie aufzudecken und ihr machtförmiges Verhältnis emanzipatorisch umzuwandeln, zu dekonstruieren. Das geschieht aber nicht durch reine Kritik- und Selbstkritik-Zirkel in linken Zusammenhängen. Denn so sehr das Geschlechterverhältnis in uns als vergeschlechtlichte Subjekte eingelassen ist, so sehr findet es doch auch als reales gesellschaftliches Gewaltverhältnis statt. Dekonstruktion meint also nicht nur die Erkenntnis, dass „Geschlechter nun mal nur konstruiert und nicht echt“ sind, sondern muss auch durch reale Verschiebungen in den sozialen Beziehungen erkämpft werden – alles andere führt nur zu einem furchtbaren „post-gender“ Diskurs, in dem dann sowieso alles egal ist, weil ja erkannt wurde, dass alle Zuschreibungen nur konstruiert wären. Da Dekonstruktion aber eine zweiseitige Angelegenheit ist, reicht es nicht, die männliche Dominanz zu kritisieren. Unter den Bedingungen realer, patriarchaler Gewaltverhältnisse bedarf es genau so einer emanzipatorischen Verschiebung in der weiblichen Sphäre. Nicht als Anpassung an die männliche, sondern als politische Positionierung gegen das Patriarchat. Dazu gehört, wenn man diese Positionierung ernst meint und das Patriarchat als Gewaltverhältnis begreift, immer auch Militanz.
Anstatt von naturgegebenen, geschlechtsspezifischen Wirklichkeiten auszugehen, müssen wir diese als historisch entstandene, soziale Verhaltensnormen einer patriarchalen Gesellschaft kontextualisieren und bekämpfen. Wie in unserer „Reiseführerin durch den Geschlechterdschungel“ dargelegt sehen wir einen engen Zusammenhang zwischen zweigeschlechtlicher Matrix und patriarchaler Unterdrückung. Der Kampf gegen das Patriarchat bedeutet für uns auch den Kampf gegen essenzialistische, differenz-theoretische, zweigeschlechtliche Geschlechternormen!
Ein wichtiger Aspekt dafür ist für uns die Entkopplung von Militanz und Männlichkeit und eine Reflexion darüber, wie Militanz einen feministischen Ausdruck findet und wie Militanz Teil einer antipatriarchalen Praxis wird, die Unterdrückungsverhältnisse angreift, verschiebt und bekämpft.
Darüber hinaus verfehlt die Kritik an der Attitüde militanter Macker das Ziel. Politische Praxis kann nicht darauf reduziert werden, Stärke und Entschlossenheit – wem auch immer sie zugeschrieben werden – aus dem eignen Ansatz zu verbannen, um niemanden aus zu schließen. Das Patriarchat besteht nun mal nicht ausschließlich durch Performanz von Männlichkeit und Weiblichkeit oder auf situativer Verhaltensebene. Hinter Herrschaft und Unterdrückung stecken materielle patriarchale Strukturen, wie z.B. Männerbünde, Ehe und Familie, so wie Traditionen und Gesetze. Diese Materialisierungen werden mit Sicherheit nicht durch das Herausstreichen von Entschlossenheit und Organisierung einer kraftvollen, konsequenten, stabilen Gegenmacht durch militante Praxis aus dem politischen Ansatz zerstört. Vor allem deswegen sind wir davon überzeugt, dass eine militante Haltung Teil einer anti-patriarchalen Praxis sein muss. Denn wie wäre ein Gewaltverhältnis wie das Patriarchat durch reine Reflexion zu überwinden? Kann man es sich weg denken? Wohl eher nicht.

Smash Patriarchy – Feminismus heißt Militanz

Der Kampf um Emanzipation bedeutet, neben der Reflexion über sexistisches Verhalten und geschlechtsspezifisch dominantes Auftreten, auch den Kampf gegen das Patriarchat mit all seinen Strukturen und Materialisierungen anzugehen. Das Patriarchat stellt eine gewaltsame Ordnung dar, die definiert, welche Gewalt legitim und welche illegitim ist. Diese Ordnung gilt es konsequent anzugreifen!
Das Patriarchat teilt die Menschen in zwei Geschlechter auf und weist diesen eine scheinbare Natürlichkeit zu. So wird die perfekte Grundlage geschaffen, um die Welt anhand getrennter, eindeutiger Geschlechter zu ordnen und zu strukturieren. Männer und Frauen besäßen demnach verschiedene geschlechtsspezifische Eigenschaften, verschiedene Rollen, verschiedene Fähigkeiten und aufeinander bezogene Sexualitäten. Anhand dieser Unterscheidung kommt eine Hierarchisierung und damit einhergehende Unterdrückung zu Stande. Diese Unterscheidung wirkt nicht nur auf das konkrete Verhalten, sondern ist im alltäglichen Leben tief verankert, es ist in das kollektive Bewusstsein, in alltägliche Praxen, vor allem aber auch in staatliche und nicht-staatliche Institutionen eingegangen: Es durchzieht die ganze Gesellschaft.
Frauen wird immer wieder das Recht über den eigenen Körper abgesprochen, z.B. durch den §218, durch immer noch stattfindende häusliche Gewalt und Vergewaltigungen. Frauen müssen hübsch und sexuell attraktiv sein, um als begehrenswert und wertvoll anerkannt zu werden. Bei einer Frau zählt das Aussehen, nicht ihre Interessen oder Fähigkeiten.
Das Patriarchat findet sich im bürgerlichen Familienmodel, das durch staatliche Institutionen wie z.B. die Ehe gestützt wird. Liebesbeziehungen, die der  heterosexuellen und monogamen Norm nicht entsprechen werden abgewertet, sind institutionell schlechter gestellt und in ihrem Alltag oft direkter Gewaltandrohungen und -anwendungen aus ihrer Umwelt ausgesetzt.
Auch der Kapitalismus macht sich die Unterscheidung von Mann und Frau mit der Einteilung in die verschiedenen Sphären der Produktions- und Reproduktionsarbeit zu nutze. Auch wenn sich diese Unterscheidung durch massive Kritik bereits für Frauen der oberen Klasse verschiebt, bleibt der grundsätzliche Charakter bestehen. Frauen arbeiten und machen die Reproduktionsarbeit, wobei sie außerdem schlechter entlohnt werden und oftmals in spezifischen Care-Bereichen arbeiten. Auch, dass klassische Aufgaben der Reproduktionssphäre mittlerweile im neoliberalen Kapitalismus in marktförmige Bereiche der Ausbeutung durch Lohnarbeit transformiert wurden, ändert nichts an der vergeschlechtlichten Aufteilung: nach wie vor sind Frauen, wenn jetzt auch im Niedriglohnsektor, statt im Privatbereich, als Care-Arbeiterinnen hauptsächlich mit der Reproduktion der Lebensnotwendigkeiten betraut.
In der Gesellschaft lassen sich eine Menge Domänen finden, die noch immer männlich besetzt und dominiert werden. Hier ließen sich Männerbünde in Politik und einflussreichen gesellschaftlichen Positionen oder diverse Sportarten aufzählen, in denen Frauen sich erst einmal behaupten müssen.
Diese Ordnung übt tagtäglich Gewalt auf die Lebensrealitäten von Menschen aus, die sich nicht in den ihnen zugewiesenen Platz fügen wollen oder können. Gewalt findet statt, wenn ein lesbisches Paar schief angeschaut wird und wenn eine Frau den Haushalt zu erledigen hat. Gewalt findet statt, wenn Frauen vergewaltigt werden, wenn Frauen auf Sexsymbole und Schönheit reduziert werden oder ihnen ihre selbstbestimmte und selbstbewusste Sexualität abgesprochen wird. Gewalt findet statt, wenn eine Frau für ihren täglichen Lebensunterhalt mehr arbeiten muss als ein Mann. Gewalt findet auch statt, wenn einer Frau Angst gemacht wird, nachts alleine durch den Park zu gehen. Oder wenn sie in ihrem Auftreten mehr als Freundin von irgendeinem Kerl wahrgenommen wird, statt als eigenständige und für sich stehende Person. Gewalt findet jeden Tag und den ganzen Sozialisationsprozess über statt, weil dort Menschen in ihre gesellschaftlichen Funktionen und Rollen eingewiesen werden, soziale, gesellschaftliche Normen wirken und reproduziert werden und abweichendes Verhalten u.a. durch Kommentare, Ausschluss und Abwertungen sanktioniert wird. Das Patriarchat stellt also auch die Ordnung bereit, nach der Gewalt als Gewalt gebrandmarkt wird und die definiert, welche Gewalt legitim ist oder gänzlich unsichtbar bleibt.
Diese patriarchale alltägliche Gewalt wollen wir sichtbar machen und angreifen. Das bedeutet unter den gegebenen politischen Bedingungen immer auch eine Grenzüberschreitung und das Brechen der staatlichen oder mehrheitsgesellschaftlichen Spielregeln, denn diese sichern strukturell auch die patriarchalen Verhältnisse ab. Interessant an solchen Regelbrüchen, die sich nicht in die Rahmenbedingungen der herrschenden Ordnung fügen, ist die ideologische Abwehr und Verurteilung aus einem bürgerlichen Bewusstsein heraus. Die tief eingelassene Moral einer sich als zivilisiert gebenden Kultur, die Gewalt per se verurteilt und aus den sozialen Beziehungen verbannt wissen will, begreift eben die patriarchalen Verhältnisse und ihre allgegenwärtige Brutalität nicht als Gewalt. Stattdessen empört sie sich immer erst dann, wenn die festen Logiken und Strukturen der hegemonialen Herrschaft militant, also mit konsequenter Missachtung der Spielregeln, gebrochen werden. Eine opportunistische Haltung ignoriert so die alltägliche, patriarchale und gegenwärtige Gewalt, die im hier und jetzt alle gesellschaftlichen Verhältnisse durchzieht und echauffiert sich dafür über die Regelübertritte, die diese Gewalt in Frage stellen. Diese doppelmoralische Haltung brandmarkt das Verlassen der normativen Ordnung als delinquent, moralisch verwerflich und eben als die angeblich einzige Gewalt. So eine reformistische Haltung, auch links-liberaler KonformistInnen, die sich der Macht der bestehenden Logik bedienen will, auch wenn sie strukturelle gesellschaftliche Ungleichheit überwinden will, muss aber mit genau dieser Logik kohärent bleiben. So ein transformatorischer, sich selbst als gewaltfrei verstehender Reformismus denkt, handelt und argumentiert damit immer aus einer privilegierten Position heraus, denn die alltägliche, allgegenwärtige Gewalt durch die herrschende Machtlogik des Patriarchats und die Betroffenen dieser Gewalt sind dieser opportunistischen Haltung egal.
Dieses patriarchale System gilt es also auch militant anzugreifen, um es in seinen Grundsätzen zu erschüttern. Wir erachten Militanz hier als notwendig, um die gefestigten benannten Strukturen aufzubrechen. Eine der bekanntesten militanten Frauenzusammenhänge in Deutschland, die Rote Zora, hat das in einer ihrer ersten Veröffentlichungen „Jedes Herz ist eine Zeitbombe“ bereits 1981 begründet: „ (…) jede Frau, die schon einmal einen Stein geworfen hat, die auf Anmache nicht mit Rückzug reagiert, sondern zurückgeschlagen hat, wird unser Gefühl von Befreiung nachvollziehen können, das wir hatten, als wir Sexshops zerstört oder eine Bombe anlässlich des Urteils zum § 218 vor dem Bundesverfassungsgericht zündeten. Befreiung hat in unserer Gesellschaft etwas mit Zerstörung zu tun. Zerstörung der Strukturen, die uns an die Frauenrolle ketten wollen.“

Mili, tanz deine Revolution!

So verstanden, dass das Patriarchat eine gewaltförmige Herrschaftsordnung ist, die sich durch ihre Regeln, Normen und Gesetze wirksam in Kraft setzt und durch den Zwang zur Befolgung dieser Ordnung erhält, ist für uns die richtige politische Schlussfolgerung, dass Feminismus auch militant sein muss! Wir propagieren deswegen einen militanten Feminismus. Aber was heißt das? Sowohl praktisch als auch analytisch wollen wir uns damit auseinander setzen, welchen Ansprüchen eine militante Politik genügen muss, um in feministischer Selbstorganisation und Selbstermächtigung keine patriarchalen Ausschlüsse zu generieren. Wir wollen darlegen, was eine konsequente militante Haltung für den Kampf gegen das Patriarchat bedeutet und wie militanter Feminismus Unterdrückungsverhältnisse verunsichert, verschiebt und durchbricht.
Militanz, wie wir bereits früher im Text, als es um Bewusstsein und Praxis eines linken Anti-Sexismus und die Gewaltfrage ging angedeutet und an anderen Stellen schon öfter beschrieben haben, bedeutet für uns grundsätzlich einen Ausdruck einer radikalen, antagonistischen Haltung gegenüber dem Staat, die dessen Gewaltmonopol nicht anerkennt und entschlossene Handlungsbereitschaft vermittelt, für diese Haltung einzustehen. Militanz beinhaltet dabei eine kollektive, politische Aushandlung und das gemeinsame Durchstehen der Konsequenzen.
Wieso gerade gegenüber dem Staat und dessen Gewaltmonopol und warum darin bereits ein Antagonismus gegenüber gewaltförmigen Machtverhältnissen in als privat zugeschnittenen Räumen liegt, darauf kommen wir gleich zurück. Wichtig ist uns zunächst, dass Militanz für uns grundsätzlich eine Symbiose zwischen Haltung und Handlung beschreibt, die hegemonialen Herrschaftsbedingungen und ihre allgegenwärtige Gewalt nicht hin zu nehmen. Eine solche Haltung bedingt, sich nicht von den Normen, Gesetzen und Regeln, die diese Herrschaft aufrecht erhalten, vom Kampf gegen diese gesellschaftliche Unterdrückung abhalten zu lassen. Es bedeutet, dass wir uns nicht an die Spielregeln halten, wenn z.B. Neonazis durch die Städte laufen wollen und uns der „Rechtsstaat“ sagt, das müssten wir im Sinne der Gleichheit vor dem Gesetz hinnehmen. Auch nicht, wenn das staatliche Gewaltmonopol uns dafür mit Sanktionen überzieht. Es bedeutet für uns auch, sich nicht an die sozialen Spielregeln zu halten, wenn diese suggerieren, was im intimen Privatraum zu Hause passiert, wäre jedermanns eigene Sache. Das heißt, wir müssten eingreifen, wenn z.B. in der Institution der Kleinfamilie Männer sexistische Gewalt gegen „ihre“ Frauen ausüben und Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung und Mord – die immer noch am häufigsten in eben jenem Privatraum der Familie stattfinden – hinterher in der bürgerlichen Öffentlichkeit als Familiendramas, also als angeblich besonders drastische Ausnahmen, bagatellisiert werden, obwohl wir täglich davon in der Zeitung lesen können und der strukturelle Kontext dieser Gewalt uns so offensichtlich erscheinen müsste. Aber auch hier, im privaten Raum, richtet sich ein militanter Feminismus zu aller erst gegen den Staat und sein Gewaltmonopol. Denn dieser sichert eben jenen Privatraum, in dem sexistische Gewalt abgeschirmt stattfinden kann, durch sein Gewaltmonopol ab. Die staatliche Ordnung will uns darauf verpflichten, das Eingreifen gegen solche Gewaltverhältnisse seinem Gewaltmonopol zu überlassen. Wir sollen die Polizei rufen, wenn eine Frau vergewaltigt wird, statt uns selbst darum zu kümmern, den Vergewaltiger platt zu machen. Das Definieren und Abwehren von Straftaten bleibt damit in der staatlich organisierten Gesellschaft dem Gewaltmonopol der Rechtsordnung vorbehalten, selbst wenn in Fällen von Notwehr und Nothilfe eingegriffen wird, denn auch dann handeln Menschen nur im Rahmen dessen, was der Staat ihnen erlaubt. Das hilft aber nicht, weil sich der Staat und seine Polizei anscheinend nicht darum scheren, wenn im familiären Privatraum ständig sexistische Gewalt und patriarchale Unterdrückung, auch schon durch Rollenzuweisungen oder materielle Abhängigkeiten, stattfindet. Ganz im Gegenteil schützt und fördert der Staat den Privatraum Kleinfamilie durch die Institutionen der Ehe und Familie als Vorbedingung der Gewalt auch noch, z.B. im §6 Grundgesetz. Kein Wunder also, wenn unter dem Deckel der Privatheit, den das Gewaltmonopol auf die Kleinfamilien gelegt hat, die alltägliche Gewalt als Konsequenz eines strukturell sexistischen Herrschaftsverhältnisses trotz des Versprechens gesellschaftlicher Befriedung im modernen Staat weiter geht. Eine militante Haltung negiert das Gewaltmonopol des Staates eben dadurch, dass sie auf die Selbstermächtigung der politischen AkteurInnen unter den herrschenden Verhältnissen setzt und die Angelegenheiten des sozialen Zusammenlebens nicht an den Staat und seine Ordnung delegiert.
Ein militanter Feminismus muss aus der radikalen Analyse der Gewaltverhältnisse des Patriarchats jenseits der bürgerlichen Spielregeln selbst gegen diese Gewaltverhältnisse vorgehen, um diese, die so natürlich, alltäglich und selbstverständlich daherkommen, durch den Angriff auf eben solche Selbstverständlichkeiten und durch die Sichtbarmachung des inhärenten aber unsichtbaren Gewaltverhältnisses zu verunsichern, zu erschüttern, zu verschieben und zu zerschlagen. Es geht bei Militanz nicht um Stärke, Gewalt oder exzessives Handeln, sondern um Konsequenz, Selbstermächtigung und Entschlossenheit, durch die dominanten Autoritäten ihre Hegemonie genommen wird, weil die Spielregeln und Rollenzuweisungen, die sie strukturell in die dominante Position versetzen nicht mehr gelten. Militant ist so ein feministisches oder allgemein ein linksradikales Agieren, nicht weil es kulturell männlich konnotierte Attribute erfüllen würde, sondern weil es sich nicht um die drohenden Sanktionen aus der Ordnung schert, die militantes, feministisches oder allgemein linksradikales Handeln verhindern will und die hegemoniale Herrschaft von Patriarchat aber auch von Rassismus und Kapitalismus absichert.
Antagonistisch zum Staat und seinem Gewaltmonopol ist für uns linksradikale Militanz vor allem unter den gegebenen Bedingungen. Denn im hier und jetzt sichert der Staat eben die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse von Rassismus, Sexismus und Kapitalismus ab. Deswegen muss sich in den reellen politischen Verhältnissen militantes Agieren immer mit diesem Gewaltmonopol auseinander setzen, auch wenn es als politische Aktion eigentlich eine gesellschaftliche Herrschaftsform treffen möchte und sich mit den Lebensrealitäten in als privat zugeschnittenen Räumen konfrontiert sieht. Das ändert jedoch nichts daran, dass Militanz grundsätzlich, auch jenseits des staatlichen Gewaltmonopols, gegen jede Unterdrückung und alle Herrschaftsformen notwendig ist, denn das Patriarchat besteht nicht nur durch den Staat, sondern stellt ein grundsätzliches gesellschaftliches Verhältnis dar, das sich in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgestaltet. Das heißt, Militanz wäre auch Staat eine notwendige Haltung gegen die Herrschaftsverhältnisse von Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat, die dann eben auch alle anderen gesellschaftlichen Spielregeln nicht anerkennen würde, die eine Ordnung zur Aufrechterhaltung dieser Herrschaftsverhältnisse ausmachen würden – eben auch staatliches Gewaltmonopol. Daraus wird aber auch erkennbar, was Militanz tatsächlich ausmacht: nämlich die politische Handlung verbunden mit einer konsequenten politischen Haltung. Nicht jede Frau, die in der Disco einen schmierigen Typen umboxt, der sie oder eine andere Frau angegraben hat, ist gleich militant – so sympathisch uns auch jenseits davon so eine Reaktion ist, die natürlich situativ eine Befreiung aus dem sexistischen Verhältnis darstellen kann. Aber militant wird die Handlung erst durch das Bewusstsein und die Absicht, mit der Aktion konsequent sexistisches Verhalten und patriarchale Strukturen anzugehen.
Auch ein militanter Feminismus bleibt an einen politischen Kontext gebunden. Dazu gehören kollektive Verabredungen der anti-sexistischen Aktionen, eine Planung, in der die beteiligten AkteurInnen involviert sind und die ihre Bedenken und persönlichen Grenzen berücksichtigt und es gehört eine klare und erkennbare politische Ausrichtung dazu. Bei einem solchen geplanten und verbindlich verabredeten militanten Agieren müssen auch bei Aktionen, die sich nicht gegen das Patriarchat, sondern z.B. gegen Neonazis, gegen Rassismus oder gegen kapitalistische Strukturen richten, immer Kriterien aus einer anti-sexistischen Reflexion eine Rolle spielen, um in diesem Handeln den Wirkungsmechanismen sexistischer Zuschreibungen und Ausschlüsse zu begegnen. Linksradikale Militanz darf auch nicht in der Rückwirkung einer konsequenten politischen Haltung auf die handelnden Subjekte dazu führen, dass internalisierte Rollenverständnisse gestärkt oder verfestigt werden oder solche als Role-Models in den Bildern des Auftretens reproduziert werden. Gerade in militanten Bildern des Auftretens können allerdings durchaus Verschiebungen in den Rollenverständnissen zwischen den gesellschaftlich entworfenen Geschlechtern hergestellt werden, wie wir hoffen es im Text oben schon gezeigt zu haben.

United we stand, divided we fall

Wir leiten unsere militante Haltung aus einem radikalen Feminismus heraus ab, dem es darum geht, patriarchale Unterdrückungsverhältnisse konsequent anzugreifen. Was bedeutet militanter Feminismus aber für uns als gemischtgeschlechtliche Gruppe? Wie können wir gemeinsam feministische Politik machen dabei patriarchale Strukturen zu reproduzieren? Wir wollen im Folgenden ein paar Überlegungen darlegen, warum militanter Feminismus nicht ausschließlich an weibliche Subjekte gebunden sein muss, was daraus aber für die konkrete Umsetzung folgt.
Zunächst liegt eine Herausforderung, die anti-patriarchalen Verschiebung der gesellschaftlichen Realität, wenn sie durch Männer angegangen wird, darin, dass ja gerade die dominante Position von Männern angegriffen und verändert werden soll. Wir organisieren uns bewusst als gemischtgeschlechtliche, linksradikale Gruppe, weil wir die Verschiebung dieser Hierarchien in unserer alltäglichen gemeinsamen Praxis miteinander aushandeln wollen. Die patriarchalen Strukturen sind gerade da besonders wirkmächtig, wo Männer und Frauen zusammen agieren – das entspricht aber der gesellschaftlichen Realität. Wir wollen die patriarchalen Verhältnisse schon in der Aushandlung der gemeinsamen Organisierung und daraus folgendenden Praxis reflektieren, verschieben und zerschlagen.
Insbesondere unter dem Aspekt der Selbstermächtigung geht es gerade darum, dass Frauen sich aus der passiveren Position befreien und sich dafür einen geeigneten Raum schaffen. Das bedeutet, dass Frauen in feministischen und allen anderen politischen Aushandlungen und Kämpfen wichtige Positionen und Rollen einnehmen müssen. Daraus folgt für uns als gemischtgeschlechtliche Gruppe, dass Männer in politischen Aushandlungen auf keinen Fall als Stellvertreter für Frauen agieren dürfen, da damit hegemoniale Strukturen reproduziert werden und eben nicht das Durchbrechen der männlichen Hegemonie forciert wird. Es folgt für uns daraus jedoch nicht, dass Männer sich nicht an anti-patriarchalen Kämpfen beteiligen können oder dürfen. Im Gegenteil halten wir feministische Kämpfe gerade nicht für reine Frauensache, da nicht nur die Position der Frau sich verändern muss, sondern auch die des Mannes. Darüber hinaus betrifft diese Veränderung nicht nur explizit feministische Politik, sondern spielt in allen politischen Kämpfen eine Rolle.
Wir haben es in der „Reiseführerin durch den Geschlechterdschungel“ schon mal dargelegt: für uns liegt die Grundlage des Patriarchats in der binären Geschlechterordnung, die es auch praktisch zu dekonstruieren gilt. Damit geht es uns in unseren politischen Kämpfen auch darum, neben der Subjektposition Frau ebenso die Subjektposition des Mannes zu zerschlagen. Unter anderem ist ein Ansatz für uns, wie wir in diesem Text dargelegt haben, Rollenzuweisungen und damit verbundene Handlungsoptionen zu verunsichern und auch praktisch in Frage zu stellen. Es geht uns darum, die Strukturen und Spielregeln zu missachten und zu brechen, die die bestehende Ordnung sichern. Daran können und sollen auch Männer teilhaben, die bereit sind ihre eigene dominante Positionierung zu verlassen, reflektiert mit ihrer Subjektposition umgehen und neue Wege eines anti-patriarchalen Miteinanders finden wollen. Dabei geht es uns insbesondere darum auch Männern einen Erfahrungsraum zu geben, in dem ihre bisherige Dominanz verunsichert wird und in dem sie gewohnte Handlungsoptionen verlassen können. Daneben darf selbstverständlich das Empowerment von Frauen, selbstbestimmt, selbstbewusst und dominant an politischen Aushandlungen teilzuhaben nicht zu kurz kommen, sondern muss erstes Ziel unserer feministischen Politik sein.
Wie erläutert stellt Militanz für uns einen kollektiven Ausdruck dar, der gemeinsam bestimmt und ausgehandelt wird. In der konkreten Praxis bedeutet das sowohl für Frauen als auch Männer eine konsequente Weiterentwicklung und ein Ausprobieren an neuen und auch ungewohnten Aufgaben und Rollen. Eine anti-sexistische Praxis zu leben und sich gerade als gemischtgeschlechtliche Gruppe darin wieder zu finden, stellt für uns an sich einen Erfahrungsraum da, der uns auch immer wieder mit unseren eigenen, verinnerlichten Subjektpositionen als Männer und Frauen konfrontiert. Z.B., wenn Männer die Ambivalenz verarbeiten müssen, sich als Mann in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe an einer Frauenkampfs-Demo, -Aktion oder einer anderen Praxis zu beteiligen. Die Praxis wirft uns so auch auf die Beschäftigung mit uns selbst zurück. Das Private bleibt politisch!

 

Bottom Line