Antwort der >A.L.I.< auf einen Artikel des "AK Bildet euch, bildet andere, bildet Banden" aus der GöDru 491, erschienen in der GöDru Nr. 495.
Der Artikel des "AK Bildet euch, bildet andere, bildet Banden" ist an unsere Antwort angefügt.
Für weitergehende Überlegungen zum Thema Patriarchat!
Diskussionsbeitrag zum Artikel "Das Patriarchat. Überlegungen zum Thema" des AK "Bildet euch, bildet andere, bildet Banden!" - Lebenslanges Lernen in GöDru Nr. 491, Text im Anschluss an unseren Antwortartikel.
Der Beitrag des AK veranlasste uns, die Antifaschistische Linke International >A.L.I.<, ebenfalls einige Anmerkungen zum Patriarchat zu verfassen, um bestenfalls eine Diskussion dazu anzufachen.
Erst einmal ist der besagte Artikel formal kritikwürdig, da er einen relativ fragwürdigen Forschungsansatz unreflektiert und unkritisch wiedergibt. Der AK orientiert sich hauptsächlich an Johann Jakob Bachofen (1815-1877), einem evolutionistischem Ethnologen, welcher sich auf selbigem Forschungsgebiet hauptsächlich mit der Entwicklung vom "Matriarchat" zum "Patriarchat" beschäftigte. Entsprechend problematisch und vereinfacht fallen demnach Argumente und Fazit zum Patriarchat aus.
Die Lehre des Evolutionismus beschwört eine lineare Entwicklung von Gesellschaften. Alle Kulturen der Welt müssen nach dem Evolutionismus die gleichen "Entwicklungsstufen" durchlaufen, wobei die eine "höher" sei als die vorherige. Somit seien auch heutige agrarische Gesellschaften, "niederer" entwickelt als die Menschen, die in der "industrialisierten" Welt leben. Dieser Blickwinkel stammt aus den Metropolen und hat rassistische Züge. Bachofen kehrt diese Sichtweise einfach um und bezieht sich positiv auf einen "Naturzustand": das Matriarchat. Die Entwicklung zum Patriarchat stellt ein Entfernen dieses "Naturzustandes" dar, was er als negativ bezeichnet. Am Ende dieses Prozesses sieht Bachofen getreu eines fatalistischen Weltbildes das Patriarchat an sich selbst zugrunde gehen oder es wird wieder ein Matriarchat geben. Der Artikel des AK betrachtet dabei nicht kritisch, dass emanzipatorische Widerstände, die es immer gegen Unterdrückungssysteme und zwar ganz explizit auch gegen das Patriarchat gegeben hat und gibt, bei der genannten Theorie völlig außer Acht gelassen werden. Die "Menschheit" entwickelt sich nicht naturgegeben nach einem bestimmten Schema, sondern handelnde Subjekte gestalten gesellschaftliche Prozesse immer selber.
Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist, dass ein "Matriarchat", das von Bachofen als Perspektive angesehen und von dem Artikel nicht in Frage gestellt wird, für uns kein zu erreichendes Gesellschaftssystem darstellt. In solch einer Gesellschaft hätten die Frauen die strukturelle Macht inne, z.B. durch Matrilinearität (Die Erbfolge verläuft über die Frauen) oder die Verwaltung des Geldes. Ein solcher einfacher Vorzeichenwechsel kann für eine fortschrittliche Linke nicht erstrebenswert sein. Darüber hinaus werden auch in Matriarchaten biologistische Annahmen über die Geschlechter nicht in Frage gestellt.
Ebenso wenig stellen Bachofen oder die VerfasserInnen des Artikels biologistische Rollenklischees in Frage. Die Rede ist von der "natürlichen ... Aufgabe Kinder zu gebären", von der überlegenen "männlichen Stärke" und von der spezifisch "weiblichen" und spezifisch "männlichen Kultur". Aktuelle Grundsatzdiskussionen innerhalb der Linken werden bei der Widergabe des Textes von Bachofen völlig außer Acht gelassen: Die sex-gender-Debatte aus den 80ern wird nicht erwähnt, die aus der Erkenntnis entstand, dass das spezifische Verhalten von Männern und Frauen anerzogen ist. Ebenso wird die dekonstruktivistische Diskussion aus den 90ern ignoriert: die Annahme, die Kategorie "Geschlecht" an sich ist konstruiert; auch das System der Zweigeschlechtlichkeit ist demnach nicht biologisch zu erklären, sondern gesellschaftlich und kulturell.
Biologistisch argumentiert wird nicht nur in Bezug auf das Geschlechterverhältnis. Die Rede ist vom "... Recht als Verneinung der Natur" oder dem "natürliches Rechtsgefühl". Hier wird der sozial-gesellschaftliche Hintergrund von Rechtssystemen ausgeblendet. Ebenso, dass ein Rechtssystem durch mehr Faktoren gestützt wird, als über das "Patriarchat".
In dem Artikel über Bachofens Theorie wird außerdem nicht erwähnt, dass das Patriarchat nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Umständen betrachtet werden kann, sondern mit anderen Unterdrückungsmechanismen, wie Kapitalismus und Rassismus verstrickt ist und sich diese als funktionierende Unterdrückungsapparate einander bedingen. So stützt die patriarchale Kleinfamilie den Kapitalismus durch die Struktur der Arbeitsteilung in Produktions- und Reproduktionsbereich.
Zum Schluss möchten wir dem AK "Lebenslanges Lernen..." für den historischen Rückblick in die Diskussion aus dem 19. Jahrhundert "herzlich danken". Wenn Ihr Euren Artikel aber mit "Überlegungen zum Patriarchat" betitelt fällt uns dazu ein: Thema verfehlt! Wir freuen uns über gegenwarts- und zukunftsorientierte Beiträge von anderen Gruppen.
Antifaschistische Linke International >A.L.I.<
September 2004
Artikel aus der GöDru Nummer 491 vom AK "Bildet euch, bildet andere, bildet...!" - lebenslanges Lernen:
Das Patriarchat
Überlegungen zum Thema
(gr.: patriarches = Herrschaft des Vaters). Das Patriarchat ist das gesellschaftliche und juristische System des Vaterrechts, also dser Herrschaft des Mannes über Frau und Kind. Ob es jemals ein früheres mutterrechtliches System gegeben hat, ist umstritten.
Sicher sind jedoch sind zwei bezeichnende historische Tatsachen:
Einmal, daß die rechtliche Stellung der Frau um so besser wird, je weiter wir die Geschichte der Menschheit von den Vaterreligionen an zurückverfolgen. Diese Tatsache läßt sich bei monotheistischen Vaterreligionen genauso beweisen also auch bei polythetistischen. So ist die rechtliche Situation der Frau im Christentum besser als im Islam, besser im Judentum als im CHristentum, besser unter Solon als unter den späteren Griechen, besser bei den Hethitern als bei den Griechen, besser bei den Babyloniern als bei den Hethiern, besser in Ur als bei den Babyloniern, besser dei den Ägyptern als bei Hammurabi, besser im Alten Reich als im Mittleren oder im Neuen.
Zweitens läßt sich die Tatsache nicht aus der Welt räumen, daß die Mutter stets weiß, welches ihr Kind, der Vater aber nie sicher sein kann, ob es das seinige ist.
Um diese Unsicherheit aus der Welt zu schaffen, wurde das Vaterrecht erfunden. Das gesamte Rechtssystem der patriarchalischen Zeit geht auf diesen Urakt der Rechtschöpfung zurück. Da der Urakt aber ein Akt der Verneinung und nicht der Affirmation ist, trägt die Rechtsprechung der Menschheit bis heute die unverkennbaren Merkmale der Widersprüchlichkeit. Der juristische Urakt bestand in dem Versuch, eine unumstößliche, biologisch unabänderliche Tatsache durch kodifizierte Machtmaßnahme aus der Welt zu schaffen.
Der Urvater des Patriarchats sagt: "Ich weiß, wer mein Sohn ist. Ich weiß es, weil ich es hiermit festlege. Die Mutter mag die Natur auf ihrer Seite haben. Ich aber habe die Macht. Und diese Macht stelle ich nun in einem kodifizierten System dar, dem ich den Namen Rechtsprechung gebe."
So entstand das Rechtals Verneinung der Natur. Und da ein solcher Akt der Verneinung einen Apparat erfordert, der ihn am Leben hält, entstand die Maschinerie des Rechts.
Eine solche Maschinerie stellt aber durch ihr Dasein allein bereits den Beweis ihrer Illegitimität dar. Denn eine Gesellschaft, die ein natürliches Rechtsgefühl hat, benötigt keine Juristen. Die Tatsache, daß Gerichtshöfe, Gefängnisse, Polizisten und Scharfrichter vonnöten sind, stellt eine schweigende Anklage gegen die Gesellschaftsordnung dar, die nicht sie auskommen kann. Um auf die Widersprüchlichkeit des Patriarchats zu kommen, vergleiche man es mit dem hypothetischen System des Mutterrechts, das sich aus der gleichen Ursituation entwickeln ließe. Die Mutter sagt: "Dies ist mein Kind. Ich weiß es, weil ich es georen habe. Jeder, der dabei war, ist mein Zeuge."
Hier bedeutet Recht also das, was bezeugt werden kann, und nicht das, was durch kodifizierte Machtmaßnahmen erzwungen werden kann.
Die Zwangsmaßnahmen, mit denen der Mann die Frau seit dreitausend Jahren unterdrückt hat, das Netz von Widersprüchen, das er mühselig zusammengeflochten hat, um seine Herrschaftsansprüche zu legitimieren, die mysteriöse Affektivität, mit der er stets soclhe Themen wie das der Abtreibung behandelt hat (alle Vaterreligionen sind dagegen, alle Mutterreligionen sond dafür), bestärkt die Vermutung, daß die Dynamik des Patriarchats im schlechten Gewissen liegt: der Mann pocht auf seine Rechte, weil er weiß, das er keine hat. Nur seine größere körperliche Stärke legitimiert ihn, aber selbst diese ist kurzfristig. Was Ausdauer anbelangt, vor allem was die Fähigkeit anbelgant, Schmerzen zu ertragen, war die Frau dem Mann stets überlegen. Die Aufgabe Kunder zu gebären, hat ihren Körper für Ausdauer und Schmer erdulden ausgebildet.
Aus diesem Grund hat das Patriarchat auch den Akzent der Machtausübung vom Erdulden der Schmerzen auf das Zufügen von Schmerzen verlegt, also von einer masochistischen (weiblichen) auf eine sadistische (männliche) Komponente.
Man denke hier an das Konzept der Stärke in mutterrechtlich beeinflußten Kulturen, in denen stets das Ertragen von Schmerzen und nicht das Bereiten von Schmerzen als Tugend gilt - bei den Indianern beispielsweise und auch bei deren asiatischen Vorvätern. Zweifellos stellt der Umschlag von der Kultur des Nahrungssammelns zur Jagd den ersten Umschalg von einer weiblichen in eine männliche Kultur dar, und ebenso zweifellos bildet der Umschlag von einer Ackerbaukultur in eine Industriekultur den zweiten großen Machtergreifungsprozeß des Mannes.
Eine Kultur wie die unsrige, die im Kriegsspiel ihre Volendung findeet, stellt dagegen mit groér Wahrscheinlichkeit das ENde des Patriarchats dar. Denn wenn der innere Widersprich des Patriarchats solche Dimensionen annimmt, daß der Mann um seine Männlichkeit zu beweisen (und sich bewußt zu sein, daß er all dies zum Beweis seiner schwindenden Männlichkeit tut), Waffensysteme aufbaut, die mit Leichtigkeit die gesamt Menschhei, also auch das Patriarchat als solches, ausrotten können, dann ist dieser Widerspruch nicht mehr heilbar und kann nur zu einem von zwei Auswegen führen, zu einem matriarchalischen System oder zur Ausrottung der Menschheit.
Literaturhinweise: u.a. Johann Jakob Bachofen, Mutterrecht und Urreligion (Stuttgart, 1954)
Die Quelle wurde ausgewertet vom AK "Bildet euch, bildet andere, bildet...!" - Lebenslanges Lernen