Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde...
Schluss damit!
Veranstaltung, Film, Konzert und Prozess im Januar 2012
Im Januar 2012 fand in Göttingen eine antifaschistische Kampagne gegen die repressive Innenpolitik in Niedersachsen und das politische Agieren von Justiz und Polizei statt. Unter dem Motto "Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde... Schluss damit! Linke Politik verteidigen!" fanden Veranstaltungen, Musikkonzerte, Filmpräsentationen und die Begleitung des Berufungsprozesses gegen "Martin R." statt. Tausendfach wurden die Konterfeis von Innenminister Schünemann, Polizeichef Kruse und Verfassungsschutzpräsident Wargel an Laternenpfähle und Mülleimer verklebt. Weiter lesen
Den donnernden Auftakt der Kampagne bot eine Veranstaltung des RCDS am 10. Januar 2012: Über 400 Menschen machten einen Auftritt von Innenminister Schünemann und Polizeichef Kruse im ZHG der Universität zum Debakel. Weiter lesen
Weiter ging es am 25. Januar 2012 mit der Veranstaltung "Aus dem Untergrund der Roten Straße" mit Martin R., zu der 70 Menschen in einen Gewölbekeller der Roten Straße gekommen sind. Weiter lesen
Am 27. Januar 2012 feierten 200 Menschen gegen Schünemänner und Schnüffelhunde und zeigten damit ihre Solidarität für Martin R. Der Abend war mit unzähligen Gimmicks zu Bullenhass geschmückt. Weiter lesen
Inzwischen ist unser Film "Von Schünemännern und Schnüffelhunden" online veröffentlicht. Den Film findet ihr hier auf Youtube (externer Link!).
Nachdem die Kampagne einen großartigen Erfolg erzielt hat, indem die Berufung gegen Martin R. zurückgezogen wurde, beendeten wir die Kampagne mit unserer Kundgebung "Wargel, Wasserkocher, Wehrsportgruppe - Weg damit! Verfassungsschutz auflösen!" am 2. Februar 2012 in Göttingen. Weiter lesen
Am 20. März 2012 musste sich Martin R. trotz Freispruch im Böllerwurf-Prozess einer ED-Behandlung unterziehen. Es wurden Masken mit dem Konterfei des Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse verteilt, die von mehreren solidarischen AktivstInnen vor dem Göttinger Polizeirevier getragen wurden. Außerdem wurde er von Abgeordneten von den der SPD, den Grünen und der Linken, sowie von Gewerkschaftern und Jusos begleitet. Auch die Presse war vertreten.
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aktuelles
"auch Bullen, Schweine oder Hunde können einen richtigen Beruf haben"
Jasmin Kaatz hat einen lustigen Beruf. Sie ist Pressesprecherin der Göttinger Polizei. Vielfach wurde über die Polizeipressestelle in den letzten Monaten die Nase gerümpft. Anstatt über Verkehrsunfälle zu berichten und objektiv Auskunft über polizeiliches Handeln zu geben, seien die Polizeimeldungen zu einer Art erweiterten Pressestelle des CDU-Innenministeriums verkommen. Wir finden: Jasmin Kaatz macht ihren Job so schlecht, dass es schon wieder gut ist!
Zum Beispiel als sie süffisant lächelnd von der ZHG-Treppe aus beobachtete, wie ihre BFE-KollegInnen den StudentInnen demonstrierten, dass ein Diskurs durchaus materielle Grundlagen hat. Hinterher änderte sie die Argumentation ihrer Polizeimeldungen je nach öffentlicher Beweislage. Oder die Sache mit dem Mantrailer-Hund: Aus einem Hund, mach zwei. Und weil denen immer noch niemand glauben schenken wollte, bekommen wir bis heute so heitere Stories ins Lokalblättchen eingestreut wie diese: "Hunde können einen richtigen Beruf haben" Ein Kinderspiel ist das also alles. Fragt sich nur warum es in Göttingen überhaupt noch eine Schulhofschubserei gibt oder ein Fahrrad geklaut wird oder warum überhaupt noch menschliche KollegInnen bei der Polizei arbeiten.
Es gibt aber auch bei der Polizei Geschichten, die sind absolut unglaublich und dennoch wahr. Und weil kein Mensch eine solche Geschichte Jasmin Kaatz abkaufen würde, müssen wir sie erzählen. Die Geschichte vom Polizeischwein Luise.
Polizeischwein Luise ( geboren am 5. Juli 1984, dahin geschieden am 18. April 1998) war ein Wildschwein, das von 1984 bis 1987 bei der Polizei Niedersachsen als Suchtier für Rauschgift und Sprengstoff ausgebildet und eingesetzt war. Luise wurde als polizeiliches Einsatzmittel unter der Bezeichnung „Spürwildschwein“ (SWS) geführt. Auch wenn der sprichwörtliche Volxmund eine andere Auffassung vertritt, war Luise damit weltweit das erste Schwein im Dienst einer Polizei. Trotz der enormen Popularität drängte die Polizeiführung im Niedersächsischen Innenministerium im April 1985 Luises Führer und Ausbilder, das Tier aus dem Dienst zu nehmen. Denn während Polizeifans und andere SchweinfreundInnen ganz gerührt waren, dämmerte es dem damaligen niedersächsischen Minsterpräsidenten Albrecht, dass die meisten Menschen nicht mit sondern über Luises menschliche KollegInnen lachten. Die Anwesenheit des Wildschweins in polizeieigenen Liegenschaften wurde schließlich verboten, öffentliche Auftritte untersagt. Humor bewies immerhin Jürgen TrittIhn, für die niedersächsische Landtagsfraktion seiner Partei erklärte er: „Die Grünen wenden sich dagegen, daß Luise aus dem Polizeidienst entfernt werden soll. Die Grünen treten entschieden dafür ein: Schweine in den Polizeidienst.“
Jubelstimmung bei der Antifa! Freispruch für "Martin R."
Am 30. Januar 2012, kaum einen halben Tag vor dem Prozesstermin am Landgericht Göttingen, zog Göttingens Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner seine Berufung zurück. Damit ist der Freispruch des Amtsgerichts Göttingen vom 4. Juli 2011 rechtskräftig. Der junge Antifaschist "Martin R." war der "gefährlichen Körperverletzung" gegen einen Polizisten durch einen vermeintlichen Böllerwurf während einer linken Demonstration angeklagt.
"Dass der harte Hund Hans-Hugo Heimgärtner nun einknickt, muss als großartiger Erfolg der monatelangen Solidaritätsarbeit bewertet werden", kommentierte eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International A.L.I. den Rückzug der Berufung durch Göttingens Oberstaatsanwalt. Landtagsabgeordnete aus SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke, lokale Parteigliederungen, Gewerkschaftsjugendverbände, Unigruppen und linksradikale Initiativen hatten seit Dezember 2010 die erzwungene DNA-Entnahme bei "Martin R." zurückgewiesen und durch unterschiedlichste wichtige Beiträge ihre konkrete Solidarität ausgedrückt. Dafür dankte die Antifasprecherin allen Unterstützerinnen und Unterstützern.
Anlässlich der für den 31.1.2012 angesetzten Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Göttingen initiierte die A.L.I. die Kampagne "Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde... Schluss damit! Linke Politik verteidigen!". Unter diesem Motto fanden im Januar 2012 Veranstaltungen, Filmvorführungen, Solidaritätskonzert- und Party statt. Den donnernden Auftakt der Kampagne bot eine Veranstaltung des RCDS am 10. Januar 2012: Über 400 Menschen machten einen Auftritt von Innenminister Schünemann und Polizeichef Kruse im ZHG der Universität zum Debakel. Die aktuelle Kampagne setzt der langwierigen Solidaritätsarbeit nun das i-Tüpfelchen auf und hat noch einmal öffentliches Interesse und Diskussionen ausgelöst.
Wir stellen vor: "Rex", unseren Mantrailer-Dog-Double
Am Mittwoch, den 25.01.2012 wird der kleine Rauhaardackel "Rex" seinen großen Auftritt erleben: er ist Stardarsteller in unserem Film "Von Schnüffelhunden und Schünemännern", den wir in der Veranstaltung "Aus dem Untergrund der Roten Straße" mit Martin R. zeigen werden. "Rex" kommt aus einem stillen Örtchen in der Nähe Göttingens. Als Mantrailer-Dog-Double hat er sich nicht nur wegen seines Äußeren qualifiziert: nein, seine Qualitäten bewies er, als er durch seine Schnüffeltalente eine echte, biologisch verankerte Verbindung zwischen Bullen und Schweinen herzustellen vermochte! Iiiihh, das stank gewaltig für seine sensible Nase!
Der Bulle und das Schwein aus unserem Film fragten den kleinen Kommissar "Rex", wie ihm der Filmdreh gefallen habe. Ob sie wohl in Zukunft noch öfter zusammenarbeiten könnten? So unter Tieren? Aber "Rexi" verweigerte die Aussage. Nein, so viel Liebe zu seinen Artgenossen konnte er dann doch nicht aufbringen. Zumal der Bulle und das Schwein sich während des Filmdrehs grunzend in seinem eigenen Hundehaufen gesuhlt haben! Soviel Anstandslosigkeit hätte er nun doch nicht erwartet!
"Haste noch 'n Kruse?"
Auf eine Nachfrage dieser Art hat Polizeigeheimdienstchef Robert Kruse sicherlich nicht spekuliert, als er vom rechtsaußen-parallelgesellschafts-Grüppchen RCDS in die Uni eingeladen wurde. Jetzt wird er schon in das Stadtbild, das in diesen Tagen als Klebeheftchen genutzt wird, neben Schünemann, Wargel und "einem Hund, der einen echten Beruf ausübt (Mantrailerdog)" eingeklebt. Und wer hätte das gedacht? Robert Kruse, der Mann mit dem Graf-Zahl-Gesicht, ist als erster vergriffen. Aber für alle, die in den letzten Tagen ihre Klebereihen nicht vervollständigen konnten, gibt es jetzt eine beruhigende Nachricht: Kruse ist nachgedruckt und liegt öffentlich aus!
Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde...
Schluss damit! Linke Politik verteidigen!
Vor genau einem Jahr, am 28. Januar 2011, wurde bei dem Antifaschisten Martin R. aus Göttingen auf Grund eines angeblichen Böller-Wurfs auf einer Demonstration eine erzwungene DNA-Entnahme durchgeführt. Vor zwei Jahren, am 27. Januar 2010, durchsuchte die Polizei rechtswidrig ein linkes Wohnprojekt in der Roten Straße in Göttingen, nachdem es in einer Teeküche des Landeskreisamtes zu einer „Verpuffung“ kam. Marrtin R. wird hiermit haltlos in Zusammenhang gebracht – seine DNA besorgte sich die Polizei für ihr Konstrukt eines „linksextremen Anschlags“. In wenigen Tagen, am 31. Januar 2012, wird dem Göttinger Antifaschist erneut der Prozess wegen des Böllerwurfs gemacht – von dessen Vorwurf er bereits am 4. Juli 2011 vom Amtsgericht Göttingen freigesprochen wurde.
Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde - Schluss damit!
Seit mehreren Jahren sind in Göttingen erneut verstärkte Repressionen, die sich in politischer Justiz und Polizeigewalt auf der Straße äußern, zu spüren. Der politische Motor dieser Zuspitzung sitzt im niedersächsischen Innenministerium, hier ist Uwe Schünemann seit 2003 im Amt. Schünemann hat es im Land der Schweinezüchter und Hühnerbarone vermocht, seine Parteifreunde Hans Wargel und Robert Kruse in die Spitzen von Geheimdienst und Polizei zu bringen. Gut abgestimmt nutzen die Männer diese Ämter, um kampagnenartig gegen die Linke vorzugehen, MigrantInnen und Flüchtlinge zu drangsalieren und ihre schützenden Hände über bewaffnete Neonazis zu halten. Dabei pfeifen sie selber auf Verfassung oder Gesetz – den Schünemännern, Wargels und Kruses sind alle Mittel Recht.
Kruse, Knalltrauma, Knüppelbullen - Kommt mal runter!
Wenn Wasserkocher zu Brandbomben mutieren, Silvesterknaller traumatisierend auf Knüppelbullen wirken und Schnüffelhunde vor linken Wohnprojekten ihr stinkendes Geschäft hinterlassen, geht es darum einen kühlen Kopf zu bewahren. Es geht darum, sich nicht von einem extrem rechten Innenminister mit seinen Geheimdienstpolizeichefs durch die Stadt jagen zu lassen. Es geht darum, aus der politischen Defensive zurück in die Offensive zu kommen.
Wargel, Wasserkocher, Wehrsportgruppen - Weg damit!
Wieso kann in Northeim der kurdische Gemüseladen niedergebrannt werden? Warum bewachen zeitgleich und um die Ecke hunderte Polizeibeamte die Stadthalle für die NPD? Wie viel Geld erhielt der Neonaziführer Thorsten Heise vom Verfassungsschutz für seine Dienste? Wer entwaffnet die Faschisten? Warum wurden Nicolo Martin und Moritz Strate nicht wegen Brandstiftung verurteilt? Was geschah wirklich im Göttinger Kreishaus? Wer hat das Feuer im Afro-Shop am Ritterplan gelegt? Was geschah am Södderich bei Waake? Was haben Wargel und Kruse mit dem Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei am Hut? Was interessiert Schünemann die Verfassung? Wer ist hier der Bulle, wer das Schwein und wer der Hund?
Hintergründe zu Repression in Göttingen und zum Fall "Martin R." könnt ihr in unserem Archiv nachlesen:
Oberstaatsanwalt Heimgärtner legt Berufung gegen Freispruch vom 4.7.2011 ein
"Ich bin wieder da!" Solidemo am 22.1.2011 gegen DNA-Entnahme
Wütende Spontandemo nach DNA-Entnahme am 28.1.2011
Stadtralley: Unser Hund bellt da wo wir wollen
Solidarität nach Hausdurchsuchung am 27.1.2010
monsters of goettingen: Die Akte Rote Straße
Schünemann-Besuch in Göttingen gerät zum Debakel
Wer übernimmt die Verantwortung für BFE-Einsatz in der Uni?
Der Besuch des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann in Göttingen geriet am 10. Januar 2012 zum Debakel. Gut 400 Menschen begleiteten die Veranstaltung des RCDS im ZHG mit Blockaden und Parodien vor dem Hörsaal. Ebenso gab es Störungen des Minister-Auftritts im Hörsaal. Bei Einsätzen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit BFE im Zentralen Hörsaalgebäude kam es zu tumultartigen Szenen mit zahlreichen verletzten DemonstrantInnen.
Unsere Presseerklärungen vom 10. Januar 2012 findet ihr hier.
Die bundesweite Medienberichterstattung könnt ihr hier nachvollziehen. Einen guten Überblick zur öffentlichen Diskussion findet ihr auch beim AStA der Uni Göttingen sowie bei monsters of goettingen
Weitere Berichte, Bilder und Fernsehbeiträge findet ihr hier:
Internetmagazin goest | mog: Schünemanns Schergen | mog: Uniformierte Wahlkampfhelfer | mog: Opferanwältin im Gespräch | NDR 13.1.2012 | Sat1-Regional 11.1.2012
Uwe Schünemann hat allen Grund auf die radikale Linke in Göttingen stinksauer zu sein. Bereits am 11. Januar 2005 vermasselten ihm 100 Menschen einen ähnlichen Auftritt in der Universität Göttingen. Einen Bericht findet ihr in unserem Archiv.
Veranstaltung "Aus dem Untergrund der Roten Straße"
Am 25. Januar 2012 kamen 70 Menschen zu unserer Veranstaltung "Aus dem Untergrund der Roten Straße". Vorher wusste niemand, wo genau die Veranstaltung stattfinden wird. Da sich Martin R. im Januar 2011 einer DNA-Entnahme durch eine dreiwöchige Zeit im Untergrund entzog, wählten wir als Veranstaltungsort einen Gewölbekeller unter den Häusern der Roten Straße - im Untergrund der Roten Straße eben. Auftakt der Veranstaltung war sodann das "Aufknacken" dieses Untergrundes mit einem Bolzenschneider durch eine vermummte Genossin. Das war Anlass für das erste Klatschen und Johlen des erfolgreichen Abends.
70 Menschen fanden in dem Keller Platz. Nachdem eine Genossin der ALI die Veranstaltung eingeleitet hatte, wurde unser Film "Von Schünemännern und Schnüffelhunden" gezeigt. Ein zehnminütiger, selbstgedrehter Film, den ihr inzwischen auch auf Youtube (externer Link) ansehen könnt. Der heitere Film sorgte für viel Gelächter: wenn der Mantrailer-Dog-Double auftaucht; wenn das Bullenschwein sich im Hunde-Scheißhaufen siehlt und daraufhin "weiß", dass es in die Rote Straße 1 zur Hausdurchsuchung muss; wenn Martin R. in einer Badewanne unter dem Stichwort "Dramatisierung" "abtaucht" oder wenn er für seine DNA-Abgabe das Bullenschwein anspuckt und dieses sich auch noch dafür bedankt. Der Film war der zweite Anlass für Applaus und Gejohle des Publikums.
Anschließend berichtete Martin R. aus seiner Zeit im Untergrund und danach. Er berichtete davon, wie diese Entscheidung diskutiert wurde und wie daraufhin Notfallpläne für den Alltag in seiner WG entwickelt wurden. Denn ab dem Zeitpunkt seines Abtauchens war die Gefahr einer Hausdurchsuchung jeden Tag gegeben. Auf dem Weg in den Untergrund habe er sich erst mal wie ein "Schwerverbrecher" gefühlt. Den Untergrund habe er als eine Art "Freie Zone" erlebt, in dem keine Polizei ihm etwas anhaben konnte. Obwohl er in dieser Zeit auch mehrere Male auf Polizei getroffen ist. Dabei habe er sich gedacht, sie seien nur hinter ihm her und im Grunde schneller, "als man so denkt". Aber gefährlich sei es in dieser Hinsicht ein Glück nie geworden. Grundsätzlich bewertete Martin R. die Entscheidung und Umsetzung des Abtauchens als politisch und persönlich sehr positiv. Als die Veranstaltung geschlossen wurde, war dies der Anlass für den nächsten, langen Applaus.
Wir ließen den Abend in der Hofeinfahrt der Roten Straße - mit Ausstellung und Transpis dekoriert - mit einem Feuerwerk und Sekt ausklingen. Letztes Mal Erheiterung und Applaus für diesen Abend. Die Polizei hatte während unseres Abends übrigens nicht nur ihre übliche Zivilpolizei außerhalb des Veranstaltungsorts aufgefahren, sondern das ganze BFE in den umliegenden Straßen aufgestellt. Weiter haben sie sich aber nicht heran gewagt...
Film "Von Schünemännern und Schnüffelhunden"
Zur Veranstaltung am 25. Januar 2012 "Aus dem Untergrund der Roten Straße" gab es unter anderem unseren Film "Von Schünemännern und Schnüffelhunden" zu den Geschehnissen rund um die Hausdurchsuchung in der Roten Straße und den Fall Martin R. zu sehen. Ihr könnt ihn online ansehen. Ihr findet ihn hier auf Youtube (externer Link!).
Making of:
Konzert und Party: "Bullenhass in D-Moll"
Am 27. Januar 2012 feierten 200 Menschen im Stilbrvch gegen Schünemänner, Staatsschützer und Schnüffelhunde. Gleichzeitig wurde gefeiert, um Solidarität mit Martin R. auszudrücken. Der HipHoper "Boykott" aus Wilhelmshaven gab einen grandiosen, politischen Auftritt ab. Das Konzert wurde mit einer Rede, Transpis und einem Infotisch begleitet. Anschließend wurde mit einem Cocktail in der Hand von unserer allseits beliebten "Molotow`s Cocktail-Bar" zu Ska, Punk und HipHop gefeiert und getanzt.
Der Abend wurde mit vielfältigen, kleinen Dekorationen unter das Party-Motto "Bullenhass in D-Moll" gestellt. So fand sich im Eingangsbereich ein etwa 4x2 Meter großes Transpi gegen den Göttinger Polizeichef Robert Kruse. Die Biertheke war nicht nur mit Girlanden und kleinen Polizei-Hampelmännern geschmückt, sondern auch mit einer Playmobil-Szene, die eine Demo gegen Schünemann, Wargel und Kruse zeigt. Diese Szene wurde von BesucherInnen den Abend über mehrfach liebevoll umgestellt. Die Cocktail-Theke schmückten zwei ACAB-Obstkörbe: mit Apfel, Z(C)itrone, Ananas und Banane. Die Tische waren mit kleinen Bullenautos aus Papier geschmückt.
Zwei echte Highlights dieser Gimmicks: Pinyattas und ein Bullenauto. Die Pinyattas wurden zu jeder vollen "Bullenhass-Stunde" kaputt geschlagen. Jede dieser Stunden wurde mit einem Jingle eingeleitet. Es folgten jeweils vier bis fünf klassische Lieder mit Hass auf Bullen unter dem Lichteinfluss von drei Blaulichtern. Jede Pinyatta zierte das Konterfei entweder von Robert Kruse, Hans Wargel oder Uwe Schünemann. Der Hass gegen sie fand dann ihren Ausdruck im Zerschlagen der Pinyatta - hinaus vielen Knallerbsen, so dass es jedes Mal laut knisterte; Konfetti und Böller.
Das Bullenauto aus Pappmaché wurde von Wargel und Schünemann selbst gefahren. Nach dem Zerschlagen der dritten Pinyatta wurde es nach draußen geschoben und unter großem Gejohle abgefackelt. Wargel und Schünemann konnten aus ungeklärten Umständen kurz vorher aus dem Auto flüchten. Viele Partygäste nutzten die Gelegenheit, um die brennende Karre mit reichlich Steinen einzudecken. Am Ende gab es wie immer ein kleines Feuerwerk...
Kundgebung "Wargel, Wasserkocher, Wehrsportgruppe - Weg damit! Verfassungsschutz auflösen!"
Am 2. Februar 2012 beteiligten sich gut 100 Menschen bei eisiger Kälte an einer Kundgebung gegen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Wurst Wargel in Göttingen. Anlass war eine Einladung des CDU-Kreisverbandes Göttingen, um über das Thema „Gefahren des Extremismus in Niedersachsen und Göttingen“ zu referieren. Mit dieser Kundgebung, die musikalisch von Bullenhass-Liedern in D-Moll begleitet wurde, beendeten wir unsere Kampagne "Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde - Schluss damit! Linke Politik verteidigen!" Im Januar bekamen wir somit die Gelegenheit, gegen das Konglomerat Schünemann, Kruse und Wargel in ihrer Komplettheit mobil zu machen.
Im Folgenden könnt Ihr unseren Redebeitrag anlässlich der Kundgebung lesen.
"Wargel, Wasserkocher, Wehrsportgruppen - Weg damit!"
Vor drei Wochen hat der Besuch des Niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann bei einer Veranstaltung des Studentenverbandes der CDU, dem RCDS, im ZHG der Universität tumultartige Szenen provoziert. Jetzt setzt Göttingens rechts-konservative Partei nach und lädt unter ähnlichem Titel auch Schünemanns politischen Ziehsohn, den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Werner Wargel zu einer öffentlichen Veranstaltung ein.
Wargel ist für GöttingerInnen kein Unbekannter, denn als Vorgänger von Robert Kruse war er hier Polizeipräsident. Mit dem heutigen Polizeipräsidenten Kruse, Schünemanns zweitbesten Pferd im Stall für Repression, tauschte Wargel auf Initiative Schünemanns 2010 einfach das Amt.
Wie die Beförderungsarithmetik in den Seilschaften des law-and-order Politikers Schünemann funktionieren, wird an diesen beiden reaktionären Lieblingskindern von Papa Uwe unverkennbar deutlich. Kruse war vorher bei der politischen Polizei, dem Staatsschutz und beim Verfassungsschutz mit sogenannter Terrorabwehr beschäftigt. Beim niedersächsischem Inlandsgeheimdienst konzentrierte er sich bald auf die Abwehr von sogenanntem „Ausländerextremismus“ und der radikalen Linken. Ein solches Berufsprofil qualifizierte ihn anscheinend in dem Weltbild eines Uwe Schünemann besonders, um in der linken Stadt Göttingen der oberste Hüter der Ordnung zu werden.
Göttingens etablierte linke politische Kultur ist den rechten Gesinnungsbrüdern natürlich ein Dorn im Auge. Die starke antifaschistische Kultur hat die letzten Versuche von Neonazis 2005 und 2006, hier aufzumarschieren, krachend scheitern lassen. Mit Repression und Polizeigewalt wird in dieser Stadt anders umgegangen, als es die Gewerkschaft der Polizei und die CDU vom restlichen, ländlichen Niedersachsen gewohnt ist. Und auch die staatlich-rassistische Praxis von Abschiebung kann in Göttingen oftmals nicht als bürokratischer Vollzug von Anordnungen heimlich, still und leise durchgesetzt werden, sondern muss sich immer wieder einer empörten Öffentlichkeit stellen, die gegen den strukturellen Rassismus in der staatlichen Bürokratie protestiert.
Eine solche Stimmung und eine so etablierte politische Kultur reichen, um den staatlichen Sicherheitsapparat in besonderer Weise gegen die linke politische Szene in Göttingen zu mobilisieren. Das bekommen linke AktivistInnen in Göttingen seit einigen Jahren durch Verfolgung einer politischen Justiz und Polizeigewalt auf der Straße verstärkt zu spüren. Zuletzt hatten sich bis letzten Dienstag die Organe der politischen Verfolgung auf den antifaschistischen Aktivisten Martin R. eingeschossen.
Nachdem Göttinger Polizei und Niedersächsischer VS eine Verpuffung im Kreishaus zu einem „linksterroristischen Anschlag“ kreativ ausgeschmückt hatten, haben sie auch prompt einen Verdächtigen aus dem Hut gezaubert: Nach der Hausdurchsuchung in der Roten Straße und einem angeblichen Böllerwurf mit phantasievollem Knalltrauma bei einem Polizisten, wollte die Polizei Martin R.s DNA entnehmen, um ihn damit mit der Bekennerpappe vom vermeintlichen Tatort in Verbindung zu bringen und ihn als Täter präsentieren zu können.
Letztes Jahr wurde Martin R., nach Abtauchen in den Untergrund, von allen Vorwürfen freigesprochen. Der Staatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner wolle seine Niederlage jedoch nicht wahrhaben und ging in Berufung - der Auftakt des Verfahrens war für letzten Dienstag terminiert -
einen Tag zuvor zog Heimgärtner seine Berufung weitere Erklärung zurück und musste damit endgültig eingestehen, dass er seit zwei Jahren Hirngespinsten hinterher jagte. Solche absurden Verfolgungsszenarien sind kein Zufall, sondern politisch gewollt!
Sowohl CDU-Innenministerium, als auch die Göttinger Polizei und der Verfassungsschutz beeilten sich nach der Verpuffung im Kreishaus die überschrittene Schwelle zum „Linksterrorismus“ herauf zu beschwören und damit das Horrorszenario einer gemeingefährlichen Linken zu verbreiten. Dazu passt es, dass Göttingen Jahr für Jahr wieder im Bericht des Verfassungsschutzes als „Zentrum linksextremistischer Gewalt“ neben Berlin und Hamburg genannt wird.
Während gerade der Verfassungsschutz als ideologischer Machtapparat viel Energie darauf verwendet, dieses Konstrukt herzustellen, bekommt er es bei der Beobachtung von Neonazis nicht hin, von A nach B zu denken. Als bei Hausdurchsuchungen in Niedersachsen bei Neonazis ganze Arsenale an Waffen gefunden wurden, kam der VS nicht auf die Idee, dass die Faschisten diese Waffen auch einsetzen könnten. Nicht einmal dann, als der Thüringer VS Wargels Behörde bat, den Unterstützer der Nazi-Mörderbande „Nationalsozialistischer Untergrund“ Holger G. zu überwachen.
Der Niedersächsische VS stellte die Beobachtung bald wieder ein, mit dem Aktenvermerk, G. sei ein bedeutungsloser Mitläufer.
Neonazis propagieren eine menschenfeindliche, rassistische und auf Ungleichwertigkeit beruhende Ideologie - und sie bewaffnen sich. Für den VS allerdings kein Problem, denn Rechte hätten nun mal „eine erhöhte Affinität zu Waffen“, wie Uwe Schünemann nach den Waffenfunden hier in der Gegend verlauten ließ.
Linke wehren sich gegen Rassismus, Repression und Ausgrenzung. Das macht sie für den VS verdächtig.
Was absurd klingt, ist aus der Geschichte des Verfassungsschutzes jedoch nur allzu konsequent. Als Lehre aus dem nationalsozialistischen Terrorregime galt eine strikte Trennung von Inlandsgeheimdienst und Polizei.Dieses unterläuft nicht erst Wargel. In der Adenauer-BRD wurde der Verfassungsschutz mit alten Kadern aus der SS, dem SD und der Gestapo aufgebaut. Die Kontinuität des deutschen Faschismus lief vor Allem personell in den Sicherheitsapparaten der neuen Bundesrepublik mit. Alt-Nazis im neuen Dienst schützten ihre alten Kameraden, auch damals hatte der Verfassungsschutz schon kein Problem mit der Nähe zu Nazis. Heute bezahlt er noch immer faschistische Strukturen durch die Finanzierung über V-Leute. Dabei waren die Geheimdienste ideologisch geprägt durch den Zeitgeist des Kalten Krieges und konzentrierten sich dadurch von vorne herein auf Linke als Hauptfeinde.
Wen wundert es also wirklich, wenn der VS heute die Linke mit konstruierten Horrorgeschichten verfolgt, während er bei Neonazis beide Augen zudrückt und deren Szene sogar noch stützt und finanziell fördert? Deswegen ist nicht nur Wargel, als konkreter Protagonist das Problem einer ideologischen Verfolgung von Linken und einer rassistischen Staatsdoktrin, sondern der ganze bürokratische und repressive Apparat der Sicherheitsbehörden ist darauf angelegt, genau diesen reaktionären Job zu machen! Der Verfassungsschutz ist von vorne herein ein rechter, ein gefährlicher und im besten Fall noch ein unnötiger Verein!
Alle Geheimdienste auflösen!
Wargel, Wehrsportgruppen, Wasserkocher – Weg damit!
Verfassungsschutz, Faschisten, Volksgemeinschaft – verschwinden lassen!
Stoppt den Staatsterrorismus! Stoppt den Faschismus!
Aufruf
In einem ausführlichen Aufruf setzt sich die A.L.I. mit den Auswirkungen der Repression aus der Feder des Innenministers Schünemanns auseinander. Den siebenseitigen Aufruf könnt ihr hier als PDF (1,8 MB) runter laden.
Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde...Schluss damit!
Linke Politik verteidigen!
Seit mehreren Jahren sind in Göttingen erneut verstärkte Repressionen, die sich in politischer Justiz und Polizeigewalt auf der Straße äußern, zu spüren. Der politische Motor dieser Zuspitzung sitzt im Niedersächsischen Innenministerium, hier ist Uwe Schünemann seit 2003 im Amt. Vor genau einem Jahr, am 28. Januar 2011, wurde bei dem Antifaschisten Martin R. aus Göttingen auf Grund eines angeblichen Böller-Wurfs auf einer Demonstration eine erzwungene DNA-Entnahme durchgeführt. Vor zwei Jahren, am 27. Januar 2010, durchsuchte die Polizei rechtswidrig ein linkes Wohnprojekt in der Roten Straße in Göttingen, nachdem es in einer Teeküche des Landkreisamtes zu einer „Verpuffung“ kam. Martin R. wird hiermit haltlos in Zusammenhang gebracht – seine DNA besorgte sich die Polizei für ihr Konstrukt eines „linksextremen Anschlags“. Jegliche Beweise blieben Polizeichef Kruse, Verfassungsschutzpräsident Wargel und Innenminister Schünemann der Öffentlichkeit bisher schuldig. In wenigen Tagen, am 31. Januar 2012, wird dem Göttinger Antifaschisten erneut der Prozess wegen des vermeintlichen Böllerwurfs gemacht – von dessen Vorwurf er bereits am 4. Juli 2011 vom Amtsgericht Göttingen freigesprochen wurde.
Die „Verpuffung“ in der Teeküche im Gebäude des Kreishauses ist der Ausgangspunkt für eine politische Kampagne gegen die radikale Linke in Göttingen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann deklarierte die „Verpuffung“ als eine Tat von „Linksextremisten“ und stellt die linke Szene unter „Terrorverdacht“. Doch selbst laut eines Gutachtens des Landeskriminalamtes können keine Aussagen zur Herkunft des angeblichen Brandsatzes (Uhu-Kleber und Streichhölzer) getroffen werden. Die Umsetzung seiner Terror-These hat sich der CDU-rechtsaußen-Minister Schünemann durch Personaltausch selbst ermöglicht. Eben in jenem Zeitraum, in dem im Kreishaus ein Wasserkocher verpuffte, tauschte Schünemann die Führungsspitzen des niedersächsischen Verfassungsschutzes und der Göttinger Polizeiführung aus: Hans Wargel übte von 2005 bis Dezember 2009 das Amt des Göttinger Polizeipräsidenten aus und wurde ab Januar 2010 von Schünemann zum niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidenten berufen. Ab Februar 2010 setzte Schünemann dafür Robert Kruse als Göttinger Polizeipräsidenten ein. Kruse fungierte vorher als Vizepräsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Uwe Schünemann setzt ihm genehme Konservative in den Polizei- und Geheimdienst, so dass diese Institutionen als Kampagnenorgane der rechten CDU fungieren. Die strikte Trennung von Polizei und Geheimdienst als Konsequenz aus den Erfahrungen mit der Gestapo während des deutschen Faschismus´ wird hierbei bewusst unterlaufen.
Das Konglomerat aus Schünemann und seinen Männern konfrontiert nunmehr die linke Szene in Göttingen durch haltlose Anschuldigungen und Diffamierungen mit Repression, indem sie „linksextremistischen Terror“ verlautbaren und in der Konsequenz ein Haus der Roten Straße durchsuchen und Martin R. verdächtigen lassen. Spätestens nach der Hausdurchsuchung in der Roten Straße lösen sich die Diffamierungen und Vermutungen selbst in der medialen Öffentlichkeit in Luft auf, nicht zuletzt deshalb, weil die Polizei grob fahrlässige Ermittlungsmethoden anwandte. Als Antwort darauf beschimpfte der Göttinger Polizeichef den Polizei- und Gerichtsreporter des Göttinger Tageblatts über die Medien, in der Hoffnung, ihn mundtot machen zu können.
Kurze Zeit nach den Vorfällen um Kreishaus, Hausdurchsuchung und Böller-Wurf erscheint am 10. März 2010 in Göttingen die Broschüre „Für gesellschaftliches Engagement – gegen Kriminalisierung und politische Justiz“. Hier werden 17 markante Kriminalisierungsfälle in der Stadt der letzten Jahre gesammelt dargestellt und somit politischer Druck ausgeübt. Diese Broschüre wird mehrfach Gegenstand von Diskussionen im Rat der Stadt Göttingen. So beschloss der Stadtrat am 7. Mai 2010 einen Runden Tisch einzurichten. Der Stadtrat hatte u.a. Diskussionsbedarf zu den fragwürdigen Ermittlungen bezgl. der „Verpuffung“ im Kreishaus und bat Polizeipräsident Kruse, diese in der Ratssitzung am 5.11.2010 zu erläutern. Kruse sagte sein Kommen zum Runden Tisch ab. Auch die eingeladene Staatsanwaltschaft erschien nicht. Als Antwort auf die kritische Öffentlichkeit luden Polizeiführung und Staatsanwaltschaft stattdessen die VertreterInnen der Ratsfraktionen für den 24.11.2010 zu einem Geheimgespräch hinter verschlossenen Türen ein. Doch auch das ging mächtig in die Hose: Mit einer Polizeiabsperrung wurden ca. 50 Personen daran gehindert das Rathaus zu betreten, die bei dem Gespräch für die nötige Öffentlichkeit sorgen wollten. Kruse drückte sich davor, in einer öffentlichen Sitzung den Fragen der Fraktionen des Göttinger Stadtrats Rede und Antwort zu stehen. Hinter den verschlossenen Türen erklärte der Polizeichef, er verstehe einen Runden Tisch als „Einrichtung aus der damals untergegangenen DDR“. Als ausführende Hand von Innenminister Schünemann schlägt Kruse also nicht nur mit konkreter Repression gegen linke AktivistInnen zu, sondern versucht selbst die demokratischen Gremien der Stadt, die Göttinger Zivilgesellschaft und die mediale Öffentlichkeit auf Linie zu bringen.
Während Schünemann seine Energien derart auf die radikale Linke konzentriert, können Neonazis in Südniedersachsen und angrenzenden Regionen davon ausgehen, dass sie von ihm und seinen Männern zurückhaltend behandelt werden. Bei einer Hausdurchsuchung des BKA am 30.10.2007 auf dem Anwesen Thorsten Heises im thüringischen Fretterode fand die Polizei u.a. ein zerlegtes Maschinengewehr und eine Maschinenpistole. Neben Wohnungen in Osnabrück und Nordrhein-Westfalen, fand am 26.4.2007 auch eine Hausdurchsuchung gegen einen Neonazi in Northeim statt. Dabei wurden im Raum Osnabrück Schusswaffen und Munition, in Northeim ein Messer und Computer beschlagnahmt. Die Beschuldigten hatten während eines Sommerlagers der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) im Sommer 2006 mit Schusswaffen posiert. Schon sechseinhalb Jahre zuvor, am 23.12.1999, warnte die Polizei bekannte Göttinger AntifaschistInnen vor Briefbomben aus Neonazikreisen. „Es besteht die reale Gefahr , dass Angehörige der rechtsextremen Szene gegen Autonome oder auch ordentliche Linke aus Göttingen Sprengstoffanschläge verüben könnten“, so damals der Leiter der zuständigen LKA-Abteilung. Bei Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a) gegen Neonazis der NPD-Göttingen und Kameradschaft Northeim hatte die Polizei im November 1999 Unterlagen über Sprengstoff, Zündmittel und Bauanleitungen für Briefbomben beschlagnahmt. Uwe Schünemann kommentierte die bedrohlichen Waffenfunde von 2007 laut Zeitungsinterview vom 7.11.2007 lediglich damit, dass „viele Rechtsextremisten (..) eine hohe Affinität zu Waffen [haben].“ Nicht näher genannte Experten des Verfassungsschutzes erklärten zudem, eine „Bewaffnung der rechtsextremistischen Szene sei nicht erkennbar“.
In Göttingen und der Region werden derweil MigrantInnen angegriffen. In der Nacht vom 26. auf den 27.9.2008 brannte im Göttinger Ritterplan ein Afro-Shop aus. Der Besitzer des Shops, Joseph M., war bereits seit Monaten rassistischer Hetze seines Vermieters Jochen Friedrich Freiherr von Waltershausen ausgesetzt. Von Walterhausen, ebenfalls ein Waffennarr, hatte zuvor bei der NPD-Göttingen schriftlich um Hilfe ersucht. In der Nacht vom 17. auf den 18.4.2011 kam es zu einem Brandanschlag auf das Haus „Södderich“ von Wissam Nasreddine, das an der B27 bei Waake (in der Nähe Göttingens) liegt. Der Brandanschlag wurde mit der Sprüherei „NPD“ am Haus begleitet. Nasreddine wurde zuvor bereits von Neonazis im Internet bedroht. Am Vorabend des Landesparteitages in Northeim vom 22.5.2011 gab es einen Brandanschlag gegen einen kurdischen Gemüseladen in Northeim. Gegenüber des kurdischen Gemüseladens treffen sich regelmäßig die lokalen Neonazis. Im Fall des Södderich berichtete die Polizei lediglich von „Farbschmiereien“ und ermittelt in „alle“ Richtungen. In keinem dieser drei Fälle ermittelte die Polizei hinsichtlich eines neonazistischen Hintergrundes.
Uwe Schünemann kaschiert also bewusst die Gefahren von Rechts. Bei einer Pressekonferenz am 14.11.2011 zu den Morden an neun MigrantInnen durch Neonazis des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), in dessen Zusammenhang auch der Neonazi Holger G. aus Lauenau (Kreis Schaumburg) bei Hannovers festgenommen wurde, bezeichnete der Innenminister Holger G. lediglich als „Mitläufer“. Dieser sei seit Ende der 1990er Jahre bis 2004 nur marginal in Erscheinung getreten. Nur zwei Tage später, am 16.11.2011, präsentierten Schünemann und sein Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel allerdings, Holger G. sei bereits 1999 auf Bitten des thüringischen Verfassungsschutzes hin observiert worden. In seinem Observationsberichtder bezeichnete der niedersächsische Verfassungsschutz Holger G. hingegen als „Rechtsterroristen“. Diese grundsätzlich andere Einschätzung im Observationsbericht hatte allerdings keine Konsequenzen für die niedersächsische Geheimdienst-Akte Holger Gs. Der Neonazi und NSU-Unterstützer konnte in Niedersachsen weiter unbehelligt agieren. In einer Landtagsanfrage nach den zu Tage getretenen rassistischen Morden durch die NSU erklärte Schünemann am 29.11.2011 im niedersächsischen Parlamant bzgl. der Waffenfunde in Südniedersachsen von 2007 bis 2009 erneut: „In Niedersachsen lagen (…) keine Erkenntnisse vor, dass sich Rechtsextreme bewaffnen, um geplant politisch motivierte Straftaten zu begehen“. Der Innenminister verwies erneut verharmlosend auf die „Affinitität zu Waffen“ von Neonazis. Damit verwischt er auch vor dem Hintergrund der neun bundesweiten Morde durch Neonazis mit Unterstützung in Niedersachsen weiterhin die politischen Hintergründe der faschistischen Gewalt.
Die polizeiliche Einordnung und die faktischen Nicht-Ermittlungen nach den Anschlägen auf den Afro-Shop in Göttingen den Södderich bei Waake und den kurdischen Gemüseladen in Northeim folgen genau dem oben beschriebenen Schünemann-Muster der Verharmlosung und Verleugnung von Neonazigewalt sowie der Denunziation der Opfer dieser Angriffe.
Innerhalb dieser Logik liegt es für Schünemann, Kruse und Wargel nur Nahe, zum Kampf gegen linke AktivistInnen zu blasen. Das dabei an den Tag gelegte Rechtsverständnis und die methodischen Vorgaben offenbart das von Schünemann geführte Inneneministerium in einem Schreiben an den Landkreis Göttingen. Hierin wird vorgeschlagen, unliebsamme MigrantInnen mittels „Wohnungsdurchsuchungen, Zwangsvorführungen, Strafverfahren und Ersatzfreiheitsstrafen“ mürbe zu machen. Diesen Repressions-Cocktail bekommen innerhalb Göttingens linker Szene vor allem besonders exponierte Einzelpersonen wie der antifaschistische Aktivist Martin R. zu spüren. Auch wenn alle Anschuldigungen offensichtlich konstruiert sind und bisher auch vor Gericht keinen Bestand haben, soll mittels Querverbindung zur Teeküchen-Verpuffung und unablässigen neuen Vorwürfen ein abschreckendes Exempel an Martin R. statuiert werden.
Linksradikale Politik erfährt seit jeher Repression Seiten des Staates. Unsere Solidarität als Antwort ist somit immer ein, wenn auch abwehrender, Teil des Kampfes gegen diesen Staat. Um die gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Niedersachsen mit Innenminister Schünemann, aber auch Verfassungsschutz-Präsidenten Wargel und Göttingens Polizeipräsidenten Kruse einordnen zu können, ist es uns wichtig, die einzelnen Stationen um Teeküche, Hausdurchsuchung, Böllerwurf- und DNA-Prozess zusammen zutragen. Durch diese Details wird nicht nur die Absurdität der Vorwürfe gegen Martin R. deutlich, sondern diese dienen auch als fundiertes Wissen in unserem solidarischen Kampf.
Der Wasserkocher in der Küche des Göttinger Kreishauses
Am 22. Januar 2010 kam es in der Teeküche des Göttinger Kreishauses zu einer „Verpuffung“, als ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde die von ihm mitbenutze Küche betritt. Diese Küche wird gleichzeitig von verschiedenen Behörden genutzt. Polizei und Presse machten daraus „die Teeküche der Ausländerbehörde“.
Den Verdacht einiger Mitarbeiter, dass es sich um einen Wasserkocher mit Kabelbrand handeln könnte, findet in ersten Verlautbarungen der Polizei keine Beachtung. heiße Spur verbreitet die Göttinger Polizei, es sei eine „Unkonventionelle Brand- und Sprengvorrichtung“, bestehend aus Klebstoff mit Streichhölzern, von „Linksextremisten“ in der Küche gezündet worden. Bundes- und Landeskriminalamt widersprechen dieser Version nicht.
Als Begründung für den „politischen Hintergrund“ wurde ein weit ab von der Teeküche gefundenes Pappschild mit der Aufschrift „Abschiebe Stopp“ herangezogen. Dieses Schild wurde laut Schünemann „in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe zum Tatgeschehen“ gefunden. In welchem Zusammenhang das Schild mit der Verpuffung steht, ist unklar. Erst bezeichnete es die Polizei als „BekennerInnenschreiben“, später diente es als Spurenträger. Die Teeküche, die nicht einmal ausschließlich zur Ausländerbehörde gehört, liegt 10-15 Meter vom dem Treppenhaus entfernt, in welchem das Schild gefunden wurde. Das Schild hatten nachweislich verschiedene Personen in der Hand, bevor es zu den „Ermittlern“ fand.
Hunde in der Roten Straße
Am 27. Januar 2010 versuchte die Polizei mithilfe von zwei „Mantrailer-Hunden“ einer privaten Hundetrainerin aus Nordrhein-Westfalen, eine Spur zu den vermeintlichen Tätern zu finden. Was die Hunde als Spurenträger vor die Nase bekamen, wurde auch nach Anfragen im niedersächsischen Landtag nie veröffentlicht. Vielleicht das Schild mit dem Geruch unterschiedlicher Menschen?
Als die Hunde in Göttingen zur Spurensuche losgelassen wurden, waren seit der „Verpuffung“ im Kreishaus bereits fünf Tage mit Regen und Schnee vergangen. Wie eine GPS-Karte zeigt, lief einer der beiden Hunde demnach in die Grone-Landstraße, die Jheringstraße, in den Kreuzbergring und weiter in die Herzberger Landstraße.
Die Hunde liefen so mehreren Spuren im Zick-Zack-Kurs durch die ganze Stadt hinterher. Die Odyssee der beiden Spürnasen „Quinzy“ und „Ella“ führte nun auch in die Rote Straße, in der einer der Hunde seine Notdurft an einem Baum verrichtete. Danach lief er weiter in die Burgstraße, über den Theaterplatz, in den Nikolausberger Weg, den Kreuzbergring, den Düstere-Eichen-Weg bis in die Herzberger Landstraße. Die BewrInnen aller (linken) Häuser an dieser Strecke hätten somit verdächtigt werden können.
Im Nachhinein besagte ein Gutachten von Johann Fruth, Ausbildungsleiter der „Bayerischen Landespolizei für Diensthunde“ und bekannter Sachverständiger für Spürhunde, dem Einsatz sei „keine Bedeutung beizumessen, ebenso wenig wie der Interpretation eines möglichen Einsatzergebnisses durch die Hundeführer“. Erhebliche Bedenken am Erfolg der Spürhunde bekundet Fruth dadurch, dass die Hunde das „Nachrücken“ der Polizisten und des entsprechenden Kamerateams „als Bestätigung ihrer eingeschlagenen Richtung“ aufgefasst haben könnten.
Hausdurchsuchung in der Roten Straße
Nachdem also einer der Spürhunde sein Geschäft an einem Baum vor dem Haus der Roten Straße 1 verrichtet hatte, beantragte Göttingens Oberstaatsanwalt Hans Hugo Heimgärtner einen Durchsuchungsbefehl für dieses Haus für denselben Tag beim Göttinger Amtsgericht. Zwei Stunden später riegelten Beamte der Bereitschaftspolizei die Rote Straße ab und drangen in die linke Wohngemeinschaft der Roten Straße 1 ein.
Gesucht wurde nach vermeintlichen Hinweisen wie dunklen Jacken, Pappen und Kunststoffverpackungen, Klebstoffen und eventuellen Brandmitteln. Welche Zimmer durchsucht werden sollten, signalisierte abermals der mitgebrachte „Spürhund“: zwei Privatzimmer von BewrInnen und ein Gemeinschaftsraum. Bei der Durchsuchung wurden Laptops, PCs und weitere Datenträger beschlagnahmt. Später stellte sich heraus, dass die Polizei die Computer illegalerweise nach Namen von Rechtsanwälten untersuchte – wohl um Post von Verteidigern auszuspähen, was einer richterlichen Anordnung bedarf.
Als sie schon mal im Haus war, schlug die Polizei bei dieser Gelegenheit zwei Fliegen mit einer Klappe und durchsuchte noch die Räume eines jungen Mannes, der Graffiti gesprüht haben soll. Während der Durchsuchung wurden alle sich dort aufhaltenden Menschen in einem Raum eingesperrt, obwohl sie eigentlich als ZeugInnen in ihrem jeweils eigenen Zimmer anwesend sein dürfen. Somit ist nicht sicher, ob die Polizeibeamten Gegenstände in den Zimmern der BewrInnen deponiert haben, die sie später zur Belastung „heranziehen“ könnten.
Parallel zur stattfindenden Hausdurchsuchung sammelten sich 200 Menschen und solidarisierten sich mit den betroffenen BewrInnen. Die Polizei stellte sich derweil im Spalier vor einer Veranstaltung mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Béjarano im Göttinger Alten Rathaus auf. Die Musikerin und Antifaschistin trat in der Nähe der Roten Straße anlässlich des Jahrestages zur Auschwitz-Befreiung am 27. Januar 1945 auf. Diese Provokation wurde getoppt durch einen Spalier-stehenden Polizeibeamten, der auf die Nachfrage, ob er nicht wisse, welches Datum sei und welche Symbolik mit ihrem Auftreten einherginge, antwortete: „Ich weiß nicht, welches Datum heute ist, ich komme nicht aus Göttingen.“
Es folgte eine spontane Solidaritätsdemonstration durch die Innenstadt, in deren Folge mehrere Geschäfte, Banken und die Innenstadtwache der Polizei angegriffen wurden und Glasbruch verursacht wurde. Auch in Hannover versammelten sich spontan 50 Menschen.
Solidaritätsdemonstration mit „Knalltrauma“
Am 30. Januar 2010 demonstrieren über 500 Menschen auf einer Solidaritätsdemonstration unter dem Motto „Linke Politik verteidigen – Gegen die Kriminalisierung antirassistischer Politik“. Der Verlauf der lauten und kämpferischen Demonstration war geprägt von Rangeleien und Konflikten mit dem bedrängenden Polizeispalier. Die Situation eskalierte kurz vor dem offiziellen Ende: Die Polizei zog ihr Spalier provozierend vor die Häuser in der Roten Straße. Als Teile der Demonstration die Einsatzkräfte von den Eingängen der linken Wohnprojekte nach mehrmaligen, unbeantwortet bleibenden Aufforderungen offensiv wegdrängten, wurde seitens der Polizei Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, mindestens zwei Personen in Gewahrsam genommen.
Einer der beiden war Martin R., der den Bereitschaftspolizisten sicherlich aus zahlreichen Einsatzbesprechungen der letzten Tage bekannt gewesen sein dürfte. Für seine Ingewahrsamnahme musste an diesem Abend ein Knallkörper herhalten, den er innerhalb der Demonstration gezündet haben soll. Damit soll er bei einem Polizeibeamten ein „Knalltrauma“ verursacht haben. Der Polizist wurde deshalb in das Göttinger Universitätsklinikum eingeliefert. Laut seiner eigenen Aussage habe die Untersuchung jedoch ergeben, dass er „keine Schäden davon getragen“ habe. Können Polizeikräfte an Silvester überhaupt noch ihren Dienst ausführen? Und wie oft werden sie nach Gebrauch ihrer Schusswaffe ins Krankenhaus eingeliefert?
Das angebliche Zünden des Silvesterknallers durch Martin R. auf der Solidaritätsdemonstration wird von der Staatsanwaltschaft Göttingen zum Anlass genommen, eine DNA-Entnahme bei ihm anzuordnen. Denn nun wird offenbart, dass gegen Martin R. wegen „Herbeiführung einer Explosion“ im Göttinger Kreishaus ermittelt wird. Da es aber keine beweiskräftigen Anhaltspunkte dafür gibt, nutzen Polizei und Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen des Böllerwurfs, um damit DNA-Spuren zu vergleichen. Martin R. ist als linker Aktivist der Polizei schon länger ein Dorn im Auge, so dass es hierbei um konkrete Einschüchterung seiner Person geht. Offiziell wird er einzig und allein wegen seines „dunklen Teints“ mit der Verpuffung im Kreishaus in einen Zusammenhang gebracht, so dass auch ein rassistischer Unterton bei den Ermittlungen durchscheint.
Der „dunkle Teint“
Während der Ermittlungen und der Suche nach möglichen Tatverdächtigen wurden unter anderem Bänder der Überwachungskameras im Kreishaus ausgewertet. Eine „unbekannte Person“ betrat das Kreishaus und verließ dieses kurz darauf wieder. Die Person wurde von den Ermittlungsbehörden als „vermummt“ dargestellt, wobei die „Vermummung“ nie näher definiert wurde. Im Winter einen Schal zu tragen, evtl. auch etwas weiter übers Kinn gezogen, wurde nicht als Variante herangezogen. Vor dem Haus schwang sich diese Person für die ErmittlerInnen besonders markant auf ihr Fahrrad – nämlich von rechts!
Um den unbekannten Rechtsaufsteiger zu finden werden im März 2010 unglaubliche Energien und Ressourcen für die „Beweisaufnahme“ aufgewendet: Sechs Tage lang wird eine Hundertschaft damit beauftragt, zahlreiche Fahrradkontrollen in Göttingen durchzuführen, die einen Rechtsaufsteiger und somit die unbekannte Person ausfindig machen sollten.
Die vage Beschreibung einer Kreisverwaltungsangestellten sagte aus, sie wäre der verdächtigen, „vermummten“ Person im Kreishaus begegnet. Ihre Augenpartie habe einen „dunklen Teint“ vermuten lassen. Da die Polizei per se von einem „linksextremistischen Anschlag“ ausging, suchte sie sich den Göttinger Antifaschisten Martin R. aus – denn diesem kann ein „dunkler Teint“ zugewiesen werden. Neben ihm gerieten noch zwei andere Menschen unter Verdacht, da sie Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Kreishaus-Angestellte eingereicht hatten: ein gehbehinderter und ein 80-jähriger Mann.
Der Kreisverwaltungsangestellten wurde eigens ein Polizeizeichner aus Hannover beigeordert. Dieser Aufwand blieb erfolglos: Die Beschreibungen der Zeugin reichten nicht einmal für die Anfertigung eines Phantombildes aus. Nun wurden der Kreisverwaltungsangestellten mit dem selbst gelegten Verdacht auf Martin R. zwölf verschiedene Fotos von Augenpartien vorgelegt, einige mit und einige dunklen Teint. Die entsprechenden Lichtbilder wurden sich rechtswidrig vom Göttinger Einwrmeldeamt besorgt. Die Zeugin konnte zwar keine der Augenpartien identifizieren, aber ihr zu Folge könnten mehrere Augenpartien möglicher Weise die des „vermummten“ Mannes sein. Insgesamt konnte sie 5 der 12 Augenpartien nicht ausschließen. Da sich auch das Bild von Martin R. mit seinem „dunklen Teint“ unter den 5 nicht auszuschließenden verdächtigen Personen befand, reichte dies der Göttinger Polizei für weitere Ermittlungen aus. Die Polizei bat nun die Göttinger Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf längerfristige Observation zu stellen.
Es sollte festgestellt werden, ob der Beschuldigte Kontakt zu Bewrn der Rote Straße 1 hatte und ob er möglicher Weise auch mit einem markanten Schwung von rechts auf sein Fahrrad aufsteigt. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab, weil kein Anfangsverdacht bestand.
„Knalltrauma“ & DNA-Abnahme
Wenig später leitete die Staatsanwaltschaft auf Grund des angeblichen Böllerwurfs ein Verfahren wegen „Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz“ und „Versuchter Körperverletzung“ ein. Martin R. soll außerdem einer Erkennungsdienstlichen (ED) Behandlung sowie einer DNA-Abnahme unterzogen werden. Das eingeleitete Verfahren stellt sich schnell als Vorwand der Ermittler in der Kreishaussache heraus. In der entsprechenden Akte findet sich eine Notiz, welche offenlegt, dass über ein Ermittlungsverfahren versucht werden soll, die DNA des Betroffenen zu bekommen. Ziel war es, diese mit dem Spurenträger, der schon „Quinzy“ und „Ella“ in die Rote Straße geführt haben soll, zu vergleichen.
Die DNA-Entnahme sollte noch vor der gerichtlichen Entscheidung im Hauptverfahren stattfinden. Versuche, die Entnahme über eine Klage beim Verfassungsgericht zu verhindern oder zumindest die Entscheidung im Hauptverfahren abzuwarten, scheiterte. Denn das Verfassungsgericht lehnte die Klage Begründung ab.
Am 5.1.2011 sollte um 10 Uhr die DNA-Entnahme in der Göttinger Polizeiinspektion in der Jheringstraße stattfinden. Martin R. aber erschien ganz bewusst nicht zu diesem Termin. Über eine Pressemitteilung ließ seine Wohngemeinschaft verlauten, dass er sich seit mehreren Tagen nicht mehr an seinem Wohnort aufhalte.
Zwei Tage nachdem Martin R. untergetaucht war, ließ ihn die Staatsanwaltschaft zur bundesweiten Fahndung ausschreiben. Zwei Wochen nach der Ausschreibung, am 21. Januar 2011, klingelte die Polizei bei einer linken WG in Berlin-Wedding und suchte dort den Verdächtigten. Nachdem der Polizei mitgeteilt wurde, dass er sich dort nicht aufhalte, wollte die Polizei die Wohnung betreten. In der Tasche hatten die Berliner Beamten einen Durchsuchungsbefehl für den Wohnraum Martin R.s in Göttingen, nicht aber für die Berliner WG. Die Polizei hatte also einen Durchsuchungsbeschluss für den Wohnort des verfolgten Antifaschisten, „verzichtete“ aber darauf, erneut in die Rote Straße zu stürmen. Die mittlerweile sehr breite öffentliche Solidarisierung der Parteien DIE LINKE, Grüne und SPD von lokalen Gliederungen bis zur Ebene des niedersächsischen Landtags, sowie der ver.di-Jugend, VVN, studentischen Basisgruppen und Antifagruppen dürften hauptsächlich dazu beigetragen haben.
Die Antirepressions-Demo
Die Antifaschistische Linke International A.L.I. mobilisierte mit einem breiten Bündnis aus linksradikalen Gruppen, Parteien, Gewerkschaften und Einzelpersonen zu einer überregionalen Antirepressions-Demo am 22. Januar 2011 in Göttingen unter dem Motto „Betroffen ist eine/r, gemeint sind wir alle! Hände weg von linken AktivistInnen, Häusern und Strukturen!“. An dieser kämpferischen und lautstarken Antirepressions-Demonstration beteiligten sich etwa 700 Menschen. Das offensivste Moment kam von Martin R. selbst: in einem Redebeitrag meldete er sich zu Wort: „Ich bin wieder da!“ Er verkündete, von seiner Flucht aus dem Untergrund zurückgekehrt zu sein, in der Demo mit zu laufen und nunmehr sein gewöhnliches Leben in Göttingen weiter zu führen. Die Solidarität der Demonstrierenden machte es möglich, dass Martin R. von den Polizeikräften nicht aus der Demonstration gegriffen wurde, sondern bis zum Ende mitlaufen konnte. Das machte die Demonstration zu einem unglaublichen Erfolg und war trotz der insgesamt bedrohlichen und defensiven Situation ein Ausdruck von Stärke.
Diese Demonstration war neben den zahlreichen haltlosen Vorwürfen und rechtswidrigen Ermittlungsmethoden der Polizei ein weiteres konkretes Versuchsfeld aus dem Repressionskatalog Uwe Schünemanns. Was in Berlin längst zum Alltag gehört, soll nun auch in Göttingen eingeführt werden: eine eigene „Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“ (BFE), der sogenannte „Greiftrupp“. Uwe Schünemann verhandelt seit Dezember 2010 mit dem Bund über die Einrichtung dieser Spezialeinheit der Polizei in Göttingen, die Niedersachsens fünfte Einheit bilden soll.
Diese BFE wurde bei der Solidaritätsdemonstration am 22. Januar 2010 zum zweiten Mal in Göttingen eingesetzt. Besondere Härte zeigte sie durch wiederholtes großflächiges Versprühen von Pfefferspray und direkt darauf folgendes Einsetzen von Schlagstöcken gegen die Demonstration, wie z.B. auf einer Brücke in der Goetheallee. Auf dieser Brücke attackierte die BFE auch einen Fotografen des Göttinger Tageblatts und einen Pfarrer. Mindestens 25 Menschen wurden durch diesen Einsatz der Polizei verletzt. Trotz dieses Versuchs die Demonstration aufzuhalten bzw. zu zerschlagen, zog sie geschlossen lautstark und kraftvoll weiter.
Tag X
Am Freitag, den 28. Januar 2011, entschied sich dann der betroffene Antifaschist, die von ihm geforderte DNA abzugeben. Gemeinsam mit Angehörigen der Presse, UnterstützerInnen von SPD, Grünen und DIE LINKE sowie seinem Anwalt begab er sich zur Polizeiwache. So bestimmte er zumindest den Zeitpunkt der Abnahme seiner DNA selbst und konnte dies unter einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit und mit solidarischer Unterstützung durchführen. In einer persönlichen Erklärung bedankte sich Martin R.: „In den letzten Wochen habe ich eine Menge Unterstützung und Solidarität erfahren, die mir viel Kraft gegeben hat. Ich möchte mich bei all denjenigen bedanken, die das alles möglich gemacht haben.“
In den Abendstunden desselben Tages versammelten sich über 300 UnterstützerInnen am Gänseliesel. In einem Redebeitrag erklärte ein Sprecher das Geschehen des Vormittags. „Wir sind heute hier, um unsere Wut auf die Straße zu tragen“, hieß es. Und weiter: „Jeder Angriff auf einen oder eine von uns ist ein Angriff auf uns alle! Kein Angriff bleibt unbeantwortet!“. In einer wütenden Demonstration zog die Menge unangemeldet durch die Stadt, zahlreiche Feuerwerkskörper wurden gezündet, Baustellenabsperrungen und Müllcontainer auf die Straßen gezerrt. Da am selben Tag nach 10 Jahren endlich wieder ein linker AStA gewählt wurde, zog die Demonstration zum Uni-Campus, von dem die Polizei durch die Demo vertrieben wurde. Auch fiel ein Kameramann der Polizei in die Wasseranlagen vor der Unibibliothek. Im Bereich der Goßlerstraße wurde ein Einsatzfahrzeug der Polizei mit Steinen attackiert. Als Vermummte sich mit Steinen ausgerüstet einem weiteren Einsatzfahrzeug näherten, floh dieses mit quietschenden Reifen. Die Demo endete schließlich Festnahmen wieder in der Innenstadt.
Der Prozess
Der erste Prozesstag gegen Martin R. am 16. Juni 2011 begann vor dem Amtsgericht Göttingen turbulent: Gleich drei Schulklassen wurden mit Einlasskarten versehen und bereits eine halbe Stunde vor Prozessbeginn in das Gebäude geleitet, um sodann alle Plätze der „öffentlichen Verhandlung“ zu besetzen. Außerdem mischten sich mehrere Beamte der politischen Polizei in Zivil unter die ZuschauerInnen. Die zahlreichen FreundInnen, Familienangehörigen und GenossInnen des Angeklagten wurden derweil in einer aufwendigen Einlasskontrolle beschäftigt. Als sie endlich in den vollbesetzten Saal gelangten, mussten sie sich Sitzplätze durch verbale Streitereien mit der Richterin erkämpfen. Einige GenossInnen wurden sogar des Saals verwiesen.
Der Prozess endete am zweiten Verhandlungstag, den 4. Juli 2011, mit einem Freispruch für Martin R. Keiner der vier Polizeizeugen konnte schildern, ob und wie der Beschuldigte einen Silvesterknaller gezündet haben soll.
Im Anschluss an den Freispruch ließ Oberstaatsanwalt Hans Hugo Heimgärtner öffentlich in der Presse verlauten, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Der Beschuldigte sei „zu Unrecht freigesprochen“ worden, so sein Kommentar. Martin R. und sein Rechtsanwalt erfahren von der Berufung zunächst nur durch die Presse.
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Staatsterrorismus stoppen!
Der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel hatte sein neues Büro in Hannover kaum bezogen, da lieferten ihm seine Göttinger Kollegen eine Steilvorlage. Auf die Marschrichtung der Polizeipressestelle, bei der Verpuffung im Kreishaus müsse es sich um einen „linksextremen Anschlag“ handeln, setzte er noch einen drauf. In Göttingen sei seinen Angaben aus einem NDR-Interview von Januar 2010 zufolge „die Schwelle zum Terrorismus“ erreicht worden. Linker Anschlag? Terrorismus? Das Verfassungsschutzpolizei-Duo Wargel-Kruse sowie ihr Chef Schünemann sind der Öffentlichkeit bisher jegliche Beweise schuldig.
Ein Blick auf die Umstände des Vorfalls im Kreishaus-Gebäude am 27.1.2010 lassen keine Beteiligung von linken AktivistInnen erkennen: In den Medien der radikalen Linken wird seit jeher ausgiebig über linke Militanz diskutiert. In den letzten Jahren findet in den Zeitschriften interim und radikal eine regelrechte Militanz-Debatte statt. Für linke Gruppen, die zum Angriff gegen den Staat und das Kapital übergehen, sind diese Debatten wichtige Orientierungspunkte. Zu den zentralen Aussagen dieser Diskussionen zählt, dass dem Leben von Menschen ein hoher Wert beigemessen wird. Nach gegenwärtigem Diskussionsstand wird auch das Leben von ausgemachten GegnerInnen nicht in Frage gestellt. Es ist kein Zufall, dass seit vielen Jahren weder Neonazis, noch Abschieberichter oder ähnliche Menschenjäger um ihr Leben fürchten mussten. Auch die Gesundheit von unbeteiligten Menschen darf innerhalb dieser Ethik unter keinen Umständen gefährdet werden.
Ein anderer Bezugspunkt innerhalb dieser Militanz-Debatten ist die Vermittelbarkeit. Auch unbeteiligten Menschen sollte sich erschließen können, warum und mit welchen Mitteln ein bestimmtes Ziel angegriffen wurde. In der Regel gehört dazu die Kommentierung durch ein ausführliches BekennerInnenschreiben. Durch solch ein Schreiben würde genau erläutert, was für ein Anschlag durchgeführt wurde und welche politische Botschaft damit vermittelt werden sollte.
Schon auf den ersten Blick treffen auf den Vorfall im Kreishaus keine dieser Kriterien zu. Ganz im Gegenteil: Ein unkontrolliertes Feuer in einem Verwaltungsgebäude während der Öffnungszeiten, würde MitarbeiterInnen wie BesucherInnen gleichermaßen in Gefahr bringen.
In den Wochen vor der Verpuffung in der Kreishaus-Teeküche haben in und um das Verwaltungsgebäude öffentliche Proteste gegen die Schikanierung und drohende Abschiebung von Flüchtlingen stattgefunden. Einen im Treppenhaus zurückgelassenen Pappkarton mit der Aufschrift „Abschiebe Stopp“ nun der linken Szene als BekennerInneschreiben unterzuschieben, kann auch nur jenen einfallen, die in dieser Art „Terror“ bestens ausgebildet sind.
Die radikale Linke wie auch die kritische Öffentlichkeit tun gut daran, die Anschuldigungen von Schünemann, Wargel und Kruse zurückzuweisen. Dabei geht es nicht um öffentliche Distanzierungen von „Gewalt und Extremismus“ wie es die Stadtratsfraktionen bis hin zu den Grünen und im Kreistag gar bis zur Partei DIE LINKE vollzogen haben. Es geht darum, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht von einem extrem rechten Innenminister mit seinen Geheimdienstpolizeichefs durch die Stadt jagen zu lassen. Es geht darum, aus der politischen Defensive zurück in die Offensive zu kommen.
Wer wissen will, was im Kreishaus wirklich geschah, kann sich nicht auf die Polizei verlassen. Wer wissen will, wer das Feuer im Afro-Shop am Ritterplan gelegt hat, was am Södderich bei Waake geschah, wer den Gemüseladen in Northeim niedergebrannt hat, muss kritische Fragen stellen, in Kontakt mit den Betroffenen treten und letztendlich eigene Recherchen anstellen.
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Interview mit Martin R.
Martin R. entzog sich durch offensives Handeln eine Zeitlang der Abnahme seiner DNA, indem er Anfang Januar 2011 für drei Wochen untergetaucht ist. Am 5. 1.2011 hätte er bei der Göttinger Polizeiwache erscheinen sollen. Am 7.1.2011 wird er von der Polizei zur Fahndung ausgeschrieben. Wir fragten Martin R. nach diesen Umständen.
Wieso hast Du Dich dazu entschieden unterzutauchen, anstatt Deine DNA zum festgelegten Termin abzugeben? So ein offensives Vorgehen ist doch eher selten in der heutigen radikalen Linken.
Es ist mir nicht leicht gefallen diese Entscheidung zu treffen, die mich von meinen FreundInnen und meiner Familie für einen unbestimmten Zeitraum trennte und auch meine Ausbildung so weit gefährdet hat, dass ich sie abbrechen musste. Trotzdem habe ich keine andere Möglichkeit gesehen, auf diese Situation aufmerksam zu machen. Ich hatte Vertrauen darauf, dass meine FreundInnen und GenossInnen mich voll und ganz unterstützen. Was mich vor allem motiviert hat war die Einsicht, welche gesellschaftliche Tragweite dieses Verfahren gegen mich hat und die Notwendigkeit, immer wider öffentlich zu machen, welch einem Druck ich und sicher auch andere linke Aktivisten ausgesetzt sind.
Kannst Du etwas aus der Zeit im Untergrund berichten?
Natürlich kann ich nicht sagen, wo genau ich mich aufgehalten habe - um mich und vor allem diejenigen GenossInnen, die mir dabei geholfen haben, zu schützen. Regelmäßig habe ich das Internet nach neuesten Infos zu meinem Fall gecheckt, schließlich konnte ich ja nicht in Email oder Telefonkontakt mit meinen Freundinnen und GenossInnen in Göttingen stehen. Nur während der Zeit auf einem Bauernhof Internetanschluss war auch das nicht möglich. Da war ich sehr ruhelos.
Ein Mal bin ich haarscharf aufgeflogen. Ich saß in einem Zug und da kam ein Polizist, der angefangen hat, Leute zu kontrollieren. Ich fing schon an, meine "Notfall-SMS" an die GenossInenn zu tippen, dass sie mich jetzt haben. Aus irgendeinem Grund hat er genau mich nicht kontrolliert. Da hatte ich wahnsinniges Glück!
Wie bist Du dann zurückgekommen?
Ich bin zur großen Solidaritätsdemonstration in Göttingen am 22. Januar 2011 zurückgekommen. Ich habe mich von Anfang an im ersten Drittel der Demo eingereiht, was ein sehr offensiver Schritt war. Dass ich in der Demo mitlief wurde durch den Lautsprecher dann auch wiederholt durchgesagt. Dann haben immer alle gejubelt, das war ein gutes Gefühl. Viele hatten damit gerechnet, dass die Polizei die Demo angreifen würde, um mich rauszuziehen und mich so zwangsweise zur DNA-Abnahme vorzuführen. Aber das haben sie nicht geschafft. Das war ein grandioser Erfolg für die Demo und unterstrich die Offensivität des gesamten Tages.
Wie kam es dann zur DNA-Entnahme am 28. Januar 2011? Warum bist Du schließlich doch zur Polizei gegangen?
Der breite politische Druck in Göttingen hatte schon dazu geführt, dass es keine weiteren Hausdurchsuchungen und noch schwerwiegendere Angriffe auf linke Demonstrationen gab. Der Druck konnte die Abnahme meiner DNA aber nicht verhindern. Das konnte ich nicht endlos weiter raus zögern. Ich musste nach der Zeit im Untergrund ja wieder einen geregelten Tagesablauf aufnehmen. Auch meiner Familie und meiner WG konnte ich diese Situation, die ja auch für sie gefährlich war, nicht weiter zumuten. Ich wollte den Termin der DNA-Entnahme zumindest selbst bestimmen.
Wie ging es dann weiter?
Offiziell sollte ich die DNA ja wegen eines angeblichen Böllerwurfes auf der Solidemo zur Hausdurchsuchung in der Roten Straße abgeben. Es wurde aber durch die Aktenlage klar, dass die Polizeibehörden damit DNA-Spuren, die nach der Verpuffung im Göttinger Kreishaus gefunden wurden, vergleichen wollten. Am 4. Juli 2011 wurde ich wegen der Böller-Wurf-Geschichte vom Amtsgericht Göttingen freigesprochen. Oberstaatsanwalt Hans Hugo Heimgärtner brennt dieser Fall aber weiterhin unter den Nägeln - vielleicht wegen der illegalen Vermengung mit der Kreishaus-Sache - so dass am 31. Januar 2012 der Prozess vor dem Landgericht wieder neu aufgerollt wird. Ich hoffe auch diesem Tag wieder auf breite Unterstützung!
Antifaschistische Linke International A.L.I. im Januar 2012
Material
Unsere Poster und Aufkleber zu Schünemann, Kruse und Waregel könnt ihr hier als PDF runter laden und Kopieren. Flyer, Aufrufe und Aufkleber findet ihr wie immer "links unten" im Roten Buchladen.
Schünemann - PDF (3,4 MB)
Kruse - PDF (1,9 MB)
Wargel - PDF (3,8 MB)
Presse
Presseinformation der A.L.I. vom 30. Januar 2012
Berufung zurückgezogen - Freispruch für jungen Antifaschisten "Martin R." ist rechtskräftig.
Kundgebung für VS-Auflösung am Donnerstag
Der Freispruch für den jungen Antifaschisten "Martin R." vom 4.7.2011 ist rechtskräftig. Per Fax teilte Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner heute gegenüber dem Rechtsanwalt des Betroffenen mit, dass er die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Göttingen zurückziehe.
Eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International A.L.I. äußerte ihre Erleichterung und Freude: "Heute knallen in vielen linken Wohngemeinschaften die Sektkorken! Dass der harte Hund Hans-Hugo Heimgärtner nun einknickt, muss als großartiger Erfolg der monatelangen Solidaritätsarbeit bewertet werden", kommentierte eine Sprecherin der A.L.I. den Rückzug der Berufung durch Göttingens Oberstaatsanwalt. Landtagsabgeordnete aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke sowie lokale Parteigliederungen, Gewerkschaftsjugendverbände, Unigruppen und linksradikale Initiativen hatten seit Dezember 2010 die erzwungene DNA-Entnahme bei "Martin R." zurückgewiesen und durch unterschiedlichste wichtige Beiträge ihre konkrete Solidarität ausgedrückt. Dafür dankte die Antifasprecherin allen Unterstützerinnen und Unterstützern.
Anlässlich der für den 31.1.2012 angesetzten Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Göttingen initiierte die A.L.I. die Kampagne "Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde - Schluss damit! Linke Politik verteidigen!". Unter diesem Motto fanden im Januar 2012 Veranstaltungen, Filmvorführungen und ein Solidaritätskonzert statt. Den donnernden Auftakt der Kampagne bot eine Veranstaltung des RCDS am 10.1.2012. Über 400 Menschen machten einen Auftritt von Innenminister Schünemann und Polizeichef Kruse im ZHG der Universität zum Debakel. Die aktuelle Kampagne setzt der langwierigen Solidaritätsarbeit nun das i-Tüpfelchen auf und hat noch einmal öffentliches Interesse und Diskussionen ausgelöst.
Für Donnerstag, den 2. Februar 2012, ruft die A.L.I. zu einer Kundgebung gegen den Besuch von Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel in Göttingen auf. Die offensichtlich gewordene Unterstützung für mordende Neonazis unterstreicht die Notwendigkeit der Auflösung des Verfassungsschutzes, begründete die Antifasprecherin. Die Kundgebung unter dem Motto "Wargel, Wasserkocher, Wehrsportgruppe - Weg damit!" beginnt um 18.30 Uhr am Markt/Gänseliesel in Göttingen.
Presseinformation der A.L.I. vom 10. Januar 2012
Schünemann-Besuch in Göttingen gerät zum Debakel
Wer übernimmt die Verantwortung für BFE-Einsatz in der Uni?
Der Besuch des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann in Göttingen geriet heute zum Debakel. Gut 400 Menschen begleiteten die Veranstaltung des RCDS im ZHG mit Blockaden und Parodien vor dem Hörsaal. Ebenso gab es Störungen des Minister-Auftritts im Hörsaal. Bei Einsätzen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit BFE im Zentralen Hörsaalgebäude kam es zu tumultartigen Szenen mit zahlreichen verletzten DemonstrantInnen.
Die Antifaschistische Linke International A.L.I. hatte zuvor zu einem Blockadetraining vor den Veranstaltungsräumen aufgerufen. Angesichts der Verharmlosung rechter Gewalt und der andauernden Repression gegen AntifaschistInnen wurden mit Innenminister Schünemann und Polizeichef Kruse die Verantwortungsträger dieser Politik mit linken Aktionsformen konfrontiert, so eine Sprecherin der A.L.I. Die Blockade des Haupteingangs des ZHG Hörsaals 008 bewertet die Antifa-Sprecherin als Erfolg.
Als tumultartig und teils aus dem Ruder laufend bewertete die A.L.I. den Polizeieinsatz zum Schutz der RCDS-Veranstaltung im ZHG und auf dem Universitätsgelände. Der Campus glich einer Polizeifestung, teilweise postierten sich Beamte unmittelbar vor Studentenwohnheimen im Kreuzbergring, schilderte die A.L.I.-Sprecherin die Situation. Durch den brachialen Einsatz sogenannter Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten BFE im ZHG kam es zu zahlreichen Verletzten. Die Beamten setzten beim Sturm auf die blockierten Hörsaal-Eingänge auch Tonfa-Schlagstöcke ein. Mindestens zwei Menschen wurden auf dem Campus festgenommen. Wer den Einsatz von BFEs in der Universität zulässt, plant Verletzte und Festnahmen ein. Für die verletzten Studierenden muss innerhalb der Universitätsleitung jemand die Verantwortung übernehmen, so die A.L.I.-Sprecherin. Der Leiter des Gebäudemanagements Rainer Bolli stand während des zunehmend eskalierenden Polizeieinsatzes untätig daneben und war zu keinem mäßigendem Eingreifen bereit.
Die heutigen Aktionen gegen den Schünemann- und Kruse-Auftritt in der Uni bilden für die Antifaschistische Linke International A.L.I. den Auftakt zu einer Kampagne gegen die repressive Innenpolitik in Niedersachsen und das politische Agieren von Justiz und Polizei. Unter dem Motto Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde... Schluss damit! Linke Politik verteidigen! finden in den nächsten Wochen Veranstaltungen, Musikkonzerte, Filmpräsentationen und die Begleitung des Berufungsprozesses gegen Martin R. statt. In diesen Tagen werden 10.000 Aufkleber mit den Konterfeis von Innenminister Schünemann, Polizeichef Kruse und Verfassungsschutzpräsident Wargel verklebt. Gut abgestimmt nutzen die Männer ihre Ämter, um kampagnenartig gegen Linke vorzugehen, MigrantInnen und Flüchtlinge zu drangsalieren und ihre schützenden Hände über bewaffnete Neonazis zu halten, erläuterte die A.L.I.-Sprecherin die Stoßrichtung ihrer Kampagne.
Presseinformation der A.L.I. vom 8. Januar 2012
Polizei jagt linke Plakatekleber auf dem Uni-Campus
Stellungnahme von Universitäts-Präsidentin erwartet
Die Polizei hat in der Nacht von Samstag, den 7. Januar 2012 auf Sonntag, den 8. Januar 2012 eine Jagd auf linke Plakatekleber auf dem Göttinger Universitäts-Campus veranstaltet. Anlass für den Einsatz von bis zu 5 Polizeifahrzeugen um und auf dem Campus war das Verkleben von Postern gegen den bevorstehenden Auftritt von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am kommenden Dienstag. Von mindestens zwei jungen Menschen wurden die Personalien aufgenommen.
"Es ist schon bezeichnend, dass die Göttinger Polizei einen derartigen Aufwand wegen einer Ordnungswidrigkeit betreibt"", so eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International A.L.I. "Offenbar betätigt sich die Göttinger Polizei einmal mehr als politische Handlangerin eines rechten Innenministers und versucht, Kritik an den Machenschaften ihres Chefs zu unterbinden". Eine derartige Hetzjagd auf linke Aktivisten nahe der Todesstelle der Antifaschistin Conny Wessmann an der Weender Landstraße weckt bei vielen Menschen zudem ungute Gefühle und zeigt, dass die Polizei jede Verhältnismäßigkeit aus den Augen verliert.
Für Jahrzehnte war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass der Campus im Sinne freier Wissenschaft und Lehre tabuisiertes Terrain für politische Polizeieinsätze war. Erst in den vergangenen Jahren wurde diese Kultur in Göttingen aufgeweicht. Seither kommt es regelmäßig zu Konflikten mit der Polizei bei Bildungsstreiks, Demonstrationen oder Veranstaltungen auf dem Uni-Gelände. Von der Universitäts-Präsidentin erhofft sich die A.L.I.-Sprecherin diesbezüglich nun eine deutliche Stellungnahme.
Für den 10. Januar 2012 ruft die A.L.I. zu einem Blockadetraining im Vorfeld des diesjährigen Dresdener Neonaziaufmarsches auf. Der Termin am Dienstag sei eine hervorragende Gelegenheit, um die Verantwortungsträger einer Neonazi-freundlichen Politik mit antifaschistischen Aktionsformen zu konfrontieren, so die Sprecherin der A.L.I. Das Blockadetraining beginnt um 17.30 Uhr vor dem ZHG, Hörsaal 009.
Presseinformation der A.L.I. vom 6. Januar 2012
Schünemann kommt nach Göttingen
A.L.I. ruft zu Blockadetraining auf
Für Dienstag, den 10. Januar 2012 lädt der RCDS Göttingen Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann und den Göttinger Polizeipräsident Robert Kruse zu einer öffentlichen Veranstaltung ins ZHG der Universität ein. Dort wollen sie ihre Sicht zum Thema „Wie sicher ist Niedersachsen?“ vortragen. Anlässlich der Verharmlosung rechter Gewalt und der andauernden Repression gegen AntifaschistInnen ruft die Antifaschistische Linke International A.L.I. zu einem Blockadetraining im ZHG um 17:30 Uhr auf.
Sowohl Innenminister Schünemann wie auch Polizeipräsident Kruse betonen zum Thema innere Sicherheit immer wieder die „Gefährlichkeit“ von angeblichen „Linksextremisten“, während sie in ihrer Bewertung rechter Gewalt mindestens auf einem Auge blind zu sein scheinen. Regelmäßig wird im Bericht des Verfassungsschutzes, Kruses ehemaligem Arbeitgeber, Göttingen als „Zentrum linksextremistischer Gewalt“ aufgeführt - eine Behauptung, die auch Schünemann gerne wörtlich zitiert. Neonazis, die sich bewaffnen, sind demgegenüber für den Innenminister offensichtlich kein Problem. Angesichts von massiven Waffenfunden bei Neonazis in Südniedersachsen 2008 ließ er lediglich verlauten, diese hätten eben eine „Affinität zu Waffen“. Auf eine parlamentarische Anfrage antwortete er damals: „Der Niedersächsischen Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich Rechtsextremisten bewaffnen um geplant politsch motivierte Straftaten zu begehen. Darüber hinaus sind auch keine Anzeichen für rechtterroristische Aktivitäten erkennbar.“ (Drs. 16/1363) Dass die Nazis die Waffen auch einsetzen, sieht Schünemann nicht. Nicht einmal dann, wenn in seinem Bundesland ein Helfer der NSU, Holger G., verhaftet wird. 2011 wiederholt er seine Einschätzung vor diesem Hintergrund fast wörtlich (Drs. 16/4225).
Während die Bedrohung bewaffneter und mordender Neonazis immer wieder heruntergespielt wird, hört die Repression gegen engagierte AntifaschistInnen nicht auf. Im Zuge der Verhinderung des größten Aufmarsches von Neonazis in Europa wurden unzählige Verfahren gegen linke AktivistInnen eingeleitet. Darin zeigt sich die Spitze einer politischen Kampagne, die sich bewusst und gezielt gegen linke Strukturen richtet.
Eine Sprecherin der A.L.I. sagt dazu:„Antifaschistisches Engagement ist nicht kriminell, sondern notwendig! Leute, denen die Kriminalisierung antifaschistischen Widerstandes derart am Herzen liegt, wie Uwe Schünemann, haben in Göttingen nichts verloren! Deswegen lassen wir uns den Raum für die politische Darstellung nicht nehmen, sodern werden genau an der Stelle, an der Schünemann und Kruse ihren Auftritt planen, die politische Bühne besetzen.“
Als Zeichen unserers solidarischen Widerstands und als Warming-up für Dresden 2012 rufen wir daher zum Blockadetraining im ZHG am Dienstag, den 10. Januar um 17:30 Uhr auf. Treffpunkt ist vor dem Hörsaal 009 des ZHG.
Medienberichte
GT, 4.2.2012
„Phase der enttäuschten Hoffnung“
Hans-Werner Wargel über Extremismus
Es war sein zweiter Auftritt in Göttingen innerhalb kurzer Zeit: Der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel, sprach am Donnerstag, 2. Februar, auf Einladung des CDU-Stadtverbandes vor Parteimitgliedern zum Thema „Extremismus in Niedersachsen“.
Göttingen . Wargel, der früher Polizeipräsident in Göttingen war, ging dabei auf die verschiedenen in Niedersachsen anzutreffenden Ausprägungen des Extremismus ein. Dazu zählten Islamismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus und militante Tierrechtler. Im Bereich des Rechtsextremismus seien die Aktivitäten in Göttingen überschaubar. Die seien auf Wahlkampfwerbung beschränkt und „die ein oder andere Kranzniederlegung“, so Wargel. Anders bewertet er den Linksextremismus. Der befinde sich nach Auffassung des Verfassungsschutzes in einer Phase der enttäuschten Hoffnung. Aktionen wie die Ausschreitungen in Paris (2005) und London (2011) sowie Weltwirtschaftskrise und „Arabellion“ hätten keine Auswirkungen auf die Systeme gehabt, gegen die sich Linksextreme zur Wehr setzten. Göttingen zähle dabei neben Berlin und Hamburg zu einem der Brennpunkte im Bundesgebiet. Dazu zählte er etliche Brandanschläge und Gewaltakte aus der jüngeren Vergangenheit auf. Die Ziele: die Göttinger Justizbehörden, das Kreishaus, ein Burschenschaftshaus sowie Fahrzeuge von Polizei und Stadtwerken.
GT, 3.2.2012
Kundgebung
Proteste gegen Überwachung und Schünemann
Um die 100 Menschen haben gestern bei klirrender Kälte in der Innenstadt gegen die Sicherheitspolitik der niedersächsischen Landesregierung und ihrem Umgang mit dem linken politischen Spektrum protestiert.
Göttingen . Vor dem Gänseliesel forderten linke Gruppierungen, darunter Patrick Humke von der Linkspartei, unter anderem die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Der Geheimdienst sei ein Instrument, um linke Opposition zu kriminalisieren, erklärte eine Sprecherin. Humke kritisierte vor allem Niedersachsens Verfassungsschutz-Chef Hans Wargel und seinen Umgang mit ihrer Partei und generell allen linkspolitischen Bestrebungen. Kürzlich hatte Wargel bestätigt, dass auch Teile der Landtagsabgeordneten der Linken und antifaschistische Gruppen in Göttingen mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden. Damit, so die Kritik, zeigten Wargel und Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ihren Hass gegenüber allem Linken. Gleichzeitig würden rechte Taten immer wieder verharmlost. Zeitgleich sprach Verfassungsschutzpräsident Wargel auf Einladung des Göttinger CDU-Kreisverbandes im Hotel Freizeit In über „Extremismus in Niedersachsen und Göttingen“. Wargel war bis Anfang 2010 Polizeipräsident in Göttingen.
HNA, 3.2.2012
Linken-Demo in Göttingen verlief ruhig
Göttingen. Etwa 100 Demonstranten haben am Donnerstagabend bei klirrender Kälte auf dem Göttinger Marktplatz gegen die Arbeit des Verfassungsschutzes protestiert. Anlass der Kundgebung war eine Veranstaltung der CDU mit dem Leiter des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel, im Hotel „Freizeit In“. Dort hatten sich ebenfalls einige Polizisten postiert. Angemeldet hatte die Kundgebung der Göttinger Landtagsabgeordnete der Linken, Patrick Humke.
HNA, 2.2.2012
Brandanschläge auf Kreishaus und Gericht: Bekennerbrief aufgetaucht
Göttingen. Zwei Jahre nach dem Brandanschlag im Göttinger Kreishaus, bei dem ein 25-jähriger Mitarbeiter der Ausländerbehörde verletzt wurde, hat es erstmals ein Bekennerschreiben zu der Tat gegeben.
In einem am Dienstag auf einer linksradikalen Internet-Plattform verbreiteten „Kommuniqué“ bekennt sich eine Sektion Göttingen der „Revolutionären Zellen“ (RAZ) sowohl zu dem Anschlag im Kreishaus als auch zu dem im Dezember 2011 verübten Brandanschlag am Göttinger Amts- und Landgericht. Die Polizei prüft, ob das vermeintliche Bekennerschreiben als echt einzustufen ist. Eine abschließende Bewertung liege noch nicht vor, teilte Polizeisprecherin Jasmin Kaatz am Mittwoch mit. Die militante Gruppe „Revolutionäre Aktionszellen“, die von der Bundesanwaltschaft als kriminelle Vereinigung eingestuft wird, war bisher hauptsächlich in Berlin aktiv. In Göttingen ist sie bisher nicht in Erscheinung getreten. Einen ersten Hinweis gab es bei dem Brandanschlag auf das Göttinger Landgericht, bei dem ein Schaden von mehreren zehntausend Euro entstand. Die Täter hatten vor dem Gerichtseingang mehrere Gaskartuschen entzündet und an einen Pfeiler die Buchstaben „RAZ“ gesprüht. In dem vermeintlichen Bekennerschreiben fällt auf, dass die angeblich in Göttingen gegründete „Zelle“ anders als die bislang bekannten Gruppierungen keinen speziellen Namen hat. Sollte das Schreiben echt sein, erscheinen zwei Aspekte bemerkenswert: Erstmals wird eingeräumt, dass der Brand im Kreishaus im Januar 2010 ein politisch motivierter Anschlag war. Dies hatten nicht nur Sympathisanten der linksautonomen Szene in Zweifel gezogen.
Linke Szene uneins
Zum anderen wird eingeräumt, dass der Anschlag im Kreishaus innerhalb der Szene auf heftige Kritik gestoßen ist. Dies ist nach Angaben der Verfasser auch der Grund, warum sich bislang niemand zu der Tat bekannt habe. Sie aber hätten sich nun den „Revolutionären Aktionszellen“ angeschlossen und den Brandanschlag auf das Göttinger Gerichtsgebäude verübt. Der Brandanschlag im Kreishaus hatte heftige Diskussionen in der Szene ausgelöst, weil es das erste Mal war, dass bei einem vermutlich politisch motivierten Anschlag in Göttingen ein Mensch verletzt wurde. Die Verfasser des angeblichen Bekennerschreibens merken dazu an, dass „außer durch übermut einzelner ausländerbehördenmitarbeiter“ keine Menschenleben gefährdet gewesen seien.
HNA, 1.2.2012
Antifa ruft zu Kundgebung auf: Protest gegen Wargel
Göttingen. Anlässlich eines Vortrags des niedersächsischen Verfassungsschutzchefs Hans Wargel in Göttingen haben linke Gruppen zu Protest aufgerufen.
Unter dem Motto „Wargel, Wasserkocher, Wehrsportgruppen - Weg damit!“ plant die Gruppe Antifaschistische Linke International für Donnerstag, 2. Februar, eine Kundgebung am Gänseliesel vor dem Alten Rathaus. Die Protestveranstaltung soll um 18.30 Uhr beginnen.
Hans Wargel ist seit 2010 Präsident des niedersächsischen Landesamts für Verfassungsschutz, zuvor leitete er die Polizeidirektion Göttingen. Auf Einladung des CDU-Kreisverbands Göttingen spricht er am Donnerstagabend auf einer internen Veranstaltung der Partei.
Erst Mitte Januar war es im Hörsaalgebäude der Universität zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen, als linke Gruppen dort gegen einen Auftritt von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) protestierten. Die Aktion hatte über 20 Anzeigen gegen Demonstranten, aber auch gegen Polizisten nach sich gezogen. Die Polizei hat die Aufarbeitung dieses Einsatzes noch nicht abgeschlossen.
HNA, 1.2.2012
Böllerwurf: Staatsanwaltschaft zieht Berufung zurück - DNA-Analyse wird vernichtet
Endgültiger Freispruch für Linken
GÖTTINGEN. Ein Zwischenfall mit einem Knallkörper bei einer Demonstration in Göttingen, durch den ein Polizist ein Knalltrauma erlitten hatte, bleibt ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat jetzt ihre Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Göttingen zurückgezogen.
Das Gericht hatte im vergangenen Juli einen 21-jährigen Göttinger Linksaktivisten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei gesprochen. Nach Ansicht des Gerichts ließ sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen, dass der Angeklagte den Böller gezündet hatte. Ursprünglich hatte am gestrigen Dienstag die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht stattfinden sollen. Durch die Rücknahme der Berufung ist der Freispruch jetzt rechtskräftig geworden.
Finger- und Handabdrücke bleiben gespeichert
Dies habe zur Folge, dass die von dem Angeklagten gespeicherte DNA-Analyse vernichtet werde, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hans-Hugo Heimgärtner. Der 21-Jährige war gegen die angeordnete DNA-Entnahme bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, das seine Beschwerde allerdings nicht annahm. Daraufhin gab er schließlich eine Speichelprobe ab. Seine Fingerabdrücke bleiben allerdings in der entsprechenden Polizeidatei gespeichert. Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte in der vergangenen Woche seine Klage gegen die erkennungsdienstliche Behandlung abgewiesen. Der Kläger sei als Beschuldigter geführt worden, sagte ein Gerichtssprecher. Da er wiederholt bei Demonstrationen auffällig geworden sei, bestehe eine Wiederholungsgefahr. Die Finger-, Handflächen- und Handkantenabdrücke sowie die Fotos dienten dazu, ihn bei eventuellen zukünftigen Straftaten identifizieren zu können.
GT, 26.1.2012
Abnahme von Fingerabdrücken
„Politisch radikale Überzeugungen“
Weil er mit einem Böllerwurf einem Polizisten ein Knalltrauma beigebracht haben soll, steht Martin R. (21) nächste Woche erneut vor Gericht. Am Mittwoch wehrte er sich vor dem Verwaltungsgericht gegen die sogenannte erkennungsdienstliche Behandlung.
Göttingen . Von R. waren Fingerabdrücke genommen und Fotos gemacht worden. Der Vorwurf sei vorgeschoben, beklagt sein Rechtsanwalt Sven Adam. Weil man R. nach dem Brandanschlag auf das Kreishaus, mit dem R. in Verbindung gestanden haben soll, nicht habhaft wurde, schiebe man nun diesen Böllerwurf vor, um an seine Identifizierungsmerkmale zu kommen. Das Gericht wies R.s Klage gestern ab.
Die erkennungsdienstliche Behandlung sei rechtmäßig, weil von R. bereits mehrfach einschlägige Straftaten ausgegangen seien, so Gerichtssprecher Dieter Wenderoth. „Es besteht weiterhin die Gefahr von Straftaten.“ R. war mit 15 Jahren erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten. Darunter: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (R. hatte zu einer Demonstration Pflastersteine und Böller mitgebracht), Widerstand, versuchte Körperverletzung, Landfriedensbruch und Beleidigung. Adam bezeichnete das als „Bagatelldelikte“: „Jedes Vergehen ist ein Vergehen, das sich in niedrigster strafrechtlicher Intensität bewegt.“ Sein Mandant habe noch nie einen Menschen verletzt.
Die Polizeidirektion sieht in Martin R. hingegen einen Menschen mit „politisch radikalen Überzeugungen“, bei dem auch weitere Radikalisierung nicht ausgeschlossen sei. R. lasse sich zudem weder von Gerichten noch von polizeilichen Maßnahmen beeindrucken: Am Tag, als R. den Böller geworfen haben soll, sei er in Dortmund wegen eines ähnlichen Vorwurfs zur Vernehmung geladen gewesen. R.s Anwalt will nun Rechtsmittel prüfen.
In der vergangen Woche hatte Adam mit einer ähnlichen Klage Erfolg. Da sah das Gericht die erkennungsdienstliche Behandlung als unverhältnismäßig an. Der Täter war allerdings nicht vorbestraft und hatte sich entschuldigt.
GT, 26.1.2012
Abnahme von Fingerabdrücken
Kommentar: Kein Recht auf Krawall
Von Lukas Breitenbach
Wer mit 16 nicht Anarchist ist, ist ein Idiot. Aber wer es mit 40 noch ist, ist es auch.“ So soll es der französische Politiker Georges Clemenceau einmal formuliert haben. So gesehen hat der 21 Jahre alte Martin R. noch einige Jahre Zeit. Ganz klar: Das Recht, sich zu versammeln und zu demonstrieren, ist ein hohes Gut und muss verteidigt werden. Um seine politische Überzeugung auf der Straße zu vertreten, benötigt man aber weder Pflastersteine noch Böller. Wer damit loszieht, will nicht demonstrieren, sondern Krawall machen. Wer ein professioneller Demo-Besucher wie R. ist, sollte sich mit den Gepflogenheiten auskennen. Dann kann man sich auch nicht beschweren, wenn die Polizei reagiert. Und das – so hat es das Gericht befunden – im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Der Anwalt hingegen hält das alles für vorgeschoben – vielleicht nicht ganz zu unrecht. Man habe nur auf eine Gelegenheit gewartet, um R. in die Verbrecherkartei aufzunehmen. Selbst wenn: Es sieht nicht danach aus, als habe R. das der Polizei schwer gemacht.
GT, 26.1.2012
Verfassungsschutz
Humke fordert Offenlegung
Die Links-Partei wird auch in Niedersachsen vom Verfassungsschutz nachrichtendienstlich beobachtet. Das sagte der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel gestern. Der Verfassungsschutz speichert in Niedersachsen laut der Nachrichtenagentur dpa derzeit Informationen über acht Landtags- und sechs Bundestagsabgeordnete.
Göttingen . Auch der Göttinger Landtagsabgeordnete Patrick Humke geht davon aus, dass seine Telefonate abgehört oder seine E-Mails von der Behörde kontrolliert wurden. „Das gehört zu nachrichtendienstlichen Beobachtungen dazu“, sagt der Abgeordnete. Humke, der bereits zahlreiche Demonstrationen in Göttingen angemeldet hat, steht schon länger unter Beobachtung. Seit Jahren tauchen er und seine Partei im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht auf. Humke wirke als Bindeglied zwischen seiner Partei und der autonomen Szene, heißt es dort. „Bei keiner meiner Demos hat es Ausschreitungen gegeben“, sagt der Göttinger.
Über diese nachrichtendienstliche Behandlung will Humke nun Auskunft haben. „Ich werde ein Ersuchen stellen, ich habe nichts zu verbergen und fordere die Offenlegung meiner Akte“, so der Politiker. Er wolle wissen, ob und wie er bespitzelt worden sei. Auch der Landtag soll sich weiter mit dem Thema beschäftigen. Humke rechnet zudem damit, dass V-Leute in seine Partei eingeschleust wurden, um Informationen an den Verfassungsschutz zu liefern. Einen Einsatz von V-Leuten wollte Wargel gestern weder dementieren noch bestätigen.
Die Göttinger Europaabgeordnete der Linken, Sabine Lösing, kritisiert die geheimdienstliche Observierung der Partei-Mitglieder scharf. „Das ist ein Angriff auf die Grundfeste der Demokratie“, sagte sie gestern in Brüssel gegenüber dem Tageblatt. Dass die Linkspartei beobachtet werde, sei ja bekannt. Nun habe sie aber den Eindruck, dass mit der Bespitzelung Menschen, die sich für soziale Gerechtigkeit und gegen Neofaschisten einsetzten, Angst gemacht werden solle. Unverständlich sei auch, dass beim Verfassungsschutz ebenso viele Mitarbeiter für Links- wie Rechtsextremismus eingesetzt würden.
Auf Einladung des CDU-Kreisverbandes referiert Verfassungsschutz-Chef Wargel, der bis Anfang 2010 noch Polizeipräsident in Göttingen war, über das Thema. Der Bericht über „Gefahren des Extremismus in Niedersachsen und Göttingen“ beginnt am Donnerstag, 2. Februar, um 19 Uhr im Hotel Freizeit In, Dransfelder Straße 3.
HNA, 31.1.2012
Nach Auftritt von Innenminister an Uni: Demonstranten zeigen Polizisten an
Bei der Staatsanwaltschaft Göttingen liegen sieben Anzeigen von Demonstranten gegen Polizeibeamte vor. Die Polizei ihrerseits hat 15 Anzeigen gegen Demonstranten geschrieben. Das bestätigten Staatsanwaltschaft und Polizei am Montag auf HNA-Anfrage. Die sieben Anzeigen von Demonstranten seien allesamt von einer Anwältin gestellt worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hans-Hugo Heimgärtner. Sie richteten sich gegen bislang unbekannte Polizeibeamte und seien pauschal gehalten. Die Rede sei von den Vorfällen „in und um das ZHG“ und allgemein von Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft habe deswegen zunächst darum gebeten, die Vorwürfe deutlicher zu fassen, also zum Beispiel die angebliche Tathandlung zu präzisieren und die Art der Verletzungen zu schildern, eventuell auch Atteste beizufügen. Eine Antwort darauf stehe noch aus. Bei Verfahren, die sich gegen Polizeibeamte richten, werde im Einzelfall entschieden, wer die Ermittlungen übernehme, sagte der Göttinger Polizeisprecher Joachim Lüther. Die Ermittlungen leiten solle dann „möglichst eine Polizeieinheit, die an dem betreffenden Einsatz nicht beteiligt war“, in diesem Fall also etwa die Polizeiinspektion Northeim. Die Polizei hat laut Lüther bisher 15 Ermittlungsverfahren gegen Demonstranten eingeleitet. Die Vorwürfe lauten unter anderem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch. Vor und nach dem Vortrag von Innenminister Schünemann im ZHG war es zu Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und der Polizei gekommen. Dabei wurden nach Polizeiangaben sechs Polizisten verletzt. Auch mehrere Demonstranten zogen sich Verletzungen zu, offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Mindestens zwei Demonstranten suchten nach der Protestaktion die Notaufnahme des Uni-Klinikums auf.
GT, 23.1.2012
Schünemann-Bilanz
20 Verfahren als Demofolge
Der Besuch von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) beim Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) am Dienstag, 10. Januar, wird ein umfangreiches juristisches Nachspiel haben.
Göttingen . Bis jetzt sind bereits mehr als 20 Strafverfahren eingeleitet beziehungsweise Strafanzeigen erstattet worden. Allein die Polizeiinspektion Göttingen spricht von mehr als einem Dutzend Verfahren gegen Demonstrationsteilnehmer wegen Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruches, Sachbeschädigung sowie Verunglimpfung des Staates. Es werde aber, so Inspektionsleiter Thomas Rath auf Tageblatt-Anfrage, mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere Strafverfahren geben, wenn das weitere Videomaterial erst ausgewertet ist. Die Polizei ist damit gerade beschäftigt. Eine endgültige Anzahl an Strafverfahren könne er noch nicht benennen, sagt Rath. Auch gegen Polizeibeamte gibt es eine Reihe von Strafanzeigen. So hat eine Anwältin im Namen von sieben Mandanten Strafantrag gestellt, diese aber bisher nicht begründet. Weder seien die Tatvorwürfe konkretisiert, noch die Umstände der angeblichen Straftaten im Amt hinreichend schlüssig dargelegt. Es wird lediglich der Vorwurf der Körperverletzung gegen Unbekannt gemacht. Am 10. Januar war es im und vor dem Zentralen Hörsaalgebäude der Universität zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen, als versucht wurde, die Eingänge zum Hörsaal zu blockieren.
Junge Welt 14.1.2012
Polizeieinsatz hat juristisches Nachspiel
Auftritt von Niedersachsens Innenminister in Göttingen beschäftigt Justiz und Landtag
Ein Auftritt von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Dienstag abend in der Universität Göttingen wird die Justiz und den Landtag beschäftigen. Der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) kündigte an, daß mindestens neun Personen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt anzeigen wollen.
Schünemann und Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse hatten am Dienstag auf Einladung des CDU-nahen Studentenverbandes RCDS an der Göttinger Universität über Sicherheitspolitik referiert. Vor dem Hörsaal war es zu Tumulten gekommen, als Polizisten eine Blockade von Schünemann-Gegnern an den Eingängen gewaltsam räumten. Bei dem von Beobachtern einhellig als ruppig beschriebenen Einsatz schlugen Beamte Demonstranten auch mit Fäusten ins Gesicht. Etliche Studenten, nach Polizeiangaben aber auch sechs Beamte, wurden verletzt.
Die Göttinger Anwältin Marlene Jendral sagte, die Anzeigen gegen die Polizei erfolgten nach Auswertung von Videos und Zeugenberichten. Aus dem Videomaterial unter anderem des Norddeutschen Rundfunks seien die konkret handelnden Polizeibeamten zu ermitteln. Der AStA unterstützt die juristische Initiative der neun Studenten. »Wir sehen die Universität nicht als rechtsfreien Raum und erstatten deshalb Anzeige«, so der AStA-Vorsitzende Kay Bents.
Linke, SPD und Grüne wollen die Vorfälle zum Thema im Landtag machen. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Meta Janssen-Kucz, verlangte am Donnerstag eine unverzügliche Unterrichtung des Innenausschusses. Der Polizeieinsatz, bei dem es Verletzte auf seiten der Demonstranten und der Beamten gegeben habe, sei »unverhältnismäßig« gewesen. Die Landesregierung und Schünemann selbst sollten ein großes Interesse an der sofortigen Aufklärung der Vorgänge haben.
Die SPD unterstützte den Vorstoß, wandte sich aber gegen eine zu frühe Unterrichtung im Ausschuß. »Die Begleitumstände der Veranstaltung waren recht besonders«, sagte der Innenexperte der Landtagsfraktion, Heiner Bartling. »Wir wollen uns zunächst ein komplettes Bild des Geschehens machen, bevor wir die Landesregierung mit unseren Fragen konfrontieren.«
So habe die SPD-Fraktion erst später erfahren, daß augenscheinlich für die Wahlkampfveranstaltung des RCDS extra Lehrveranstaltungen abgesagt worden seien. »Wir möchten schon genauer erfahren, ob etwa die Veranstaltung von Anfang an der Provokation dienen sollte und ob die Veranstalter es auf Gewaltbilder angelegt hatten«, sagte Bartling weiter. Ende Januar finden an der Göttinger Universität die Wahlen zum Studierendenparlament statt.
Der Landtagsabgeordnete der Linken, Patrick Humke, hat nach eigenen Angaben »selbst gesehen, daß Polizeikräfte mit Anlauf und in voller Montur Rücksicht Leute umrannten, wegschubsten, um offensichtlich Eingänge zum Saal zu besetzen«. Auch die Grüne Jugend und die Antifaschistische Linke Internationale (ALI), die zu Protesten gegen den Schünemann-Besuch aufgerufen hatten, kritisieren den Polizeieinsatz. »Daß friedlich demonstrierende Studierende in ihrer Universität zusammengeschlagen werden, ist ein nichthaltbarer Zustand«, so eine Sprecherin des Jugendverbandes der Grünen. Die ALI prangerte insbesondere den »brachialen Einsatz« von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) in der Hochschule an. Für die verletzten Studierenden müsse die Universitätsleitung die Verantwortung übernehmen.
GT 14.1.2012
Landes-SPD will prüfen
Wahlkampf für den RCDS?
Die Landtagsfraktion der SPD unterstützt den Vorstoß der Grünen, den Polizeieinsatz beim Besuch des Innenministers Uwe Schünemann (CDU) beim Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) in Göttingen im Innenausschuss zu behandeln.
Göttingen. Allerdings, so der frühere Innenminister Heiner Bartling (SPD), wolle man erst Fakten sammeln. Es habe sich nämlich, wie Informanten an die SPD herangetragen hätten, „augenscheinlich um eine Wahlkampfveranstaltung“ des RCDS vor den Studentenparlaments-Wahlen gehandelt, für die eigens Lehrveranstaltungen abgesagt wurden. „Wir möchten erfahren, ob etwa die Veranstaltung von Anfang an der Provokation dienen sollte und ob die Veranstalter es auf Gewaltbilder angelegt hatten“, sagt Bartling.
Auch die Juso-Schülergruppe hat den Einsatz der Polizei verurteilt. „Von den Protestierenden ging zu keiner Zeit Gewalt aus“, schreiben sie. Stadt- und Kreisverband der Grünen sehen Aufnahmen des NDR als Beweis dafür, dass die Aggression nicht von den Demonstranten ausging. Die Behauptung von Polizeipräsident Kruse, nur starke Polizeipräsenz bewahre Gewaltfreiheit, verdrehe somit die Tatsachen.
HNA 14.1.2012
Grüne, SPD und Jusos kritisieren den harten Polizeieinsatz bei Schünemann-Rede
Konflikt war abzusehen
Göttingen. Die Veranstaltung des Ringes Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) mit Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zur Sicherheitspolitik im Zentralen Hörsaalgebäude sowie die Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizisten am Dienstagabend sorgt weiter für Diskussionen.
Die Göttinger Grünen bezeichnen den Polizei-Einsatz als „vollkommen übertrieben“, die Landtagsfraktion spricht von einem „unverhältnismäßigen“ Vorgehen. Die Göttinger Jusos werfen der Polizei vor, „eine auf Eskalation ausgerichtete Taktik“ gefahren zu haben und kritisieren, dass durch den Polizei-Einsatz und die Räumung im Hörsaalgebäude das Recht der freien Meinungsäußerung von Demonstranten eingeschränkt worden sei. Gleiches beklagte auch die Studentenvertretung AStA. Der SPD-Stadtverband schließlich greift auch den Veranstalter RCDS an.
Der habe „mit dieser Veranstaltung bewusst eine Situation herbeiführen wollen, in der es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt“, schreibt Horst Reinert in einer Pressemitteilung. Es passe aber nicht in das Weltbild des RCDS, dass die Eskalation durch die Polizei provoziert worden sei. „Wenn, wie in Göttingen offensichtlich geschehen, die interessierte Öffentlichkeit von einer solchen Veranstaltung an einem öffentlichen Ort ausgeschlossen wird, sind Konflikte absehbar“, formuliert die Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Meta Janssen-Kucz, in einer Pressemitteilung. Sie kritisiert auch, dass eine Unterrichtung des Innenausschusses mehrheitlich abgelehnt worden ist.
Polizei trägt Mitschuld
Für die SPD wie auch die Grünen in Göttingen trägt die Polizei eine Mitschuld an der Eskalation und der Folge, dass auf beiden Seiten mehr als zehn Menschen verletzt worden sind. Aufnahmen des NDR-Fernsehens belegten eindeutig, dass „die Aggression nicht von den Demonstrierenden ausgegangen und die Polizei unverhältnismäßig vorgegangen ist“, sagt Lino Klevesath.
Benjamin Heimann von den Jusos drückt es drastischer aus und spricht von „knüppelnden Polizeieinheiten“ und einem „fundamentalen Eingriff in das Grundrecht auf freie Meinung“. Die Jusos, von denen auch Demonstranten verletzt worden waren, kündigen indirekt weitere Proteste gegen die Abschiebepraxis deutscher Behörden und die Verharmlosung rechter Gewalt durch Politiker wie Uwe Schünemann an: „Schünemanns Law and Order und Kruses Prügeltaktiken werden wir auch in Zukunft nicht akzeptieren“, sagt Cornelia Seiberl.
Die Polizei hatte das Räumen im Hörsaalgebäude damit begründet, dass 100 Personen versucht hatten, sich durch Drücken gegen die Tür gewaltsam Zugang zum Hörsaal zu verschaffen. Auf einem HNA-Video ist zu erkennen, wie ein bedrängt wird. Bei den folgenden Auseinandersetzungen waren sechs Polizisten durch Tritte und Schläge sowie sieben Demonstranten verletzt worden. Polizeichef Robert Kruse hatten den Einsatz als „angemessen, konsequent und professionell“ bezeichnet.
Die Grünen im Landtag jedenfalls fordern die Landesregierung und den Innenminister auf, die Angelegenheit aufzuklären: „Daran müsste man ein großes Interesse haben“, sagt Meta Janssen-Kucz.
taz 13.1.2012
Polizeigewalt
Polizei am Pranger
Politiker und Studierende veranlassen, dass der gewalttätige Polizeieinsatz bei einer Demonstration an der Universität Göttingen untersucht wird.
GÖTTINGEN taz | Der rabiate Polizeieinsatz gegen Demonstrierende in der Uni Göttingen am vergangenen Dienstag wird nun auch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Grüne und Linkspartei scheiterten zwar am Donnerstag mit ihrem Antrag, das Geschehen bereits in der kommenden Woche im Landtagsplenum zu diskutieren. Nun soll der Einsatz jedoch in einer der kommenden Sitzungen des Innenausschusses thematisiert werden. "Die Landesregierung und Innenminister Schünemann selbst sollten ein großes Interesse an der sofortigen Aufklärung über den Veranstaltungsverlauf und den Polizeieinsatz haben", sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Meta Janssen-Kucz. Der Einsatz sei unverhältnismäßig gewesen.
Die Polizei hatte am Dienstag die Blockade von zwei Türen zu einem Hörsaal, in dem Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zusammen mit Polizeipräsident Robert Kruse einen Vortrag hielt, mit grober Gewalt aufgelöst. Zwei Videos des NDR zeigen deutlich, wie Beamte dabei unvermittelt in die Gesichter der Demonstrierenden boxen und einen passiv auftretenden Demonstranten mit dem Kopf gegen eine Wand schleudern.
Zunächst hatte die Polizei als Grund für ihr Vorgehen angegeben, die BlockiererInnen hätten versucht, die Türen aufzudrücken und den Hörsaal zu stürmen. Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) wies anschließend darauf hin, dass sich die Türen nur nach außen hin öffnen lassen. Im Göttinger Tageblatt sagte Polizeiinspektionsleiter Thomas Rath daraufhin, die Polizisten, die die Türen sicherten, seien getreten worden und hätten um Hilfe gebeten. Auf Anfrage der taz betonte eine Polizeisprecherin, die Blockierer hätten permanent versucht, "unberechtigt in den Veranstaltungsraum zu gelangen." Dadurch sei die Veranstaltung unmittelbar gefährdet worden.
Auch juristisch wird der Einsatz Folgen haben. Der Asta kündigte an, gemeinsam mit neun Studierenden Strafanzeigen gegen PolizeibeamtInnen stellen zu wollen. Insbesondere wehrt sich der Asta auch gegen die Darstellung der Polizei, bei den Demonstrierenden habe es sich um "linksmotivierte Straftäter" gehandelt. "Die wahrheitsvertuschenden Aussagen, die von der Polizei in der Öffentlichkeit verbreitet werden, sind für uns nicht hinzunehmen", sagte Asta-Sprecher Patrick Michaelis. "Bereits die Behauptung des Polizeipräsidenten, es handle sich bei den Protestierenden um ,Straftäter', zeugt von einer grundsätzlichen Vorverurteilung politischen Engagements."
Kritik muss sich auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) gefallen lassen, der den Vortrag veranstaltet hatte. Die Landtags-SPD vermutet, dieser habe die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegendemonstrierenden einkalkuliert. "Wir möchten schon genauer erfahren, ob etwa die Veranstaltung von Anfang an der Provokation dienen sollte und ob die Veranstalter es auf Gewaltbilder angelegt hatten", sagte SPD-Innenpolitiker Heiner Bartling. Bei der SPD-Fraktion seien seit Donnerstagmorgen mehrere Hinweise darauf eingegangen. Der ehemalige RCDS-Vorsitzende Sascha Tietz hatte sich nach der Veranstaltung über Twitter bei allen "freiwilligen und unfreiwilligen Wahlkampfhelfern" bedankt.
GT 13.1.2012
Anzeigen gegen Polizei
Gewaltexzess oder legitim?
Göttingen. Besonders die Auflösung der Blockade zweier von vier Eingängen in den Hörsaal wird kritisiert. Ein Trupp Polizisten war um 19.05 Uhr, als der Minister seinen Vortrag beendete, in die Demonstrantengruppe gestürmt und hatte diese mit Schubsen und Faustschlägen verdrängt. Videoaufnahmen, etwa des NDR, zeigen, wie Beamte mit Fäusten auf Menschen einschlagen, die mit dem Rücken zur Wand stehen.
Warum ein Einsatz in der Form aus Polizeisicht notwendig war, erklärt auf Anfrage Einsatzleiter Thomas Rath: Die Polizisten, die die Türen sicherten, seien getreten worden und hätten um Hilfe gebeten. Kollegen seien nicht durchgelassen worden. Auch die aus dem Hörsaalinneren nachrückenden Beamten hätten die nicht verschließbaren Türen nicht sichern können. Darum sei ein Trupp zu den Türen vorgestoßen und auf Gegenwehr gestoßen. Es habe zuvor mehrere Aufforderungen gegeben, sich zu entfernen.
Der Asta zeigt sich schockiert und macht der Universitätsleitung Vorwürfe, derartige Einsätze zu billigen. In einer Asta-Mitteilung wird auch behauptet, Polizisten hätten einem am Boden liegenden Demonstranten „den Kopf auf den Asphalt geschlagen“. Es gab zahlreiche verletzte Studenten sowie sechs verletzte Polizisten.
Die Juso-Hochschulgruppe meint, die Polizei sei „außerordentlich massiv und gewaltgeladen“ gegen eine „gewaltfreie Blockade“ vorgegangen. Die Grüne Jugend sagt: „Friedlicher Protest wird mit brachialen Mitteln der Polizei aufgelöst.“ Und die Landtags-Grünen meinen, der „Eklat war absehbar“. Sprecherin Meta Janssen-Kucz fordert eine Untersuchung im Innenausschuss.
HNA 13.1.2012
Nach Linken-Randale: Anzeigen gegen Polizei
Göttingen. Nach dem Polizei-Einsatz an der Universität Göttingen während einer Protestveranstaltung von linken Gruppen erwägen mindestens neun Demonstranten, Polizeibeamte wegen Körperverletzung anzuzeigen.
Eine Anwältin habe Videos und Augenzeugenberichte ausgewertet und die Anzeigen angekündigt, teilte der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) am Donnerstag mit. Die Studentenvertretung will das Vorgehen der Demonstranten unterstützen.
Bei einem Auftritt von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) war es am Dienstag zu Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und der Polizei gekommen. Laut Polizei wurden sechs Polizisten verletzt. Auch mehrere Demonstranten wurden verletzt. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Mindestens zwei Demonstranten suchten die Notaufnahme des Klinikums auf.
Anwältin sichtet Videos
Der konservative Studentenverbund RCDS, der Schünemann eingeladen hatte, verurteilte am Donnerstag das Vorgehen der Demonstranten. Gerade an einer Universität sollte Meinungsfreiheit hochgehalten werden, sagte ein Sprecher. Dies hätten „diverse politisch linksgerichtete Personen“ nicht erkannt. Unterstützung erhielten die Demonstranten von dem freien Studentenverband fzs. „Wenn der niedersächsische Innenminister an der Universität Göttingen offensichtlich nicht erwünscht ist, sollte er das akzeptieren“, erklärte ein Sprecher. (coe)
GT, 12.1.2012
„Brennpunkt des Linksextrememismus“
„Bewusst provoziert“
Sechs verletzte Polizisten, ein per Steinwurf beschädigtes Polizeifahrzeug, mehrere Strafverfahren wegen Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung. Das ist die Bilanz des Schünemann-Besuches. Die Reaktionen darauf waren gegensätzlich: Der RCDS verurteilt die Störung der Vorträge zur Sicherheitspolitik. Eine Diskussion der Gefahr durch extremistische Gruppen sei durch „linke Chaoten“ nicht möglich gewesen. Trotz „beispielhafter Deeskalation“ sei es von „gewaltbereiten Linksradikalen“ zu Verletzten gekommen. Landesvorsitzender Roman Schmitz verurteilte das. In einer Uni gelte das Ideal der Bildung. Hier aber sei es mit Achtung der Meinungsfreiheit nicht gut bestellt.
Die Grüne Hochschulgruppe kritisierte den Polizeieinsatz. Es seien bei mehrfachen Räumungsversuchen Studierende „teilweise erheblich verletzt“ worden. Der Polizei wird „Gewaltbereitschaft“ vorgeworfen, weil „friedlich Demonstrierende zusammengeschlagen“ worden seien. In dem Moment, als Schünemann schon abgefahren war, seien Demonstranten gewaltsam zurückgedrängt worden. Die Antifaschistische Linke sprach von „„brachialem Einsatz“ von Schlagstöcken, die Polizei indes von einem vorausgegangenen Versuch, das Ministerauto zu blockieren.
Vorwürfe gab es auch gegen den RCDS. Er habe sich für einen „CDU-Rechtsaußen“ als Redner entschieden und „bewusst provoziert“.
GT, 12.1.2012
„Brennpunkt des Linksextrememismus“
Drinnen Klage über Gewalt, draußen Gewalt
„Demonstrationen in Göttingen bleiben nur friedlich bei starker Polizeipräsenz.“ Diese „meine spezielle Erfahrung“, ausgesprochen am Dienstag um 19.05 Uhr im Hörsaal 008 von Polizeipräsident Robert Kruse, ist draußen vor der Tür nicht zu hören. Dennoch brandet genau in diesem Moment das auf, was man Schlachtenlärm nennt.
Göttingen. Martialisch geschützte Polizisten und jedes Weichen verweigernde Blockierer der linken Szene prallen gewalttätig aufeinander. Bilanz der Beendigung der Eingangsblockade vor dem Hörsaal, in dem Kruse und Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprechen: Beide Seiten melden „mehrere Verletzte“.
Zuvor hatten Demonstranten die Rede des Ministers vor dem Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) verhindern wollen. Die aber saßen schon im Saal; andere Interessierte wurden am Eintritt gehindert. Einige Störer hatten es noch hinein geschafft. Sie wurden des Saals verwiesen.
Extremismus so Schünemann, müsse man im Keim ersticken. Es gebe nicht guten oder schlechten Extremismus. Eine wehrhafte Demokratie brauche einen Verfassungsschutz, der Erkenntnisse rechtzeitig mit der Polizei austausche. Erneut forderte er die Vorratsdatenspeicherung, mit der viele Taten aufzuklären seien und die man, wenn man nur das Urteil des Verfassungsgerichts umsetze, grundgesetzkonform ausgestalten könne.
Kruse ergänzte um die Sicherheitssituation in Göttingen und setzte den Schwerpunkt erwartungsgemäß auf linksextremistische Straftaten: Göttingen sei „unzweifelhaft Brennpunkt“ solcher Taten. Es gebe 250 gewaltbereite Linksextremisten. Erneut betonte er, dass alle Behörden übereinstimmend der Auffassung seien, dass auch der Brandanschlag im Kreishaus im Januar 2010 Linksextremisten zuzurechnen sei. Besonders empörend sei Gewalt gegen unschuldige Menschen, wie der Raub eines Thor-Steinar-Shirts, das ein „nachweislich unpolitischer Handwerker“ trug, oder Überfall und Brandanschlag gegen Burschenschaftler. Kruse: „Rechtsbrüchen, egal mit welcher Motivation, werden wir konsequent begegnen.“
Am Ende sorgt ein Frager noch für ein pikantes Finale: „Verfassungsfeindliche Symbole sind verboten. Warum dann nicht auch Hammer und Sichel, das Antifa-A und Marx, Engels und Liebknecht gleich mit?“ Das gibt Schünemann Gelegenheit zu diesem Satz: „Ich bin froh, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Meinungsfreiheit gilt und wir gefährlichen Ideologien mit Aufklärung und Bildung begegnen.“ Leider, so hatte Kruse gesagt, forderten Lehrer in Göttingen selten Präventionsmaterial gegen Linksextremismus an.
HNA, 12.1.2012
Linken-Demo gegen Innenminister Uwe Schünemann - Antifa: Das war der Auftakt zu einer Kampagne
Einsatzbilanz nach Göttinger Protestaktion: Sechs Polizisten verletzt, zwei Festnahmen.
Göttingen. Sechs verletzte Polizisten, ein zerbeultes Polizeifahrzeug, mehrere Ermittlungsverfahren gegen Demonstranten und zwei vorläufige Festnahmen - das ist die Bilanz der Polizei nach dem Einsatz bei einer Protestaktion an der Universität am Dienstagabend.
Im Zentralen Hörsaalgebäude hatten linke Gruppen gegen einen Auftritt von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse demonstriert (HNA berichtete). Auf Einladung des konservativen Studentenverbunds RCDS hatten die beiden an einer Diskussion zum Thema Kriminalitätsbekämpfung teilgenommen. Schon Tage zuvor hatten linke Gruppen dazu aufgerufen, den Zugang zum Saal zu blockieren.
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehreren Hundertschaften auf dem Campus im Einsatz. Während der Veranstaltung kam es im Foyer zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei.
Ernster wurde es, als der Innenminister nach Hause fahren wollte: Rund 100 Linke hätten seinen Dienstwagen umlagert und Polizeifahrzeuge blockiert, sagte Polizeisprecherin Jasmin Kaatz am Mittwoch. Dabei sei ein Polizeiauto mit einem Pflasterstein beworfen und erheblich beschädigt worden. Als Polizisten die Blockade auflösen wollten, sei es zu „körperlichen Auseinandersetzungen“ gekommen, sagte Kaatz. Zwei Demonstranten wurden vorläufig festgenommen. Laut Augenzeugen wurden bei den Rangeleien auch einige Demonstranten leicht verletzt.
Die Göttinger Links-Partei wertete den Protest als Erfolg. Der Landtagsabgeordnete Patrik Humke erklärte am Mittwoch, den „massiven Polizeieinsatz“ auf dem Uni-Gelände im Landtag thematisieren zu wollen. Auch die Grüne-Hochschulgruppe kritisierte das Polizeiaufgebot. Sie gehe davon aus, dass die Veranstaltung eine bewusste Provokation des RCDS gewesen sei, sagte eine Sprecherin.
Aus Sicht der Antifa, die zuvor zum Protest aufgerufen hatte, hat eben dieser den Besuch Schünemanns zu einem „Debakel“ werden lassen. Die Aktion sei der Auftakt einer Kampagne gegen „die repressive Innenpolitik in Niedersachsen“, kündigte eine Sprecherin an. (coe)
taz, 12.1.2012
Faustschläge im Hörsaal
Polizeieinsatz in der Kritik
Bei einem Vortrag von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) an der Universität Göttingen ging die Polizei mit harter Gewalt gegen linke Demonstranten vor.
GÖTTINGEN taz | Ein Vortrag von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in der Universität Göttingen führte am Dienstag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und der Polizei. Linke AktivistInnen blockierten den Zugang zu dem Hörsaal, in dem Schünemann und Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse sprachen. Die Polizei räumte den Eingangsbereich, wobei die Demonstrierenden geschlagen, getreten, gewürgt und mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert wurden. Ein jugendlicher Aktivist verlor nach einem Faustschlag ins Gesicht das Bewusstsein, ein anderer erlitt eine Gehirnerschütterung. Zwei AktivistInnen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Nach Angaben der Polizei wurden sechs Polizeibeamte verletzt.
In einer Pressemitteilung begründete die Polizei ihr Vorgehen damit, die Demonstrierenden hätten versucht, sich "gewaltsam Zutritt zum Veranstaltungsraum" zu schaffen. Die taz kann nicht bestätigen, dass es einen solchen Versuch gegeben hat. Auch andere Augenzeugen haben einen solchen Versuch nicht beobachten können.
Während die Demonstranten vor dem Hörsaal standen, hatte der Vortrag im Inneren längst begonnen. Vor 270 Zuhörern referierte der Innenminister über innere Sicherheit in Niedersachsen. Polizeipräsident Kruse ergänzte die Ausführungen für den Bereich Göttingen. Einige AktivistInnen in konservativem Schick saßen auch im Publikum und störten Schünemann durch übertriebenen Jubel und lautes Klatschen. Drei Demonstranten mit migrantischem Hintergrund wurden vom Sicherheitsdienst hinausgeworfen. "Schiebt mich doch ab!" rief einer dabei.
Der Polizeieinsatz in der Universität steht nun in der Kritik. "Dass friedlich demonstrierende Studierende in ihrer Universität zusammengeschlagen werden, ist ein nicht haltbarer Zustand", sagte eine Sprecherin der Grünen Hochschulgruppe (GHG). "Die Universitätsleitung und die Universitätsverwaltung müssen sich fragen lassen, warum sie diese massiven Polizeieinsätze gegen ihre Studierenden unwidersprochen zugelassen haben", sagte Linken-Landtagsabgeordneter Patrick Humke. "Wir sind schockiert, dass die Universitätsleitung derartige Einsätze gegen die eigenen Studierenden offensichtlich billigt", findet auch Asta-Vorsitzender Kay Bents.
Leitende Verwaltungsmitarbeiter hatten das Geschehen beobachtet. Die Universität verweist in einer Stellungnahme darauf, dass die Polizei die Verantwortung für den Einsatz trage. Sie sei "nicht erfreut darüber, dass Veranstaltungen in ihren Räumen unter dem Schutz der Polizei stattfinden müssen". Ausdrücklich wird bedauert, dass Menschen verletzt wurden.
Die Proteste gegen den Innenminister waren nach dem Vortrag noch nicht vorbei. Vor dem Hörsaalgebäude wurde ein Polizeifahrzeug, in dem Schünemann abtransportiert werden sollte, von einigen AktivistInnen bedrängt. Ein Stein flog. In einer spontanen Sitzblockade versuchten drei Männer, Schünemanns Abfahrt vom Campus zu blockieren.
Zu den Protesten, an denen insgesamt bis zu 500 Menschen teilnahmen, hatten Göttinger Antifa-Gruppen aufgerufen. Sie kritisierten Schünemann für seine Flüchtlingspolitik, das Verharmlosen neonazistischer Gewalt und sein Vorgehen gegen die linke Szene.
ND, 12.1.2012
»Schünemann abschieben«
Verletzte und Festnahmen bei Protesten gegen Niedersachsens Innenminister
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) besuchte am Dienstagabend auf Einladung des RCDS die Universität in Göttingen. Begleitet wurde die Veranstaltung von Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik des Bundeslandes und Schünemanns Warnungen vor »Linksextremismus«.
Umgestürzte und zerschlagene Tische, zerrissene Transparente und Flugblätter, zerbeulte Plastikflaschen. Einem »Schlachtfeld«, wie eine Studentin erschrocken äußert, gleicht der Eingangsbereich vor dem Hörsaal 008 der Universität Göttingen am Dienstagabend zwar nicht unbedingt. Doch der Müll, die Papierfetzen und einige liegen gebliebene Kleidungsstücke zeugen von den vorausgegangenen Turbulenzen. Eine gute Stunde lang hatten linke Demonstranten, und Polizisten heftig um die Vorherrschaft an den Türen zu dem Raum gerangelt, bis ein massiver Einsatz der Beamten die Protestierenden schließlich zurücktrieb. Es gab Festnahmen und Verletzte.
Die Handgreiflichkeiten waren die Begleitmusik zu einem Besuch von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) an der Hochschule. Ihn und den Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse hatte der unionsnahe Studentenverband RCDS zu einer Podiumsdiskussion über »Sicherheit in Niedersachsen, Sicherheit in Göttingen« eingeladen.
Der Termin rief schon im Vorfeld Reaktionen hervor. Schünemann und Kruse betonten immer wieder die Gefährlichkeit von Linksextremisten, »während sie in ihrer Bewertung rechter Gewalt mindestens auf einem Auge blind zu sein scheinen«, bemängelte etwa die Antifaschistische Linke International (ALI). Regelmäßig liste der Landes-Verfassungsschutz - Kruses ehemaliger Arbeitgeber - Göttingen als »Zentrum linksextremistischer Gewalt« auf, was auch Schünemann gerne wörtlich zitiere. »Neonazis, die sich bewaffnen, sind demgegenüber für den Innenminister offensichtlich kein Problem«, befand die ALI und rief für Dienstagabend zu einem »Blockadetraining« auf.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker erklärte mit Blick auf Schünemann, die bisher übliche »hartherzige« niedersächsische Flüchtlingspolitik schrecke nicht davor zurück, »Menschen in Nacht- und Nebelaktionen zu deportieren, selbst das Kirchenasyl zu kriminalisieren und auch Härtefälle nicht zu verschonen«. Und die Grüne Jugend freute sich vorab auf eine Erklärung des Ministers, »wie er in diesem Jahre dem Bayern Herrmann den Ehrentitel des Abschiebeministers zu entreißen gedenkt«.
Am frühen Abend gleicht der Campus einer Polizeifestung. Dutzende Mannschaftswagen stehen vor dem Hörsaalgebäude und den nahe gelegenen Studentenwohnheimen. Kleine Gruppen von Demonstranten ziehen mit Spottplakaten (»Schünemann Jugend Niedersachsen - SJN«) und Parolen rufend (»Gegen Linke, Dreck und Schmutz - Heimatschutz, Heimatschutz«) durch das Foyer. Der für die Veranstaltung angekündigte Raum ist von der Polizei besetzt. Gleichzeitig lotsen RCDS- und Security-Leute ausgewählte Zuhörer nach Gesichtskontrollen in einen benachbarten Hörsaal. Als sich Demonstranten dort zu einer Blockade formiert haben, sind Schünemann und Kruse von Beamten und Unibediensteten bereits durch einen Eingang im Obergeschoss in den Saal geleitet worden.
»Die wehrhafte Demokratie muss Extremismus aller Art bekämpfen«, ruft der CDU-Politiker unter dem Beifall seiner Anhänger ins Mikrofon. Keinesfalls dürften Politik und Sicherheitsbehörden unter dem Eindruck rechten Terrors die Augen vor linksextremistischer und islamistischer Gewalt verschließen. Sabotageaktionen gegen die Bahn, brennende Autos in Berlin, ein - tatsächlich noch gar nicht aufgeklärter - Brandanschlag auf das Göttinger Gerichtsgebäude seien Beweise für links-motivierte Gewalt.
Einige Linke, die trotz der Kontrollen in den Saal gelangt sind, ziehen durch Zwischenrufe die Aufmerksamkeit des RCDS-Moderators auf sich. Per Fingerzeig weist er die Securities an, die »Störer« rauszuwerfen - was dann auch unter dem Jubel und Füßestampfen vieler Zuhörer geschieht. Draußen an den Türen rangeln inzwischen Blockierer und Beamte immer heftiger. »Schünemann abschieben« und »Polizei raus aus der Uni«, donnern Sprechchöre durch das Gebäude. Die »Schünemann Jugend Deutschland« intoniert »U - U - Uwe«-Sprechchöre, einige Autonome skandieren »Union, Union, Sowjetunion.« Zwischen Transparenten und Plakaten, die Schünemanns Politik anprangern, ist auch ein Konterfei von PKK-Chef Özalan auszumachen.
Immer mehr Polizisten stürmen ins Getümmel, drängen die Menge gegen einen Treppenaufgang. Einige Beamte schlagen mit Fäusten gezielt in Gesichter und zerren Demonstranten an den Haaren. Augenzeugen beobachten auch Schlagstockeinsätze. Mehrere Protestierer werden verletzt, zwei vorläufig festgenommen, auch bei der Polizei soll es einige leicht verletzte Beamte geben.
Grüne Jugend und ALI kritisierten gestern den Polizeieinsatz. »Dass friedlich demonstrierende Studierende in ihrer Universität zusammengeschlagen werden, ist ein nicht haltbarer Zustand«, so eine Sprecherin des Jugendverbandes. Die ALI prangerte den »brachialen Einsatz« von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) in der Hochschule an. Für die verletzten Studierenden müsse die Universitätsleitung die Verantwortung übernehmen.
»Ich konnte selbst sehen, dass Polizeikräfte mit Anlauf und in voller Montur Rücksicht Leute umrannten, wegschubsten, um offensichtlich Eingänge zum Saal zu besetzen«, sagte der Göttinger Landtagsabgeordnete der LINKEN, Patrick Humke. Er kündigte ein »parlamentarisches Nachspiel« an. Der RCDS verurteilte erwartungsgemäß die Proteste. »Das Vorgehen der Störer und Blockierer offenbart ihr gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit«, befand der Bundesvorsitzende Frederik Ferreau.
Hamburger Abendblatt, 12.1.2012
RCDS: Kritik zu Störungen bei Schünemann-Auftritt
Nach Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Polizisten beim Besuch von Uwe Schünemann (CDU) wird Kritik am Polizeieinsatz laut.
Göttingen. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) hat die Proteste und Blockaden von linken Gruppen bei einer Veranstaltung mit dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Dienstagabend an der Universität Göttingen scharf verurteilt. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei beim Besuch von Uwe Schünemann am Dienstagabend in Göttingen sind auch sechs Beamte verletzt worden.
Ein Einsatzfahrzeug sei durch einen Wurf mit einem faustgroßen Pflasterstein erheblich beschädigt worden, sagte Polizeisprecherin Jasmin Kaatz am Mittwoch in Göttingen. Zwei Angehörige der linken Szene seien vorläufig festgenommen worden. Die Polizei habe zudem mehrere Verfahren wegen Sachbeschädigung, Landfriedensbruchs und Körperverletzung eingeleitet.
Schünemann und Göttingens Polizeichef Robert Kruse waren vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) zu einer Diskussionsveranstaltung über Sicherheitspolitik in die Universität eingeladen worden. Mehrere hundert Demonstranten hatten gegen den Besuch des Ministers demonstriert und zeitweise die Türen eines Hörsaals blockiert. Die Polizei räumte die Blockade gewaltsam, mehrere Protestierende erlitten Verletzungen.
Linke Gruppen und Parteien übten scharfe Kritik an dem Polizeieinsatz an der Universität. Die Grüne Jugend Göttingen erklärte, die Beamten hätten auch Hunde mitgeführt und gegen Studenten mehrfach Schlagstöcke eingesetzt. „Bei dem gewaltsamen Vorgehen und den mehrfachen Räumungsversuchen wurden mehrere Studierende gegen die Betonwände gedrückt und teilweise erheblich verletzt“, sagte eine Sprecherin. „Dass friedlich demonstrierende Studierende in ihrer Universität zusammengeschlagen werden, ist ein nicht haltbarer Zustand.“
Humke: Leute umgerannt und weggeschubst
Der Göttinger Landtagsabgeordnete der Linkspartei, Patrick Humke, sagte, er habe selbst gesehen, „dass Polizeikräfte mit Anlauf und in voller Montur Rücksicht Leute umrannten, wegschubsten, um offensichtlich Eingänge zum Saal zu besetzen“. Die Universitätsleitung und die Universitätsverwaltung müssten sich fragen lassen, warum sie diese Polizeieinsätze gegen ihre Studenten unwidersprochen zugelassen hätten. Humke kündigte ein „parlamentarisches Nachspiel“ im Landtag an.
Der RCDS-Bundesvorsitzende Frederik Ferreau sagte dagegen, das Vorgehen der Störer und Blockierer „offenbart ihr gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit“. „Für sie hört Freiheit da auf, wo entgegenstehende Ansichten beginnen.“ Statt die Gelegenheit zu nutzen, mit dem Minister in der Veranstaltung die Kritikpunkte offen zu diskutieren, sei versucht worden, anderslautende Meinungen von vornherein zu unterdrücken, fügte Ferreau hinzu. Polizeichef Kruse erklärte, einige Aktionen hätten „leider wieder einmal gezeigt, dass linksmotivierte Straftäter nicht davor zurückschrecken, für ihre Interessen auch erhebliche Gewalt gegen Personen und Sachen einzusetzen“.
HNA, 11.1.2012
Linke Gruppen protestierten gegen Auftritt von Innenminister Schünemann
„Mich würde mal das Kriterium interessieren, wer hier rein kommt und wer nicht!“ Eingekeilt zwischen zwei dunkelblauen Schultern hängt der junge Mann im Eingang des Hörsaals 008 der Uni Göttingen. Vor der Tür Demonstranten mit schwarzen Kapuzen und „Blockieren“-Transparenten, drinnen Polizisten in dunkelblauen Stoßschutzjacken.
Am Rednerpult begrüßt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) die rund 250 Zuhörer - unbeirrt, mit immer lauter werdender Stimme, bis der tosende Applaus von etwa zwei Dutzend Gästen verstummt. Der Beifall war nicht nett gemeint. Er sollte Schünemann am Reden hindern.
Im Vorfeld hatten unter anderem die Antifaschistische Linke International und die Gruppe „Redical M“ zu Blockaden und Protesten aufgerufen. Die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker entrollte einige Meter vor dem Hörsaal ein Transparent, um gegen Schünemanns Haltung in Asylfragen zu demonstrieren.
Im Foyer des Hörsaalgebäudes befinden sich schließlich 200 bis 300 Menschen, etliche davon als Zuschauer auf einer umlaufenden Galerie. „Die Linken brauchen auch ihre Schau. Eine halbe Stunde Ruhm“, sagt ein Jura-Student mit blauem Hemd und gescheiteltem Haar, der den Pulk an der Hörsaaltür beobachtet. Um 18 Uhr soll die Diskussion beginnen, zehn Minuten vorher geht ein „Er ist drin“ durch die Menge. Wie Polizei und Uni-Mitarbeiter den Minister in den Saal gebracht hatten, dürften kaum Zuschauer mitgekriegt haben.
Während Schünemann drinnen zu sprechen beginnt, gellen im Foyer Pfiffe, skandieren gut 100 Demonstranten „Raus aus der Uni!“. Das dringt nur gedämpft in den Saal. Dafür klatscht dort auf der linken Seite eine Gruppe Zuhörer scheinbar begeistert, sobald Schünemann auch nur ein Wort sagt, während ihm auf der rechten Seite drei junge Männer von ihren Sitzen aus zornig zurufen. Die Polizei ist mit mindestens einer Hundertschaft vor Ort, offizielle Angaben dazu gab es nicht. Zum Schluss greifen die Sicherheitskräfte hart durch: Sie bringen die zornigen jungen Männer aus dem Saal und räumen den Eingangsbereich. Augenzeugen zufolge wurden einige Demonstranten dabei leicht verletzt. (coe)
Wie die Antifa nach Göttingen kam
Ende der 70er Jahre, in der Zeit zerfallender K-Gruppen, traten alte und neue Nazis verstärkt auf den Plan. Gleichzeitig entstand aus einer militanten, undogmatischen Bewegung die Antifa.
Zu den Meilensteinen dieser Entwicklung zählen die großen Mobilisierungen gegen das NPD-Deutschlandtreffen in Frankfurt/Main 1978, 1979 und 1980. Diese und ähnliche Verhinderungsaktionen führten zur Zusammenarbeit unterschiedlicher politischer Strömungen und vielerorts zur Gründung von antifaschistischen Initiativen.
Demgegenüber fanden sich Autonome zunächst kaum in diesen Strukturen. Doch schließlich wurde Antifa in den 90er Jahren zu einem beherrschenden Thema und zu einer neuen außerparlamentarischen, strömungsübergreifenden und praxisorientierten Basisbewegung.
Deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Wie hat sich die Entwicklung im Detail abgespielt, welche Initiativen waren erfolgreich und warum?
Veranstaltung mit Bernd Langer (KuK)
Freitag, 9. Dezember 2011, 19.30 Uhr, Rotes Zentrum Göttingen, Lange-Geismar-Straße 2-3
Mit Plakatausstellung, geöffnet ab 18.30 Uhr, im Anschluss M-Cocktailbar
Bernd, Mitbegründer des antifaschistischen Arbeitskreises Bad Lauterberg, führendes Mitglied der ersten Antifa-Gruppe in Göttingen und aller folgenden, ebenso beteiligt an der norddeutschen Antifa-Koordination in den 80er Jahren, Initiator der kulturpolitischen Initiative KuK (Kunst und Kampf), Mitbegründer der Autonomen Antifa (M) ist bis heute politischer Aktivist und Autor diverser Bücher zum Thema. Weitere Infos: www.kunst-und-kampf.de
Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Club Göttingen und ALI (Antifaschistische Linke International), Unterstützer: Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen sowie