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Frauen, die kämpfen!

Antifa heißt Feminismus heißt MilitanzDie Unsichtbarkeit von Frauen

In vielen linken Kommentaren ist zutreffend die rauschartige Hetze kritisiert worden, der sich weite Teile der Medien- und Politiklandschaft derzeit hingeben. Die Spitze dieser mehr als kruden Kampagne stellen Wortmeldungen dar, die in reinstem Geschichtsrevisionismus 2017 zu 1933 und damit Supermärkte zu Synagogen erklären. Vor diesem Hintergrund geraten subtilere Formen der Meinungs- und Stimmungsmache leicht aus dem Blick. Wir wollen vor allem auf das Unsichtbarmachen von Frauen im Widerstand gegen den Gipfel hinweisen. Die Sprachregelung, es handele sich bei den »Chaoten« vor allem um junge Männer, findet sich fast überall. Wie die Fokussierung auf die Ereignisse des Freitagabends den Angriff auf »Welcome to Hell« am Donnerstag und den Mobilisierungserfolg der Großdemonstration am Samstag überdecken soll, soll auch der Anteil all der widerständigen Personen überdeckt werden, die nicht ins Bild der bürgerlichen Presse passen. Das nicht-Sichtbarwerden gilt in ähnlicher Weise für Transpersonen. Wir maßen uns nicht an, die Erfahrungen und Perspektiven von Transpersonen authentisch wiederzugeben. Deshalb und aufgrund unserer tatsächlichen Erfahrungen in Hamburg, sprechen wir im Weiteren von Frauen und freuen uns über Ergänzungen dieser Perspektive.

Offenbar passt es den Herrschenden und ihren Schergen noch immer nicht in ihr altbackenes Geschlechterbild, dass Frauen einen unersetzlichen Teil des Protestes darstellten und bei allen Aktions- und Widerstandsformen eine zentrale Rolle gespielt haben. Nur so sind Kommentare von Polizisten zu erklären, die erstaunt über viele festgenommene Frauen behaupteten: »Die Männer haben ihre (!) Frauen im Stich gelassen«.

Sexismus auf beiden Seiten der Barrikade?

In mehreren Texten zu den G20-Protesten gab es bereits eine Sexismus-Kritik. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich diese Kritik vornehmlich am Sexismus der »unpolitischen« Männer am Freitagabend in der Schanze festmacht. Auch hier werden Frauen, die sich aktiv an militanten Auseinandersetzungen beteiligt haben, unsichtbar gemacht. Eine sich reflexhaft abschottende antisexistische Position gegenüber den Mackern von Freitagnacht reicht außerdem nicht aus. Eine Linke, die die Verhältnisse wirklich verändern will, kann nicht dabei stehen bleiben, den erlebten Sexismus zu kritisieren und sofort festzustellen, dass es mit diesen Personengruppen keine Zusammenarbeit geben kann. Wir müssen uns vielmehr fragen: Warum finden wir keine Wege mit Menschen zu sprechen, die unsere Wut auf die Verhältnisse und die Polizei teilen? Wer darauf wartet, dass Menschen unter den aktuellen Bedingungen von selbst links und antisexistisch werden, hat die Aufgaben politischer Organisation nicht verstanden. Politische Ausschlusskriterien aufzustellen reicht nicht. Wir müssen darüber reden, wie wir linke Werte und Ziele vermitteln und durchsetzen. Wenn wir kulturelle und politische Hegemonie nur in kleinbürgerlich-akademischen Milieus herstellen (wollen), sind wir Teil des Problems.

Das empörte Naserümpfen über den vermeintlichen Pöbel führt auf gefährliche Pfade. Es lässt vor allem eine Selbstkritik vermissen, die auch die radikale Linke stets üben muss. Auch wir sind in patriarchalen Verhältnissen sozialisiert. Natürlich heißt links sein für uns auch immer eine Positionierung gegen Sexismus, sie immunisiert aber nicht. Es kann also nicht darum gehen die nicht politisierten Teile derjenigen, die den Mut aufgebracht haben am Gipfel-Freitag gegen die polizeiliche Besatzungsarmee zu kämpfen, einfach als unbelehrbar abzutun. Im Gegenteil: Wir Linke wollen auch in Zukunft mit ihnen kämpfen. Ohne sexistische Kackscheiße, ohne Selfies vorm Wasserwerfer, aber mit dem Ziel zu gewinnen!

Feministen gegen den G20Organisierte patriarchale Gewalt

So richtig und wichtig es ist, inakzeptable Verhaltensweisen auf unserer Seite der Barrikade als das zu benennen was sie sind – es fallen dabei massive sexistische Angriffe unter den Tisch. Die über 20.000 uniformierten und absolut gewalttätig auftretenden Repräsentanten der herrschenden Verhältnisse waren nicht nur Träger einer klassenkämpferischen Gewalt von oben, sondern auch einer systematischen patriarchalen Gewalt. Diese Gewalt wurde physisch und psychisch gegen Frauen eingesetzt. So waren Frauen bei Festnahmen und im Gewahrsam einer eigenen Qualität von Gewalt ausgesetzt. In der Gefangenensammelstelle und im Knast gelten das binäre Geschlechtermodell und die aus ihm abgeleiteten Unterdrückungsmechanismen absolut. Dort wo sich reaktionäre Polizisten bereits von Männern mit längeren Haaren zu infantil-dümmlichen Kommentaren provoziert fühlten, mussten Frauen durchgehend sexistische Kommentare ertragen. Sie mussten auch vermehrt Durchsuchungsmethoden über sich ergehen lassen, die einzig und allein der Demütigung der Betroffenen dienten. Im Gegensatz zu inhaftierten Männern wurden Frauen Fußfesseln angelegt. Einige Genossinnen wurden in der Haft geschlagen. Der Republikanische Anwaltsverein berichtet von einer Gefangenen, die gezwungen wurde sich vor den Augen von Beamtinnen einen Tampon einzuführen.

Jin, Jiyan, Azadi!

Die zusätzliche Repression gegen Frauen hat einerseits ihren Grund in der patriarchalen Gesellschaftsformation und deren Ausstrahlung auf die reaktionärsten Teile dieser Gesellschaft, die sich in den Repressionsbehörden sammeln. Andererseits war sie auch konkreter Ausdruck der höheren Widerstandsbereitschaft der Genossinnen in Hamburg. So waren es junge Frauen, die unter den unmenschlichen Zuständen der Gefangenensammelstelle in Harburg ihre Stimmen erhoben, um die Internationale zu singen. Und es waren vor allem Genossinnen, die ihnen antworteten. Mit Liedern der ArbeiterInnenbewegung und Parolen auf Kurdisch, Französisch und Deutsch trugen sie die Hoffnung an diesen Ort der Demütigung und Unterdrückung. Es war ein bewegender Moment der Solidarität, der die Vereinzelung und Einschüchterung überwand. Den Hörenden wurde klar: Sie können uns nicht brechen!

Es bleibt festzuhalten: Bei den Protesten gegen den G20-Gipfel waren Frauen überall. Sie haben demonstriert und organisiert. Sie haben gesprochen, gekämpft, getanzt und geblutet. Lassen wir nicht zu, dass die Herrschenden all das totschweigen. Sie haben Angst. Angst vor einer Bewegung, die ihr „weiter so“ ganz praktisch in Frage stellt. Angst vor der Entschlossenheit und dem Mut, den kämpfende Frauen in den Gipfeltagen in Hamburg gezeigt haben.

Genossinnen, die Bewegung ist nichts ohne euch!

Nieder mit Patriarchat und Kapitalismus!

Frauen, die kämpfen – sind Frauen, die leben!


Bottom Line