Für mehr Bewegung kämpfen - solidarisch, grenzüberschreitend, internationalistisch
Nachdem am 10. April 2014 AntifaschistInnen eine Abschiebung trotz brutalem Einsatz der Göttinger BFE verhindert haben, schlägt der rassistische Polizeistaat jetzt erneut zu. Acht Strafanzeigen u.a. wegen Körperverletzung und Widerstand liegen gegen GenossInnen vor und werden in der nächsten Zeit vor dem Amtsgericht verhandelt.
Dabei geht es bei den Prozessen nicht nur um viel Geld, sondern auch um eine erprobte Polizeistrategie: Ziel ist es nicht mehr nur primär, wie noch in den 1990er Jahren, Verfahren gegen ganze Gruppen mittels der §129-Verfahren zu führen, sondern darum AntifaschistInnen konstant mit Einzelverfahren wegen der noch so kleinsten und abstrusesten ‘Straftaten‘ zu nerven.
Die Repression gegen linksradikale Gruppen bindet unsere Zeit und Ressourcen und hält damit vom Politik machen ab. Die aktuelle Kriminalisierung Einzelner funktioniert individualisierend und soll unpolitisch wirken, da es ja ‘nur‘ um ‘Verfehlungen‘ Einzelner geht, die durch die Menge an Strafverfahren handlungsunfähig gemacht werden sollen.
Im Kontext prügelnder BFE, politischer Polizeiarbeit, erstarkendem Rechtspopulismus, zunehmenden Abschiebungen und Rassismus braucht es trotz und wegen staatlicher Repression starke solidarische Antworten!
Auf unseren Widerstand folgt Repression – dieser werden wir Solidarität und Entschlossenheit entgegensetzen!
Die BFE muss raus aus der Stadt – damit Göttingen wieder sicher wird!
Erkennungsdienstliche Behandlung | Presseinformationen | Medienberichte | Chronologischer Überblick
Darum gehts: Fotos von der verhinderten Abschiebung am 10.4.2014
Veranstaltungsberichte: Solidaritäts-Konzert
Stadtrundgang und Kunstaktionen zum 25. Todestag der Antifaschistin Conny
Innenminister-Polizei-Kaffeekränzchen besucht
Die antirassistischen Kämpfe in Göttingen des letzten Jahres
- Der Versuch eines chronologischen Überblicks
Wieder einmal formiert sich in Deutschland ein rassistischer Mob: jeden Montag und neuerdings auch sonntags verbreiten rassistische Initiativen ihre kruden Thesen über eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes und hetzen gegen Geflüchtete. Fast überall dort, wo Flüchtlingsunterkünfte geplant werden, formieren sich unter geheuchelter Besorgtheit rechte Bürgerinitiativen dagegen. Die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) verschiebt auf parlamentarischer Ebene das Feld des Sagbaren ins offen rassistische Spektrum. Im Zuge des Entstehens einer breiten rechten Bewegung kam es zu mehreren Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte und auf das Refugee-Protestcamp in Hannover. Der allgemeine rechte Rollback wird auch zur Legitimierung der hin schon praktizierten rassistischen Abschottungspolitik der Bundesrepublik und der EU.
Allerdings formiert sich auch Widerstand gegen antiislamischen Rassismus und Wohlstandschauvinismus. Fast in allen Städten, in denen Kundgebungen im Pegida-Stil geplant sind, übersteigt die Zahl der GegendemonstrantInnen die der Rassisten um ein Vielfaches. Mit genügend Nachdruck kann auch der Kampf gegen die Abschiebepraxis des Staates erfolgreich sein. Hier in Göttingen gelang es im letzten Jahr mehrfach angesetzte Abschiebungen durch Blockaden zu verhindern.
Auf diesen ersten Erfolgen dürfen wir uns aber nichts ausruhen, sondern müssen auch nicht-staatliche Akteure im Auge behalten und gegen sie vorgehen. Mit wohlstandschauvinistischen Argumenten mobilisiert eine neu gegründete Bürgerinitiative um Frank Schorkopf gegen den Bau der Unterkunft.
Hier folgt ein kurzer Überblick über die Aktivitäten des letzten Jahres.
Startpunkt: Prügelorgie bei verhinderter Abschiebung am 10. April 2014
Am 10. April 2014 gelang es 60 AntirassistInnen einem brutalen Polizeieinsatz der Göttinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) und Hundestaffel zum Trotz eine Abschiebung zu verhindern. Die AktivistInnen blockierten so entschlossen den Hausflur, dass die Polizei ihren Einsatz abbrechen musste, da der Zeitrahmen, in dem die Abschiebung durchgeführt werden konnte, verstrich. Nachdem die BFE zuvor daran scheiterte gegen den massiven Widerstand der AbschiebegegnerInnen durch die Eingangstür in den Hausflur zu gelangen, verlangte sie brachial die Öffnung eines Fensters im Souterrain. Die wachgewordene, erschrockene Familie öffnete das Fenster und sah sich mit einer gepanzerten BFE-Einheit konfrontiert, die nun durch die Privatwohnung ins Treppenhaus eindrang. Von dort prügelte und zerrte die BFE vor den Augen der geweckten Kinder die Menschen durch die Wohnung der Familie nach draußen.
Während im Haus die BFE mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Fäusten wütete, biss sich draußen die Hundestaffel den Weg durch die vor dem Haus stehenden UnterstüzterInnen. Es kam zu zahlreichen Verletzungen, unter anderem Hundebissen, eine Person verlor das Bewusstsein während die BFE sie nach draußen prügelte. Glücklicherweise konnte die Abschiebung auch langfristig verhindert werden, da dem Betroffenen die Möglichkeit eines Kirchenasyls geboten wurde.
Die BFE stand folglich massiv in der Kritik, eine breite Göttinger Öffentlichkeit unterstützt in einem offenen Brief der Grünen Jugend die Forderung nach der Abschaffung der BFE. In der rot-grünen Landesregierung knallte es aufgrund des eskalierten Einsatzes der Polizei. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius sah sich im Mai 2014 genötigt nach Göttingen zu fahren, wo er sich mit der Göttinger BFE traf. Auf einer Pressekonferenz danach stellte er sich hinter die Göttinger BFE.
Die Gerichtsprozesse seit Oktober 2014
Seit Oktober 2014 laufen vor dem Amtsgericht Prozesse gegen GenossInnen.
Hier hinter steht eine schon erprobte Polizeitaktik: Es geht darum Menschen wegen scheinbar unpolitischer Bagatelldelikte zu belangen. Bei den Verhandlungen wird lediglich punktuell das Verhalten von Einzelpersonen thematisiert. Diskutiert wird, wer wann wen wie geschubst, gespuckt oder falsch geguckt hat. Die Abschiebung und die Misshandlungen durch die Polizei stehen dabei überhaupt nicht zur Debatte. Die ganze Situation wirkt vollkommen abstrus: verklagt werden die, die vorher schon von der Polizei auf die Fresse bekommen haben und die Prügelnden dürfen sich über ihre verletzten Gefühle auslassen.
Dies ist eine erprobte Polittaktik, um Prozesse zu entpolitisieren und betroffene GenossInnen zu vereinzeln. Klar ist aber, diese Repression dient der Einschüchterung und Abschreckung und wendet sich gegen notwendigen gesellschaftlichen Aktivismus.
Es wurden bereits drei Personen wegen Beleidigung zu hohen Geldstrafen verurteilt, eine Person wurde frei gesprochen. Noch bis zu sechs weiteren Prozessen können im Nachgang an den 10. April folgen.
Bei den kritischen und widerständigen Begleitungen der Prozesse griffen Justiz und Staatsanwaltschaft mit geringem Erfolg auf Drohungen und Personalienaufnahmen zurück, um ihre Autorität wieder herzustellen. So wurde unter anderem das Tragen eines Pullovers mit der Aufschrift „FCK BFE“ zur Anzeige gebracht.
Auch die Schreibtischtäter gehen gegen Linke vor…
Im Herbst 2014 konnten zwei weitere Abschiebungen verhindert werden, eine davon am 03.11.14. Im Anschluss daran entschieden AntirassistInnen gemeinsam zur Ausländerbehörde zu gehen, um, ausgestattet mit einer Vollmacht der Familie, das ihr noch zustehende Geld für diesen Monat abzuholen. Die Stadt Göttingen zeigte daraufhin drei AntirassistInnen an und baute Sicherheitstüren vor die Ausländerbehörde. Zudem soll ein Sicherheitsdienst nun zur Abschirmung vor KritikerInnen engagiert werden.
Wäre es nicht so ernst, wäre es fast unterhaltsam, dass ausgerechnet diejenigen, die die Polizei beauftragen im Morgengrauen in fremde Wohnungen einzudringen und Menschen gegen ihren Willen mitzunehmen, nervlich zusammenbrechen, wenn bei ihnen mal jemand zu unsanft anklopft.
Kein Gespräch auf Augenhöhe - erst verprügeln und klagen, dann reden...
Auch in der Landesregierung ist angekommen, dass die Abschiebemaschinerie in Göttingen nicht rund läuft. Innenminister Pistorius macht sich Sorgen um die öffentliche Anerkennung der BFE in Göttingen und lud für den 03.12.14 Parteien, Parteijugenden, den Landespolizeipräsidenten Uwe Binias, den Präsident der Polizeidirektion Göttingen Robert Kruse und Vertreter der BFE Göttingen, sowie den AK Asyl zum Gespräch „Kommunikation auf Augenhöhe – für respektvollen Umgang“ ein. Der AK Asyl lehnte dankend ab als zivilgesellschaftliches Feigenblatt instrumentalisiert zu werden.
Den Fantasien von Pistorius die linke Szene in linksliberale und linksradikale Bewegung zu spalten, konnten wir eine gemeinsame Demo entgegen setzen. Weiter endete diese Veranstaltung wie zu erwarten mit viel heißer Luft.
Noch peinlicher, Pistorius inszeniert sich als wohlwollend und besuchte die Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland, um dort eine Weihnachtsfeier abzuhalten. Danach kann dann munter weiter abgeschoben werden.
Erkennungsdienstliche Behandlung
Am 07.01.15 folgte die Erkennungsdienstliche Behandlung des Genossen, der der Ausländerbehörde am 3. November mit der Tür ins Haus gefallen sein soll. Obskur ist der Vorwurf hin schon – mit der Hintergrundinformation, dass es sich bei dem Beschuldigten um denjenigen handelt, der im April von der BFE bewusstlos geprügelt wurde und daher nun vor dem Verwaltungsgericht gegen den Polizeieinsatz klagt, wird es endgültig haarsträubend. Ziel der ED-Behandlung ist es den Kläger einzuschüchtern und als kriminell abzustempeln, um ihn juristisch unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Aber auch hier wurde deutlich gemacht, dass wir uns nicht spalten lassen und unsere GenossInnen solidarisch begleiten.
Abschiebungen verhindern – auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!
FCK BFE! Die BFE muss raus aus der Stadt – damit Göttingen wieder sicher wird!
Erkennungsdienstliche Behandlung am 07.01.2015
Am Mittwoch den 07.01.2015 um 9.45 Uhr versammelten sich etwa 20 Menschen vor der Polizeidirektion Göttingen in der Groner Landstraße, um sich mit einem Antirassisten zu solidarisieren. Ihm wird vorgeworfen am 03.11.2014 eine Tür der Ausländerbehörde zu unsanft geöffnet zu haben, so dass sich eine Mitarbeiterin körperlich verletzt gefühlt haben soll.
Die Gruppe stellte sich mit Transparenten und Schildern vor die Polizeiwache, mit denen auf die Zusammenhänge zu den drei im letzen Jahr verhinderten Abschiebungen und den darauf folgenden aktuellen Repressionsschlägen aufmerksam gemacht wurde.
Hintergrund ist die durch zahlreiche AntirassistInnen verhinderte Abschiebung einer dreiköpfigen somalischen Familie am 03. November 2014 nach Italien. Im Anschluss erklärten sich einige der AktivistInnen bereit das der Familie noch zustehende Geld für den November in der Ausländerbehörde stellvertretend in Empfang zu nehmen, da ihr Aufenthaltsstatus zu diesem Zeitpunkt noch unklar erschien. Der gemeinsame Besuch der AbschiebegegnerInnen hat die Ausländerbehörde anscheinend in Angst und Schrecken versetzt. Ausgerechnet diejenigen, die die Polizei damit beauftragen im Morgengrauen in fremde Wohnungen einzudringen und Menschen gegen ihren Willen mitzunehmen, brechen nervlich zusammen, wenn jemand bei ihnen zu unsanft anklopft.
Diese ED Behandlung reiht sich ein in die aktuellen Verfahren gegen AntirassistInnen und ist ein weiterer Versuch der Polizei politisch motiviert gegen AktivistInnen vorzugehen, die sich der rassistischen und menschenverachtenden Praxis des Staates entgegen stellen. Besonders pikant ist dabei, dass es sich bei dem Betroffenen um den Kläger gegen den Polizeieinsatz der verhinderten Abschiebung vom April 2014 im Neuen Weg handelt. Er selbst wurde damals von der Polizei bewusstlos geschlagen. Wer das rechtmäßige Vorgehen der Polizei öffentlich in Frage stellt, wird zur Zielscheibe von Repression und Kriminalisierung!
Solidarisch zeigten sich auch die Göttinger Abgeordneten Dr. Meinhart Krischke Ramaswamy von der Piratenpartei, Patrick Humke von den Linken und Norbert Hasselmann von den Grünen. Letzterer begleitete den Betroffenen in die Polizeidirektion.
Soli-Ska-Konzert "Bullenhass in D-Dur"
Am 13.12.2014 fand ein Soli-Konzert in der Göttinger Musa statt. Gut 200 Menschen feierten mit den Big Banders (Hamburg), Los Tres Puntos (Paris) und RSO (Göttingen).
Aus unserer Ankündigung: Am 10. April diesen Jahres haben über 60 Menschen die Abschiebung eines Geflüchteten erfolgreich verhindern können. Trotz des brutalen Einsatzes der Göttinger BFE. Die AktivistInnen blockierten das Treppenhaus und verhinderten so, dass die Bullen ins Haus gelangten. Erst durch den gewaltätigen Einsatz von Prügelbullen, die aus dem Keller stürmten, konnten sie sich Zugang zum Haus verschaffen. Und weil auf Leute einprügeln und Hunde auf Menschen hetzen noch nicht genug ist, werden die AbschiebungsgegnerInnen nun mit Gerichtsverfahren überzogen. Diese sind zum Teil gerade angelaufen und die ersten Verurteilungen bereits durch. Mit dem Konzert soll Geld für die Unterstützung der von Repression Betroffenen und für weitere Verhinderungen von Abschiebung gesammelt werden.
Der Abend wird von einer glanzvollen Mischung aus erfahrenen Ska-Bands gerockt. Den Anfang machen die Big Banders aus Hamburg, die 2014 ihr neues Album „dead right“ veröffentlicht haben. Weiter geht es mit den aus Paris angereisten Los Tres Puntos. Die französische Ska-Band ist seit 1995 in ganz Europa unterwegs und hat in dieser Zeit schon das ein oder andere Mal in Göttingen die Bude
zum Beben gebracht.
Den Abschluss machen die SchurkInnen von Rogue Steady Orchestra (R.S.O.). Mit ihrem Mix aus Reaggae, Ska und Swing-Einflüssen und der kritischen Auseinandersetzung mit politischen Themen vollenden sie den Abend.
Karten gibt es im Vorverkauf beim Roten Buchladen, bei Groovy und der Musa.
Preise VVK: 8 | AK: 10
Auf unseren Widerstand folgt Repression - dieser werden wir Solidarität und Entschlossnheit entgegensetzen!
Die BFE muss raus aus der Stadt- damit Göttingen wieder sicher wird!
Bericht Critical Mass und Kundgebung
„Der Innenminister kommt – wir bleiben alle!
Nach kurzem Auftakt in der Innenstadt an der Jacobikirche ging es in einer dynamischen, lauten Critical Mass Fahrradtour zur Thomaskirche. Doch kurz bevor die Fahrraddemo dort ankam, floh der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius vor der von ihm benannten „kritischen Protestbewegung“. Vorstrukturierte Diskussion auf Augenhöhe mit kruden VertreterInnen scheint ok zu sein – sich aber den realen Verhältnissen und unserer Kritik zu stellen, scheint dann doch zu viel zu sein. Einem könnte ja aufgehen, dass die eigene rassistische Abschiebepolitik vielleicht das Problem ist – und nicht die aufgeheizte Situation in Göttingen.
Während in der Thomaskriche Vertreter und Vertreterinnen von BFE, zusammen mit Parteien, dem Göttinger Ordnungsamt, mit Göttinger Polizeipräsident Robert Kruse und Landespolizeipräsident Uwe Binias „auf Augenhöhe“ über unseren gelungenen Eingriff in ihre rassistische Abschiebemaschinerie rätselten, zeigten zeitgleich vor der Kirche ca. 60 AntifaschistInnen und AntirassitInnen, dass sie immer wieder Widerstand gegen ihren staatlichen Rassismus und ihre Repression leisten werden.
Eine auf die Kirche projezierte Diashow zeigte die Kontinuitäten von Repression und Polizeigewalt in Göttingen: Zu sehen waren Bilder von prügelnder BFE, Hundebissen und der verhinderten Abschiebung vom April 2014. Ergänzt wurden diese durch Bilder vom Schünemann Besuch 2012, Protesten gegen pro Deutschland 2013 und einem Video des NDR von der benannten erfolgreich verhinderten Abschiebung. Geflüchtete stellten sich gemeinsam auf, um aus vielen einzelnen Schildern ihre Forderung „We love Bleiberecht, dont love dialog“ klar zu stellen.
Lächerliche, zynische Kommentare aus einer Pressekonferenz von Pistorius nach der verhinderten Abschiebung waren zu hören. So fragte er BFE'ler ob sie etwa auch so Schläger sind, und erklärte, dass die Polizei natürlich nicht nach Herkunft oder Hautfarbe unterscheide – Ausnahmen bestätigten die Regel. Am Ende der Kundgebung bewegten sich duzende AktivistInnen über einen Zaun zur Rückseite des Gebäudes, wo sie unmittelbar im Angesicht der drinnen stattfindenden Gesprächsrunde Parolen skandierten und antirassistische Transparente hoch hielten.
Die Polizei war bereits den ganzen Tag über massiv mit der Göttinger BFE sowie Braunschweiger Einheiten präsent, beschränkte sich aber darauf, den Verkehr zu regeln. Als am Alten Rathaus ein rechter Passant die Fahrraddemo mit einem Hitler-Gruß provozierte, ignorierte die Polizei diese Nazi-Geste schlicht und ergreifend.
Wir konnten klar stellen, dass uns diese Polit-Inszenierung als Gesprächsbereit zu wider ist: Vor Argumenten flieht Pistorius, an der eigentlichen rassistischen und repressiven Politik soll sich nichts ändern. Wir werden immer wieder Abschiebungen verhindern und mit unserer Solidarität gegen ihre Repression vorgehen!
Aufruf
03.12.2014 I 16.30 Uhr I Vom Jacobikirchhof zur Thomaskirche
Der Innenminister kommt – Wir bleiben alle
Wütend und widerständig gegen staatlichen Rassismus und Repression!
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius kommt am 03.12.2014 nach Göttingen. Er lädt ein, um mit Parteistrukturen von CDU bis Grüne, der Polizei und dem Ordnungsamt Konflikte in Göttingen zu befrieden. Wir lassen uns jedoch nicht befrieden, solange weiter abgeschoben wird, Menschen in die Illegalität getrieben werden und GenossInnen mit Repression überzogen werden. Auf Landesebene ist angekommen, dass in Göttingen breite Teile der Gesellschaft immer wieder Widerstand gegen Polizeigewalt, Abschiebungen und Illegalisierungen leisten. Zeigen wir ihnen, dass wir immer wieder gegen ihre Repression und ihren institutionellen Rassismus vorgehen werden!
Im April 2014 wurde in Göttingen eine Abschiebung im Neuen Weg trotz brutalem Einsatz von BFE und Hundestaffel verhindert. Seit dem konnten zwei weitere Abschiebungen durch blockieren der Eingangstüren verhindert werden. Uns ist es damit gelungen ein Stück weit in die staatliche Abschiebemaschinerie einzugreifen und diese zu stören!! Nach diesem ersten Einsatz stand die Göttinger BFE massiv in der Kritik. So stehen weite Teile der Grünen Landesregierung hinter der Forderung der Abschaffung der BFEn, ein offener Brief für die Abschaffung der BFE stößt in Göttingen auf breite Unterstützung. Statt sich durch die AntirassistInnen zu prügeln ändert die Polizei nun jedoch ihre Strategie. Geflüchtete, deren Abschiebung verhindert wurde, werden auf Fahndungslisten gesetzt und somit in die Illegalität gedrängt. Auch gegen die AntirassistInnen gehen Polizei, aber auch die Stadt mit Repression vor. Viele GenossInnen stehen derzeit wegen vermeintlich unpolitischer Straftaten wie Beleidigung, Körperverletzung oder Hausfriedensbruch vor Gericht.
Es ist eine Farce, wenn der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius nun zu einer „Kommunikation auf Augenhöhe – für respektvollen Umgang“ einlädt! Dieses Vorgehen lässt sich jedoch leicht als Versuch der Spaltung von linksliberaler und linksradikaler Bewegung entlarven! Hier hinter steht die Strategie, den linksliberalen Teil der Bewegung in Göttingen zu befrieden und damit die breite Unterstützung für organisierte Regelübertritte einzudämmen. Gelingt dies, so die Idee, kann der restliche Teil der Bewegung mit Repression überzogen und zum Schweigen gebracht werden. Wenn dies erledigt ist, kann der Staat wieder zu seiner geliebten Ordnung zurückkehren und munter weiter abschieben. Dies werden wir nicht zulassen!
Es gibt nichts zu vermitteln und zu diskutieren!
Einstellung aller Verfahren jetzt!
BFE raus aus der Stadt jetzt!
Abschiebungen weiter erfolgreich verhindern – Solidarität mit allen Refugees!
Bringt alle eure Fahrräder mit, damit wir am 03.12.2014 um 16.30 Uhr gemeinsam vom Jacobikirchhof zur Thomaskirche am Leineberg fahren können, um dem Innenminister die „gesellschaftskritische Protestbewegung in Göttingen“ (Zitat Pistorius Gesprächseinladung) zu zeigen. Anfahrt mit dem Bus: Linie 80 Richtung Söseweg, Haltestelle Werrastraße.
Hier könnt ihr auch nochmal die Stellungnahme des AK Asyl zu diesem Gespräch lesen!
10.04.2014 Abschiebung blockiert und verhindert!
Demonstration am Nachmittag zur Ausländerbehörde
Presseinformationen
Presseinfo vom 07.01.2015
Solidarität mit Antirassisten
Begleitung zu erkennungsdienstlicher Behandlung
Am Mittwoch den 07.01.2015 um 9.45 Uhr versammelten sich etwa 20 Menschen vor der Polizeidirektion Göttingen in der Groner Landstraße, um sich mit einem Antirassisten zu solidarisieren.
Ihm wird vorgeworfen am 03.11.2014 eine Tür der Ausländerbehörde zu unsanft geöffnet zu haben, so dass sich eine Mitarbeiterin körperlich verletzt gefühlt haben soll.
Die Gruppe stellte sich mit Transparenten und Schildern vor die Polizeiwache, mit denen auf die Zusammenhänge zu den drei im letzen Jahr verhinderten Abschiebungen und den darauf folgenden aktuellen Repressionsschlägen aufmerksam gemacht wurde.
Dies ist ein weiterer Versuch der Polizei politisch motiviert gegen AktivistInnen vorzugehen, die sich der rassistischen und menschenverachtenden Praxis des Staates entgegen stellen!, kommentiert eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International. Besonders pikant ist dabei, dass es sich bei dem Betroffenen um den Kläger gegen den Polizeieinsatz der verhinderten Abschiebung vom April 2014 im Neuen Weg handelt. Wer das rechtmäßige Vorgehen der Polizei öffentlich in Frage stellt, wird zur Zielscheibe von Repression und Kriminalisierung!
Solidarisch zeigten sich auch die Göttinger Abgeordneten Dr. Meinhart Krischke Ramaswamy von der Piratenpartei, Patrick Humke von den Linken und Norbert Hasselmann von den Grünen. Letztere begleitete den Betroffenen in die Polizeidirektion.
Weitere Informationen zum Hintergrund der verhinderten Abschiebungen und der darauf folgenden aktuellen Repressionswelle finden Sie in unserer Pressemitteilung vom 05.01.2015.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung
Tumult im Gerichtssaal nach Urteil
Polizei stürmt Besuchertribüne wegen "FCK BFE" Pullover
Urteil gegen Antirassisten vertagt
Polizei und Justiz leiden unter „Kontrollverlust“
Juristisches Nachtreten gegen AntirassistInnen
Solidarität mit Angeklagten, Prozesse kritisch begleiten
am kommenden Donnerstag, den 20. November 2014 findet vor dem Amtsgericht Göttingen ein weiterer Prozess gegen einen antirassistischen Aktivisten statt. Hintergrund sind die Auseinandersetzungen von April diesen Jahres, als im Neuen Weg in Göttingen eine Abschiebung durch eine Blockade verhindert wurde. Dem Aktivisten wird eine Beleidigung vorgeworfen. Die Antifaschistische Linke International (A.L.I.) ruft dazu auf, sich mit dem Betroffenen zu solidarisieren und den Prozess kritisch zu begleiten.
Der Prozess ist der zweite in einer Reihe von Anklagen gegen die BlockiererInnen und andere AntirassistInnen. Bereits im Oktober wurde ein anderer Aktivist von der Anschuldigung der versuchten Körperverletzung frei gesprochen, nachdem sich die Aussage des angeblich geschädigten Polizisten durch ein eigenes Polizeivideo vom Geschehen als falsch herausgestellt hatte. Eine Sprecherin der A.L.I. stellt dazu fest: „Die jetzt aufkommende Kriminalisierung dient einzig und alleine dazu, im Nachhinein den brutalen Versuch zu legitimieren, eine Abschiebung mit frei drehenden BFE-Polizisten durchzusetzen.“
Der Einsatz der BFE zur Durchsetzung der versuchten Abschiebung hatte im April für Empörung gesorgt. Die BeamtInnen drangen durch die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie im Sutterrain in den Hausflur ein, in dem sie die BlockiererInnen unter Einsatz von Pfefferspray, Schlägen und Tritten durch ein Fenster aus dem Haus zwangen. Draußen wurden AktivistInnen von Polizeihunden gebissen. Es gab mehrere Verletzte, ein Aktivist verlor zwischenzeitlich das Bewusstsein, mindestens drei mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Bei dem nun Angeklagten handelt es sich selbst um einen der Verletzten. Bereits in einem Ermittlungsverfahren 2011 erregte der Betroffene öffentliche Aufmerksamkeit, als er sich einer angeordneten DNA-Entnahme entzogen hatte. Die A.L.I. sieht in der anhaltenden Verfolgung eine Strategie der Repressionsorgane, besonnders engagierte politische AktivistInnen andauernd mit Anzeigen wegen Banalitäten zu drangsalieren, um sie so mundtod zu machen. „Dass unmenschliche Abschiebungen anscheinend nicht mal mehr mit der ganzen Härte staatlicher Gewalt durchzusetzen sind, lässt die Polizei nicht auf sich sitzen. Mit der Kriminalisierung antirassistischer Aktivistinnen und Aktivisten tritt sie jetzt übel nach.“ kommentiert dazu die Sprecherin der Antifa-Gruppe.
Der Prozess beginnt am Donnerstag um 9:00 Uhr im Raum B16 des Amtsgerichts. Für die kritische Prozessbegleitung gibt es ein Treffen um 8:30 Uhr vor dem Gerichtsgebäude.
Aufruf zur kritischen Prozessbegleitung
Nach Polizeigewalt folgt Repressionswelle gegen AntirassistInnen in Göttingen
Presseinfo vom 10.04.2014
60 AntifaschistInnen verhindern Abschiebung in Göttingen
Gegen 5 Uhr versammelten sich etwa 60 AntifaschistInnen im Neuen-Weg um eine angekündigte Abschiebung zu blockieren. Die Polizei versuchte trotz des Widerstandes, die staatliche Zwangsmaßnahme durchzusetzen. Nachdem sie über eine Stunde versuchte, den Hauseingang aufzubrechen, öffneten sie ein Fenster einer Souterrainwohnung auf der Hausrückseite und stürmten durch ein Schlafzimmer durch den Keller in das Treppenhaus. „Unfassbar, beschämend und brutal“ beschreibt die Sprecherin der Antifaschistischen Linken International (A.L.I.) die Situation vor Ort.
In der Wohnung, durch die sich die Polizei Zugang verschaffte, schliefen zu diesem Zeitpunkt eine Mutter mit ihrem Kind. Im engen und nicht
beleuchteten Flur setzten die Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE, 5.BPH Göttingen) Pfefferspray und Faustschläge gegen die BlockierInnen ein. Einzeln wurden die AktivistInnen die Treppe runter in den Keller geschleift. In mehreren Fällen wurden AktivistenInnen für mehrere Minuten verprügelt. Mindestens zwei Menschen verloren dabei ihr Bewusstsein und mussten von Rettungssanitätern vor Ort sofort behandelt werden.
Hinter dem Haus wurden die Proteste dennoch von den AktivistInnen fortsetzt. Die Polizisten setzten Polizeihunde Maulkorb gegen die protestierenden Menschen ein. „Dabei kam es zu jagdartigen Szenen, bei denen ein Mensch von zwei Hunden auf einmal angegriffen wurde“ berichtet die Sprecherin der Göttinger Antifa-Gruppe. Weiter führt sie aus, dass die Hundeführer der Polizei „sichtlich überfordert“ mit der Aggressivität der Hunde waren. Später zog die BFE immer wieder Einzelpersonen aus der Menge der Demonstrierenden und stellte
Personalien fest.
Auf Grund des massiven Widerstands, der später auch weiter um das Haus herum fortgesetzt wurde, verzögerte sich die geplante Abschiebung immer weiter. Gegen 8:30 Uhr wurde die Abschiebung dann von der Polizei offensichtlich abgebrochen. „Wiederstand lohnt sich!“ kommentiert die Sprecherin der A.L.I. diesen Erfolg. „Wir werden es weiter nicht dulden, dass gepanzerte und bewaffnete Prügeltruppen im Morgengrauen Wohnungen in diesem Land stürmen, um Menschen aus ihrem zu Hause zu verschleppen!“
Bilanz des Morgens sind mindestens 3 Verletzte durch Hundebisse, zwei Personen werden derzeit im Krankenhaus versorgt und mehrere mussten notärztlich mit Verletzungen an den Augen durch Faustschläge und Pfefferspray behandelt werden. Abschließend stellt die Sprecherin der Antifa-Gruppe fest: „Dies ist nur einer von vielen unfassbar brutalen Einsetzten der seit 2012 in Göttingen stationierten BFE“. Seither ist eine verstärkte Zahl an Verletzungen bei Polizeieinsätzen festzustellen. „ Kennzeichnungsplicht für Polizeibeamte können diese Fälle praktisch nicht aufgeklärt werden“.
Medienberichte
Rund 100 Aktivisten verhindern Abschiebung in Göttingen
03.11.2014, Göttinger Tageblatt
Eine für Montag, 3. November, geplante Abschiebung einer jungen Familie aus Somalia nach Italien ist am Morgen in Göttingen zunächst nicht ausgeführt worden. Knapp 120 Abschiebungsgegner hatten sich gegen 7.30 Uhr vor dem Haus im Maschmühlenweg, in dem die Familie wohnt, eingefunden und gegen die Abschiebung protestiert.
Nach Angaben von Polizei-Sprecherin Jasmin Kaatz blieb es friedlich. Es habe keine Probleme gegeben. Die Landesaufnahmebehörde Braunschweig habe die Maßnahme bereits im Vorfeld abgebrochen und die Polizei darüber informiert. Die Polizei sei vor Ort nicht präsent gewesen.
Die Forderung an die Göttinger Ausländerbehörde und das hauptverantwortliche BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), "die Abschiebung auf Grund der menschenunwürdigen Zustände für Geflüchtete in Italien abzusagen", sei im Vorfeld nicht erfüllt worden, teilte die Grüne Jugend Göttingen mit.
Die Eltern und ihre drei Monate alte, in Deutschland geborene Tochter waren von der Göttinger Ausländerbehörde aufgefordert worden, sich am Montag zwischen 7.30 und acht Uhr "für die Rückführung nach Italien zur Verfügung zu halten". Der 22 Jahre alte Vater war nach Angaben von Unterstützern aus Somalia zunächst nach Italien und von dort später weiter in die Bundesrepublik geflüchtet.
Nach den sogenannten Dublin-Verordnungen müssen Flüchtlinge ihr Asylverfahren in demjenigen Land betreiben, über das sie nach Europa eingereist sind. Ein Sprecher der Stadt Göttingen sagte auf epd-Anfrage, die Kommune habe zwar im Rahmen der Amtshilfe das Schreiben an die Familie verfasst, sei für die Abschiebung selbst aber nicht zuständig.
Das Verfahren zur Rückführung werde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie von der Landesaufnahmebehörde betrieben.
"Die Familie hielt sich um 7.30 Uhr im Maschmühlenweg bereit und widersetzte sich damit nicht den Vorgaben der Abschiebeankündigung. Die Vollstreckung der Abschiebung wurde von mehr als 120 solidarischen Menschen verhindert, indem der Zugang zur Wohnung der Familie blockiert wurde", hieß es weiter.
Das Ehepaar aus Somalia sei "vom Krieg, der Alltäglichkeit von Gewalt und der jahrelangen Flucht" traumatisiert, hatte der Arbeitskreis Asyl im Vorfeld mitgeteilt.
"Unsere Forderung ist das Bleiberecht und ein unbefristeter Aufenthaltsstatus für die Familie in Deutschland", teilte die Grüne Jugend mit.
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Junge Welt, 08.10.2014