"Glaubt den Lügen der Mörder nicht!"
Am 27. Juni 1993 schlug das Bundeskriminalamt (BKA) in Bad Kleinen gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) zu. Wolfgang Grams wurde laut Aussagen von ZeugInnen von der GSG 9 hingerichtet, Birgit Hogefeld ist seither in Haft. Die Staatsschutzaktion in Bad Kleinen offenbart öffentlich das Ausmaß des staatlichen Vernichtungswillens gegen seine radikalen und militanten GegnerInnen und markiert zugleich eine schwere Niederlage für die Linke in der Bundesrepublik Deutschland.
20 Jahre danach ist dieses Kapitel linker Geschichte kaum ein Thema für die radikale Linke. Wir haben hier einige Informationen zusammengestellt. Am Donnerstag, den 27. Juni 2013 erscheint zudem im Neuen Deutschland ein Interview, das wir der sozialistischen Tageszeitung anlässlich des 20. Todestages von Wolfgang Grams gegeben haben.
Befreiung als Perspektive | Repression als Reaktion | Solidarität als Antwort
rewind: Sonntag, 27. Juni 1993. Bahnhof, Bad Kleinen. Ein knapp Dreitausend-Seelenort nördlich von Schwerin, Mecklenburg-Vorpommern. Die Frau: Birgit Hogefeld. Der Mann: Wolfgang Grams. Beide organisiert in der Rote Armee Fraktion (RAF). By any means necessary. Der Verräter: Klaus Steinmetz, ein V-Mann des Verfassungsschutzes. Das Treffen: Eine Falle. Billardcafe, Bahnunterführung, Treppenaufgang, 15 Uhr. Der Angriff: Birgit Hogefeld wird zu Boden gebracht und gefesselt. Flucht: Wolfgang Grams läuft den Treppenaufgang zum Bahnsteig 3/4. Die Verfolger: GSG9, eröffnen das Feuer. Wolfgang Grams: Schießt zurück. By any means necessary. Die Zeugin Baron, der anonyme BKA-Zeuge: Grams wurde, als er bereits regungslos im Gleisbett lag, von Beamten der GSG9 regelrecht hingerichtet. By any means necessary. Nachrichtensperre. Der Innenminister tritt zurück. Der Generalbundesanwalt wird in den Ruhestand entlassen. Die offizielle Version: Wolfgang Grams habe den GSG9 Beamten Newrzella erschossen und sich selbst getötet. Die Bundesregierung: Spricht den Einsatzkräften, dem BKA und der BAW ihr volles Vertrauen aus. By any means necessary. Die Niederlage der RAF ist eine Niederlage der Linken. Forward: 27. Juni 2003, 10 Jahre nach dem Tod von Wolfgang Grams: Glaubt den Lügen der Mörder nicht.
Vor 10 Jahren ergriffen verschiedene Gruppen aus der radikalen Linken die Initiative und setzen sich in einer Massenzeitung, öffentlichen Aktionen usw. mit Bad Kleinen auseinander. Zahlreiche Hintergrundinformationen und weitere Materialien findet ihr auf der gemeinsame Kampagnenseite von 2003 www.badkleinen.sooderso.net
Auch im Internet-Archiv der ehemaligen Autonomen Antifa (M) finden sich zahlreiche Beiträge zur damaligen Kampagne.
Schwerpunkt der Rote Hilfe Zeitung
Die bundesweite Solidaritätsorganisation Rote Hilfe hat Bad Kleinen, den Verrat durch den Spitzel Klaus Steinmetz, den Tod von Wolfgang Grams und die Verhaftung von Birgit Hogefeld in ihrer aktuellen Ausgabe zum Schwerpunktthema gemacht. Die Zeitung gibt es an Bahnhofskiosken zu kaufen. Auf der Nürnberger Internetseite www.redsite.tk ist bereits heute einer der Artikel aus der Rote Hilfe Zeitung online zu lesen:
Endstation Bad Kleinen?
Eine Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern wurde zum Synonym für die Niederlage der revolutionären Linken
27. Juni 1993: Bad Kleinen, der Tod von Wolfgang Grams, der Verfassungsschutzspitzel Klaus Steinmetz und das Ende der RAF – 20 Jahre danach stellt sich schon die Frage: Wen interessiert das alles überhaupt noch? Der Staat, die Linke und auch die gesellschaftliche Entwicklung sind heute an einem anderen Punkt. Doch die Suche nach revolutionären Antworten bleibt aktuell. Im Folgenden ein für die Rote-Hilfe-Zeitung 2/2013 stark überarbeiteter Artikel, der zum ersten Mal im Rahmen der Kampagne zum zehnten Todestag von Wolfgang Grams erschienen war. (weiter lesen)
Leben. Wie ein Baum, einzeln und frei
und brüderlich wie ein Wald,
diese Sehnsucht ist unser!
Wolfgang Grams | Portrait von Birgit Hogefeld
Jetzt sitze ich an meinem Zellentisch und schaue auf sein Bild - es hängt vor mir an der Wand. Was für ein Mensch ist Wolfgang gewesen? Vermutlich kannte ihn niemand so gut wie ich und gerade das macht es so schwer, über ihn zu schreiben. Denn egal wo ich anfange und wo aufhöre, am Ende wird es mir vorkommen wie vereinzelte Steinchen eines Mosaiks - das kann wohl auch gar nicht anders sein, denn ein auch nur annähernd vollständiges Bild nachzuzeichnen, erscheint mir unmöglich. Wolfgang hat - wie viele andere Jugendliche auch - mit Freundinnen und Freunden ganze Nächte lang über seine Träume, Hoffnungen andere Lebensvorstellungen und eine menschliche Welt philosophiert - mit viel Musik hören und machen, mit kiffen und andere Drogen ausprobieren. Er war sich schon früh im klaren darüber, daß er nicht in diesem auf Leistung ausgerichteten Gesellschaftsmodell, in dem Vorstellungen und Utopien von Menschen nicht zählen, leben will. Dazu haben auch seine Erfahrungen in der Schule, die er fast durchgängig als nackte Unterdrückung erlebt hat, beigetragen. (weiter lesen)